Kitabı oku: «Perry Rhodan Neo Paket 3: Das galaktische Rätsel», sayfa 16
Thora bemerkte, wie Sue sich immer näher an die Trage drängte. Nerlan sah nicht zurück. Entweder erkannte er nicht, was Sue tat, oder es interessierte ihn nicht. Im Gehen ergriff Sue Tschubais Hand.
Sie will ihm helfen. Tapfere Sue. Thora blieb stehen, um Sue Zeit zu verschaffen. Das Mädchen konnte seine Paragabe nicht im Gehen einsetzen, es brauchte dazu so viel Ruhe, wie es bekommen konnte. Sofort drängten sich Soldaten um Thora, einer stieß ihr in den Rücken, doch Thora ging nicht weiter. Sie wendete eine Dagor-Meditation an, verwurzelte die Beine fest in der Straße und hielt aus. Die Trage mit Tschubai hielt an. Innerhalb von Sekunden hatte Thora die Aufmerksamkeit aller.
»Ich brauche Wasser«, sagte sie fordernd. »Ist es üblich, dass der große Nerlan seine Gefangenen verdursten lässt?« Sie war noch immer zornig, dass Rhodan sich so bereitwillig ergeben hatte. Auch wenn sie instinktiv spürte, dass seine Entscheidung die richtige gewesen war.
Nerlan drehte sich um. Ein Grinsen spaltete sein verpickeltes, narbenverknotetes Gesicht. »Du hast Temperament, Weißhaar. Das mag ich. Ich werde es dir noch austreiben. Und nun geh weiter, oder ich lasse dich anleinen und auf allen vieren hinter mir kriechen.«
Thora unterdrückte eine scharfe Entgegnung. Ich würde diesen Mistkerl zu gern vor ein arkonidisches Kriegsgericht stellen. Sie vergewisserte sich, dass Sue die Zeit genutzt hatte. Knapp nickten sie einander zu, ehe sie weitergingen. Sue wirkte bleich, auf ihren Lippen lag ein dünnes Lächeln. Sicher hatte sie alles getan, um Tschubais Heilung anzustoßen. Vielleicht würde der Teleporter bald zu sich kommen und konnte sie aus der Gefangenschaft dieses Größenwahnsinnigen befreien.
Als sie in ein Viertel mit weitgehend intakten Häusern kamen, regnete es. Ein Prunkbau stach besonders hervor. Außer einem der sieben Türmchen fehlte ihm nichts. Mosaike bedeckten die gesamte Außenwand. Ferronische Arbeiter brachten unter dem fernen Grollen des Beschusses neue Kacheln an. Das Bild erschien Thora grotesk. Obwohl der Krieg zu hören, zu schmecken und zu sehen war, wurde gebaut, als gebe es nichts Wichtigeres als dieses Gebäude. Noch dazu bauten sie in einem Thora völlig unbekannten Stil mit aberwitzigen und protzigen Zierelementen. Der Planet musste wirklich sehr weit vom Zentrum Ferrol entfernt liegen.
Die Soldaten rückten näher heran. Thora ging so dicht hinter Sue, dass sie sie jederzeit hätte berühren können. Sie folgte Nerlan über eine breite Treppe in das prachtvolle Gebäude hinein. Ein stählernes Tor glitt vor ihr auf, das nicht zu der prunkvollen Fassade passen wollte. Das Innere des Hauses wirkte karg und unpassend, dafür aber zweckmäßig. Stahlplatten umgaben sie und schützten vor einem Luftangriff. Ein Schacht führte schräg in die Erde hinein. Er endete an einer Plattform.
Thora und Sue hatten die Plattform kaum betreten, als sie sich absenkte. Gemeinsam mit ihnen sanken Nerlan, Tschubai und fünf Soldaten in die Tiefe. Ein unangenehmer Druck breitete sich in Thoras Ohren aus. Gleichzeitig atmete sie einen widerlich süßlichen Geruch ein, ähnlich wie sie ihn in Terrania City an einer älteren, exaltierten Frau wahrgenommen hatte. Entfernt erinnerte er sie an verschimmelte Mandarinen.
Wie ein unausgewogenes Parfüm, dachte sie angewidert. Ob Nerlan damit den Gestank überdeckt, der von seinen Eiterpickeln ausgeht?
