Kitabı oku: «Perry Rhodan Neo Paket 3: Das galaktische Rätsel», sayfa 5
Crest ging durch das Schott.
Er betrat eine andere Welt. Ein Saal tat sich vor ihm auf. Er war … was? Eine Schatzkammer? Das Grab eines irdischen Fürsten? Die Asservatenkammer eines Theaters?
»Was zum Teufel ist das?«, flüsterte Sengu, der neben ihn getreten war.
Crests Blick wanderte über den Saal. Er streifte Rüstungen, Schilde und Schwerter, pergamentene Karten und staubige Bücher, glitzernden Schmuck und Kunsthandwerk, grob gearbeitete Alltagsgegenstände.
»Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht.« Crest holte tief Luft, schmeckte sie. Die Rezeptoren des Kampfanzugs übertrugen die Sinneswahrnehmung. Er roch den Hauch vergangener Jahrtausende. »Aber ich glaube, ich kenne jemanden, der uns weiterhelfen könnte …«
7.
Perry Rhodan
Erde, 14. September 2036
Die TOSOMA stürzte der Erde entgegen.
Lesly K. Pounder, der Kommandant des arkonidischen Schlachtschiffes, das sie auf dem Meeresgrund des Atlantiks gefunden hatten, unternahm nichts, um den Sturz aufzuhalten.
Erschütterungen liefen wie Wellen durch das Schiff, als es die äußeren Ausläufer der irdischen Atmosphäre berührte. Die dichter werdende Luft rieb am Rumpf, glühte auf. Vom Boden aus musste die TOSOMA an einen Stern erinnern, der vom Himmel fiel. Ein Stern, heller als die Mittagssonne über Zentralasien.
Rhodan verfolgte den Anflug von der Peripherie der Zentrale aus. Lesly Pounder, ehemaliger Flight Director der NASA und Mentor des Astronauten Perry Rhodan, war ein Mann, der seinen Posten stets zu zweihundert Prozent auszufüllen pflegte. Sei es im endlosen Ringen mit dem amerikanischen Kongress um das Budget der Weltraumbehörde, sei es in seiner Absicht, Rhodan und seine Kameraden auf der Spitze eines unsicheren Prototyps zum Mond zu schießen, um herauszufinden, weshalb die amerikanische Mondstation nicht mehr antwortete. Oder sei es, ein achthundert Meter durchmessendes Ungetüm aus Stahl zu befehligen, das sich bis vor wenigen Wochen der menschlichen Vorstellungskraft entzogen hatte.
Pounder hatte in der Mitte der Zentrale Platz genommen. »Alter Knochen« hatte man ihn bei der NASA genannt, aber stets, nachdem man sich zuvor versichert hatte, dass Pounder nicht in der Nähe war. Ein Schinder mit Herz. Mitte fünfzig, mit ein paar Pfunden zu viel auf den Rippen und dem unauslöschlichen Schmerz über den Tod seiner Frau und Kinder in der Brust, die vor Jahrzehnten bei einem Verkehrsunfall in der Nähe von Kap Canaveral ums Leben gekommen waren.
Pounder hatte in den letzten Wochen abgenommen, wirkte zehn Jahre jünger. Eine Last schien von ihm abgefallen. Pounder hatte die NASA mit ihren byzantinisch anmutenden bürokratischen Verkrustungen hinter sich gelassen und war selbst zum Raumfahrer geworden. Die Sterne gehörten ihm.
Die Besatzung der TOSOMA liebte ihren Kommandanten. Die meisten Mitglieder der Crew waren wie Pounder Ehemalige: ehemalige Astronauten aus einem halben Dutzend Nationen, ehemalige Soldaten der Chinesischen Volksbefreiungsarmee, ehemalige Ingenieure und Banker, Arbeiter und Angestellte. Menschen, die alle Brücken hinter sich abgebrochen hatten, um ein neues Leben zu beginnen.
Der Perfektionist Pounder hatte sie einen Monat lang seinem Schliff unterzogen. Jetzt beherrschte die Besatzung das Schiff mit einer Souveränität, als flögen sie es seit Jahrzehnten.
Rhodan spürte ein gleichmäßiges Vibrieren, das vom Boden ausging. Gleichzeitig hörte er ein fortgesetztes, fernes Donnern. Pounder hatte die Impulstriebwerke gezündet. Es waren sechzehn, in gleichmäßigem Abstand in dem Wulst angeordnet, der den Rumpf des Schiffs auf Äquatorhöhe säumte. Die Triebwerke machten sich daran, die absurd hohe Fahrt der TOSOMA aufzuzehren.
