Kitabı oku: «Perry Rhodan Neo Paket 3: Das galaktische Rätsel», sayfa 3

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Der Schuss aus einem Strahlengeschütz hatte den Rumpf auf einer Fläche von mehr als zehn auf zehn Metern – die Kampfanzüge ermittelten den Wert – aufgerissen. Der Einschlag lag genau auf der Nahtstelle zwischen Kugel und Heckteil. Die NESBITT-BRECK war auf ihm zu liegen gekommen, weshalb sie den Treffer aus der Fähre nicht hatten feststellen können.

An dem Leck war gearbeitet worden. Es war notdürftig abgedeckt. Stählerne Streben stützten die Stabilität des Rumpfes.

»Bitter«, sagte Bull. »Keine Beiboote – und dann noch einen Treffer von den eigenen Leuten einstecken.«

»Das nennt sich Krieg«, antwortete Rhodan. Er wandte sich um, musterte die Wand, die das Transitionstriebwerk abschirmte. »Aber wenigstens ist der Schuss nicht bis zum Überlichttriebwerk vorgedrungen.«

»Zum Glück. Sonst hätten wir unseren Trip in die Hölle umsonst unternommen.«

»Die Geister! Es sind die Geister!« Chaktor schnappte nach Luft. Es ähnelte dem Hecheln, das Ferronen in Ermangelung von Schweißdrüsen praktizierten, um sich zu kühlen. Aber Chaktor war nicht zu heiß. Die Angst trieb seinen Puls nach oben.

»Unsinn!«, widersprach Bull. Er ging an eine der Streben und klopfte auf die unsaubere Schweißnaht. »Das hier ist die Arbeit von Überlebenden, die fieberhaft zu retten versuchen, was zu retten ist.«

»Ja? Wieso ist dann der Bordrechner tot?« Chaktors Gesicht schien noch bleicher als beim Anflug auf Gol. »Ein Leck im Rumpf erklärt das nicht! Und wieso reagiert die Besatzung auf unsere Funkanrufe nicht? Und wieso haben wir noch keinen einzigen Topsider gefunden?«

»Ein Teil der thermischen Energien wird sich als Schockwelle ausgebreitet, durch die Verkabelung des Schiffs fortgesetzt und den Bordrechner gekostet haben.« Bull ging auf den Ferronen zu, wollte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter legen, aber er ließ es, als Chaktor sich versteifte. Ruhig fuhr er fort: »Wir haben noch längst nicht das ganze Schiff durchsucht. Die Zentrale ist der sicherste Raum an Bord, dort …«

»Nirgends ist es sicher vor den Geistern!«

»Ich habe noch keinen gesehen.«

»Du …«

»Aufhören!«, ging Rhodan dazwischen. Bull und Chaktor waren einander vertraut, so etwas wie Kameraden geworden. Doch auch Kameraden gerieten sich in die Haare. »Das sind wilde Spekulationen. Wir stoßen zur Zentrale vor, dann sehen wir weiter. Klar?«

Er bekam keine Antwort, aber auch keinen Widerspruch. Rhodan setzte sich in Bewegung, Bull und Chaktor folgten schweigend. Sie gingen die Wartungskorridore ab, ohne auf weitere Beschädigungen zu stoßen. Schließlich erreichten sie das Schott, das sie von der Zentrale trennte.

Bull fand an der Wand einen weiteren Knotenpunkt und machte sich daran zu schaffen. Er sah auffordernd zu Chaktor, aber der Ferrone ignorierte ihn. Er stand breitbeinig vor dem Schott, beide Waffen entsichert und in Hüfthöhe auf die Öffnung gerichtet. Ein Flimmern legte sich um die gedrungene Gestalt. Der Ferrone hatte den Schutzschirm aktiviert.

Chaktor handelte aus Furcht. Und vernünftig zugleich.

Rhodan zog die Waffe, aktivierte den Schirm. Wer bis jetzt ihre Friedensbotschaften nicht gehört hatte, würde kaum auf sie ansprechen.

»Okay!«, rief Bull. »Ich habe den Mechanismus.«

Quälend langsam glitt das Schott zur Seite. Chaktor stieß einen Schrei aus und zwängte sich durch den größer werdenden Schlitz. Rhodan folgte ihm. Der Ferrone wirbelte durch die Zentrale, bereit, auf alles zu schießen, was sich bewegte.

Chaktor fand kein Ziel.

Die Zentrale war verlassen – von Topsidern wie Geistern.

4.

