Kitabı oku: «Perry Rhodan Neo Paket 3: Das galaktische Rätsel», sayfa 20

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9.

Nerlans Marionetten

Rofus, ein Tag vor der Schlacht um Remanor

Sue erwachte, sie fühlte sich schwach. Das blaue Licht im karg eingerichteten Raum spendete nur wenig Helligkeit. Sie brauchte einen Augenblick, um sich zu orientieren. Neben ihr lag Tschubai auf der breiten Bettstatt. Er roch frischer als zuvor. Einer der anderen musste ihn gewaschen haben. Neben ihm stand ein ovaler Behälter mit Wasser und einem Tuch auf dem Boden.

Vorsichtig setzte Sue sich auf, darauf bedacht, Tschubai nicht anzustoßen und ihm damit vielleicht Schmerzen zuzufügen.

Bull sah, dass sie wach war, und kam von seinem Lager zu ihr. »Sue, wie geht es dir?«

»Gut genug, um nach ihm zu sehen. Nimmst du den Verband ab?«

Bull nickte und machte sich an die Arbeit.

Sue begutachtete die Wunde, die am linken Oberschenkel ein Stück über dem Knie zum Vorschein kam. Die Ränder wirkten sauber, eine dünne Schicht neue Haut lag über dem Einschussloch.

Bull legte die Hand auf ihre Schulter. »Keiner erwartet, dass du dich überanstrengst.«

Sein Gesicht erschien Sue besorgt. Ob er an die Fantan-Gefangenschaft dachte? Sie hatten für die Fantan »Die Piraten von Penzance« aufgeführt. Sue hatte während der Vorstellung zusammenbrechen sollen, um hoffentlich genug Verwirrung zu stiften, damit sie fliehen konnten. Doch sie war tatsächlich zusammengebrochen – und um ein Haar gestorben. »Mach dir keine Sorgen, Reg.«

Behutsam legte Sue ihre Hände auf die Wunde und begann mit ihrer Arbeit. Ihr ganzer Körper kribbelte, als läge sie in einem Ameisenhaufen. Einige Minuten ertrug sie das Gefühl und gab Tschubai von ihrer Heilkraft. Sie spürte, wie rasch ihre Gabe versiegte. Wie bei einem Wasserhahn, der sich mehr und mehr schloss, konnte Sue immer weniger Energie für die Neugruppierung und Heilung der Zellen nutzen.

»Er wird morgen wieder auf den Beinen sein«, flüsterte sie Reg zu und achtete sorgsam darauf, nur Englisch zu sprechen. Der implantierte Translator war ihr ein wenig unheimlich, doch er war auch ungemein praktisch. Er würde nur dann ins Ferronische übersetzen und dafür ihre Stimmbänder aktivieren, wenn sie beabsichtigte, das Ferronische zu benutzen.

Nach und nach wurden die anderen auf Bull und sie aufmerksam.

Rhodan trat als Erster an das Lager. »Können wir Ras kurz aufwecken, um uns zu besprechen? Es ist inzwischen Abend, wir sollten klären, wie wir morgen vorgehen.« Auch er sprach nur Englisch. Er richtete sich an Chaktor und Lossoshér. »Redet bitte kein Ferronisch mehr.«

Die beiden machten eine zustimmende Geste. Der Translator übersetzte das Englische und erlaubte ihnen zugleich, sich auf Englisch auszudrücken.

Sue beugte sich über Tschubai und berührte seine Schulter. »Ras, hörst du mich?«

Tschubai drehte den Kopf, er blinzelte. »Sue. Dann war es doch kein Traum.« Er wollte sich aufsetzen, Rhodan und Bull drückten ihn behutsam zurück auf die weiche Unterlage.

»Bleib liegen«, ordnete Bull an. »Dich hat's ganz schön erwischt, und wir brauchen dich in ein paar Stunden bei vollen Kräften. So, wie es aussieht, sind wir in der Vergangenheit gelandet.«

Sue hörte staunend von der Entdeckung des Mosaik-Turms. »Das Dunkle Zeitalter«, flüsterte sie andächtig. »Kann das wirklich gehen? Kann ein Gerät uns quer durch die Zeit schicken?«

»Es muss so sein«, sagte Bull kategorisch. »Ich kann's mir auch nur schwer vorstellen. Aber es gibt Wissenschaftler in Terrania, die nicht nur behaupten, unser Universum würde sich wie ein Knäuel falten, durch das man durch Sprünge von Band zu Band Abkürzungen nehmen kann, nein, sie meinen auch noch, dieses bewegliche Knäuel eines Tages berechnen zu können.«

»Das Universum ist ein Wollknäuel?«, echote Sue.