Der Schacht über ihr wirkte so grau und stumpf wie alles in dieser unbegreiflichen Welt. Thora warf einen kurzen Blick hinauf, ehe sie einen Waffenkolben zwischen den Schulterblättern fühlte. Mit zusammengebissenen Zähnen trat sie in einen prachtvoll ausgestatteten Raum. Eine schwere rote Tafel stand in der Mitte, einiges niederes technisches Gerät lag auf ihr. Thora erkannte einen Projektor und eine Funkstation mit tragbaren Empfangsgeräten. Um den Tisch standen an den Wänden groteske Statuen, die im künstlichen Licht funkelten, als bestünden sie aus Edelsteinen. Obwohl sie blau schimmerten wie die Haut von Ferronen, besaßen sie unzählige Extremitäten. Ob es heimische Tiernachbildungen waren? Noch verstörender wirkten die schwarzen Quarzplatten in Dreiecksform an der Decke. Zuerst hielt Thora sie für Spiegel, doch sie spiegelten nichts.
Hinter ihr fuhr die Plattform mit Tschubai tiefer in das Gebäude hinein. Wie viele unterirdische Stockwerke mochte es geben? Der Kommandostand lag gut fünfzehn Meter unter der Erde.
»Setzt euch!«, forderte Nerlan sie und Sue mit einer herrischen Geste auf. Er wies dabei auf ein Stück Teppich zwischen zwei besonders scheußlichen Statuen, deren zehn Glieder verdreht wirkten.
Sue ließ sich erschöpft auf den Boden sinken. Thora zog es vor, stehen zu bleiben. Sie bewegte sacht ihre Arme. Die Gelenke wurden in den Handschellen allmählich steif.
Aufmerksam sah sie sich im Raum um und versuchte zu verdrängen, in welcher Gefahr sie sich befand. Es gelang ihr nicht. Ihre Gedanken kreisten ununterbrochen darum, was Nerlan mit ihr und Sue vorhatte. Die Angst lauerte in ihr und wartete nur darauf, über sie herzufallen.
Nerlan setzte sich seitlich von ihnen an den Tisch, die vier Soldaten wichen an den Schachtzugang zurück. Wie stumme graue Wächter standen sie jeweils zu zweit links und rechts des Zugangs.
Bis auf die Anzahl der Glieder unterscheiden sie sich kaum von den hässlichen Statuen.
»Was haben Sie mit uns vor?«, brach Thora die Stille. »Und warum bieten Sie uns keinen Platz am Tisch an, wie es sich gehört?«
Wie zuvor beim Gehen drehte Nerlan sich nicht zu ihr hin. Das schien er nicht für nötig zu halten. Thora machte es rasend, wie er sie behandelte. Sie war eine arkonidische Raumschiffskommandantin, aber was erwartete sie? Dieser Wilde wusste vermutlich nicht einmal, was Arkoniden waren. Er hielt sie und Sue für ungewöhnliche Ferronen, eine Laune der Natur.
»Sei dankbar, in meiner Nähe sein zu dürfen.« Nerlans Stimme klang harsch. Er schien nicht zum Reden aufgelegt.
Neben ihr hob Sue am Boden sitzend den Kopf. So schwach ihr Körper wirkte, so energisch klang ihre Stimme. »Wohin bringen Sie Ras?«
Nerlan drehte sich nun doch zu ihnen um. Er stützte die Ellbogen auf der Tischplatte auf und legte die Fingerspitzen ineinander. Was er mit der Körperhaltung ausdrückte, blieb Thora ein Rätsel.
»Ras …«, sagte er gedehnt. »Ein ungewöhnlicher Name für eine ungewöhnliche Person, findest du nicht?« Er sprach nur Sue an, als wäre Thora Luft.
»Wird er wieder gesund?«, fragte Sue zittrig.
»Aber sicher. Ich brauche ihn. Denk an die Legende von Chantin-Ohn.«
Thora räusperte sich. »Die kennen wir leider nicht, Durhai Nerlan.«
Wieder tat er so, als sei sie nicht im Raum. Thoras Zorn gärte. Doch sie wusste aus den Simulationen, dass sie für eine Gefangene noch gut behandelt wurde. Sie zwang sich zur Ruhe. Vor diesem fetten Eiterhaufen würde sie sich keine Blöße geben.
»Ras wird für mich in der Schlacht kämpfen«, offenbarte Nerlan. In diesem Augenblick klang er vertraulich wie der nette Onkel, der seiner Nichte verrät, dass er ein Geschenk für sie gekauft hat. »Euer Freund wird meine Männer anspornen, denn in den Legenden heißt es, der große schwarze Chantin-Ohn sei unbesiegbar.«
Es gab ein Geräusch, das Thora erst nicht einordnen konnte, dann half ihr der Translator. Nerlan lachte schallend.
»Unbesiegbar«, schnappte er. »Was für ein Ammenmärchen. Aber die Dummen glauben das Dumme, nicht wahr?«
Ehe Thora oder Sue antworten konnten, durchdrang ein heller Ton den Raum. Die Plattform kam erneut an. Fünf Männer und drei Frauen traten ein, legten die Hände auf die Brust und öffneten beide Arme. Nerlan quittierte den Gruß mit einem schwachen Nicken.