Wuriu Sengu

Vor den Azoren

»Muss das sein?«

Ariane Colas machte keine Anstalten, von dem Bett ihrer Kabine in der Unterwasserkuppel aufzustehen. Sie hatte sich ein Kissen unter den Kopf geklemmt. Ihre langen braunen Haare fielen über den Stoff. Ihre Lippen waren neongrün angemalt, in ihre Wimpern waren LEDs eingewebt, die pulsierend die Farbe wechselten. Von Rot auf Blau, auf Gelb und wieder auf Rot.

»Es muss«, sagte Wuriu Sengu, der im Türrahmen stehen geblieben war. In der Kabine duftete es nach allem, was die moderne Kosmetikindustrie an Essenzen aufzubieten hatte. Oder war es Ariane, die ihre Gabe spielen ließ? Egal, der Japaner musste ein Husten unterdrücken.

»Wieso? Du bist bestimmt hundertmal in den letzten Wochen durch die bescheuerte Kuppel gelatscht.« Ariane sah ihn nicht an. Ihr Pod lag auf dem Bauch. Das Gerät projizierte eine Galerie von Fotos und Videos an die Wand. Makellose, leere Gesichter, grell geschminkt – Männer wie Frauen. Ihre »Entourage«, wie Ariane sie nannte.

Dem Japaner fiel spontan eine bessere Bezeichnung für sie ein: »Bagage«.

»Das bin ich«, sagte Sengu. »Aber noch nicht im mentalen Block mit dir. Deshalb will ich, dass du mitkommst.«

Und weil mich Crest da Zoltral inständig darum gebeten hat, setzte er in Gedanken hinzu. Nur deshalb, du Zicke!

Ariane dreht den Kopf, musterte ihn abschätzig, als handele es sich bei ihm um ein unappetitliches Insekt. »Ein mentaler Block?« In die unsichtbare Duftwolke, die in der Kabine hing, mischte sich ein säuerlicher Unterton. »Dann kommen wir zwei uns näher … Glaubst du, dass du damit umgehen kannst?«

Wuriu Sengu ballte die Hände, dachte an Crest und schwieg.

Ariane nahm es zum Anlass, noch einen draufzusetzen. »Ich weiß nicht so recht. Was ist, wenn uns jemand beim Händchenhalten sieht? Dein Armeechic ist unterirdisch, Junge.« Wuriu Sengu trug eine ausgemusterte Uniform der chinesischen Volksbefreiungsarmee, von der alle Insignien entfernt waren. In den ersten Tagen Terranias hatten die Menschen keine andere Wahl gehabt, als sich bei den Beständen der ehemaligen Belagerungsarmee zu bedienen. Aus der Notwendigkeit war ein Modestil entstanden, dem Sengu aus Überzeugung folgte. Sie erschufen eine neue, bessere Welt, in der Äußerlichkeiten keine Bedeutung mehr besaßen.

»Er ist praktisch«, entgegnete er.

»Klar. Wie deine Frisur.« Ariane verdrehte die Augen. Ihre LED-Wimpern verfärbten sich zu einem schockierten Mausgrau.

»Gelstacheln. Das ist so … so …«, die Neunzehnjährige rang um Worte, »… so letztes Jahrtausend. Willst du damit die Kaninchen aufspießen, die du mit deiner Keule erschlägst, wenn du allein durch die Gobi spazieren gehst?«

Sengus Puls schlug bis zum Hals. Woher wusste sie von seinen einsamen Wanderungen? »Äußerlichkeiten«, brachte er hervor. »Das ist alles, was du siehst, was?«

»Natürlich, großer Held der Wega. Ich bin ja im Gegensatz zu dir nur ein gewöhnlicher Mensch. Ich habe die Erde nie verlassen. Ich kann nicht hinter die Kulissen sehen wie du …«

Der Japaner holte tief Luft, wünschte sich zurück auf die Wega. Es mit einer Kompanie topsidischer Raumlandesoldaten aufzunehmen, schien ihm ein Klacks gegen diesen oberflächlichen Teenager. Aber er würde nicht aufgeben. Er hatte den Topsidern getrotzt, er würde nicht vor diesem verwöhnten Mädchen einknicken.

»Gut, damit wären die Fronten geklärt. Begleitest du mich? Nur eine Stunde, Ariane. Bitte!«

»Na also, du hast doch Manieren, wenn du nur willst!« Arianes LED-Wimpern leuchteten freudig auf. Sie löste sich mit einer Geschmeidigkeit, die Sengu ihr nicht zugetraut hätte, von dem Bett. Im Raum stand plötzlich frische Seeluft. »Eine Stunde. Und keine Minute länger. Klar?«

»Klar«, antwortete der Japaner. Und dachte: Sonst gehe ich ohne Kampfanzug durch eine Schleuse!