Lossoshér legte eine wichtige Miene auf. »Und laut hochrangigen Wissenschaftlern meines Volkes eingebettet in mehrere Dimensionen.«

Sue schwirrte der Kopf.

Rhodan legte seine Hand auf ihre Schulter. »Das sind nur Theorien und von Menschen gemachte Bilder. Nimm es einfach hin, Sue. Wir sind durch die Zeit gegangen, und wir können auch wieder durch die Zeit zurückkehren. Das ist, was im Moment zählt.«

Zögernd nickte Sue. Ihr fiel auf, dass Thora überhaupt nicht überrascht wirkte von dieser Eröffnung. »Und wie kommen wir zurück?«

Eilig erzählten Rhodan und Bull von ihrem Plan, im Schlachtgetümmel zusammen zu verschwinden und zum Transmitter des zukünftigen Wüstenforts zu gelangen.

Sue fühlte Angst bei diesem Plan. Wie würde es sein, in einer Schlacht zu stehen? Würde sie die Nerven behalten? Sicher war es viel schlimmer als im Shelter, als die Schüsse fielen. Um sie herum würde getötet werden. Sie würde nichts tun können, um zu helfen, trotz ihrer Gabe. Wieso taten vernunftbegabte Wesen einander so etwas an? Sie dachte zurück an den Shelter. Damon und Tyler, die Zwillinge. Die Jungen hatten sich Sturmgewehre besorgt und hatten ihren Hass auf die Welt, ihre Enttäuschung in einem Feuergefecht mit der Polizei entfesselt.

Sue hatte es nicht verstanden und begriff es immer noch nicht. Die Welt wäre freundlicher, wenn jeder nur ein bisschen Respekt hätte. Zumindest so viel Respekt, keine Waffe zu ziehen und abzudrücken, um ein Leben auszulöschen. Kälte breitete sich in ihrer Brust aus.

Unwillkürlich sah sie zu Thora, die unnahbar hinter Rhodan aufragte. Das Gesicht der Arkonidin wirkte maskenhaft, die roten Augen verzweifelt. Thoras Blick ging hin und wieder zu Lossoshér, als wollte sie den alten Transmitter-Wächter kraft ihrer Gedanken zu Staub auflösen. Zum Glück gab es diese Begabung nicht.

Was ging in Thora vor? Seit ihrer Ankunft im Nakuur hörte sich Thora nach Crest um. So, wie ihr Gesicht aussah, hatte sie noch keine Spur ihres Mentors gefunden. Es gab kein anderes Weißhaar im Nakuur. Niemand hatte Crest oder seine Begleiter getroffen. Sue fühlte mit Thora. Sie hatten diesen Transmitter benutzt, um Crest zu finden, nicht, um in der Hölle eines Jahrhundertkriegs zu landen.

»Durch den Nakuur geht das Gerücht, dass alle Diener und Soldaten Nerlans kämpfen sollen«, sagte Bull zuversichtlich und riss Sue damit aus ihren düsteren Gedanken. »Es heißt, die Überlebenden würden für Nerlan dadurch an Wert gewinnen. So eine Art natürliche Auslese aus der Sicht dieses Irren.«

Rhodan nickte Tschubai zu. »Schaffst du es, uns in drei Gruppen ein Stück von der Truppe fortzuteleportieren?«

Tschubai zögerte. »Es dürfte nicht sehr weit sein. Aber ich denke, dank Sue ist es möglich. Je mehr Zeit vergeht, desto stärker werde ich.«

Er lächelte ihr zu, und Sue strahlte zurück. Es freute sie, dass sie ihm hatte helfen können.

»Wir sollten uns ausruhen«, schlug Rhodan vor. »Wir brauchen morgen unsere volle Konzentration.«

»Ja«, sagte Thora einsilbig. Sie wandte sich an Lossoshér. »Aber zuvor will ich wissen, ob Sie das irgendwie geahnt haben. Wussten Sie, dass dieser Transmitter vielleicht durch die Zeit geht? Haben Sie uns benutzt, um dem ersten Thort persönlich zu begegnen?« Ihre Stimme klang scharf, die Worte wie Geschosse.

Lossoshér zog den Kopf ein. »Nein, Thora, wirklich nicht. Ich schwöre Ihnen, ich hatte keine Ahnung. Laut meinen Quellen sollte dieser Transmitter uns mit dem Gerät in der Unterwasserkuppel vor den Azoren auf der Erde sowie einem weiteren Zielpunkt verbinden. Nachdem der Transmitter vor den Azoren zerstört ist, glaubte ich sicher zu sein, dass wir den Gegentransmitter des Geräts in der Kuppel auf diese Weise finden.«

»Aber Sie haben gezögert im Transmitter«, warf Thora Lossoshér auf Arkonidisch vor. »Etwas war anders.«

»Ja«, gab Lossoshér zu. »Etwas in den Einstellungen erschien mir sonderbar. Ich konnte nicht feststellen, was. Nun wissen wir es. Der Transmitter ging durch die Zeit. Ich hätte Ihnen und Crest gern geholfen, Thora. Aber ich bedaure nicht, wo ich bin.« Lossoshér hob den Kopf und sah zu Guall hin, der unbeteiligt auf dem blassgelben Boden neben der bogenförmigen Tür meditierte.