Es war ein extravagantes Manöver, notwendig geworden durch den unkontrollierten Sturz des Schiffs. Die TOSOMA verfügte selbstverständlich über Antigravprojektoren. Hätte sich das Schiff in geringerem Tempo der Erdoberfläche genähert, die Projektoren hätten es sanft schwebend, als handele es sich um ein gasgefülltes Luftschiff, der Erde entgegengetragen. Und dazu mit einem Bruchteil des Energieaufwands.
Aber eben auch mit einem Bruchteil des Effekts.
Jemand schaltete eine Außenkamera auf das große Holo, das unter der Zentraledecke schwebte. Die sonnenhelle Glut erzeugte unwirklich scharfe Konturen, arbeitete die Silhouette ihrer Beute heraus. Ein langer Torpedo, aus dessen Mitte eine Kugel wuchs. Als handele es sich um einen Pfeil, der einen Apfel aufgespießt hatte und auf halbem Weg stecken geblieben war.
Die NESBITT-BRECK.
Das topsidische Schiff, das sie der Hölle Gols entrissen hatten, war mittels für das menschliche Auge unsichtbarer Traktorstrahlen an den Rumpf der TOSOMA gekoppelt. Die NESBITT-BRECK hätte aus eigener Kraft landen können, aber Pounder und Bull hatten im Traum nicht daran gedacht. Die Erneuerung der Bordrechner wäre noch lange nicht weit genug, um ein solches Manöver zu verantworten, hatte Bull protestiert.
Rhodan hatte es stehen lassen, obwohl ihm klar gewesen war, dass es sich nur um einen Vorwand handelte. Die NESBITT-BRECK war ihre Beute. Und als solche wollten Bull und Pounder sie der Menschheit präsentieren.
Unter der TOSOMA erstreckte sich jetzt eine endlose Fläche aus Braun- und Grauschattierungen. Die Wüste Gobi. Weitgehend menschenleer, unwirtlich. Aus dem Braun schälten sich die Umrisse eines Salzsees heraus. An seinen Ufern lag die Stadt, die Perry Rhodan vor zweieinhalb Monaten gegründet hatte: Terrania.
Rhodan stellte erleichtert fest, dass die verkohlte Fläche, die auf der dem See abgewandten Seite bis nahe an die Stadt gereicht hatte, verschwunden war. Iwan Goratschin hatte vor wenigen Wochen erst dort seine mörderische Gabe entfesselt. Das Ziel des Zündermutanten war das große Schiff der Fantan gewesen. Goratschin hatte mehrere Atomexplosionen ausgelöst. Keine davon hatte das Schiff gefährden können, aber sie hatten die Wüste verheert. Jetzt waren keine Spuren mehr zu sehen. Sandstürme hatten die Wunden zugedeckt, die seine Gabe gerissen hatte. Und eine glückliche Fügung hatte es gewollt, dass die Winde den verstrahlten Sand weg von Terrania getragen hatten.
»Es ist ein unvergleichliches Gefühl, in die Heimat zurückzukehren«, hörte Rhodan eine Stimme. »Nicht wahr?« Die Stimme sprach Englisch, aber mit einem harten, an Russisch erinnernden Akzent, und sie war ungewöhnlich tief.
Rhodan wandte den Kopf. Malikk, der erste Botschafter der Ferronen, war neben ihn getreten. Er hatte sein Englisch von der ehemaligen Kosmonautin Darja Morosowa gelernt, die im Wega-System als Botschafterin der Menschheit geblieben war.
»Das ist es«, stimmte Rhodan zu. »Insbesondere, da ich in letzter Zeit mehr als einmal daran gezweifelt habe, sie jemals wiederzusehen.«
Malikk nickte wortlos. Eine irdische Geste, die er bewusst einsetzte. Malikk war ein Ferrone mittleren Alters, ein ehemaliger Gesandter des Thort, und mithin ein erfahrener Diplomat, der seit Jahrzehnten zwischen den vielen Stämmen und Völkergruppen der Wega-Bewohner vermittelte.
Malikk war die eigentliche Fracht der TOSOMA. Über tausend Ferronen begleiteten ihn, um eine Gesandtschaft ihres Volkes auf der Erde zu gründen. Die Wega-Bewohner brachten ihr Know-how und ihre Technologie mit sich. Bescheiden im Vergleich zu dem, was die Arkoniden zu bieten hatten, aber verglichen mit der irdischen Technologie des Jahres 2036 immer noch eindrucksvoll. Und: Im Gegensatz zur arkonidischen Märchentechnik lag die ferronische in ihrer Reichweite. Rhodan war als ehemaliger Testpilot und Astronaut ein Realist in technologischen Fragen: Wie Pounder und seine Besatzung die TOSOMA beherrschten, belegte eindrucksvoll, dass Menschen die arkonidische Technologie zu bedienen wussten. Aber sie in ihrer Gänze zu verstehen, selbst Schiffe zu bauen wie die TOSOMA, stellte eine völlig andere Größenordnung dar.