»Nehmt Platz. Stört euch nicht an meinen Neuzugängen.«
Eine der Frauen blickte Thora neugierig an. Stolz begegnete Thora dem Blick. Sie erkannte Rukaar und einen weiteren Soldaten in der Gruppe. Sie registrierte die Unterschiede in der Kleidung der Soldaten und nahm diese als einzelne Personen wahr. Wie Rukaar trugen auch die anderen Verzierungen an den Stehkragen, die sie als Kommandanten kennzeichneten. Drei der Männer wiesen klassische ferronische Merkmale auf, die vorspringende Stirn, eher kleine Augen, den kompakten Körperbau. Aber selbst ihre Gesichter unterschieden sich gravierend voneinander. Am auffälligsten erschienen Thora zwei der Kommandanten, da ihre Stirnen kaum gewölbt waren. Sie sahen durch ihre Ähnlichkeit aus wie Brüder.
Die beiden Ferroninnen trugen die Haare kurz geschnitten, kürzer als die Männer. Ihre Nasen und Lippenkonturen wirkten feiner, doch der harte Blick der Augen stand denen der Männer in nichts nach.
Sie wirken wie Patrioten. Thora sah in Rukaars azurblaue Augen. Wie Verblendete. Engstirnig und von mentaler Härte.
Nerlan aktivierte den Projektor auf dem Tisch, indem er einen Schalter umlegte. Ein dreidimensionales Bild der Innenstadt flammte auf, verschiedene Stellen im äußeren Bereich waren grün und violett markiert. Thora erkannte Geschütze und Panzerfahrzeuge in Miniatur, die vor einer breiten dicken Mauer lagen.
Das sind Nerlans geplante Stellungen. Thora beugte sich interessiert vor. Durch die Fiktivspiele kannte sie viele Szenarien. Dieses gab ihr Rätsel auf. Wenn sie die Lage richtig verstand, war die äußere Stadt bereits eingenommen, nur der innere Kern von höchstens zwanzig Quadratkilometern musste erobert werden. Ihre Blicke wanderten über die Darstellung. Sie begriff.
Die Stellungen der Feinde sind nicht markiert. Wenn sie die nicht kennen, erwartet sie ein Häuserkampf. Aber warum kennen sie die Stellungen nicht? Es sollte doch möglich sein, sie ausfindig zu machen. Und warum gehen sie so nah heran? Ich würde meinen gesamten Angriff um mindestens dreißig Kilometer nach hinten versetzen und die Stellungen aus sicherer Entfernung ausradieren.
Ihre Betrachtungen konzentrierten sich auf die Zitadelle. Mit den Waffen der Ferronen ließ sich das Gebäude in Schutt und Asche legen. Dass die Anlage noch so intakt war konnte nur einen Grund haben: Sie war nicht oder kaum bombardiert worden. Nerlan wollte die Festung möglichst unversehrt einnehmen. Vielleicht hatte er vor, von dort aus zu regieren.
Thora stutzte. Konnte das sein?
Ich kenne diese Festung, dieser Grundriss … Und den Turm! Dort drüben war ich gefangen. Aber das ist unmöglich. Wenn das das Wüstenfort von Rofus ist, dann … Sie beendete den Gedanken nicht. Später, ermahnte sie sich. Später werde ich darüber nachdenken, was ich da entdeckt habe. Im Moment blieb die wichtigste Aufgabe, einen Fluchtweg aus dem Kommandostand zu finden. Sie musste zu Rhodan und den anderen zurück.
»In zwei Tagen greifen wir an«, sagte Nerlan in die Runde. »Die meisten Hochhäuser in den vorgesehenen Angriffsschneisen sind zerstört. Es wird Zeit, die Bodentruppen hineinzuschicken.«
»Es ist noch zu früh«, widersprach ein Kommandant mit glatter Stirn, auf der eine breite Narbe prangte. Er lehnte sich vor. Seine Stimme klang angenehm sanft, als spreche er zu einem nervösen Tier. »Wir sollten noch ein paar Tage warten, bis Jassnor mit ihren Leuten da ist. Die Grochoos mögen verweichlicht sein, aber um ihre Stadt werden sie kämpfen.«
»Sie werden kein nennenswertes Hindernis darstellen.« Nerlan hob den Kopf, sah in die Runde, als wolle er prüfen, wer für und wer gegen ihn war. »Ich habe für diese besondere Gelegenheit zweihundert Blendbomben aufgehoben, die über den Straßen das Licht Wegas verspotten werden. Ein blinder Gegner ist ein schwacher Gegner.«
»Aber …« Rukaar fuhr aus ihrem Sitz hoch. »Was ist mit meinen Soldaten? Sie sollen an vorderster Front kämpfen! Willst du auch sie blenden?«
»Setz dich, Rukaar.«
Rukaar setzte sich. Thora spürte die Spannung im Raum. Ihr war, als könnte sie sie auf der Zunge schmecken. Offensichtlich war es nicht üblich, Nerlan derart heftig zu widersprechen.