Der Soldat, den der Transmitter-Wächter für den ersten Thort hielt, wirkte, als ginge ihn die Welt um ihn her nichts mehr an. Gleichzeitig machte er auf Sue den Eindruck, völlig in sich zu ruhen wie ein heiliger Berg.

In Lossoshérs Gesicht trat ein verklärter Ausdruck. »Es ist Bestimmung. Wir sind die Lichtbringer. Dieses Schicksal ist wichtiger als das eines Einzelnen.«

Thora drehte sich ohne ein weiteres Wort um und ging davon.

Sue sah, wie gerötet und feucht ihre Augen waren. Sie eilte hinter der Arkonidin her. Bei jedem ihrer langen Schritte brauchte Sue anderthalb.

»Thora!« Sie griff ihre Hand. »Bitte laufen Sie nicht weg. Es ist noch nicht zu spät für Crest.«

Thora blieb stehen und drehte sich zu ihr um. »Woher wollen Sie das wissen, Sue?«

»Wenn alles gut geht, verlieren wir insgesamt drei Tage«, sagte Sue leise. »Das ist nicht viel.«

Rhodan trat zu ihnen. »Sue hat recht. Wir geben nicht auf, egal was Lossoshér sagt oder glaubt. Die Suche nach Crest hat nach wie vor oberste Priorität.«

Sue wollte noch etwas ergänzen, als sie einen Schatten am offenen Eingang bemerkte. Die Tür ließ sich nicht von innen verriegeln. Wenn die Wächter wollten, konnten sie jederzeit eintreten. Allerdings gehörte der Schatten am Eingang keinem Wächter.

»Schaut«, sagte sie leise. »Rukaar. Sie spioniert uns nach.«

Perry drehte den Kopf. »Ich kümmere mich darum. Versuch zu schlafen. Uns steht viel bevor.«

Sue nickte dankbar.

Perry Rhodan

Rhodan steuerte den Durchgang an. Wie er gehofft hatte, blieb Rukaar in der Öffnung stehen. »Sie belauschen uns, oder, Rukaar?« Er versuchte, freundlich zu klingen und nicht zu vorwurfsvoll. Die Sorge nagte an ihm. Wie viel hatte die Ferronin verstanden?

»Ich wollte es«, gab Rukaar unumwunden zu. »Der Dialekt, den ihr untereinander sprecht, ist mir fremd. Woher genau kommt ihr?«

Rhodan wollte nicht auf die prekäre Frage eingehen. »Geht es Ihnen gut?«, fragte er.

Rukaar blinzelte. Ihre Nase war abgeschwollen, der Bruch gerichtet. Auf dem Jochbein erhob sich eine Beule. »Wieso kümmert dich das?«

»Wieso sollte es mich nicht kümmern?«

Sie schwieg und sah zu Guall. »Einiges habe ich doch verstanden. Vorher. Lossoshér und Guall … Hält der alte Feingeist unseren Guall wirklich für den Auserwählten? Den Heilsbringer aus den Legenden?«

Rhodan kannte die Legenden nicht, die von dem ersten Thort umgingen. »Ich weiß es nicht, Rukaar. Aber ich weiß, dass Guall eine Hoffnung ist. Ein Funken Licht in einem dunklen Zeitalter. Was denken Sie?«

»Er ist etwas Besonderes, das spüre ich.« Rukaar verstummte und betrachtete Guall aufmerksam, der mit aufeinandergelegten Beinen auf dem Teppich saß und sich nicht regte. »Ich wusste schon immer, dass er anders ist, und ich mag ihn. Er ist einer meiner engsten Freunde. Es schmerzt, dass Nerlan ihn in den Nakuur gebracht hat. Aber morgen schon darf er hinaus. Ihr alle, für die Schlacht. Die Gerüchte sind wahr. Nerlan wird jeden kämpfen lassen. Die Hauptaufgabe der Bodentruppen besteht darin, sämtliche feindlichen Stellungen auszumachen und die Positionen durchzugeben, damit unsere Geschütze sie ausmerzen können.«

Rhodan hatte sich gefragt, warum die Innenstadt noch nicht eingenommen war. Und es wunderte ihn noch immer. »Warum müssen dafür Soldaten verheizt werden? Was ist mit der Luftaufklärung? Hat Nerlan keine Drohnen?«