»Es ist Ihre Stadt?«, fragte Malikk.
»Terrania? Es ist meine Heimat, ja.«
»Ich habe mir die Erde während unseres Anflugs genau angesehen«, sagte Malikk. »Sie ist eine kleine, aber bemerkenswert vielfältige Welt. Diese Wüste scheint mir nicht der am besten geeignete Ort für eine Hauptstadt.«
Rhodan musterte sein Gegenüber forschend. Ferronen waren verblüffend menschenähnlich, aber gleichzeitig ein Rätsel. Rhodan dachte an Thorta, die Hauptstadt der Ferronen. Von Thorta aus wurden mehrere Planeten und Monde regiert. Die Stadt musste über einhundert Millionen Einwohner haben. Auf der Erde gab es nichts Vergleichbares. Der Großraum Tokio, das chinesische Perlfluss-Konglomerat, die zentraleuropäische Ballung verblassten neben Thorta.
In Terrania lebten nicht einmal eine Million Menschen. Die meisten davon immer noch in den Zeltstädten, die sich um die innere Stadt gruppierten.
Musste Malikk nicht abgrundtief enttäuscht sein?
Rhodan schüttelte den Gedanken ab. »Sie haben recht«, sagte er. »Auf den ersten Blick scheint die Wüste ungeeignet. Aber für meine Zwecke war sie der perfekte Ort: Wir mussten die STARDUST mit Crest an einem abgelegenen Ort zu Boden bringen. Nur so hatten wir eine Chance, gegen die irdischen Großmächte zu bestehen, die Zerstrittenheit der Menschen zu beenden.«
Der ferronische Gesandte war mit der politischen Situation auf der Erde vertraut. Rhodan hatte keinen Sinn darin gesehen, ein Lügengebilde zu errichten, das bereits beim Blick aus dem Orbit haltlos in sich zusammenstürzen würde.
Malikk dachte kurz nach, dann sagte er: »Ich verstehe. Wir Ferronen kennen Zerstrittenheit nur zu gut. Einst hat sich unser Volk selbst an den Abgrund gebracht. Wäre der erste Thort nicht auf den Plan getreten und hätte das Dunkle Zeitalter beendet … wir würden heute noch in Höhlen hausen. Wenn unser Volk überhaupt überlebt hätte.« Malikk fixierte Rhodan mit seinen tief unter der vorgewölbten Stirn liegenden Augen. »Der erste Thort hatte mächtige Verbündete. Ke-Lon. Das Netz der Transmitter. Sie, Rhodan, hatten nur den Glauben daran, richtig zu handeln.«
»Ich habe getan, was notwendig war.« Rhodan drehte den Kopf weg. Der Blick des Ferronen war ihm unangenehm – ebenso wie seine Worte. »Jeder andere hätte an meiner Stelle gehandelt wie ich.«
»Das bezweifle ich.«
Stille folgte. Malikk schien das Unbehagen seines Gegenübers zu spüren. Er zeigte auf ein Holo, das die Stadt Terrania abbildete. »Was hat es mit diesem Turm in der Mitte der Stadt auf sich? Er scheint in den Himmel zu wachsen.«
»Das ist gut möglich.« In Rhodans Abwesenheit war der Turm um mehrere Stockwerke gewachsen. Es mussten bald einhundert sein. Und der Bau ging weiter. Mehrere arkonidische Roboter waren an seiner Spitze am Werk, unterstützt von menschlichen Arbeitern. »Es handelt sich um den Stardust Tower, das Zentrum der irdischen Regierung.«
»Sie ist gerade am Entstehen, nicht wahr?«
»Ja«, antwortete Rhodan. »Sehen Sie das große Zelt, das am Stadtrand errichtet wird?« Der Ferrone nickte. »Es dient der ersten Vollversammlung der Terranischen Union. Alle Nationen der Erde haben ihre Vertreter geschickt, um daran teilzunehmen.«
»Die Menschen der Erde sind im Begriff, ihr Dunkles Zeitalter hinter sich zu lassen. Man wird Sie zum Thort der Menschen wählen, Rhodan.«
»Administrator«, korrigierte Rhodan. »Wenn ich überhaupt gewählt werden sollte.«
Als hätte er den Einwurf des Menschen nicht gehört, fragte Malikk: »Was werden Sie den Menschen sagen, Thort?«
Rhodans Pod summte. »Einen Augenblick bitte, Gesandter Malikk«, sagte Rhodan. Er nahm den Anruf an. Es war Homer G. Adams. »Willkommen zu Hause!«, begrüßte ihn der Mann mit dem fotografischen Gedächtnis. »Ich möchte Ihnen etwas zeigen, Rhodan, was Ihnen gefallen wird. Könnten Sie nach der Landung einen Moment Ihrer wertvollen Zeit für mich erübrigen?«
Rhodan warf Malikk einen fragenden Blick zu. Der Ferrone deutete eine Verbeugung an. »Es steht mir nicht an, der Ausführung Ihrer Pflichten im Weg zu stehen, Thort.«
Wieder »Thort«. Rhodan unterdrückte den Impuls, den Ferronen zu korrigieren, und wandte sich an Adams. »In Ordnung. Wo finde ich Sie, Adams?«
»Verlassen Sie das Schiff«, kam die Antwort. »Ich schicke Ihnen einen Fahrer.«
Eine achthundert Meter durchmessende Kugel aus Stahl erhob sich über Perry Rhodan: die TOSOMA.