»Krieg erfordert Opfer«, sagte Nerlan schlicht.
»Opfer. Immer wieder Opfer. Ich kann es nicht mehr hören!«, begehrte Rukaar auf. »Wir haben so viele Kinder im Lager. Warum raubst du ihnen die Eltern, Durhai?«
Thora beobachtete, wie die anderen Teilnehmer der Besprechung unruhig wurden. Eine der Kurzhaarigen sah hektisch zum Ausgang.
Nerlan lehnte sich scheinbar entspannt in seinem Sitz zurück. Auf Thora wirkte er wie ein irdisches Krokodil vor dem Zuschnappen. »Dann solltest du einen Gesunder aufsuchen, Rukaar. Deine Ohren machen mir schon lange Sorgen. Wir werden die Blendwaffen einsetzen und danach reingehen und alles säubern. Vergiftete Munition ist noch genug vorhanden. Nur ein toter Städter ist ein guter Städter.«
Rukaar stand erneut auf, die Handflächen auf den Tisch gestützt. In ihrem Gesicht lag Zorn. Alle anderen duckten sich. »Warum nicht verlustschonender? Schick die T-Jäger vor, Durhai. Verzichte auf die Blendbomben. Und lass den Städtern die Chance, sich zu ergeben. Du sagst doch selbst immer, wie knapp Ressourcen sind.«
»Die Gorchoos hatten ihre Chance, Sir-Lan Rukaar. Und nun setz dich wieder hin.«
In Nerlans Gesicht trat ein Ausdruck, den Thora am ehesten mit Hass bezeichnen würde. Es war ihm deutlich anzusehen, wie sehr ihm Rukaars Aufbegehren missfiel. Thoras Magen wurde zu einem eiskalten Klumpen. Rukaar ging zu weit. Das Gewitter musste sich jeden Augenblick mit Blitz und Donnerschlag entladen. Neben ihr drückte sich Sue an die Wand.
Rukaar blieb am Tisch vor ihrem Sitz stehen. »Du handelst grausam, Nerlan. Du solltest …«
Nerlan fuhr hoch. Mit einer Behändigkeit, die Thora dem Fetten nie zugetraut hätte, sprang er auf die Tischplatte und trat Rukaar mit dem Stiefel ins Gesicht. Aufstöhnend sackte Rukaar in den Sitz zurück. Blut lief aus ihrem Mundwinkel und tropfte über den Stehkragen auf die Brust. Sie schlug keuchend die Hände vor die Augen.
»Geht!«, herrschte Nerlan die anderen Kommandanten an. »Die Einsatzbesprechung wird vertagt. Ich lasse euch rufen, wenn das geklärt ist.«
Die Kommandanten verließen den Raum fluchtartig.
Angespannt beobachtete Thora, wie Nerlan sich Rukaar zuwandte. Der dicke Durhai schien sie und Sue vollständig ausgeblendet zu haben. Trotzdem gab es keine Chance zu fliehen. Die vier Wachsoldaten in einfacher Uniform am Schachtzugang behielten alles im Blick. Ihre Hände lagen auf den Waffen.
Nerlan packte Rukaar an der Kehle. »Du hast mich mit meinem Ehrentitel anzusprechen, Rukaar. Vergiss dich nie wieder. Wenn du mich noch einmal bloßstellst, werde ich dir eine Kugel in den Bauch jagen und zusehen, wie du elend verreckst! Hast du das verstanden?«
Rukaar röchelte. »Ja … Durhai. Ich … habe verstanden.«
Er riss sie aus dem Sitz und schleuderte sie zu Boden, dass sie auf Knie und Hände stürzte. »Dann raus aus meinem Kommandostand! Es wird schon etwas in deinem Lagerabschnitt geben, was du tun kannst. Bis zur Schlacht will ich dich nicht mehr sehen.«
Wankend stand Rukaar auf. Sie stützte sich an der Wand ab. Thora sah, wie sie sich mühsam zusammenriss, um aufrecht den Raum zu verlassen.
Nerlan setzte sich mit dem Rücken zu ihnen an den Tisch.
