Kitabı oku: «Jugendgerichtsgesetz», sayfa 38

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b) Sanktionsprognose

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Wie sich aus dem Umkehrschluss zu § 56 Abs. 3 StGB ergibt, scheiden bei § 21 generalpräventive Gesichtspunkte aus, so dass die Frage nach der Warnung durch die Verurteilung sowie nach der erzieherischen Einwirkung in der Bewährungszeit allein unter spezialpräventiven Aspekten zu beantworten ist (BGH NStZ 1994, 530 [Böhm]). Bei Erstbestraften genügt regelmäßig der Warneffekt der Verurteilung. Die Wirkungen von Bewährungsmaßnahmen sind insgesamt günstiger als die des Strafvollzugs, auch wenn bei einem direkten Vergleich Unterschiede in der Probandengruppe zu beachten sind. Nach einer jüngeren Rückfallstatistik betrug die Rückfallquote bei Verurteilungen zu Jugendstrafen ohne Bewährung 77,8 % und bei Jugendstrafe mit Bewährung 59,6 % (Jehle/Heinz/Sutterer 2003, S. 123). Eine Urteilsbegründung, dass die Strafaussetzung eine günstigere erzieherische Beeinflussung des Angeklagten als der Vollzug der Jugendstrafe verspreche, genügt aber allein noch nicht (BGHR JGG § 21 Abs. 2 fehlerhafte Aussetzung 1). Notwendig ist eine begründete Beurteilung im Einzelfall. Auch bei Betäubungsmittelabhängigkeit kommt eine Strafaussetzung zur Bewährung nach § 21 trotz der Sonderregelung des § 35 BtMG in Betracht (Brunner/Dölling § 21 Rn. 16 und 17). Zur Strafaussetzung wegen fehlender Drogenberatung im Vollzug und zur „Vorbewährung“ gem. § 57, um einen Therapieplatz zu finden: AG Halle-Saale-Kreis NK 2000, 38 m. Anm. Sonnen; vgl. allg.: Schwerpunkt Drogen und Alkohol ZJJ 4/2009.

III. Strafaussetzung bei höherer Jugendstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt

1. Zeitliche Grenze

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Die Höchstgrenze der Strafaussetzung zur Bewährung beträgt zwei Jahre. Eine zweijährige Jugendstrafe ist noch aussetzungsfähig. Maßgebend ist die Höhe im Strafausspruch. Durch die Anrechnung einer sechsmonatigen Untersuchungshaft wird also eine Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten nicht aussetzungsfähig.

2. Voraussetzungen

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Die Zweijahresgrenze entspricht dem allgemeinen Strafrecht (§ 56 Abs. 2 StGB). Für eine weitergehende Aussetzungsmöglichkeit ist nach Ansicht des Gesetzgebers ein Bedürfnis nicht ausreichend nachgewiesen (BT-Drucks. 11/5829, 12). In dieser Begründung liegt ein Widerspruch zur kriminalpolitischen Zielsetzung, in der auf die schädlichen Nebenwirkungen der Jugendstrafe hingewiesen und ihre Ersetzung durch ambulante Maßnahmen gefordert wird. Die Schrittmacherrolle gegenüber dem allgemeinen Strafrecht beschränkt sich auf die gegenüber § 56 Abs. 2 StGB leichtere Aussetzungsmöglichkeit in § 21 Abs. 2. Wie in § 21 Abs. 1 ist Voraussetzung eine günstige Prognose hinsichtlich der Legalbewährung und der Möglichkeit der Bewährungshilfe, freilich unter dem Druck der Widerrufsmöglichkeit. Nach der Reform des § 21 Abs. 2 ist die Aussetzung nicht mehr vom Ermessen des Richters abhängig, sondern zwingend vorgeschrieben, wenn die Voraussetzungen gegeben sind. Eine Erwägung, die Taten als solche wiesen „keinerlei besondere Umstände auf, die es rechtfertigen könnten, die Jugendstrafe nicht zu vollstrecken“, ist fehlerhaft (BGH StV 1991, 423). Sie verkennt, dass die Strafaussetzung einer über ein Jahr liegenden Jugendstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, nach der Reform nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel ist. In der Neuregelung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses liegt gegenüber dem allgemeinen Strafrecht der Reformansatz. Begründet wird er mit der Überlegenheit ambulanter Maßnahmen wie Betreuungsweisung, sozialer Trainingskurs und Täter-Opfer-Ausgleich gegenüber dem Strafvollzug (BT-Drucks. 11/5829, 20). Kriminologisch ergibt sich die Überlegenheit aus den mindestens gleich guten bzw. überwiegend besseren Ergebnissen, gemessen an der Rückfallquote, rechtlich aus der Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeits- und Subsidiaritätsgrundsatzes und kriminalpolitisch aus den von der Jugendstrafvollzugskommission im Schlussbericht von 1980, 8 zusammengefassten Gründen.