Das arkonidische Schiff wurde von zwölf Teleskoplandestützen getragen, die aus der unteren Hälfte des Rumpfs ausgefahren waren. Jede von ihnen war größer, als es die STARDUST gewesen war, die Rhodan zum Mond getragen hatte. Die STARDUST samt Trägerrakete.
Es war Mittag. Die TOSOMA spendete einen unwirklich dunklen Schatten, dennoch war es heiß unter dem Schiff. Die Hitze stammte von dem Nachglühen der Impulstriebwerke – und von den sechzehn kleinen Seen geschmolzenen Steins, das sie in den Boden gebrannt hatten. Das Gestein würde abkühlen und perfekt ebene Flächen zurücklassen. Mit jeder Landung würden neue Gesteinsseen entstehen, hatte ihm Pounder erklärt – und beizeiten würde der Raumhafen Terranias »eingebrannt« sein.
Ein metallisches Ächzen ließ Rhodan herumfahren. Es kam von der NESBITT-BRECK. Die Traktorstrahler hatten das Topsiderschiff auf dem Wüstenboden abgesetzt. Mit seinen knapp einhundertfünfzig Metern Länge brachte es durchaus ein erhebliches Gewicht mit, und diese Last komprimierte nun den Boden.
Eine große Schleuse öffnete sich über Rhodan. Grelles Scheinwerferlicht vertrieb die Schatten. Weitere Schleusentore glitten zur Seite. Die Entladung der TOSOMA begann. Menschen und Ferronen strömten aus dem Schiff, schwebten auf Antigravfeldern dem Wüstenboden entgegen. Traktorstrahler bugsierten ferronische Fahrzeuge und Spezialmaschinen aus den Hangars und Laderäumen.
Sie zeugten von der tiefen Dankbarkeit der Wega-Bewohner. Die Invasion der Topsider hatte die Welten ihres Heimatsystems verwüstet. Trauer, Not und Mangel beherrschten den Alltag der Ferronen. Dennoch hatten sie es sich nicht nehmen lassen, ihren terranischen Rettern Unterstützung zu gewähren.
Rhodan verließ den Schatten der TOSOMA, als ein ferronischer Gyrokopter in nächster Nähe seines Standorts abgesetzt wurde. Ein topsidischer Energiestrahl hatte sich durch das Heck des Fluggeräts gebohrt, aber es schien dennoch funktionstüchtig.
Rhodan hielt eine Hand über die Stirn, um seine Augen vor der grellen Mittagssonne zu schützen, und sah nach Terrania. Die Stadt war über dreißig Kilometer entfernt. Der Stardust Tower erinnerte an eine startbereite irdische Rakete. Derzeit erreichte er ungefähr die halbe Höhe der TOSOMA, aber noch wuchs der Turm. Die übrigen Gebäude der Stadt muteten wie das Fundament an, aus dem sich der Turm in die Höhe reckte.
Eine Piste verband Terrania und den abgelegenen Flecken von Wüste, den sie hoffnungsvoll »Raumhafen« nannten. Wie Perlen an einer Kette reihte sich Fahrzeug an Fahrzeug, um Ladung und Passagiere der TOSOMA in die Stadt zu bringen.
Wo bleibt der Fahrer?, fragte sich Rhodan. Adams war eigentlich die Zuverlässigkeit in Person.
Wie als Antwort auf seine stumme Frage erhob sich eine einzelne Staubwolke aus der Wüste. Ein Geländewagen scherte aus dem Strom der Fahrzeuge aus, raste in wilden Sprüngen neben der Piste los.
Der Wagen – er stammte wie die meisten Fahrzeuge in Terrania aus den Beständen der chinesischen Armee, die den Landeplatz der STARDUST belagert hatte – hielt zielstrebig auf Rhodan zu und kam mit einem Schwung um einhundertachtzig Grad vor ihm zu stehen.
Ein mittelgroßer Mann asiatischer Herkunft war der Fahrer. »Willkommen in der Heimat, Mister Rhodan!«, sagte Bai Jun, der Mann, der die Belagerung der STARDUST kommandiert hatte. Das war erst Wochen her, aber Rhodan mutete es wie ferne Vergangenheit an.