»Der Aufbau der Station ist recht simpel.« Sengu hatte Ariane Colas an den höchsten Punkt der Anlage geführt, unmittelbar unter der Kuppel. Sie bestand an dieser Stelle aus einem transparenten Material, das Crest »Glassit« nannte – eines der vielen arkonidischen Wunder, hielt dieses Glassit doch dem Druck stand, den beinahe dreitausend Meter Wasser auf es ausübten.

»Die Kuppel, die aus dem Meeresgrund hinausragt, misst etwa einhundertzwanzig Meter. Daran schließt sich ein einhundertsechzig Meter tiefer Zylinder an.«

Ariane sah weder ihn an, noch schenkte sie der von starken Scheinwerfern erleuchteten unterseeischen Landschaft einen Blick. Sie spielte demonstrativ mit ihrem Pod.

Sengu ignorierte es ebenso demonstrativ und mit einer gewissen Schadenfreude. Ariane saß in der unterseeischen Kuppel im übertragenen Sinn auf dem Trockenen. Ihr Pod war abgeschnitten vom Netz und das Mädchen damit von ihrer Entourage. Sie konnte sich die Porträts ihrer virtuellen Clique ansehen, mehr nicht. Kein Chat, keine Live-Feeds, nichts, was das Leben für den Teenager ausmachte.

»Wir beide werden die Station systematisch von oben nach unten durchsuchen«, sagte der Japaner.

Ariane fingerte an ihrem Pod herum, als hätte er nichts gesagt.

Sengu legte die flache Hand über den Pod. »Hast du mich gehört?«

Sie sah auf, ihre LED-Wimpern funkelten ihn wütend an. »Ich bin ja nicht taub.« Widerwillig klinkte sie den Pod an den Gürtel. »Ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Da haben diese Arkoniden eine Kuppel aus Stahl auf den Meeresboden gesetzt. Was geht uns das an?«

Der Japaner beäugte den Teenager argwöhnisch. Spielte sie ihm etwas vor? Konnte ein Mensch des Jahres 2036 so ignorant sein wie sie? »Das ist doch offensichtlich …«, begann er. Sengu wusste genau, was er sagen wollte: Es änderte alles. Die Menschheit war nicht mehr länger die Krone der Schöpfung. Sie war nicht allein im Universum. Und wenn es ihr gelang, die Technologie der Arkoniden zu meistern, stand ihr das Universum offen. Glasklar in seinen Gedanken – aber es vor diesem eingebildeten Teenager in Worte zu fassen? Unmöglich.

»Ja, ich höre.« Ariane erwiderte seinen Blick trotzig.

Wieso tat er sich das nur an? »Später«, sagte er. »Bringen wir das hier hinter uns, okay?«

»Okay. Aber danach will ich raus aus diesem Knast. Klar? Ich bin morgen Abend auf Partys in Shenzen, Nairobi und Midfield, Ohio, eingeladen.« Sie klimperte vermeintlich unschuldig mit den LED-Wimpern. »Was meinst du als erfahrener Partysoldat? Auf welche Fete würdest du gehen?«

»Mir völlig gleich.«

Ariane stemmte die Arme in die Hüften. »Sag mal, lebst du noch, oder bist du mit vierundzwanzig schon fossilisiert?«

»Ich hätte nicht gedacht, dass du so ein kompliziertes Wort kennst!«, versetzte er. »Und jetzt reicht es.« Er hielt ihr die Hand hin.

Zu seiner Überraschung nahm Ariane sie ohne eine weitere bissige Bemerkung.

Sengu schloss die Augen. Er konzentrierte sich. Der Japaner und die übrigen Mutanten hatten in den letzten Wochen in der Abgeschiedenheit des Lakeside Institute unermüdlich an ihren Paragaben gearbeitet.

Sengu hatte Fortschritte gemacht, die ihn selbst überraschten. Er ermüdete weniger rasch, die Reichweite seiner Gabe hatte sich stark erhöht – und nicht zuletzt ihre Genauigkeit.

Neben zahllosen Experimenten, die den Geheimnissen der Paragaben auf die Spur kommen sollten, verbrachten die Mutanten viel Zeit damit, mentale Blöcke zu bilden. Auf diese Weise vermochten sie ihre Kräfte zu bündeln, und was dabei entstand, ging weit über die Summe seiner Teile hinaus. Zwei Mutanten genügten bereits, um einen einfachen mentalen Block zu bilden. Dabei hatte es sich erwiesen, dass die spezielle Ausprägung der Paragabe unwichtig war. Wieso das der Fall war, konnten die Wissenschaftler noch nicht beschreiben.

Ebenso wenig wie es Wuriu Sengu vermochte, die Erfahrung in Worte zu fassen.