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Nur in Ausnahmefällen, wenn die Vollstreckung im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen geboten ist, wird die Jugendstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt. Der Bundesgerichtshof hat hierzu ausgeführt: Hält die Jugendkammer eine hohe Jugendstrafe für erforderlich, weil bei der Angeklagten ein hoher erzieherischer Nachholbedarf besteht, hat sie im Hinblick auf das jugendliche Alter der Angeklagten zu erläutern, inwieweit die Verbüßung der Jugendstrafe in dieser Länge zur Behebung des festgestellten Erziehungsdefizits erforderlich ist. Dabei muss sie abwägen, wie die Jugendstrafe mit Blick auf die schulischen Belange sowie die persönliche Entwicklung der Angeklagten, die zur Bearbeitung der Tat- und Schuldproblematik dringend therapeutischer Behandlung bedarf, mit den im Jugendstrafvollzug zur Verfügung stehenden Mitteln zeitlich zu bemessen ist (BGH NStZ-RR 2008, 258).

Der Begriff der „Entwicklung“ schließt generalpräventive Aspekte aus. Der Begriff ist einengend zu verstehen, er ist nicht mit erzieherischen Gründen gleichzusetzen. Wie eng ihn der Gesetzgeber verstanden wissen will, ergibt sich auch daraus, dass er eine prognostische Beurteilung des Entwicklungsstandes durch einen Sachverständigen erwartet (BT-Drucks. 11/5829, 20). Beispiele dafür, dass trotz einer positiven Prognose die Vollstreckung im Hinblick auf die Entwicklung geboten ist, nennt der Gesetzgeber nicht. Sie lassen sich auch nicht vorstellen (Böhm 1991, S. 537); vgl. auch BGH NStZ 1994, 530 (Böhm): Aussetzung einer Jugendstrafe von 2 Jahren wegen Mordes zur Bewährung. „Dass bei dem Angeklagten, der in einem therapeutischen Kinderheim untergebracht ist, trotz günstiger Sozialprognose die Vollstreckung der Jugendstrafe im Hinblick auf seine Entwicklung geboten wäre, ist nicht ersichtlich.“ Man kann die Einschränkung in § 21 Abs. 2 sicher als verwirrend und völlig missglückt bezeichnen (Schaffstein/Beulke/Swoboda S. 190), wahrscheinlich ist die Formulierung jedoch aus Kompromissgründen gewählt, um einen ersten Reformschritt durchsetzen zu können. Rechtsfehlerhaft ist die Erwägung, erlittene Untersuchungshaft nicht auf die Jugendstrafe anzurechnen, damit eine zur Bewährung auszusetzende Strafe verhängt werden könne (BGH NStZ 1999, 34, der dann selbst die Untersuchungshaft auf die zweijährige Bewährungsstrafe wegen versuchten Totschlags angerechnet hat. Brunner 1999, S. 35 f. kritisiert diese Entscheidung im Hinblick auf die hochkomplizierte Wechselbeziehung zwischen Strafaussetzung und Nichtanrechnung von U-Haft bei der tatrichterlichen Überzeugungsbildung und plädiert für eine Zurückverweisung gem. § 354 Abs. 2 StPO, die jedoch das Verfahren verlängern würde).

IV. Prozessuale Fragen

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Die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung wird nach § 57 Abs. 1 im Urteil oder, solange der Strafvollzug noch nicht begonnen hat, nachträglich durch Beschluss angeordnet. Ausgesetzt werden kann immer nur die gesamte Strafe (§ 21 Abs. 3). Die isolierte Anfechtung der Strafaussetzung zur Bewährung ist zulässig, und zwar als sofortige Beschwerde gegen ein Urteil, weil die Strafe nicht ausgesetzt worden ist, bzw. gegen einen Beschluss, durch den die Aussetzung der Jugendstrafe angeordnet oder abgelehnt worden ist (§ 59 Abs. 1). Hat sich der Tatrichter ausdrücklich vorbehalten, vor der Einleitung der Strafvollstreckung die Voraussetzungen einer Strafaussetzung zur Bewährung erneut zu überprüfen, ist diese Sachprüfung neben der Rechtskraft des Schuld- und Strafausspruchs Voraussetzung für die Einleitung der Strafvollstreckung (KG NStE Nr. 2 zu § 21 JGG = NStZ 1988, 165 m. Anm. Walter/Pieplow).