Thora fühlte eine Hand, die nach ihrer griff. Sue war aufgestanden. Im ersten Moment glaubte Thora, das Kind suche Trost. Doch als sie in Sues Augen sah, schien es ihr eher, als wollte das Mädchen sie beruhigen. Tatsächlich raste ihr Herz unter der Brustplatte. Ihr war, als habe Nerlan sie getreten, nicht die Ferronin.
Das Schweigen im Raum wurde nur unterbrochen vom elektrischen Summen der Geräte. Ansonsten schien die Stille absolut. Thora presste die Zähne hart aufeinander und bedeutete Sue, sich wieder zu setzen. Sue schüttelte stumm den Kopf.
Mit einem abrupten Ruck fuhr Nerlan herum. Der Blick seiner kleinen Augen bohrte sich in Thoras. »Der Tag war unangenehm genug. Es wird Zeit, sich um die schönen Dinge des Lebens zu kümmern. Du darfst dich freuen, Weißhaar, denn dich erwähle ich zuerst.«
»Erwählen für was?«, fragte Thora ruhig, obwohl sie fürchtete, die Antwort zu kennen.
»Für mein Vergnügen«, sagte Nerlan leicht verblüfft. »Für was sonst. Du wurdest dafür geboren, mir zu dienen, sonst wärst du nicht in meinen Besitz gelangt.«
Thora biss sich auf die Lippen. Was für ein Wahnglaube. Und wie logisch in sich. Dieser Ferrone war absolut krank. Vermutlich hielt er sich für einen Auserwählten, einen Heilsbringer seines Volkes.
»Und wenn ich nicht will?«, fragte sie schroff zurück.
Sue sah sie flehend an, als wollte sie sie bitten, dieses Monster nicht herauszufordern.
Thora wandte den Blick von Sue ab. Es gab Momente, in denen konnte sie nicht nachgeben, ohne sich selbst zu verraten. Auch wenn es ihr Ende bedeutete. Hieß es nicht, dass nur ein Arkonide stolzer war als der Tod? Eisige Kälte breitete sich gleichmäßig in ihr aus.
»Wenn du nicht willst, willst du nicht«, sagte Nerlan gleichmütig. »Ich zwinge niemanden.« Er griff zur Projektilwaffe im Holster an seinem Brustgurt. »Ich stelle dich vor die Wahl.«
5.
Auf William Tifflors Spuren
Washington D. C., 17. September 2036
Das Weiße Haus war eine niedergebrannte Ruine.
Das ist doch gar nicht weiß, sondern grau. Gucky betrachtete das zerstörte Gebäude interessiert. Er hatte in Terrania Bilder der für die Menschen wichtigen Stadt gesehen. Das muss durchaus mal beeindruckend ausgesehen haben, bevor sie es kaputt gemacht haben, dachte er ungerührt.
Ihm fiel auf, wie still Mildred und Tiff geworden waren. Seine haarlosen Freunde waren Amerikaner, und die waren – wie jede Nation dieses blauen Planeten – auf ihre ganz eigene Art verrückt. Sie gaben sehr viel auf Symbole. Für sie gehörten diese Häuser zur Heimat, obwohl sie an ganz anderen Orten gewohnt hatten und das Land für ihre Verhältnisse riesig war.
Heimat, dachte Gucky. Das bedeutet für jeden etwas anderes. Er sah über den zerstörten Straßenzug hinweg und zwang sich, seine Gedanken nicht schweifen zu lassen, zurück ins All, Lichtjahre weiter. Es gab Dinge, über die er nicht gern nachdachte.
Die Erde erschien ihm gar nicht so übel. Etwas warm vielleicht. Voll von zu groß geratenen Verrückten, aber jede Menge Potenzial. Und es gab viel zu entdecken und zum Spielen. Eigentlich war das der Hauptgrund, warum er so schnell auf die Bitte eingegangen war. Er hatte sich tatsächlich in Terrania gelangweilt und wollte die Orte sehen, die er als Bilder kannte und über die er in den Gedanken der Menschen des Lakeside Institute Eindrücke gewonnen hatte. Das Wort Abenteuer hatte einen Schalter in seinem Kopf umgelegt.
Tiff suchte nach einem freien Parkplatz auf der großen Fläche nahe dem Supreme Court, die eigens für Touristen eingerichtet worden war, fand aber keinen. Als endlich ein Platz frei wurde, den Tiff rückwärts einparkend nehmen wollte, drängte ein anderer Wagen sie ab und zwang Tiff zum Bremsen. Der fremde Fahrer – ein schlaksiger Jungmensch – wollte seinen Wagen auf den Parkplatz setzen. In Gedanken regte sich Tiff ganz furchtbar über diesen für ihn rücksichtslosen Vorgang auf.