Einen mentalen Block zu bilden hieß, eine Verbindung mit einem anderen Menschen einzugehen, mit seinem Geist, seiner Seele. Es war eine Verbindung, für die es kein Beispiel gab, keine Analogie, aus der man hätte schöpfen können. Ein mentaler Block ermöglichte keine Telepathie. Die Gedanken des anderen Mutanten blieben verborgen. Aber dennoch verstand man den anderen in einer Vollkommenheit, die Menschen für gewöhnlich verschlossen blieb.

Im mentalen Block gab es keine Geheimnisse.

Wuriu Sengu stählte sich für die Verachtung, die Ariane Colas ihm entgegenbrachte. Zu seiner Verblüffung fand er Verachtung vor – aber keine, die gegen ihn gerichtet war.

Ariane Colas verachtete sich selbst.

Die Erkenntnis erschütterte den Japaner so sehr, dass der mentale Block um ein Haar auseinandergebrochen wäre. Er musste sich irren. Diese gedankenlose, oberflächliche Modepuppe hasste sich selbst? Das war absurd.

»Die Zeit läuft«, sagte Ariane. »Worauf wartest du?«

»N… nichts.«

Hand in Hand begannen die Mutanten ihre Suche. Sie gingen die Hangars ab, die Zentrale, die Quartiere der Besatzung, die um die Zentrale gruppiert waren, erreichten schließlich die Lagerräume, die in dem Zylinder lagen, der tief in den Meeresboden reichte.

Wuriu Sengu durchleuchtete die Station mit seiner Paragabe. Dank des mentalen Blocks reichte sein Blick tiefer als bisher, durchdrang spielend die Legierung, die Crest »Arkonstahl« nannte, und mehrere Meter Fels. Doch er fand nichts, was er nicht schon gekannt hätte. Der Gang durch die Station war Routine, eine Aufgabe, der er sich schon beinahe nebenbei entledigte.

Seine Gedanken kreisten um Ariane Colas. Den gestylten Teenager, der sich selbst verachtete. Was wusste er über sie? Ariane hatte zu den Waisenkindern gehört, die der Suggestor Clifford Monterny nach Camp Specter gebracht hatte. Dort, im Narco-Country im Norden Mexikos, hatten Monterny und Iwanowitsch Goratschin die Paragaben der Kinder erforscht. Die Gabe Arianes hatte sich als ungewöhnlich stark erwiesen.

Ariane Colas konnte kraft ihres Geistes jeden beliebigen Duft erzeugen. Vom Gestank eines verwesenden Kadavers über den Duft einer Blüte bis zur mit Desinfektionsmitteln angereicherten Luft eines Krankenhauses.

Eine exotische Gabe, fand Sengu. Er musterte das Mädchen verstohlen. Sie hatte die Augen geschlossen, ließ sich von ihm führen.

Aber war sie das wirklich? War seine eigene Gabe nicht ebenso exotisch? Wuriu Sengu vermochte durch feste Materie zu blicken. Eine Wand versperrte ihm ebenso wenig die Sicht wie Felsen oder andere Hindernisse. Als er mit Rhodan im Wega-System gestrandet gewesen war, hatte seine Gabe ihnen mehr als einmal das Leben gerettet. In der Kuppel hatte er mit ihrer Hilfe mehrere verborgene Waffenkammern aufgespürt, dazu ein halbes Dutzend Verstecke für Besatzungsmitglieder.

Man nannte Wuriu Sengu »den Späher«. Respektvoll. Der Japaner erfuhr eine Achtung, von der er als Kind noch nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Seine Eltern waren Flüchtlinge aus der Präfektur Fukushima gewesen. Man hatte sie gemieden, ja verachtet. Als wären sie nicht Opfer der Reaktorkatastrophe gewesen, sondern die Schuldigen.

Sie erreichten einen der vielen Schlafsäle. Er war schmucklos. Dreifachstockbetten, so weit das Auge reichte. Der Saal erinnerte Sengu an eine irdische Kaserne oder an ein gut organisiertes Flüchtlingslager, in denen der Japaner einen Großteil seiner Jugend verbracht hatte. Bis zu zehntausend Arkoniden, schätzte man, hätten in der Kuppel zumindest für kurze Zeit eine Zuflucht finden können. Auch wenn nichts darauf hindeutete, dass sie je dafür genutzt worden war. Er selbst hatte den Suchrobotern aus den Beständen irdischer Geheimdienste geholfen, die Räume zu untersuchen, und war den Maschinen dabei weit überlegen gewesen.

Es tat gut, gebraucht zu werden, sich nützlich zu machen.

Wuriu Sengu hatte den Gedanken kaum zu Ende gebracht, als er plötzlich verstand: Ariane Colas verachtete sich selbst, weil sie sich für nutzlos hielt!