»Steigen Sie ein!« Bai Jun, der als provisorischer Bürgermeister Terranias fungierte, lächelte. »Es hat alles seine Richtigkeit. Mister Adams hat mich geschickt.«
Rhodan stieg auf den Beifahrersitz. Er hatte die Tür kaum geschlossen, als Bai Jun anfuhr.
»Ihre Mission war erfolgreich?«, fragte der Halbchinese.
»Wie Sie sehen.« Rhodan zeigte auf das Topsiderschiff, das hinter ihnen zusammen mit der TOSOMA zurückblieb.
»Das freut mich. Wir brauchen dringend weitere Raumschiffe, die zu anderen Systemen fliegen können.«
»Wir haben jetzt ein zweites Schiff mit Überlichtantrieb. Mit etwas Glück gelingt es uns, im Wega-System weitere zu bergen.«
Bai Jun riss das Steuer herum, um einem Felsen auszuweichen. Er lenkte den Geländewagen neben die Piste, hielt aber Abstand zu ihr.
»Darf ich Sie auf den neuesten Stand bringen, Mister Rhodan?«
»Ich bitte Sie darum.«
»Die Vollversammlung kann morgen wie geplant stattfinden. Wie erwartet gibt es zwischen den Delegierten verschiedener Nationen Animositäten. Aber wir haben sie im Griff. Nicht zuletzt dank Adams. Er übersieht nicht die geringste Kleinigkeit. Und er vergisst niemals etwas.«
Wie sollte er auch?, dachte Rhodan. Er besitzt ein fotografisches Gedächtnis. Er kann nicht vergessen. Aber er sagte es nicht. Er war sich nicht sicher, ob Bai Jun von Adams Gabe wusste. Und wenn nicht, war es Adams' persönliche Entscheidung, es dem Halbchinesen mitzuteilen.
»Was ist mit dem Zelt?«
»Wird heute Abend stehen. Rechtzeitig für die Versammlung.« Bai Jun wandte den Blick von der Wüste ab und sah Rhodan an. »Ich bin gespannt auf Ihre Rede. Was werden Sie sagen?«
»Lassen Sie sich überraschen.«
Bai Jun quittierte Rhodans abweisende Entgegnung mit Schweigen. Rasch rückte Terrania näher, während der Halbchinese weiter beschleunigte.
Als die ersten Ausläufer der Stadt unmittelbar vor ihnen lagen, sagte Rhodan: »Gleich sind wir in Terrania, Bai Jun. Wollen Sie mir nicht sagen, weshalb Sie beinahe eine Stunde Ihrer wertvollen Zeit geopfert haben, um mich abzuholen?«
Bai Jun straffte sich. »Sie sind außergewöhnlich aufmerksam, Mister Rhodan.«
»Ich kann lediglich zwei und zwei zusammenzählen. Was gibt es?«
Bai Jun bremste, hielt den Wagen an. »Vor zwei Monaten waren wir zwei noch Todfeinde. Und jetzt … «, der Halbchinese nickte in Richtung Terranias. »Diese Stadt ist unser gemeinsames Werk geworden. Das Werk der gesamten Menschheit. Ich habe die unvermutete Ehre, dieser Stadt als Bürgermeister zu dienen. Terrania ist ein Wunderwerk. Jeden Morgen, wenn ich aufstehe, ist die Stadt weiter gewachsen, wurden neue Durchbrüche von den Menschen gemacht, die von überall auf der Erde in die Wüste gekommen sind. Dieses Durcheinander, dieses Chaos ist ein Brutkasten für neue Ideen. Aber dieses Chaos muss in geordnete Bahnen gelenkt werden, soll Terrania, ja die ganze Menschheit bestehen.«
»Zu diesem Zweck haben wir die Vollversammlung der Terranischen Union einberufen.«
»So ist es. Die Versammlung wird uns eine Verfassung geben. Und sie wird Sie zum Administrator wählen, Mister Rhodan.«
Was war das für ein Unterton? Missbilligung? Rhodan versteifte sich. »Sie befürworten meine Wahl nicht?«
»Im Gegenteil. Sie, Rhodan, sind der Mann, der für die Menschheit die Tür in dieses neue Zeitalter aufgestoßen hat. Sie müssen uns führen. Aber nicht für ein paar Jahre, wie von der Verfassung vorgesehen. Fünf Jahre sind ein Nichts angesichts der Aufgaben, die vor uns liegen.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte Rhodan.
»Sie müssen die Menschheit führen, Perry Rhodan – aber nicht für fünf Jahre, sondern auf Lebenszeit!«
»Was Sie vorschlagen, nennt man eine Diktatur.«
»Nein. Vernunft.« Bai Jun ließ den Motor an. »Wir sollten weiter. Adams erwartet Sie. Aber ich bitte Sie inständig, Rhodan, denken Sie über meine Bitte nach. Sie schulden es der Menschheit!«
8.
