Kitabı oku: «Perry Rhodan Neo Paket 3: Das galaktische Rätsel», sayfa 2
2.
Crest da Zoltral
Vor den Azoren, 13. September 2036
Es war Nacht in der stählernen Kuppel am Grund des Atlantiks.
Zumindest das, was die Menschen mit diesem Begriff bezeichneten. Mehrere Hundertschaften von ihnen hatten die von Arkoniden errichtete Kuppel zu ihrer Heimat gemacht. Es waren Wissenschaftler aller Sparten. Sie versuchten, der Kuppel ihre Geheimnisse zu entreißen.
Sie brannten vor Eifer. Sie arbeiteten sechzehn, ja achtzehn Stunden ohne Pausen, um dann ausgelaugt auf ihre Betten zu sinken. Die Menschen hofften, mithilfe von Medikamenten ihren Bedarf an Schlaf zu senken. Doch es gelang ihnen nicht. Sank ihre Schlafzeit unter sechs Stunden, sank ihre Leistungsfähigkeit drastisch.
Die Menschen brauchten ihren Schlaf. Ungestörten, tiefen Schlaf.
Ungestörter, tiefer Schlaf war ein Luxus, der einem alten Arkoniden nur selten vergönnt war. Ein Luxus, auf den Crest da Zoltral verzichten konnte. Drei oder vier Stunden genügten ihm.
Damit standen ihm zwei Stunden zur Verfügung, in denen er ungestört von den Menschen war.
Crest da Zoltral blieb vor dem schweren Schott stehen. Lautlos glitt es zur Seite. Der Arkonide trat in den Raum. Licht flammte auf, enthüllte, dass die Zentrale der Kuppel verlassen war. Crest trat in den runden Raum, befahl der Kuppelpositronik mit einer Handbewegung, das Licht zu löschen.
Der Computer gehorchte.
Dunkelheit senkte sich über den Raum, durchbrochen nur vom sanften Glimmen der Bereitschaftsanzeigen. Es genügte Crest, um den Weg in die Mitte der Zentrale zu finden. Er ließ sich in den Kontursessel des Kommandanten sinken. Das Material war weich und warm, erinnerte an die Haut eines Tieres und passte sich dem Körper des Arkoniden automatisch an.
Virtuelle Konsolen flammten auf, boten Crest ihre Dienste an.
Der Arkonide verscheuchte sie mit einer Geste.
Er lehnte sich zurück, schloss die Augen und horchte. Tiefes, vielfältiges Summen erfüllte die Kuppel, verriet die Vielzahl der Aggregate, die in Bereitschaft auf die Anweisungen des Arkoniden warteten. Sie erinnerten Crest an die AETRON, das Schiff, mit dem er in das System der Menschen gekommen war. Oft hatte er im Bett seiner Kabine gelegen, hatte den Schiffsgeräuschen gelauscht und sich gefragt, was wohl vor ihm liegen mochte. Die Ausgeburten seiner Phantasie waren verwegen gewesen – und doch hatte keine von ihnen auch nur im Ansatz dem geähnelt, was tatsächlich geschehen war.
Crest da Zoltral hatte Arkon nur widerstrebend verlassen. Man hatte ihn dort verehrt, manche hatten ihm sogar als Gelehrten gehuldigt, der beispiellos in der langen Geschichte der Arkoniden war. Andere wieder hatten ihn verhöhnt und verachtet. Der Regent wiederum hatte den alten Mann mit dem scharfen Geist argwöhnisch beobachtet. Zu Recht hatte er befürchtet, dass Crest seiner Herrschaft hätte gefährlich werden können, dass der Gelehrte das brüchige weltanschauliche Fundament, auf dem seine Macht ruhte, vernichten könnte.
Anfangs hatte der Regent sich gegen die Expedition der AETRON gewandt. Aus Prinzip, glaubte Crest im Nachhinein, weil ihm alles verdächtig erschien, was der Gelehrte unternahm. Schließlich hatte er ihn und Thora ziehen lassen, im Glauben, den intellektuellen Plagegeist ein für alle Mal los zu sein.
Eine wohlfundierte Prognose. Wie vom Regenten nicht anders zu erwarten. Crest missfielen Mittel und Ziele des Herrschers, sein von Paranoia geplagtes Weltbild. Aber der alte Arkonide war zu klug, als dass er seinen Gegner als unfähig abgetan hätte.
Der Regent war außergewöhnlich intelligent, außergewöhnlich kompetent – und genau das war das Übel für Arkon.
Crest öffnete die Augen, stellte sich für einen Augenblick vor, er schwebe allein im Weltraum und bei den Bereitschaftslichtern handele es sich um Sterne.