Rukaar sah ihn an, als habe er etwas wirklich Dummes gesagt. »Selbst einem Gorchoo wie dir sollte klar sein, dass wir kaum noch Flugzeuge haben. Natürlich gibt es noch Drohnen. Aber was bringen die, wenn man den Feind weder sehen noch anmessen kann? Erst wenn die Städter abdrücken, wissen wir, wo sie sich verkrochen haben.«

Langsam begriff Rhodan. Die ferronische Technik wirkte auf ihn vergleichbar mit der irdischen oder in einigen Aspekten mit der interplanetaren Raumfahrt sogar deutlich überlegen, nur dass die neunzig Jahre Krieg dafür gesorgt hatten, dass Waffen knapp geworden waren. Darüber hinaus schien es im Verhältnis zu den Möglichkeiten der Anmessung eine wesentlich besser entwickelte Tarn- und Störtechnik zu geben. Wenn Nerlan nicht die gesamte Innenstadt samt der Zitadelle dem Boden gleichmachen wollte, brauchte er klare Zielpunkte.

»Gibt es irgendeine Chance, unsere Ausrüstung zurückzuerhalten? Wir sind in der Lage, damit umzugehen, und könnten weit sicherer in das Gebiet der Feinde eindringen.«

»Feinde? Ein netter Versuch, Rhodan, aber ich durchschaue dich. Für dich sind die Städter Ferronen wie du, auch wenn sie eine andere Hautfarbe haben. Außerdem wird Nerlan euch die Anzüge niemals überlassen. Sie sind sein Besitz und in euren Händen gefährlich. Ihr könntet versuchen zu fliehen.« Sie wirkte zögernd, als müsse sie sich zu den nächsten Worten durchringen. »Eigentlich bin ich gekommen, um dich zu warnen. Nerlan wird seine eigenen Soldaten gefährden. Er hat Schreckliches vor beim Angriff. Achte auf die Signale. Wenn hohe Pfeiftöne im Funk zu hören sind, fallen Blendbomben. Ich darf eigentlich kein Signal geben, weil auch der Feind es abhören und verstehen kann, aber ich will meine Soldaten nicht auf Nerlans Altar ausbluten lassen.«

»Warum warnen Sie mich? Warum nicht Ihre Soldaten?«

»Meine Soldaten sind gewarnt.« Sie zögerte. Rhodan konnte ihr die Unsicherheit ansehen. Es musste für sie ungewohnt sein, sich vor einem Soldaten niedersten Rangs zu rechtfertigen. Rukaar senkte den Blick. »Vielleicht mag ich dich einfach. Hast du nicht gesagt, du bist in einer Gegend aufgewachsen, in der man einander hilft?«

»Danke für Ihre Warnung, Rukaar. Wie schätzen Sie die morgige Schlacht ein? Wie stark ist der Widerstand?«

»Sehr stark. Die Kadenz der gegnerischen Waffen ist enorm, und die Städter haben noch ausreichend Munition. Sie wissen, was sie erwartet. Wenn wir die Innenstadt genommen haben, wird Nerlan jeden Feind töten lassen.«

Der Gedanke, dass Nerlan die gesamte Stadtbevölkerung nach einem Sieg exekutieren lassen würde, verursachte Rhodan Magenschmerzen. »Warum? Ich dachte, Ressourcen wären knapp? Wäre es nicht sinnvoller, die eigenen Bestände aufzufüllen?« Es fiel ihm schwer, so emotionslos und zweckorientiert über die Bewohner Remanors zu sprechen, doch er wusste, dass Rukaar und Nerlan diese Sprache besser verstanden und eher darauf reagieren würden als auf einen Appell an ihr Mitgefühl.

»Nerlan hat bereits vor drei Tagen ein Ultimatum gestellt. Er wird es nicht wiederholen. Jeder Städter, ganz gleich ob Soldat oder Zivilist, bewaffnet oder nicht, wird sterben.«

Dieser Wahnsinn. Wie verblendet Nerlan und seine Leute sind. Sie schlachten das eigene Volk ab. Die Folgen dieses Vorgehens konnte niemand ermessen. Es würden viele tote Ferronen die Straßen bedecken. Rhodan sah die Bilder deutlich in seiner Vorstellung. »Können Sie nichts tun, Rukaar? Sie sind Nerlans Schwester. Sein Blut. Wirken Sie auf ihn ein.«

Rukaar hob die Arme und schob die Hände auseinander. Rhodan wusste inzwischen, dass diese Geste unter Ferronen für Ablehnung und Verbitterung stand. »Nerlan und ich, wir sind keine Familie. Was glaubst du, wer mich so zugerichtet hat? Ich stehe in Nerlans Diensten wie die anderen auch.«

»Dann sagen Sie sich los!«

Rukaar blickte zu Boden. »Pass auf dich auf, Rhodan. Wir sehen uns nach der Schlacht.« Abrupt drehte sie sich um und ging aus dem Raum.