Ihre Gabe war verblüffend, einzigartig. Aber welche praktische Anwendung gab es für sie? Homeland Security hatte Camp Specter finanziert. Das Ministerium hatte klare Interessen verfolgt: Es suchte in den Mutanten Waffen für den unerklärten Krieg, den es gegen alle Feinde der Vereinigten Staaten geführt hatte – im Äußeren wie im Inneren.

Für Homeland Security war Ariane Colas eine herbe Enttäuschung gewesen. Trotzdem ließ man Ariane nicht gehen. Sie hatte immer noch als Forschungsobjekt getaugt. An ihr wurden die Grundlagen von Paragaben untersucht. Also hatte man das Mädchen in einen goldenen Käfig gesperrt. Es hatte Ariane an nichts gemangelt. Bis auf eines: einer Aufgabe.

Wuriu Sengu hielt abrupt an. Ariane stolperte, er fing sie auf. Er suchte ihren Blick. Sie erwiderte ihn. Ihre LED-Wimpern waren erloschen, der Trotz war aus ihren Zügen verschwunden.

Ariane Colas spürte, dass er sie durchschaut hatte.

Scham stieg in dem Japaner auf. Er wandte den Kopf ab, sah auf die Uhr. »Die Stunde ist um«, sagte er aus der Verlegenheit heraus.

»Ich weiß.« Ariane flüsterte. »Aber das ist egal. Wuriu, ich rieche

»Was?«

»Ich rieche! Es ist …«, sie suchte nach Worten, »… es ist, als könnte ich plötzlich mit meinem Geruchssinn sehen. Alles ist voller Farben.« Sie holte tief Luft, schloss dabei die Augen. Es mutete Sengu genießerisch an.

»Wie kann das sein?«, fragte er.

»Ich weiß es nicht. Der mentale Block, die Verbindung zwischen uns, muss etwas in meinem Gehirn freigeschaltet …« Sie brach ab. Ihre Finger schlossen sich ruckartig fester um die Hand des Japaners. Sie keuchte.

»Ariane! Was ist los? Was hast du?«

»Komm!« Sie zog an ihm mit einem kräftigen Ruck, der keinen Widerspruch duldete. »Da ist eine Spur! Ich rieche sie!« Sie rannte los, die Augen nach wie vor geschlossen.

Wuriu Sengu ließ sich führen. Er spürte die Veränderung in Ariane. Etwas war in ihr geschehen. Die Selbstverachtung war verschwunden, als hätte sie nie existiert.

Hand in Hand rannten die beiden Mutanten durch die Station. Ariane führte ihn mit traumwandlerischer Sicherheit immer tiefer durch die Halle, die vom tiefen Brummen der drei Fusionsgeneratoren erfüllt war, die die Station mit Energie versorgten.

Sie erreichten die unterste Ebene der Anlage. Vor einer nackten Wand aus Stahl blieb Ariane stehen.

»Hier!«, brachte sie hervor. Die ungewohnte Anstrengung ließ sie keuchen. »Hier ist es!«

»Was?«, entgegnete er und richtete den Blick auf die Wand. Seine Spähergabe ließ ihn durch sie hindurchblicken, als wäre sie aus Glas. »Ich sehe nur Fels!«

»Du irrst dich! Ruf Crest!«

Wuriu Sengu zögerte, dann tat er, was sie sagte. Dieser Ariane Colas vertraute er.

5.

Perry Rhodan

Gol, im Wega-System

Bull vertiefte sich in die Schiffssysteme.

Schweiß stand in Perlen zwischen den roten Bartstoppeln, die auf seinem Kinn zu sprießen begannen. Er war in die Knie gegangen, hatte die Positronik mit dem Terminal verbunden, der dem topsidischen Schiffskommandanten vorbehalten war.

Chaktor half ihm. Auch der Ferrone hatte per Kabel die Anzugpositronik angeschlossen. Zusammen führten der Mensch, der Ferrone und die beiden Rechner eine Bestandsaufnahme durch, die sie ganz gefangen nahm. Chaktor wirkte ruhig und gefasst. Zumindest für den Augenblick schien er keine Geister zu sehen.

Das blieb Rhodan überlassen.

Bull hatte ihn mit der »Geisterwache« betraut. »Schließlich bist du Bismuul, der Aufmerksame, dem nichts entgeht!« Bull hatte ihm verschwörerisch zugezwinkert und sich an die Arbeit gemacht.

Auf einer Batterie von Holos, die sich im Halbkreis vor ihm gruppierten, verfolgte Rhodan das Geschehen im Schiff und in seiner nächsten Umgebung.

Genauer ausgedrückt: das Nicht-Geschehen.