Crest da Zoltral
Vor den Azoren, 14. September 2036
»Was, zum Teufel, ist das?«
Crest konnte sich nur mit Mühe ein Lächeln verkneifen. Die Menschen hielten nicht viel davon, ihre Gefühle zu verbergen. Auf Arkon hätte man ihre Ungehobeltheit als anstößig befunden. Aber Crest stellte fest, dass er diese Offenheit der Menschen mit jedem Tag mehr zu schätzen lernte. Sie vereinfachte den Umgang ungemein.
»Das wollte ich eigentlich Sie fragen, Mister Aescunnar.«
Cyr Aescunnar zog den breitkrempigen Hut vom Kopf und hielt ihn vor die Brust, bevor er in den Saal trat, den der Arkonide entdeckt hatte. Als betrete er einen sakralen Bau, eine Kirche, dachte Crest, der sich in jeder freien Minute mit der Geschichte und Kultur der Menschen beschäftigte.
»Wie haben Sie das … das hier gefunden?«, fragte Aescunnar leise.
»Ich hatte den richtigen Riecher, wie die Menschen es nennen. Im doppelten Sinne.« Der Arkonide berichtete, wie er den Tunnel mithilfe der beiden Mutanten ausfindig gemacht hatte.
»Sie haben sich bereits umgesehen?«, fragte der Mann, der sich Historiker nannte, aber noch nie an einer Universität eingeschrieben gewesen war.
»Natürlich. Dieser Saal misst etwa fünfzehn Meter in der Länge und dreißig in der Breite. Die Deckenhöhe liegt bei vier Metern. Er ist eine autarke Mini-Station, besitzt eine eigene Energieversorgung und alle Einrichtungen, die notwendig sind, um zwei Personen unbegrenzt am Leben zu erhalten. In einer Kammer, die sich an den Hauptraum anschließt, befinden sich zwei Tiefschlafliegen, wie wir sie in der eigentlichen Kuppel gefunden haben.«
»Sie wurden benutzt?«, bewies Aescunnar seinen scharfen Verstand.
»Dem Augenschein nach, ja.«
»Was sagen die Spezialisten?«
»Sie waren noch nicht hier. Mein Gefühl sagt mir, dass ich einen Spezialisten der anderen Art brauche.«
Aescunnar blinzelte verwirrt, dann rötete sich sein Gesicht. Er war es nicht gewohnt, Komplimente für seine Arbeit zu erhalten. Mangels formaler Ausbildung und dank seiner verrückten Thesen, die die etablierte Forschung in ihren Grundfesten bedrohten, wurde er zumeist belächelt – oder beschimpft. Hätte Homer G. Adams Aescunnar nicht seit Jahren finanziell unterstützt, der selbst ernannte Historiker hätte seine Forschungen längst aufgeben müssen.
»Dieses Becken«, Aescunnar setzte seinen Hut wieder auf und zeigte auf eine Wasserfläche, die am gegenüberliegenden Ende des Saals lag, »stellt es die Verbindung zum Meer dar?«
»Wahrscheinlich. Wuriu Sengu hat mit seiner Spähergabe festgestellt, dass unter ihm ein mehrere Meter durchmessender Tunnel schräg nach oben verläuft. Seine Gabe reicht leider nicht aus, um die gesamte Länge zu überblicken.«
»Das wird nicht nötig sein.« Aescunnar ging zu dem Becken. Die Oberfläche war glatt, das Wasser klar, aber schwarz. Was immer sich am Grund befinden mochte, entzog sich dem Auge. Crest erinnerte das Schwarz an das des Transmitters, der in der Kuppel stand. Ein Tor ins Ungewisse.
Aescunnar ging einmal den Rand des Beckens auf und ab. Seine Schritte wirkten gestelzt, mit dem Mund formte er lautlos im Takt Worte.