»Aufstehen, Gorchoo!« Eine donnernde Stimme weckte Rhodan. »Die Schlacht ruft. Das ist deine Chance zu beweisen, auf welcher Seite du stehst.« Ein blaues Gesicht mit breiter Nase beugte sich über ihn, Hände klatschten neben seinem Ohr zusammen und holten ihn mit einem Schlag aus der Ruhe des Schlafs.

Rhodan richtete den Oberkörper auf und versuchte, sich seine innere Aufgewühltheit nicht anmerken zu lassen. Sein Herz raste, die Handflächen fühlten sich kalt und verschwitzt an. Rasch tauschte er einen Blick mit Bull, der sich neben ihm hinsetzte. Dass sie sich gemeinsam quasi ein Bett geteilt hatten, hatte Bull nach den Strapazen der letzten zwei Tage nicht einmal einen spöttischen Kommentar entlockt. Wie Rhodan war er zufrieden damit, ein warmes Lager und sanitäre Einrichtungen in nächster Nähe zu haben.

Der stämmige Soldat mit der breiten Nase und der lauten Stimme ging zu Chaktor und Lossoshér weiter.

Rhodan stand auf. Mehrere Soldaten in grauen Kampfanzügen hatten den Raum besetzt wie ein feindliches Gebiet. Nerlan stand unverkennbar zwischen ihnen. Der synthetische Stoff seiner blau-weißen Uniform schimmerte im künstlichen Licht. Das aufgequollene Gesicht Nerlans sah deutlich besser aus als am Vortag. Fast die Hälfte der Eiterpickel und schorfigen Aufwerfungen war verschwunden. Sue hatte ganze Arbeit geleistet.

Von der anderen Raumseite wurden Sue und Thora zu ihnen geführt. Beide wirkten so stolz und trotzig, als wären sie trotz aller körperlichen Unterschiede Schwestern.

Chaktor und Lossoshér erhoben sich ebenfalls. Einzig Guall saß noch immer am Boden wie eine Statue und schien nichts um sich wahrzunehmen. Wüsste Rhodan es nicht besser, er hätte geglaubt, der Dreiäugige wäre über Nacht versteinert.

»Steh auf!«, herrschte Nerlan Guall an. »Herumsitzen kannst du nach der Schlacht.«

Guall öffnete erst das dritte chalcedonfarbene Auge, dann die beiden kupfernen. Er blickte zu Nerlan hoch. »Es wird viel Tod geben an diesem Tag. Wollen Sie das wirklich?«

Nerlan stieß einen Laut aus, den Rhodans Translator wie ein Schnaufen übersetzte. »Der Tod ist mein Begleiter seit dem ersten Schrei. Und ich tue nur, was ich will, nicht wahr?«

»Und wenn es auch Ihr Tod wäre?«, fragte Guall ruhig.

Nerlan wirkte eine Sekunde verunsichert, dann trat Zorn auf sein Gesicht. Er presste die Zähne hart zusammen, ehe er antwortete. »Steh endlich auf, du Missgeburt. Wenn ich noch länger warten muss, wird der Morgen mit deinem Tod beginnen.«

Guall kam überraschend leicht auf die Beine. Seine Bewegungen wirkten anmutig wie die eines Tänzers. Dass er viele Stunden gesessen hatte, merkte man ihm nicht an.

Rhodan überraschte die Veränderung, die mit dem dürren Ferronen vor sich gegangen war. Er wirkt wie ein Fels in der immerwährenden Brandung. Als ob er sich aufgeschwungen hat auf eine Position jenseits aller Begehrlichkeiten.

»Was verschafft uns die Ehre Ihres persönlichen Besuchs?«, fragte Rhodan, so neutral er konnte. Am liebsten hätte er Nerlan ganz anders konfrontiert, aber dazu war er nicht in der richtigen Position.

Neben ihm schnaubte Bull über seine Wortwahl.

Nerlan drehte sich zu ihm um. »Was denkst du, Rhodan? Ich hole mir meine Medizin ab und ein Druckmittel, wie ich sie bekomme.« Er schnippte mit den Fingern und wies auf vier der insgesamt acht Soldaten und Soldatinnen.

Zwei Männer und zwei Frauen in Kampfanzügen traten vor, die Gesichter entschlossen und diensteifrig. Sie packten Thora und Sue.

»Was soll das?« Thora riss den Ellbogen hoch, versuchte, sich zu wehren. Ein Faustschlag landete in ihrem Gesicht, ein zweiter im Magen.