Die Korridore der NESBITT-BRECK blieben verlassen. Nichts rührte sich auf dem topsidischen Schiff, weder Topsider noch Wartungsmaschine, noch Geist ließen sich blicken. Rhodan verlagerte seine Aufmerksamkeit zunehmend auf die Außenkameras. Die Gasschwaden und die Höhenrücken, die das Tal säumten, beschränkten seinen Blick. Aber diese Beschränktheit erhöhte nur den Reiz, den diese fremde Landschaft ausübte. Rhodan war an eine Wanderung erinnert, die er zum Ben Nevis, dem höchsten Berg Schottlands, unternommen hatte. Bei seinem Aufbruch hatte die weite Hügellandschaft im Licht der Mittagssonne vor ihm gelegen, der Blick hatte weit in die Ferne gereicht. Dann, auf halbem Weg, war innerhalb von Minuten ein Unwetter heraufgezogen. Eisiger Schneeregen hatte ihm nur noch eine Sicht bis zu der schützenden Hand vor Augen gestattet, der Wind hatte an ihm gezerrt, hatte gedroht, ihn mitzureißen. Dann, so unvermittelt wie es aufgezogen war, war das Unwetter verschwunden. Die weite, baumlose Landschaft war erneut zum Vorschein gekommen, aber im wechselnden Licht der lockeren Bewölkung hatte es Rhodan angemutet, als erblicke er sie zum ersten Mal.

Das Wetter Schottlands und insbesondere am Ben Nevis war berüchtigt für seine Wechselhaftigkeit, aber Rhodan war klar, dass die Analogie zu Gol rasch an ihre Grenzen stieß.

Gol war eine Unmöglichkeit von Planet. Ein Gasriese, der in der Frühzeit seiner Entwicklung zu einer Sonne hätte entflammen sollen. Eine Welt der Giftgase und verflüssigten Elemente, die eigentlich keine feste Oberfläche besitzen durfte und es dennoch tat. Eine Welt, deren hohe Schwerkraft nicht nur eine Verhöhnung irdischer, sondern auch arkonidischer Astronomen darstellte, wie Thora ihm bestätigt hatte. Die Wega, das Gestirn Gols, war eine weiß-blaue Riesensonne, weit entfernt. Dennoch schien es auf Gol keine Dunkelheit zu geben, auch jetzt nicht, da sie sich auf der sonnenabgewandten Seite des Planeten befanden. Manche der Gaswolken schienen von innen heraus zu leuchten, andere flammten für wenige Momente auf, als züngelte ein Feuer in ihnen und erlosch wieder.

Ein Gedanke kam ihm. Hatte die Besatzung der NESBITT-BRECK das Schiff aus freien Stücken verlassen? Hatten die Topsider vielleicht den Tod in der Ehrfurcht gebietenden Weite Gols dem kläglichen Warten auf den Ausfall der Schiffssysteme vorgezogen?

Reginald Bull richtete sich auf. »Wir sind so weit, Perry.«

»Wie sind die Nachrichten?« Mit einer Handbewegung schob er die Holos beiseite, um freie Sicht auf den Freund zu haben.

»Zwei gute und eine schlechte. Die erste gute ist, dass der Kahn strukturell intakt scheint. Die NESBITT-BRECK kann fliegen. Nur …«

»… das Fliegen ist theoretisch?«

»Im Augenblick, ja. Dem Schiff fehlt der Grips. Der Bordrechner ist definitiv abgeraucht.«

»Das heißt: Wir müssten abziehen, wenn da nicht noch die zweite gute Nachricht wäre, was?« Rhodan grinste jungenhaft.

Bull erwiderte das Grinsen. »Richtig. Wir sind schließlich Raumfahrer, nicht?« Er zwinkerte Rhodan zu, klopfte Chaktor kumpelhaft auf die Schulter. »Wir haben nicht dieselbe Schulbank gedrückt, aber dasselbe gelernt: Ein guter Raumfahrer kann improvisieren. In der Fähre haben wir Rechnerkomponenten aus verschiedenen topsidischen Wracks mitgebracht. Es sollte mit dem Teufel zugehen – wenn ich das mal so ausdrücken darf –, wenn keine davon in der Lage wäre, uns in den freien Raum zu bringen. Und mehr brauchen wir vorerst nicht. Um alles Weitere kümmern wir uns später.«

»Bestens!« Rhodan glitt von der topsidischen Sitzgelegenheit. Sie hatte sich als erstaunlich bequem erwiesen, nachdem er herausgefunden hatte, wie er es anstellte, nicht in die Aussparung zu rutschen, die für die Schwänze der Echsenwesen gedacht war. »Was genau braucht ihr?«

Bevor Bull antworten konnte, sagte Chaktor rasch: »Ich weiß es. Ich gehe!«

Rhodan warf dem Ferronen einen skeptischen Blick zu. Chaktor, den die Furcht vor den Geistern von Gol plagte, allein lassen? Der Ferrone spürte Rhodans Unbehagen. Er straffte sich, hielt seinem Blick stand.