Arkon, der Kampf gegen den Regenten hatten ihm alles bedeutet – und nun schien die Heimat unendlich weit entfernt. Ja, unwichtig.
Er, der große Gelehrte des Großen Imperiums, war unter Barbaren gestrandet. An der Peripherie des Imperiums, das seit langer Zeit nur noch dem Namen nach unter der Herrschaft Arkons stand. Die Barbaren hatten ihn misshandelt, ihn vor Gericht gestellt und gedroht, ihn umzubringen. Doch andere Barbaren hatten ihn gerettet. Sie hatten die Immunschwäche geheilt, die ihn mit jedem Tag hatte schwächer werden lassen und ihm innerhalb kürzester Zeit das Leben gekostet hätte.
Die Krankheit, die arkonidische Ärzte nicht hatten heilen können. Oder es aus Furcht vor dem Zorn des Regenten nicht gewagt hatten?
Crest hatte diese Barbaren, die Menschen, zu schätzen, ja zu lieben gelernt. Sie rührten etwas in ihm an, was er nicht in sich vermutet hätte.
War es ihr Tatendrang? Ihre Begeisterung? Ihr Optimismus? In einem Wort: ihre Jugend?
Konnte eine intelligente Art überhaupt jung oder alt sein?
War diese Art von Kategorisierung nicht hanebüchener Unsinn? Eine fahrlässig grobe Verallgemeinerung, die mehr über seine eigenen Sehnsüchte verriet als über diese Menschen?
Crest wog den Gedanken ab. Früher hätte er diese Fragen nicht auf sich selbst gestellt erörtern müssen. Sein unsichtbarer Gedankenfreund wäre an seiner Seite gewesen, hätte ihn mit seinen erbarmungslos ungeschminkten Beobachtungen daran gehindert, unsaubere Schlüsse zu ziehen. Doch der Extrasinn, Zeichen seines privilegierten Standes, war verstummt.
Hatte ihm die Wendung von Crests Schicksal die Sprache verschlagen? Oder hatte ihn die Behandlung der Menschen, die ihm, Crest, das Leben gerettet hatte, umgebracht?
Oder hatte der Extrasinn es einfach aufgegeben, auf den alten Narren einzureden, an den seine Existenz unentrinnbar gekettet war?
Der Extrasinn hatte vehement gegen die Expedition der AETRON argumentiert. Er hatte Crest verspottet, hatte den Flug als intellektuelle Fehlleistung eines alten Arkoniden bezeichnet, der mit seiner Angst vor dem Tod nicht zurechtkam. Eine Flucht aus der Verantwortung. Er hatte Crest einen ebenso elenden wie unvermeidlichen Tod prophezeit.
Zu Recht?
Crest lebte. Und er war in dem abgelegenen System der Menschen auf Dinge gestoßen, die er nicht für möglich gehalten hatte. Wie diese stählerne Kuppel, die dreitausend Meter unter der Meeresoberfläche lag, von seinen Artgenossen vor etwa zehntausend Erdjahren errichtet. Oder die Zuflucht auf der Venus. Oder die TOSOMA, das Schlachtschiff, das sie nur wenige Kilometer von der Kuppel entfernt gefunden hatten, halb im Meeresboden versunken.
Wer mochte vor ihm auf dem Platz des Kommandanten gesessen haben?
Was mochte in ihm – oder ihr? – vorgegangen sein?
Vor zehntausend Jahren hatte das Große Imperium einen mörderischen Krieg gegen die Methans ausgefochten. Er hatte die Arkoniden an den Rand des Untergangs gebracht.
Unzählige Geschichten berichteten von den Heldentaten der damaligen Arkoniden. Sie schienen überlebensgroß, aus einem anderen Holz geschnitzt als gegenwärtige Generationen. Crest und seine Zeitgenossen schienen nur ein Abklatsch.
Traf das zu?
Ein Gedanke kam Crest. Auch die Menschen kannten diese Art von Überlieferung. Crest verbrachte täglich mehrere Stunden damit, in der Literatur und den Mythen der Menschen zu lesen. Vor einigen Tagen war er auf Hesiod gestoßen. Ein Grieche, der vor über zweieinhalbtausend Jahren gelebt hatte. Ein Ackerbauer, der sich zugleich als Dichter betätigt hatte. Hesiod hatte an die Abfolge von Weltzeitaltern geglaubt. Am Anfang hatte das Goldene Zeitalter gestanden, der perfekte Urzustand der Menschheit. Ihm war das Silberne Zeitalter gefolgt, die Ära der Heroen. Ihm schließlich hatte sich das Eiserne Zeitalter angeschlossen – das Jammertal menschlichen Elends, in dem sich Hesiod selbst gesehen hatte.