Gucky verzog die Lippen zu einem Grinsen und gab dem Wagen einen heftigen telekinetischen Stoß, der ihn versetzte. »Park ein, Sportsfreund«, forderte er Tiff auf.
Der grinste im Rückspiegel zurück. Sein jugendliches Gesicht wirkte zum ersten Mal seit ihrem Aufbruch aus dem Lakeside entspannt.
Der andere Fahrer fuhr kopfschüttelnd weiter, brachte das Geschehen aber offensichtlich nicht mit ihnen in Verbindung.
Sie stiegen aus dem Wagen und gingen in Richtung Straße. Ein grauhaariger Mann auf dem Gehweg sah interessiert zu ihnen und musterte Gucky.
»Geh auf allen vieren«, forderte Tiff zischend.
Gucky versteifte sich. »Was soll ich?« Es war schlimm genug, dass die Menschen so riesig waren, und nun sollte er sich freiwillig noch kleiner machen?
»Um Himmels willen, Gucky, du darfst nicht sprechen!« Mildred ging in die Knie und legte ihre Hände auf seine Schultern. Dabei verdeckte sie seinen Körper vor dem neugierigen Blick des Grauhaarigen. »Zieh entweder das Gewand und den Hut wieder an oder tu bitte so, als wärst du ein Hund. Wir wissen natürlich, dass du keiner bist.«
Gucky senkte den Kopf. Auf das kratzende Gewand und den Sicht einschränkenden Hut hatte er keine Lust mehr. Warum Menschen sich täglich in Baumwolle, Kunstfasern oder weiterverarbeitete Raupenkokons hüllten, blieb ihm ein Rätsel. Der Planet war doch warm genug. Dennoch sah er ein, dass er mit seiner menschlichen Gestik zu viel Aufmerksamkeit erregte. Eben schob ein glatthäutiges Weibchen einen Rollwagen vorbei, das Menschenjunge darin zeigte auf ihn und begann Rotz und Wasser zu heulen. Gucky spürte seine Panik.
Zahnknirschend ließ er sich auf alle viere ab, senkte den Kopf und trabte neben Mildred her. Dabei benutzte er seine Telekinese zur Unterstützung der Armmuskeln.
Sie gingen ein Stück den zerstörten Straßenzug entlang, noch immer begafft, aber nun deutlich zurückhaltender.
Menschenmassen marschierten stumm an ausgebrannten Häusern vorbei. Gucky wunderte sich einmal mehr über die Separierung der Menschen. Jeder hatte ein eigenes Auto, jeder ging seines Weges, selbst wenn er neben einem anderen herlief. Nur ganz selten fassten sich zwei an den Händen. Die Erdbewohner erschienen ihm wie kleine Inseln, von unsichtbarem Wasser getrennt. Nirgendwo sah er Trauergruppen beisammenstehen, obwohl viele Heime vernichtet worden waren. Auch ihren Schmerz schienen sie nicht zu teilen.
Mildred klang bedrückt. »Es muss schlimm gewesen sein. Die ganzen Kämpfe. Schaut euch die Häuser an. In den Medien haben sie es weich gezeichnet.«
»Klar«, brummte Tiff. »Amerika will vor der Welt nicht das Gesicht verlieren. Sicher reden die alles klein.«
Sie hatten die nächste Straßenkreuzung kaum erreicht, als ein breitschultriger Dunkelhäutiger auf sie zukam. Er trug ein grauschwarzes Oberteil mit Farbwechselmodus zu einer engen Synthetikhose, dazu sogenannte Hypers – eine für Gucky seltsame Art der Fußbedeckung, da sie je nach Farbmodus Teile vom Fuß erkennen ließ. Auch in Peking hatten manche Menschen solche Turnschuhe getragen.
Gucky drang mühelos in die Gedanken des Männchens. Sein Name war Maro Porter, er hoffte auf ein paar Dollar, indem er sie herumführte.
»Hey«, begrüßte Maro sie mit ausgebreiteten Armen. »Willkommen in Washington. Ich bin Maro. Braucht ihr einen preiswerten Reiseleiter für das spannendste Sightseeing Event, das ihr je erlebt habt?« Maro ließ zwei Zahnreihen perfekter weißer Zähne blitzen, um die Gucky in beneidet hätte, wenn sie etwas spitzer gewesen wären. »Ich weiß, wie man in die Ruine vom Weißen Haus kommt. Zeigt mir das Gesicht von Benjamin Franklin, und ich bringe euch rein.«
Tiff und Mildred sahen erst sich an, dann Gucky. Der Ilt spürte ihre Zweifel, aber auch ihre Neugierde. Besonders Mildred wäre gern ins Weiße Haus eingestiegen. Sie dachte an irgendein ovales Büro, das sie Oval Office nannte und in dem für sie ganz furchtbar spannende Dinge passiert waren. Gucky konnte sich nicht vorstellen, dass darin jemand an der Decke herumgeflogen war. Alles, was er bislang über die Regierung der Erde gehört hatte, klang nicht nach Spaß und konnte somit auch nicht spannend sein.