»Aufhören!«, forderte Rhodan. »Thora, machen Sie es nicht unnötig schlimmer!«

Thora hielt tatsächlich still. Ob es an Rhodans Worten oder den festen Griffen der Soldaten lag, konnte Rhodan nicht sagen.

Die Arkonidin hob das Kinn. »Sie werden für Ihre Taten bezahlen, Nerlan.«

Nerlan stieß etwas aus, was Rhodan als Glucksen verstand. »Es hat so viel Feuer, das Weißhaar. Was es wohl braucht, die Flammen zu ersticken?«

Rhodan wollte vorschnellen, die Waffe Nerlans aus dem Brustholster ziehen und ihn mit der eigenen Pistole erschießen. Ruhig!, befahl er sich. Ich muss ruhig bleiben.

»Perry …« Bull verstummte. Auch Chaktor, Tschubai und Lossoshér tauschten entsetzte Blicke mit ihm. Nerlan ließ sie trennen. Ihr Plan geriet in Gefahr.

»Sie haben es versprochen!«, begehrte Sue auf und strampelte im Griff der Soldatin. »Sie haben gesagt, wir gehen zusammen in die Schlacht!«

Nerlan trat auf sie zu. Der Blick seiner dunklen Augen zeigte Belustigung. Er beugte sich zu Sues Gesicht. »Versprochen? Ich habe gar nichts versprochen. Hältst du mich für dumm, kleine Frau? Warum sollte ich riskieren, dass meine wertvolle Medizin in der Schlacht zu Schaden kommt? Und warum sollte ich alle Trümpfe aus der Hand geben? Du hast die Wahl, ob du mich heilen oder sterben willst, und ich glaube dir, dass du selbst eine Folter erträgst.« Sein Gesicht wurde ernst. »Ich kenne die Ferronen, und ich weiß, wie du bist. Das eigene Leid könntest du ertragen, aber wenn ich das Weißhaar vor dir in Streifen schneiden lasse, wirst du schon parieren.« Er richtete sich auf, wandte Sue und Rhodan den Rücken zu.

Er erpresst sie mit ihrer Gutherzigkeit, dachte Rhodan zornig. Dieses Monster.

Rhodan zweifelte nicht an Nerlans Worten. Thora war ein Druckmittel, mit dem man Sue gefügig machen konnte. Was sollte er tun? Ohnmächtige Wut breitete sich in ihm aus. Vorerst konnte er nicht eingreifen. Er musste auf den richtigen Moment warten. Zumindest hatte er Tschubai bei sich und somit einen Trumpf, den Nerlan nicht kannte.

Der bullige Ferrone mit der Donnerstimme wandte sich an ihn. Sein Gesicht wirkte ungewöhnlich breit, selbst für einen Ferronen. Die Stirn sprang weit vor, in ihrer Mitte saß eine Erhebung, die wie eine Beule aussah. »Ich bin Herloss, Anführer von Sektion B. Ihr werdet mit mir kommen.«

Er ließ Rhodan keine Zeit zu einer Antwort, drehte sich um und marschierte aus dem Raum.

Die Soldaten wollten Tschubai stützen, doch der Sudanese wehrte ihre Hände ab. »Es geht schon.«

Sue und Thora wurden abgeführt.

Bull knirschte mit den Zähnen. »Sue«, sagte er leise, sein Blick war zornig und verzweifelt.

Rhodan verfluchte Nerlans Umsicht. Er blickte zu Tschubai. Konnte der Teleporter Sue und Thora später noch holen? Wie nah würde Nerlan der Schlacht überhaupt kommen? Blieb er in seinem Kommandostand und betrachtete das Geschehen über Kameradrohnen?

Thora warf Rhodan bei der Trennung im Gang einen letzten Blick zu, der seine Brust schmerzen ließ. Wie stolz und schön die Arkonidin zwischen den Soldaten ging. Er musste schnell handeln, wenn nicht doch noch passieren sollte, was Nerlan so überdeutlich wollte. Aber er sah keine Möglichkeit.

Die Soldaten hatten Waffen. Sicher würden sie Rhodan und seine Freunde gnadenlos niederschießen, wenn sie sich wehrten.

Sie wurden aus dem Nakuur hinausgedrängt, auf einen grauen Vorplatz, der im grellen Licht von blauweißen Scheinwerfern lag. Gut hundert Soldaten standen an den Seiten Wache, um die Neuankömmlinge im Auge zu behalten. Mehrere panzerartige Fahrzeuge warteten in den Ecken auf ihren Einsatz. Sie erinnerten Rhodan an die chinesischen Panzer, die in der Gobi auf die arkonidische Schutzkuppel geschossen hatten. Ihre Länge betrug etwa zehn Meter. Die Motoren liefen bereits und wummerten Unheil verkündend in der morgendlichen Stille.