Ließen sich die Weltzeitalter Hesiods auf seine eigene Art übertragen? War das Eiserne Zeitalter der Arkoniden angebrochen? Und wenn dem der Fall sein sollte – was würde als Nächstes folgen? Der Untergang der Arkoniden?
Crest streckte sich, wollte die düsteren Gedanken abschütteln. Wie konnte er nur die Legende ernst nehmen, die ein primitiver Ackerbauer vor vielen Jahrtausenden gesponnen hatte?
Es war absurd – und zugleich musste sich Crest eingestehen, dass genau das ihn zur Erde geführt hatte: eine Legende.
Eine Legende, der er auf den Grund gehen würde.
»Positronik?«
»Zu deinen Diensten.« Die Stimme war nicht zu verorten. Sie stand einfach im Raum.
»Du erkennst an, dass ich Kommandogewalt über dich besitze?«, sagte Crest.
»Ja.«
»Uneingeschränkt?«
»Ich diene dir, soweit es in meinen Möglichkeiten steht.«
Eine Floskel? Oder ein Fingerzeig darauf, dass seine Gewalt begrenzt war?
»Wer hat dich erbaut, Positronik?«, fragte er.
»Arkoniden.«
Eine korrekte Antwort auf eine Frage, die längst beantwortet war.
»Wer hat den Befehl zu dem Bau gegeben?«, präzisierte Crest.
»Der Kommandant.«
»Wer war der Kommandant?«
Die Antwort des Rechners kam ohne Zögern: »Der Oberbefehlshaber der Schutzflotte der arkonidischen Kolonie auf Larsaf III.«
»Larsaf III« war die arkonidische Bezeichnung für die Erde. Der Planet war nicht als wichtig genug erachtet worden, um ihm einen eigenständigen Namen zu geben.
»Wie hieß der Kommandant?«
»Ich kann mich nicht erinnern.«
»Man hat deine Erinnerung gelöscht?«
»Das ist möglich. Ich kann mich nicht erinnern.«
Die Aussage war folgerichtig. Angenommen, der Kommandant wollte seine Spuren verwischen – dann war es nur konsequent, auch das Verwischen der Spuren selbst zu verwischen.
»Zu welchem Zweck wurde die Kuppel erbaut?«, setzte Crest die Befragung fort.
»Als Zuflucht für die Kolonisten.«
»Welche Kolonisten? Die Menschen haben keine Spuren einer arkonidischen Kolonie auf ihrer Welt gefunden.«
»Die Menschen sind in ihren Möglichkeiten eingeschränkt. Seit meinem Bau ist viel Zeit vergangen.«
»Wie viel?«
»In der Zeitrechnung von Larsaf III etwa zehntausend Jahre.«
Zehntausend Jahre. Es war die Zeit des großen Kriegs gegen die Methans gewesen. Die Angabe erklärte den Zweck einer Zuflucht. Und sie stimmte mit den Aussagen des Arkoniden Kerlon überein, den Perry Rhodan auf dem Mond Lannol im Wega-System getroffen hatte – einem Greis, der mithilfe von Tiefschlafeinrichtungen die Jahrtausende überdauert hatte. Doch zu einem hohen Preis: Kerlon war dem Wahnsinn verfallen.
»Kennst du den Namen Kerlon?«, fragte er einer Eingebung folgend.
»Ja.«
»Ja? Was weißt du über ihn?«
»Ein unter Arkoniden üblicher Name. Er …«
»Nein!«, unterbrach er den Rechner. »Ich meine eine bestimmte Person. Einen Offizier der Schutzflotte. Du musst von ihm wissen!«
»Ich erinnere mich nicht«, antwortete die Positronik.
Eine Ausflucht? Möglich, aber der alte Arkonide besaß keine Möglichkeit, Druck auf die Positronik auszuüben. Er musste auf andere Weise versuchen, mehr über die Vergangenheit herauszufinden.
»Du bist als Zuflucht konzipiert, sagst du«, fuhr er fort. »Wieso existiert dann eine weitere Zuflucht auf Larsaf II?« Er benutzte die arkonidische Bezeichnung für die Venus.
»Ich erinnere mich an keine weitere Zuflucht. Aber ihre Existenz wäre sinnvoll. Larsaf II ist lebensfeindlich für Arkoniden, ein gutes Versteck vor den Methans. Und es wäre folgerichtig, dass ich nichts von der Existenz einer zweiten Zuflucht weiß. Auf diese Weise kann ich sie nicht verraten.«
»Die Zuflucht auf der Venus war verlassen«, stellte Crest fest. Mit einer Ausnahme, aber auf sie würde er gleich zu sprechen kommen. »Auch in dieser Kuppel fanden wir keine Arkoniden. Wo sind sie?«
»Ich weiß es nicht. Ich nehme an, dass sie tot sind. Es ist viel Zeit vergangen.«
»Das ist kein Argument! In der Kuppel existieren Kälteschlafanlagen.«
»Das ist richtig.«
»Weshalb? Sie wurden nicht gebraucht! Ein Vorstoß der Methans hätte Tage oder maximal Wochen gedauert. Die Methans pflegten nicht zu verweilen.«
»Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist das richtig«, pflichtete die Positronik ihm zu.