»Wir interessieren uns eher für den Supreme Court«, sagte Tiff zögernd.
»Das Gericht?«, fragte Maro nach. »Warum denn das? Ich kann euch was Besseres zeigen. Die Fantan haben am Lincoln Memorial den Spiegelpool mitgehen lassen und ihn dreihundert Meter weiter fallen lassen. Anscheinend war er ohne das Spiegelbild des Gebäudes für sie wertlos.«
Gucky zog die Lippen hoch. Seine Nase juckte. Von den Fantan hatte er vorerst genug.
»Aber am Gerichtshof fand der Prozess gegen Crest statt!«, warf Mildred ein. »Das ist doch aufregend genug, oder?«
»Verstehe.« Maro zeigte ein Dauergrinsen. »Arkoniden-Fans. Wenn ihr wollt, bringe ich euch für hundert Dollar auch da rein. Ich habe Beziehungen. Die Soldaten nehmen ihren Job nicht sehr ernst, solange was für sie abfällt.«
Gucky prüfte Maros Absichten und stieß Mildred mit dem Kopf leicht ans Bein. Sie sah zu ihm herab. Er nickte eindringlich, wie er es sich von den Menschen abgeschaut hatte.
Mildred und Tiff wechselten einen Blick. Tiff streckte die Hand aus. »Okay, Maro, aber Geld gibt's erst, wenn wir drin sind.«
Maro griff die Hand und schüttelte sie.
Gucky kannte diese Geste als Begrüßungszeremonie und begriff nicht recht, warum sie in diesem Moment angewandt wurde. Mit Freundschaft konnte es nichts zu tun haben. Schlossen die beiden eine Art Pakt?
»Einverstanden.« Gut gelaunt ging Maro voran. »Ihr seht nicht aus wie welche, die mich übers Ohr hauen wollen. Aber ihr seid echt schräg. Der Supreme Court. Na ja. Sonst wollen immer alle sehen, wo der gute alte Drummond seine letzten Worte ausstieß. Das ist das absolute Highlight. Die Kugel von Aylin Kerson hat ihn direkt unter der Flagge zwischen die Säulen gelegt. Habt ihr sicher gesehen, was? Ging ja um die Welt. Damit hat sie in der Geschichte den fünften Präsidenten der Vereinigten Staaten, der einem Attentat zum Opfer fiel, erwischt.«
Maro breitete Einzelheiten aus dem Leben in Washington der letzten Wochen vor ihnen aus. Gucky interessierte es nicht. Er fand es viel spannender, was Maro in den Pausen dachte, in denen er nicht redete. Maro starrte ihn immer wieder verstohlen an, dabei hatte er noch mehr Präsidentengesichter im Kopf.
Der will Geld, erkannte Gucky. Was anderes interessiert ihn nicht. Und irgendwie will er mich zu Präsidentenköpfen machen.
Gucky entschied, deswegen kein Drama zu inszenieren und Maro weiter auszuspionieren. Ein wenig schmeichelte es ihm sogar, dass Maro so viel über ihn nachdachte. Maro hielt ihn nicht für einen Außerirdischen, sondern für irgendetwas genetisch Erzeugtes. Eine Art künstlich geschaffene Kreatur aus Retorten.
Sie erreichten den Supreme Court, eine Ruine wie das Weiße Haus. Nur dass an ihr nichts mehr stand bis auf das Fundament. Säulenbruchstücke lagen verstreut, ein gelbes Absperrband hielt Neugierige zurück. Mehrere Schilder warnten vor dem Betreten. Es konnte nicht nur die von Rhodan und Mercant inszenierte Explosion beim Befreiungsversuch gewesen sein, die das Gebäude so zugerichtet hatte. Am Supreme Court war gekämpft worden. Ob Pro-Rhodan-Rebellen oder Anti-Rhodan-Fanatiker – eine von beiden Gruppen hatte an Sprengstoff nicht gespart. Alternativ hielt Gucky ein Missgeschick für möglich. Er gab wenig auf die Parkkünste der Fantan. Vielleicht hatten die laufenden Pilzwesen ein Raumschiff mit Übergröße auf einem besonders empfindlichen Statikpunkt des Gebäudes abgestellt.
Gucky fühlte Tiffs Entmutigung. Was sollten sie in diesem Trümmerhaufen noch finden? Wenn es Spuren gab, waren sie lange verschwunden.