Nach und nach kamen immer mehr Männer und Frauen in ziviler Kleidung aus dem Nakuur. Die meisten wirkten panisch, einige auch froh. Vielleicht wollten manche lieber sterben oder versuchen, im Durcheinander der Schlacht zu entkommen, als Nerlan zu dienen.

Rhodan fiel die Stille auf, die über der zerbombten Vorstadt lag. Wann immer er zuvor draußen gewesen war, hatte er die Angriffe der Fernlenkraketen hören können wie leisen Donner. Nun schwiegen die Waffen. Die Invasion der Bodentruppen begann.

»Was für ein Albtraum«, murmelte Lossoshér gebrochen.

Chaktor und Guall standen ruhig neben ihm.

Ferronische Befehle trieben über den Platz. Herloss setzte die merkwürdige Einheit exotischer Ferronen in Bewegung. Rhodan erkannte einen Mann mit drei Armen und eine Frau mit dem grün schimmerndsten Haar, das er je gesehen hatte. So muss das Haar einer Meerjungfrau aussehen. Das Gesicht der Ferronin prägte sich Rhodan ein. Es zeigte in seiner Verzweiflung deutlich, was die Frau fürchtete: Schmerz und Tod.

»Was tun wir?«, fragte Bull auf Englisch in die Runde. »Wie holen wir Thora und Sue zurück?«

Tschubai senkte den Blick. Der Sudanese wirkte verlegen. »Ich wünschte, ich könnte sie sofort retten. Aber ich spüre, wie geschwächt meine Kräfte sind. Sie kommen nur langsam wieder, noch fühle ich mich elend. Es muss an der Infektion liegen.«

Rhodan musterte den überfüllten Platz kritisch. »Wir hätten wenig gewonnen, wenn wir sie sofort holen würden, umzingelt von Feinden. Wir müssen abwarten. Wenn es keine andere Chance gibt, teilen wir uns auf.« Er sah Bull an. »Du, ich und Ras, wir bleiben im Notfall in Remanor zurück und befreien Thora und Sue. Aber so weit muss es nicht kommen.«

Tschubai legte Bull die Hand auf die Schulter. »Rhodan hat recht. Es ist nicht alles verloren. Nerlan weiß nichts von meinen Fähigkeiten, und sicher kann ich schon bald wieder springen. Gib mir noch eine halbe Stunde.«

Bulls Gesicht entspannte sich.

Auch Rhodan fühlte sich besser. Er würde weder Thora noch Sue aufgeben. Er hoffte nur, dass Nerlan sich vorerst mit seiner Heilung begnügen würde.

»Vorwärts!«, donnerte Herloss' Stimme. Der Anführer schloss zu Rhodan auf, sein Blick lag auf Tschubai. Offenbar hatte er besondere Befehle von Nerlan erhalten, was den schwarzen Hünen und Helden der Legenden betraf.

Die Panzer rollten los. Hintere Ferronen schoben sie nach vorn, Rhodan hatte gar keine Wahl, als den Platz gemeinsam mit seinen Freunden und Guall zu verlassen. »Bleibt dicht zusammen!«, warnte er. Im Gedränge konnten sie leicht getrennt werden. Doch selbst Lossoshér und Guall achteten darauf, Seite an Seite zu bleiben. Chaktor stützte Lossoshér. In der Notsituation war von ihrer gesellschaftsbedingten Ambivalenz nichts mehr übrig.

Rhodan spürte Bulls Schulter an seiner, als sie durch das Nadelöhr des Rolltors gedrängt wurden. Sie passten sich dem Tempo der Truppe an, ließen das grelle Licht der Scheinwerfer hinter sich und marschierten hinein in den ferronischen Morgen. Ein grauer Streifen kündete am Horizont den Aufgang der Wega an. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft zogen keine Wolken am Himmel. Das blaue Licht würde alles, was kam, in grausiger Klarheit beleuchten.

Mehrere soldatische Treiber gaben ihnen den Weg vor. Auf einem rostroten Betonplatz bezogen sie Position neben vier Heergruppen. Rhodan schätzte, insgesamt knapp tausend Soldaten um sich zu haben. Ferronen in weißen Kampfanzügen teilten Waffen und Tarnanzüge aus. Unter den antreibenden Rufen der anderen zogen sie die Monturen über. Rhodan bekam ein Schnellfeuergewehr mit eingeklapptem Schaft in die Hände gedrückt, das für seine Länge von gut sechzig Zentimetern ungewöhnlich leicht war. Er schätzte das Gewicht auf höchstens zweieinhalb Kilo. Außerdem erhielt er fünf Magazine, die er in die Beintaschen der viel zu kurzen Hose steckte. Eine Ferronin warf ihm einen verbeulten Helm mit integriertem Funkgerät an einer gebogenen Stange hin. Zögernd bückte er sich und griff nach der Kopfbedeckung.