»Wieso wurden die Anlagen dann installiert?«
»Auf Befehl des Kommandanten.«
Natürlich. Er hätte selbst auf die Antwort kommen können. Aber es erklärte nicht den Zweck. Wozu aufwendige Anlagen installieren, mit deren Hilfe man Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende überdauern konnte für einen Notfall, der allenfalls Monate anhalten würde?
»Wieso wurden sie mit einer Ausnahme nicht benutzt?«, fragte der Arkonide weiter.
»Sie wurden nicht benötigt.«
»Das ist falsch. Die Kolonie wurde angegriffen und vernichtet.« Es war die naheliegende Erklärung – und sie passte zu dem, was Kerlon berichtet hatte. »Der Kommandant muss andere Pläne gehabt haben. Oder handelte es sich um eine Frau?«
Die Positronik war kein organisches Wesen. Sie fiel nicht auf Crests durchsichtigen Vorstoß herein. »Ich erinnere mich nicht.«
»Das solltest du aber. Er lebt.«
»Der Kommandant lebt? Wie kommst du darauf?« War da ein unmerkliches Zögern? Oder hatte er es sich nur eingebildet?
»Wir haben DNS-Spuren von mehreren Arkoniden gefunden.«
»Das ist nicht anders zu erwarten. Wieso sollte das von besonderer Bedeutung sein?«
»Weil die Spuren eines Arkoniden eigenartig sind. Die Telomere der Chromosomen sind nicht verkürzt.«
»Das ist eine aufschlussreiche Information«, entgegnete die Positronik. »Was bedeutet sie?«
»Telomere sind die Enden der Chromosomen. Sie gewährleisten die Stabilität der Chromosomen. Aber bei jeder Zellteilung werden sie etwas kürzer. Unterschreitet die Telomerlänge ein kritisches Minimum, kann sich die Zelle nicht mehr weiter teilen. Der Organismus stirbt. Doch bleibt die Verkürzung der Telomere aus, bleibt der Tod aus. Der Organismus ist unsterblich.«
Sollte Crests kühne Behauptung die Positronik verblüffen, war dem Rechner nichts anzumerken. »Was du sagst, ist unmöglich«, beschied die Positronik dem alten Arkoniden. »Unsterblichkeit ist für organische Wesen nicht zu erlangen. Sie ist eine Legende.«
Ist sie das wirklich?, dachte Crest. Gibt es überhaupt »unmöglich«?
»Dein Erinnerungsvermögen scheint mir, was die fernere Vergangenheit angeht, eingeschränkt«, sagte er laut. »Kehren wir in die unmittelbare Vergangenheit zurück. Du hast einem Roboter und seiner Begleiterin, einer Halbarkonidin, Einlass gewährt.«
»Das ist richtig. Er war befugt.«
»Rico kam von der Venuszuflucht.« Zusammen mit Thora. Aber das war im Augenblick nicht von Belang. Von Belang war, dass der Roboter bei der Befreiung Crests aus der Gewalt des Mutanten Clifford Monterny zerstört worden war. Zumindest hatte es den Anschein gehabt. Tatsächlich hatten sich die Trümmer Ricos regeneriert. Er hatte die Menschen zur Kuppel vor den Azoren geführt – und in seiner Begleitung war Quiniu Soptor gewesen, eine Halbarkonidin, die zur Besatzung der AETRON gehört hatte.
»Das ist möglich«, räumte die Positronik ein. »Für mich war entscheidend, dass er autorisiert war.«
»Wie das? Wer hat ihn autorisiert? Der Kommandant?«
Der Rechner gab die Antwort, die Crest erwartet hatte: »Ich erinnere mich nicht.«
»Rico und seine Begleiterin befinden sich nicht mehr in der Kuppel?«
»Nein.«
»Auf welchem Weg haben die beiden die Kuppel verlassen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ich schon. Sie haben einen Transmitter benutzt.«
»Du meinst damit ein Gerät, das in der Lage ist, Materie in Nullzeit durch den Hyperraum an einen zweiten Transmitter an einem anderen Ort zu versetzen?«, fragte die Positronik.
»Ja.«
»Ihre Existenz ist lediglich eine Legende.«
Wie die Unsterblichkeit, dachte Crest. Und Transmitter existieren!