»Groß genug für ein Tauchboot«, stellte er fest, als er wieder neben Crest stand. »Was meinen Sie?«
»Spielend. Sie wissen doch, wir Arkoniden sind Zauberer, was Technik angeht.«
»Der Gedanke ist mir auch schon gekommen.« Aescunnar quittierte seinen milden Scherz mit einem Lächeln. »Und clever sind Sie ebenfalls, das muss ich Ihnen lassen. Eine Station beinahe dreitausend Meter tief auf dem Grund des Atlantiks! Und daneben, unter dem Meeresgrund, eine zweite Station als letzte Zuflucht! Wer würde darauf kommen?«
»Das, Mister Aescunnar, ist eine der Fragen, die mir keine Ruhe lassen.«
Der Historiker wandte sich von dem Becken ab, ließ den Blick über den Hauptraum der verborgenen Station wandern. »Wissen Sie, an was mich das hier erinnert?«
»Sagen Sie es mir.«
»Die ägyptischen Pyramiden des Alten Reiches. Sie waren die Grabstätten der damaligen Herrscher, der Pharaonen. Sie ließen sich mit einer Unzahl von Gegenständen begraben, die sie in das Leben nach dem Tod mitnehmen wollten.«
»Was natürlich Begehrlichkeiten unter den Lebenden heraufbeschwor, nehme ich an?«
»Ja. Die Pyramiden waren nicht zu übersehen. Jahrhundertelang versuchten Grabräuber, sich die Schätze der toten Pharaonen zu sichern. Doch die Konstrukteure der Pyramiden waren klug. Sie sicherten ihre Bauwerke mit Fallen. Und sie versteckten den eigentlichen Schatz, die Grabkammer des jeweiligen Pharaonen, meist nicht in der Mitte der Pyramiden, sondern in Bereichen, in denen man sie nicht vermutet hätte.«
»Wie diese autarke Station hier.«
»Genau. Man könnte fast auf den Gedanken kommen, ihre Konstrukteure hätten von den Erbauern der Pyramiden gelernt …« Aescunnar schüttelte heftig den Kopf, als müsse er sich von dem absurden Gedanken frei machen. »Aber das ist natürlich Unsinn. Die Kuppel ist zehntausend Jahre alt. Diese Station hier dürfte, wenn überhaupt, nur unwesentlich jünger sein. Wissen Sie, wie es vor zehntausend Jahren auf der Erde ausgesehen hat?«
»Nein. Wie?« Crest hatte darüber gelesen, aber er wollte es aus dem Mund des selbst ernannten Historikers hören.
»Man nennt diese Periode die Jungsteinzeit. Es gab auf der gesamten Erde etwa zehn Millionen Menschen, vielleicht auch nur die Hälfte. Ein verschlagenes, aber elendes Häuflein, das sich nach Norden ausbreitete, als die letzte Eiszeit abklang. Die Menschen waren Jäger und Sammler, Nomaden. Sie kannten weder Metallbearbeitung noch Ackerbau.« Aescunnar hielt einen Moment inne. »Und jetzt das hier!«
Cyr Aescunnar hob beide Arme, als wolle er den Saal umfassen. »Märchenhafte Hightech, in genau derselben Zeit auf der Erde!«
»Arkonidische Hightech.«
»So ist es. Aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass bis vor wenigen Wochen kein Mensch auf dieser Erde – mich eingeschlossen, und das will einiges heißen! – so etwas auch nur im Entferntesten für möglich gehalten hat. Und jetzt? Das hier sind Tatsachen. Tatsachen, die alle unsere Gewissheiten erschüttern.« Aescunnar wandte sich an Crest. Seine Augen glänzten. »Crest, Sie sind ein Gelehrter Ihres Volkes. Sie wissen darum, dass Geschichte ein Konstrukt der Lebenden darstellt. Mit etwas Glück und viel Mühe ähnelt dieses Konstrukt den Tatsachen. Aber diese Anlage bringt das gesamte Konstrukt der menschlichen Geschichte zum Einsturz!«
Crest musterte den Menschen, den die meisten seiner Artgenossen als Spinner abtaten. Dann sagte er anerkennend: »Auf Arkon hätte man Sie längst eliminiert, Mister Aescunnar. Man schätzt dort keine Köpfe, die sich von Tatsachen beeindrucken lassen. Nicht mehr.«
Und wer sich nicht von Tatsachen beeindrucken lässt, fügte er in Gedanken hinzu, ist dazu verurteilt, an ihnen zu scheitern.
»Kommen Sie, Mister Aescunnar, ich zeige Ihnen die Werkstatt.«
»Die Werkstatt? Was …«
»Ich habe den Raum so benannt. Aber sehen Sie selbst!« Er führte den Historiker zu einer Aussparung im Fels. Eine Tür glitt zur Seite und gab den Blick auf einen kleineren Raum frei. Maschinen und Werkzeuge füllten ihn an. Und Artefakte.
»Das … das gibt es doch nicht!« Der Adamsapfel des Menschen sprang auf und ab, als er mehrmals rasch hintereinander schluckte. Aescunnar trat an einen Tisch. Er war mit Artefakten irdischer Geschichte überhäuft. Aescunnar hob ehrfürchtig eine unregelmäßig gefertigte Scheibe aus Ton hoch. Sie war mit in Linien angeordneten Vertiefungen übersät. »Eine Keilschrifttafel! Sie muss aus dem Zweistromland stammen! Ich kann kaum abwarten, sie zu entschlüsseln!« Der Historiker strich träumerisch mit den Fingerkuppen über die Vertiefungen im Ton, dann legte er die Tafel wieder ab, besah sich das nächste Stück.