Es ist nicht mein Krieg, dachte Rhodan schaudernd. Schon wieder nicht. Auch der Krieg gegen die Topsider war nicht der meine. Und doch bin ich gezwungen einzugreifen.

Lossoshér atmete pfeifend. Sein Brustkorb hob und senkte sich viel zu schnell. Das Gewehr in seinen Händen schwankte hin und her.

»Ganz ruhig«, sagte Guall mit einem aufmunternden Blinzeln des dritten Auges. »Ich passe auf dich auf. Es wird dir nichts geschehen.«

Lossoshérs Augen glänzten feucht. Er sah Guall mit einer Dankbarkeit an, die grenzenlos schien. Sein Atem beruhigte sich tatsächlich.

Rhodan konzentrierte sich und griff wie die anderen nach den Gewehrgurten, um sich die Waffe umzuhängen. Vor ihnen wurden weitere Befehle in die Reihen geschleudert. Schimpftiraden und Hassreden auf die Städter Remanors folgten. Wie sehr ihm dieses menschenverachtende Gebrüll zuwider war. Offensichtlich handelte sich bei ihrer Gruppe um die letzte.

Herloss trat vor. »Wie ihr seht, seid ihr nicht allein! Die Legende Chantin-Ohn ist bei uns!« Er wies auf Tschubai, präsentierte ihn wie ein Stück Vieh. Der Sudanese trug einen besonders gut gefertigten Tarnanzug, der seiner Größe angepasst war. »Chantin-Ohn, der große Sarvon, der immer siegt! Er kämpft für Nerlan! Er kämpft für euch!«

Begeisterungsstürme brachen aus. Rhodan hörte mehrfach den Ruf: »Ohne Gnade!« Anscheinend eine Art Schlachtruf von Nerlans Armee.

»Geht voran!«, zischte Herloss. »Eine falsche Bewegung, und ich erschieße euch.«

Lange Fahrzeuge näherten sich mit hoher Geschwindigkeit. Sie erinnerten Rhodan an eine Mischung aus Jeep und LKW. Ihre Außenfarben verschmolzen mit dem Rostrot der Straße. Ein Dach hatten sie nicht. In gut zehn Metern Abstand blieben sie stehen, eines nach dem anderen. Stetig kamen neue Wagen nach.

Lossoshér zögerte. Er geriet ins Stolpern, seine Augen waren schreckgeweitet.

»Los!«, brüllte Herloss.

Gruppenweise stiegen sie auf die Ladeflächen. Chaktor und Tschubai zogen Lossoshér hinauf. Sobald die Rampe ausgelastet war, startete der Fahrer. Panzer begleiteten sie.

Die Truppe in ihrem Bezirk war noch nicht komplett verladen, als der Feind auf den Aufmarsch reagierte. Ein helles Heulen pfiff in der Luft. Adrenalin jagte durch Rhodans Körper.

»Verdammt!«, fluchte Bull.

Sein Ausruf ging im Knall einer einschlagenden Rakete unter. Der Schlag wummerte durch Rhodans Körper und ließ jeden Knochen vibrieren. Schreie erklangen und endeten abrupt. Eine Feuerlohe stieg zum Himmel, Rauch stieg auf. Gerüche nach verbranntem Kunststoff und Fleisch wehten Rhodan ins Gesicht. Die Schlacht um Remanors Herzstück begann.

Sue Mirafiore

Sue zitterte am ganzen Körper. Nerlan hatte sie betrogen. Wütend und ängstlich zugleich folgte sie dem Kriegsherrn in den Kommandostand. Soldaten legten ihr und Thora Hand- und Fußschellen an, kaum dass sie von der Plattform aus dem Schacht traten.

Nerlan verzog die Lippen. Sue konnte nicht sicher sein, doch der Ausdruck auf dem schorfigen Gesicht erschien ihr wie das Äquivalent eines Grinsens. Gleichzeitig hinterließ es einen tierischen Eindruck. Wie ein zufriedenes, fettes Krokodil, das sich die Haut einer blauen Erdkröte angezogen hat. Sie schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. Was würden Reg und Perry in dieser Situation tun? Und John? Was würde John tun? Sicher würden sie Ruhe bewahren, egal wie anstrengend es in ihrer Situation auch war.

»Damit hast du nicht gerechnet, kleine Frau, nicht wahr?«

Sue würde die gehässige Art, mit der Nerlan nicht wahr sagte, nie mehr vergessen. Der ekelhafte, selbstgefällige Despot zeigte mit diesen beiden Worten das ganze Ausmaß seines Sadismus. »Nein«, sagte sie steif. »Das habe ich nicht. Macht Sie das glücklich?«

Türler ve etiketler

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11 kasım 2024
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