»In der Kuppel existiert ein Transmitter«, stellte Crest fest. Und durch dieses Gerät waren Rico und Quiniu Soptor vor den Menschen geflohen. Wieso? Über Rico wusste Crest so wenig, dass es nicht einmal für Spekulationen genügte.
Aber er kannte Quiniu Soptor. Sie hatte zur AETRON gehört. Wieso war sie durch den Transmitter gegangen? Soptor musste erfahren haben, dass er selbst und Thora sich mit den Menschen verbündet hatten. Weshalb also diese Flucht? Crest fiel nur eine Erklärung ein: dass Soptor glaubte, an einem anderen Ort etwas zu finden, was das Risiko wert war. Und was, außer der Unsterblichkeit, hätte das sein können?
»Ich weiß nichts von einem Transmitter in mir«, antwortete die Positronik. »Und ich weiß von allem, was in mir vorgeht.«
»Außer natürlich, du hast es vergessen.« Crest konnte sich den bissigen Kommentar nicht verkneifen. »Zeig mir einen Plan der Kuppel!«
Augenblicklich leuchtete ein Hologramm vor Crest auf. Crest zoomte es heran, dirigierte es mit beiden Händen in die gewünschte Position. Dann deutete er mit dem Finger auf einen kleineren, unscheinbaren Raum. »Wozu dient dieser Raum?«, fragte er.
»Lagerung von Ersatzteilen.«
»Ursprünglich war das der Fall. Zeige mir den Raum.« Ein weiteres Holo entstand. Es bildete den Raum in Großaufnahme ab – und den Transmitter.
»Was ist das für ein Gerät in der Mitte des Raums?«, drängte er.
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, antwortete die Positronik.
»Lüg mich nicht an!« Zorn wallte in Crest wider besseres Wissen auf. Positroniken war nichts unmöglich. Bis auf eines: Sie vermochten nicht zu lügen.
»Du weißt, dass ich dazu nicht in der Lage bin«, wies ihn der Rechner auf das hin, was ihm eigentlich bewusst war.
»Wieso siehst du dann nicht das, was ich sehe? Was du mir gerade zeigst? Wieso …«
»Störe ich?« Die Stimme kam von jemand hinter Crests Rücken. Sie sprach englisch.
Der Arkonide wirbelte im Sessel herum. Ein Mensch war unbemerkt in die Zentrale getreten. Er war mittleren Alters, trug eine Cargo-Hose mit weit ausgebeulten Taschen, eine lederne Weste und eine Kopfbedeckung mit breiter Krempe, die die Menschen »Cowboyhut« nannten.
»Mister Aescunnar? Was machen Sie hier mitten in der Nacht?«
»Ich konnte nicht schlafen.« Der Mensch lächelte. »Ich schätze, mir schwirren zu viele Fragen im Kopf herum. Ich dachte, vielleicht hilft ein Spaziergang.«
Cyr Aescunnar war seit zwei Wochen in der Kuppel. Homer G. Adams hatte sich für ihn eingesetzt. Aescunnar bezeichnete sich als Historiker, auch wenn er keinen der Abschlüsse vorweisen konnte, auf die die Menschen so großen Wert legten. Crest konnte nicht beurteilen, ob das seine Qualifikation schmälerte. Fest stand für ihn dagegen, dass Aescunnar ein außergewöhnlich heller Kopf war – und hartnäckig.
»Mir ging es ähnlich«, sagte Crest.
»Die Positronik ist störrisch?« Aescunnar zeigte auf die Holos.
»Störrischer als ein irdisches Maultier«, entgegnete der Arkonide. Aescunnar hatte ihm einmal von den bockigen Lasttieren erzählt, die seine Expeditionen des Öfteren aufgehalten hatten.
Der Historiker lachte. »Vielleicht ist es dann Zeit, sich einem lebenden Wesen zuzuwenden?« Er zwinkerte dem Arkoniden zu.
»Wie zum Beispiel einem unersättlich neugierigen Menschen wie Ihnen?«
»Zum Beispiel.« Aescunnar winkte einen Kontursessel heran, ließ sich, ohne hinzusehen, zurücksinken und sagte: »Mir geht unsere Diskussion von gestern nicht aus dem Kopf. Wie kann es sein, dass die Arkoniden vor zehntausend Jahren auf der Erde einen Stützpunkt oder sogar eine Kolonie errichteten, aber keine Spuren hinterlassen haben?« Aescunnar zog ein Tablet aus der Tasche und rief eine Bilddatei auf. »Wollen Sie vielleicht einen Blick hierauf werfen, Crest? Es ist eine Grabplatte, die man in Palenque im heutigen Mexiko gefunden hat …«
3.