»Ich begleite Sie, Chaktor«, sagte Rhodan.

»Das ist nicht nötig. Ich kann auf mich aufpassen.« Es klang trotzig. Als wäre der Ferrone wütend darüber, dass er seine Furcht vor den Menschen so offen eingestanden hatte.

»Daran habe ich keinen Zweifel. Sie …«

Chaktor unterbrach ihn. »Folgen Sie mir über die Kameras!« Er zeigte auf die Holos der Überwachungskameras, die neben Rhodan in der Luft hingen. »Davon habe ich mehr. Warnen Sie mich, sollte ein Geist versuchen, mich von hinten anzufallen. In Ordnung?«

Der Ferrone setzte sich in Bewegung und verließ die Zentrale, ohne eine Entgegnung Rhodans abzuwarten.

Die beiden Freunde sahen zu, wie das Schott sich hinter ihm schloss. Dann fuhr sich Bull durch das Bürstenhaar. »Keine Ahnung, was ihn reitet.« Bull schüttelte ratlos den Kopf. »Mach dir nichts draus, Perry. Ferronen sind auch nur Menschen.«

Bull vertiefte sich wieder in die Arbeit am Terminal. Kabelverbindungen und Bauelemente ragten aus der mit Gewalt geöffneten Verkleidung wie Eingeweide hervor. Rhodan wandte sich den Holos zu, verfolgte Chaktors Gang durch das Schiff. Der Ferrone hatte nur einen seiner beiden Strahler gezogen, hielt den Lauf schräg nach oben gerichtet. Sein Schritt war sicher. Rhodan erwartete, dass Chaktor hin und wieder den Kopf umwandte, aber es geschah nicht. Der Ferrone schien ganz darauf konzentriert, einen Fuß vor den anderen zu setzen und sich dabei keine Blöße vor den Menschen zu geben.

»Was habe ich dir gesagt?« Bull war neben ihn getreten. »Um Chaktor müssen wir uns keine Sorgen machen. Der Bursche ist hart im Nehmen. Er hat sich wieder gefangen.«

»Scheint so.«

Chaktor trat in die Schleuse. Als sich nach einer Minute das äußere Schott öffnete, schaltete Rhodan auf eine Außenkamera um – und der Ferrone war verschwunden.

Das Holo zeigte die windgepeitschte, bloße Oberfläche Gols. Von dem tapferen Ferronen, der seine Furcht vor den Geistern der Höllenwelt bezwungen hatte, war nichts zu sehen. Ebenso wenig von der orangefarbenen Gangway, die das Topsiderschiff und das Shuttle verbunden hatte.

Rhodan aktivierte den Funk des Kampfanzugs. »Chaktor, alles in Ordnung bei Ihnen?«

Keine Antwort.

»Ortungserfassung!«, befahl er der Anzugpositronik.

»Negativ«, kam unverzüglich die Antwort.

»Chaktor war eben noch in der Schleuse. Das ist unmöglich!«

»Das ist das Ergebnis der Ortung: negativ.«

»Du … du musst die falsche Kamera erwischt haben!«, warf Bull ein.

Rhodan überprüfte die Bedienung. »Nein«. Er schüttelte den Kopf. »Da ist nichts!«

»Das kann nicht sein! Lass mich mal sehen!«

Rhodan machte dem Freund Platz. Bull beugte sich über die Schaltelemente.

Rhodan zog den Strahler aus dem Holster, entsicherte ihn. Knisternd baute sich der Schutzschirm des Kampfanzugs auf.

Bull hörte das Geräusch, schaute auf. »Perry, was hast du vor?«

»Nach Chaktor sehen.«

»Ich komme mit!«

»Das wirst du nicht.«

»Was?« Bull versteifte sich schlagartig. »Ich …«

»Du bleibst schön hier in der Zentrale, verstanden? Wer die Zentrale beherrscht, beherrscht das Schiff.« Er deutete mit dem Lauf des Strahlers auf das Holo, das die bloße Oberfläche Gols zeigte. »Ich weiß nicht, was hier gespielt wird, aber ich weiß eines: Hier stimmt etwas nicht! Und wenn ich nachsehe, will ich es mit dem guten Gefühl tun, dich hier an den Feuerknöpfen zu wissen, klar?«

Bulls Stirn legte sich in Falten. Es passte ihm nicht. Aber Rhodans Logik war makellos. »Klar«, sagte er leise. »Aber dann lass wenigstens mich gehen, okay?«

»Nein. Du kennst dich mit der Technik am besten aus. Und außerdem war ich es, der Chaktor hat ziehen lassen – also ist es meine Sache, nach ihm zu sehen.«

Das Schott glitt zur Seite.