Es war ein runder Schild. Aus Holz und mit behandelter Tierhaut bespannt. Aescunnar besah ihn sich von allen Seiten.
»Sie können das Stück einordnen?«, fragte Crest.
»Nur ungefähr. Ich vermute, es könnte von den mongolischen Reitervölkern stammen. Sie errichteten im zwölften Jahrhundert das größte Landreich, das die Erde jemals gesehen hat.« Der Historiker legte den Schild vorsichtig zurück. »Mit primitiven Mitteln wie diesen.«
Aescunnar nahm das nächste Stück. Es war ein Teller, dessen Form an das Blatt eines Baums erinnerte. Er war mit bunten Mustern bemalt. »Tang-Dynastie«, flüsterte er.
»Wie bitte?«, fragte Crest nach.
»Die vielleicht blühendste Epoche der chinesischen Geschichte. Chang'an, die Hauptstadt der Tang, zählte im siebten Jahrhundert über eine Million Einwohner. Sie war die größte Stadt der Welt.« Aescunnar stellte den Teller mit einer Behutsamkeit auf dem Tisch ab, als fürchte er, er könne zerbrechen. »Diese Stücke hier stammen aus den unterschiedlichsten Epochen. Dafür kann es nur eine Erklärung geben.«
»Ja? Sagen Sie sie mir!« Crests Puls hämmerte hart. Der Arkonide hatte diese Frage längst für sich beantwortet. Was er von Aescunnar wollte, war Bestätigung.
»Diese Station verfügt über zwei Kälteschlafliegen, sagen Sie. Sie wurden benutzt. Also liegt der Schluss nahe, dass die beiden Arkoniden in regelmäßigen Abständen aus dem Tiefschlaf erwacht sind und mit einem Tauchboot die Oberfläche der Erde aufgesucht haben!«
»Ich stimme Ihrem Schluss zu«, entgegnete Crest. »Aber wenn er zutrifft, wo sind dann diese beiden Arkoniden jetzt?«
»Dazu fallen mir zwei Erklärungen ein: Entweder sie sind tot – oder in diesem Augenblick auf der Oberfläche unterwegs.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Weder unsere einstweilen noch hypothetischen Arkoniden sind hier, noch das ebenfalls noch hypothetische Tauchboot.« Aescunnar zog ein Taschentuch aus der Hosentasche, nahm den Hut ab und wischte mit dem Tuch den Schweiß ab, der sich auf seinem nahezu kahlen Kopf gebildet hatte. »Aber wenn Sie mich fragen, tippe ich auf tot.«
»Weshalb?«
»Aus zwei Gründen. Erstens: Diese Arkoniden müssen alt sein, sehr alt. Diese Artefakte belegen, dass sie oft an die Oberfläche gegangen sind. Trotz der Kälteschlafeinrichtungen sind sie also langsam gealtert.«
»Das leuchtet ein«, pflichtete Crest bei. Mit einem Zögern, von dem er hoffte, dass Aescunnar es nicht wahrnahm. Der Historiker konnte nicht ahnen, dass mindestens ein Arkonide, der sich in der Station aufgehalten hatte, potenziell unsterblich gewesen sein mochte. »Der zweite Grund?«
»Logik. Diese Arkoniden waren auf einer primitiven Welt gestrandet, ohne Möglichkeit der Rückkehr in die Heimat. Ihre einzige Hoffnung war also, dass eines Tages Arkoniden oder Angehörige einer anderen Art, die den überlichtschnellen Raumflug beherrscht, zur Erde kommen würden. Diese Hoffnung hat sich mit Ihrer Ankunft, Crest, erfüllt. Wenn diese Arkoniden also noch leben, wieso haben sie sich nicht längst gezeigt?«
Die Logik des Menschen war makellos. Und erschütternd. Crests Atem beschleunigte sich, ihm wurde schwindlig. Wieso hatten diese Arkoniden – sollten sie noch am Leben sein – auf die Rettung verzichtet? Wieso war Quiniu Soptor, die einzige verbliebene Überlebende der Besatzung der AETRON, mit dem mysteriösen Roboter Rico durch den Transmitter in der Kuppel gegangen, anstatt sich ihm und Thora anzuschließen? Hatte sie etwas erfahren, was ihr wichtiger war, als sich ihren Artgenossen anzuschließen? Hatte Soptor etwa die Spur der Unsterblichkeit gefunden? Und: Wieso waren diese beiden – nach wie vor hypothetischen – Arkoniden nicht durch den Transmitter gegangen? Hatten sie gewusst, was sie in der Gegenstation erwartete? Oder war es möglich, dass sie von der Existenz des Transmitters nichts geahnt hatten?