Perry Rhodan
Gol, im Wega-System
»Antwort?«, fragte Perry Rhodan, ohne den Blick von dem havarierten Topsiderraumer abzuwenden. Der Rumpf schien zum Greifen nahe. Rhodan hatte die PANERC keine zehn Meter vom Bug des Schiffs entfernt zu Boden gebracht.
»Keine Reaktion«, entgegnete Reginald Bull. »Ich habe sowohl die Frequenzen durchgespielt, die das ferronische Militär ermittelt, als auch die, die uns der Weise Trker-Hon mitgeteilt hat.«
Giftgasnebel wallten auf, nahmen Rhodan die Sicht auf den Rumpf. Eine Erinnerung daran, wo sie sich befanden – und dass sie keine Zeit zu verlieren hatten. In dem Tal herrschte beinahe Windstille, aber das konnte sich jederzeit ändern.
»Chaktor, was haben Sie herausgefunden?«
»Die Infrarotspürer messen Temperaturen zwischen neun und zweiundzwanzig Grad in den meisten Sektionen des Schiffs an. Ausnahme ist die zentrale Kugel, dort liegen sie höher, bis zum vierstelligen Bereich.« Die Augen des Ferronen, die ohnehin tief in den Höhlen lagen, hatten sich so weit verengt, dass Rhodan ihren Ausdruck nicht deuten konnte.
»Das bedeutet zwei Dinge«, stellte er fest. »Der Rumpf ist allenfalls stellenweise geborsten. Und zumindest ein Reaktor ist weiter aktiv und versorgt die Lebenserhaltungssysteme.«
»Der Schluss liegt nahe«, stimmte der Ferrone zu.
»Konnten Sie Geräusche lokalisieren?«, fragte Rhodan. Es hatte sich herausgestellt, dass die Ferronen über eine hochstehende Horchtechnologie verfügten.
»Sie meinen Geräusche, die von Besatzungsmitgliedern stammen? Nein.«
Rhodan sah fragend erst zu Bull, dann zu Chaktor. Der Freund nickte. Der Ferrone machte eine zustimmende Geste, wenn auch zaghaft.
»In Ordnung, wir sehen uns das Schiff an.«
Eine grell orangefarbene Gangway entfaltete sich, arbeitete sich ringelnd über den Boden, als handele es sich um eine Schlange, und saugte sich am Rumpf des Topsiderraumers fest.
Sie gehörte zur Grundausstattung der PANERC und diente dazu, druckdichte Verbindungen zwischen Fahrzeugen im Vakuum herzustellen. Eine gewisse Reißfestigkeit war dafür unentbehrlich, aber Rhodan hegte keinen Zweifel, dass eine einzige Böe auf Gol den Schlauch in Fetzen reißen würde. Dennoch ließ er Chaktor gewähren. Für den Ferronen war die Gangway von höchstem psychologischen Wert: Sie bewahrte Chaktor davor, den Fuß auf die Welt der Geister setzen zu müssen.
Der Ferrone hatte beide Strahler gezogen, drehte sich unablässig im Gehen, während sie die kurze Distanz überbrückten. Gasschwaden trieben träge über sie hinweg, zeichneten Schemen auf das unter dem hohen Druck steinharte Material. Chaktor folgte ihren Bahnen, um sie zu zerstrahlen, sollten sie sich als Geister erweisen.
Die Gangway mündete an einem Schott. Bull machte sich an einem Handrad zu schaffen, das in den Rumpf eingelassen war. Vergeblich.
Rhodan räusperte sich und zischte einen langen Satz auf Topsidisch. Er hatte ihn von dem Weisen Trker-Hon gelernt, der instrumental bei der Beilegung des topsidisch-ferronischen Krieges gewesen war. Es handelte sich dabei um eine Ermahnung, die der Weise in einer Schlitzohrigkeit, die Rhodan einem Echsenwesen niemals zugetraut hätte, als den zwölften Satz der elf Sätze der sozialen Weisung seiner Art bezeichnet hatte: »Erkenne die Not. Handle. Öffne Geist, Herz und Tor dem, der in Not ist!«
Dieser Satz, hatte ihm der alte Topsider mit der Augenklappe versichert, würde ihnen Zutritt zu jedem beliebigen Topsiderschiff verschaffen. Es fiel Rhodan schwer zu glauben, dass dieselben Wesen, die die Ferronen überfallen, ihre Planeten verwüstet und Zehn- vielleicht Hunderttausende ermordet hatten, zu selbstlosen Regungen fähig waren. Aber er wusste auch, dass er Trker-Hon vertrauen konnte. Der Weise war ein außergewöhnliches Wesen.