Gol lag vor Rhodan.

In eine Schwade giftiger Gase gehüllt, mehr zu erahnen als zu sehen, ragte die PANERC auf, die sie auf den Höllenplaneten gebracht hatte. Die Gangway, die die ferronische Fähre und das havarierte Topsiderschiff verbunden hatte, war verschwunden.

Rhodan lugte aus der Schleuse, stellte fest, dass die Metallelemente, die sich an den Rumpf des Topsiderschiffs geheftet hatten, noch vorhanden waren. Die Erklärung lag auf der Hand: Nicht Geister, sondern eine Böe hatte das Plastikmaterial der Gangway fortgerissen.

Wie Chaktor?

»Windgeschwindigkeit?«, wandte sich Rhodan an die Anzugpositronik.

»Unter zwanzig Kilometer die Stunde.«

Auf dieser Höllenwelt kam der Wert einer Windstille gleich. Rhodan trat aus der Schleuse. Der Boden Gols gab unter seinem Gewicht nach. Er federte, als trenne ihn nur eine dünne Schicht festen Materials von einem Sumpf. Eine unvermittelte Böe erfasste ihn, wollte ihn davontragen. Der Anzug glich ihren Ansturm automatisch aus.

Rhodan sah sich um. Aus nächster Nähe betrachtet, war der Vergleich mit Schottland verflogen. Es lag an den Farben. Schien die Sonne auf die Highlands, ließ sie ein Grün aufleuchten, das das Herz höher schlagen ließ. War der Himmel bedeckt, stumpfte es ab, nahmen graue, erdfarbene Töne den Platz des Grüns ein und drückten auf das Gemüt. Doch ob funkelnder Sonnenschein oder Tristesse, die Landschaft war vertraut, schien für Menschen gemacht.

Gol war es nicht. Alles war hier grell, leuchtete giftig. Rhodan fröstelte, trotz der gleichmäßigen Klimatisierung des Anzugs. Er gehörte nicht hierher.

»Reg?«

Der Freund antwortete nicht.

»Reg, hörst du mich?«

Keine Antwort. Rhodan drehte sich langsam auf dem Absatz. Eine weitere Böe ließ ihn kurz schwanken. Die Gasschwaden rissen auf, gaben den Blick talaufwärts frei.

Da war ein Mensch. Er torkelte, als schleppe er sich mit letzter Kraft einem unbekannten Ziel entgegen.

»Da!«, rief Rhodan. »Chaktor!«

»Ich kann nichts feststellen«, meldete die Anzugpositronik.

»Aber das kann nicht sein!« Rhodan schloss einen Moment lang die Augen, öffnete sie wieder. Die torkelnde Gestalt war noch da. »Dort vorne ist Chaktor!«

»Ich kann nichts feststellen«, wiederholte die Positronik.

»Flugaggregat aktivieren!«, befahl Rhodan. »Wir sehen nach!«

»Das ist unmöglich. Die Neutralisierung der hohen Gravitation und die Aufrechterhaltung des Schirms lässt mir keine Reserven.«

Rhodan stieß einen Fluch aus, der selbst dem in dieser Hinsicht umfassend gebildeten Reginald Bull Respekt abgenötigt hätte. Er musste zu Chaktor! Der Ferrone war in Not. Die nächste Böe konnte ihn mitreißen … und Chaktor würde auf Gol sterben. Der Hölle seines Volkes. Es durfte nicht sein!

Rhodan rannte los. Nach wenigen Schritten hüllte ihn eine Gasschwade ein, raubte ihm die Sicht. Rhodan senkte den Kopf, hielt den Blick starr auf die eigenen Füße gerichtet und rannte weiter, in der Hoffnung, den Weg nicht zu verlieren.

»Ich rate dringend an umzukehren«, mahnte die Positronik an. »Das Risiko, sich zu verirren, ist …«

»Halt den Mund!«, fuhr Rhodan den Rechner an. Dann sagte er laut: »Chaktor? Hier ist Rhodan! Können Sie mich hören?«

Er erhielt keine Antwort. Aber er hatte auch keine erwartet. Die arkonidische Supertechnik war den Extremen Gols nicht gewachsen – ebenso wenig wie offenbar der Verstand des Ferronen. Für Rhodan war es eine nüchterne Feststellung, kein Makel. Während des Kriegs mit den Topsidern hatte Chaktor viele Male seinen überragenden Mut bewiesen. Aber die Invasoren waren in seinen Augen zwar verbrecherische, aber in letzter Konsequenz doch gewöhnliche Lebewesen gewesen. Auf Gol dagegen … Rhodan stellte sich vor, er würde sich aufmachen, in die christliche Hölle abzusteigen …

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11 kasım 2024
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9783845333854
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