In Maros Gedanken arbeitete es weiter. Das Männchen hatte Nerven. Der will mich von Mildred und Tiff trennen, um mich zu klauen, erkannte Gucky. Und er will mich verkaufen.
Einen Augenblick überlegte er, Maro eine Runde über die belebte Straße fliegen zu lassen, ließ es dann aber sein, Tiff und Mildred zuliebe.
Maro vermutete hinter Guckys Herkunft arkonidisches Know-how. Der Verweis auf Crest hatte ihn zu dem Gedankengang gebracht.
Ich bringe das Ding zu Heston, dachte Maro. Greg Heston handelt doch mit allem, auch mit Viechern und Menschen … Der hat sich auch welche vom Court gegriffen, bei der Verhandlung. Mir macht die alte Sau nichts vor.
Interessant, dachte Gucky und forschte weiter. Anscheinend handelte der Hehler Greg Heston mit besonderen Menschen. Maro hatte keine rechte Ahnung, mit was für welchen, aber Gucky kam ein Verdacht. Er hatte viel Zeit damit verbracht, die Erde und die jüngsten Geschehnisse auf verschiedenste Weise zu studieren. Es gab nicht nur in Terrania Mutanten. Auch beim Prozess war Monterny mit seinen Schützlingen anwesend gewesen. Ob der Hehler Mutanten sammelte, um sie an den Meistbietenden zu verkaufen? Was für ein Wesen musste man sein, um seine eigene Art gegen Geld zu tauschen?
Ein Anflug von Kopfschmerzen quälte Gucky. Das Lesen von Maros Gedanken strengte an.
Guckys Blick fiel auf Tiff. Ob Heston Mutanten sammelt, ist zweitrangig. Wichtig ist, diesen Hehler auszuspionieren. Wenn Menschen verschwunden sind, war Tiffs Vater vielleicht dabei.
Erneut stieß er Mildred mit dem Kopf ans Bein und hoffte, dass seine haarlose Freundin anhand seiner Blicke begriff, was er wollte.
Er spürte Mildreds Zögern und schnappte auf Oberschenkelhöhe zu. Spielend drang sein Zahn durch die dünne Hose. Schmeckte gar nicht übel, wenn man Fleisch mochte. Zumindest nicht schlechter als das andere menschliche Essen. Was die Küche betraf, konnten die Menschen noch eine Menge lernen.
»Aua, Gucky!«, beschwerte sich Mildred. Sie verstummte errötend und sah zu Maro Porter. »Entschuldigen Sie, ich glaube, der Hund hat Hunger, und wir …« Sie schenkte Maro ein Lächeln. »Wir auch, ehrlich gesagt. Aber wir würden die Führung nach einer Stärkung gern fortsetzen. Könnten Sie ein paar Minuten warten?« Sie zeigte auf einen Hotdog-Stand auf der anderen Straßenseite, der Touristen zu besonders überteuerten Preisen versorgte. »Wir holen uns kurz was und sind gleich wieder da.«
»Geht klar, warum nicht. Ich muss eh noch eine Runde telefonieren.« Maro zückte einen Pod.
Gucky drängte Mildred von dem Dunkelhäutigen fort. Zusammen überquerten sie die Straße.
»Was ist denn los?«, fragte Tiff.
Gucky teilte ihnen flüsternd mit, was er erfahren hatte. Dabei drückte er ihnen seine ganze Verachtung darüber aus, wie dieser Maro über Menschen und Tiere dachte. »Dieser Hehler Heston ist sicher noch schlimmer. Vielleicht weiß er was über deinen Vater, Tiff. Wir müssen an ihn rankommen.«
»Und wie?«, fragte Tiff stirnrunzelnd.
»Das ist doch ganz klar«, gab Gucky zurück und ließ seinen Nagezahn blitzen. »Ich lasse mich von Maro entführen.«
Mildred Orsons
Mildred fühlte sich nicht wohl dabei, Gucky einer solchen Gefahr auszusetzen, doch der Mausbiber beschwichtigte ihre Sorge. Gucky hatte ohne Zweifel außergewöhnliche Fähigkeiten und konnte sich jederzeit von Maro wegteleportieren.
Der Plan war, dass Gucky sich von Maro zu Heston bringen ließ und diesen ausspionierte. Er würde Tiff und sie verständigen, sobald er wusste, wo sich Heston aufhielt. Ihr Treffpunkt blieb der Supreme Court, den Gucky glaubte gut wiederfinden zu können. Wenn seine Mission erfolgreich beendet war, wollte er zum Court zurückkehren und dort in einem Versteck zwischen den Trümmern warten, bis er Mildreds oder Tiffs Gedanken wahrnahm. Dann würde er telekinetisch auf sich aufmerksam machen.