Eine Automatik erwachte summend zum Leben. Das Schott glitt zur Seite, gab eine Schleusenkammer frei, die genug Platz für die beiden Menschen und Ferronen bot. Sie traten ein. Rhodan und Bull zogen ihre Waffen. Zischend strömte Luft in die Kammer, das innere Schott öffnete sich und gab den Blick auf einen Vorraum frei. An den Wänden hingen Raumanzüge und andere Ausrüstungsgegenstände in Verankerungen.
Der Raum war verlassen.
Bull sah sich suchend um und fand in der Wand einen Knotenpunkt des Bordnetzes. Er zog ein Multiwerkzeug aus der Oberschenkeltasche seines Kampfanzugs, ging in die Knie und machte sich daran, die Verkleidung zu lösen. Chaktor wirbelte derweil ruckartig auf dem Absatz herum, als fürchte er, ein Geist von Gol fiele ihn an, wenn er auch nur eine Sekunde zu lang auf der Stelle verharrte.
»Kreuzverflucht, Chaktor!«, schnauzte Bull den Ferronen an. »Hör auf mit dem Gefuchtel und hilf mir!« Chaktor drehte sich in Richtung des Freundes, als wolle er auf ihn losgehen. Dann ging ihm auf, dass der Mensch ihm lediglich helfen wollte, seine Angst zu bewältigen. Er ging zu Bull, legte die beiden Waffen ab und zog an der Verkleidung.
»Atmosphäre ist atembar«, meldete sich die Anzugpositronik Rhodans. »Sauerstoff-Stickstoff-Gemisch mit geringfügiger Beimengung von Edelgasen, wie von Topsidern bevorzugt. Temperatur 12,3 Grad. Künstliche Schwerkraft auf Topsid-Niveau von 1,3 Gravos. Ich empfehle, die Helme zu öffnen, um Atemluft zu sparen.«
»Empfehlung abgelehnt«, entgegnete Rhodan. Sie hatten nicht vor, viel Zeit auf Gol zu verbringen. Und auch wenn Rhodan nicht an die Geister der Ferronen glaubte, vergaß er nicht, dass sie sich in einer mörderischen Umgebung aufhielten. Die Stabilität an Bord des notgelandeten Topsiderraumers war brüchig. Die gewaltige Schwerkraft Gols, gepaart mit dem hohen atmosphärischen Druck, konnte sie jederzeit zunichtemachen.
Knisternd sprühten Funken, als Bull der Verkleidung mit einem gezielten Energiestrahl zu Leibe rückte. Rhodan nahm es aus dem Augenwinkel wahr, während er versuchte, das aufzunehmen, was die Instrumente seines Kampfanzugs nicht vermochten: die Stimmung an Bord des notgelandeten Schiffs. Sie behagte ihm nicht. Aber wieso?
Die Verkleidung polterte zu Boden. Bull fasste sich an die Hüfte, zog ein Kabel aus einer Tasche und steckte es in die rauchende Öffnung in der Wand. Kaum war die Spitze des Kabels darin verschwunden, ringelte es sich wie eine Schlange. Das Kabel suchte Kontakt.
Die Sensoren des Kampfanzugs registrierten den Rauch, leiteten den Duft an Rhodan weiter. Er war ihm überraschend vertraut, erinnerte ihn an die langen Samstagnachmittage, die er als Kind bei seinem Onkel Karl verbracht hatte. Der Onkel hatte in seiner Garage unter einem aufgebockten Auto gelegen und den Unterboden geschweißt.
»Bingo!«, murmelte Bull. »Kontakt hergestellt!«
Später am Abend hatten er und Karl zusammen Filme gesehen. Filme über den Zweiten Weltkrieg, für die sein Onkel ein unerklärliches Faible besessen hatte … Rhodan ruckte unwillkürlich hoch, als er verstand, was ihm nicht behagte. Er hatte erwartet, dass der Topsiderraumer ihn an ein havariertes U-Boot aus einem der Filme seines Onkels erinnern würde. Ein Rumpf, der unter der Belastung des hohen Drucks und der mörderischen Schwerkraft ächzte. Schummrige Notbeleuchtung. Schimmelduft in der abgestandenen, verbrauchten Luft. Eine Besatzung, die einem langsamen Erstickungstod ausgeliefert war.
Nichts davon traf zu. Was …?
»Habe ich es mir doch gedacht!«, rief Bull aus.
»Was ist?« Rhodan wandte sich an den Freund.
»Der Bordrechner ist tot, ebenso wie alle Redundanzsysteme.« Das Gesicht des Freundes war nicht zu erkennen. Reg hatte sich die Daten, die die Anzugpositronik aus der Verbindung generierte, auf die Innenseite des Helms gespielt. »Nur noch die Basisfunktionen sind intakt.«
»Wie kann das sein?«, warf Chaktor ein. Er war aufgestanden, hatte eine der Waffen wieder aufgenommen. »Wenn der Schaden so groß ist, sollten sie ebenfalls ausgefallen sein.«
»Eigentlich ja«, räumte Bull ein. »Aber sie sind es nicht. Ich schätze, das ist eine der Stärken des topsidischen Designs. Trker-Hon hat mir davon erzählt. Man muss das analog zum Hirnaufbau der meisten intelligenten Lebewesen sehen. Es gibt mehrere Schichten, die unterste ist das Stammhirn. Robust und kaum totzukriegen, wie bei der NESBITT-BRECK.«
»Bei der was?«
»NESBITT-BRECK. So heißt das Schiff. ›Funkelnder Stern‹.« Bull verzog das Gesicht. »Hätte unseren Echsenfreunden gar nicht so viel Poesie zugetraut.«
»Hast du eine Erklärung für den Zustand?«, schaltete sich Rhodan ein.
»Noch nicht. Aber ich liefere sie nach, wenn wir uns den Kahn in seiner Gänze angesehen haben. In Ordnung?«
»In Ordnung.«
Sie machten sich auf den Weg. Die Schleuse, durch die sie das Schiff betreten hatten, lag nahe des Bugs. Sie wandten sich in Richtung der zentralen Kugel des Raumers. Rhodans Kampfanzug sandte sowohl akustisch als auch auf den bekannten Frequenzen der topsidischen Flotte einen fortwährenden Friedensgruß aus: »Wir sind Freunde! Wir sind gekommen, um Ihnen zu helfen!«
Chaktor setzte sich an die Spitze, die beiden Waffen erhoben, bis Rhodan den Ferronen zurechtwies. »Chaktor, stecken Sie die Waffen weg! Wir sind nicht hier, um einen Kampf zu provozieren!«
Der Ferrone zögerte.
Rhodan setzte nach: »Und glauben Sie im Ernst, Ihre Geister würden sich von gewöhnlichen Strahlern beeindrucken lassen?«
Chaktor steckte die Waffen widerwillig in die Holster an den Oberschenkeln. Der Ferrone hatte Angst. Nur der Respekt vor Rhodan, dem Lichtbringer, brachten ihn dazu, der Aufforderung zu folgen.
Ein kerzengerader Gang führte zu der zentralen Kugel. Er war von Türen gesäumt. Sie standen offen. Die beiden Menschen und der Ferrone untersuchten jeden der Räume. Es waren in der Mehrzahl Mannschaftsquartiere, allesamt verlassen. Habseligkeiten lagen über den Boden verstreut, mussten beim Aufprall des Schiffs von ihren Plätzen gerissen worden sein. Rhodan konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, als kehrten die Bewohner der Quartiere jeden Augenblick zurück.
Unmittelbar vor der zentralen Kugel lag ein Hangar. Er war leer. Farbige Markierungen auf dem Boden zeigten an, dass er Platz für drei Beiboote bot.
»Das erklärt einiges«, sagte Bull. Der Freund ging in die Knie und strich mit den Fingern über die langen Rillen im Stahl, die von den Kufen der Boote herrühren mussten. Als handele es sich bei Bull um einen Jäger, der die Spur seiner Beute prüfte. »Die Besatzung hat sich rechtzeitig aus dem Staub gemacht.«
»Wahrscheinlich«, stimmte Rhodan zu. »Oder sie hat sich in die Zentrale zurückgezogen. Die Topsider haben während der Bodenkämpfe von vielen Schiffen die Beiboote abgezogen, um den Widerstand der Ferronen zu brechen.«
Bull verzog das Gesicht. »Reizende Vorstellung, in einem abstürzenden Schiff festzusitzen, weil dir das Oberkommando die Beiboote weggenommen hat.«
»Ich glaube, die Menschen haben dafür einen Ausdruck.« Chaktor machte ein zischendes Geräusch. »›Ausgleichende Gerechtigkeit‹!« Der Ferrone wandte sich ab. »Gehen wir weiter!«
Die zentrale Kugel schien anfangs unversehrt. In ihrem gepanzerten Innern lag die Zentrale des Schiffs. Wie bei arkonidischen Schiffen war sie als Zuflucht für die Besatzung gedacht. In ihr hatte die Mannschaft eine Chance, die Vernichtung des Schiffs zu überleben. Um die Zentrale spannte sich die Hohlkugel des Transitionstriebwerks, die praktisch das gesamte restliche Volumen dieses Segments einnahm. Gänge, die der Wartung dienten, führten durch die Außenbereiche. Sie folgten einem von ihnen – und stießen auf den Grund des Absturzes der NESBITT-BRECK.