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Die Verurteilung zu einer Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren wird gem. § 32 Abs. 2 Nr. 3 BZRG nicht in das Führungszeugnis aufgenommen, wenn Strafaussetzung zur Bewährung bewilligt und die Entscheidung nicht widerrufen worden ist.

§ 22 Bewährungszeit

(1) 1Der Richter bestimmt die Dauer der Bewährungszeit. 2Sie darf drei Jahre nicht überschreiten und zwei Jahre nicht unterschreiten.

(2) 1Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Aussetzung der Jugendstrafe. 2Sie kann nachträglich bis auf ein Jahr verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf vier Jahre verlängert werden. 3In den Fällen des § 21 Abs. 2 darf die Bewährungszeit jedoch nur bis auf zwei Jahre verkürzt werden.

Kommentierung

I.Anwendungsbereich1

II.Zeitraum2, 3

III.Nachträgliche Veränderung4 – 6

IV.Prozessuale Fragen7, 8

Literatur:

AK Hochschullehrerinnen Kriminologie/Straffälligenhilfe in der Sozialen Arbeit – Ein Lehrbuch (Hrsg.), 2014; Böhm Rückfall und Bewährung nach verbüßter Jugendstrafe, RdJB 1973, 33–41; Hein Verlängerung der Bewährungszeit nach deren Ablauf?, NStZ 1983, 252–253; Ostendorf Die Bewährungszeit im Jugendstrafrecht und ihre Abänderung, StV 1987, 320–321.

I. Anwendungsbereich

1

Zum Anwendungsbereich siehe § 21 Rn. 1.

II. Zeitraum

2

Die Bewährungszeit beträgt mindestens zwei Jahre, höchstens drei Jahre und ist insoweit im Höchstmaß deutlich kürzer als im allgemeinen Strafrecht (fünf Jahre = § 56a StGB). Verkürzung und Verlängerung sind nach § 22 Abs. 2 möglich. Der nach richterlichem Ermessen festzulegende Zeitraum bestimmt sich nach dem Ziel der Strafaussetzung zur Bewährung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Unter diesem Aspekt ist es unzulässig, grundsätzlich von der Höchstdauer auszugehen, um sie später ggf. herabsetzen zu können. Stattdessen hat eine generelle Orientierung an der Mindestzeit zu erfolgen (so auch Eisenberg § 22 Rn. 3 und Ostendorf § 22 Rn. 2 = „die Bewährungszeit ist ein Übel, eine lange Bewährungszeit ist ein großes Übel, die Verlängerung der Bewährung ein weiteres Übel“). Bewährungshilfe bedeutet immer soziale Kontrolle, so dass ein längerer Bewährungszeitraum belastet. Praxiserfahrungen (Böhm 1973, S. 37) und Erkenntnisse der kriminologischen Sanktionsforschung belegen, dass eine zweijährige Legalbewährung hinreichend aussagekräftig ist. 2011 wurden 11.975 Unterstellungen unter Bewährungsaufsicht nach Jugendstrafrecht beendet, u.z. 9201 = 76,8 % erfolgreich, 5.018 mit Erlass der Jugendstrafe, die Unterstellten waren zur Beendigung ihrer Bewährungsaufsicht in 3.549 Fällen Jugendliche, in 8.613 Heranwachsende und in 10.615 Fällen junge Erwachsene von 21 bis 25 Jahren (Stat. Bundesamt Fachserie 10, Reihe 5, 2011, S. 17, 19f.). Die Bewährungszeit dauerte 1991 in 1726 Fällen = 1-2 Jahre, in 1936 Fällen = 2-3 Jahre und in 947 Fällen = über 3 Jahre (Stat. Bundesamt Bewährungshilfe 1991, 1994, S. 42). Mittelbar lässt sich diesen Zahlen entnehmen, dass sich die Praxis noch stärker in Richtung auf die Mindestdauer entwickeln könnte und sollte.

3

Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung. Das Ende der Bewährungszeit kann durch ein Datum festgelegt werden (Brunner/Dölling § 22 Rn. 2 und Eisenberg § 22 Rn. 4), was aber wenig Sinn macht, wenn die Entscheidung nicht sofort rechtskräftig wird. Ostendorf StV 1987, 321 schlägt deswegen vor, die Bewährungszeit durch Jahre und Monate festzusetzen. Für die Berechnung ist § 188 BGB maßgebend.

III. Nachträgliche Veränderung

4

Im Fall des § 21 Abs. 1 kann die Bewährungszeit nachträglich bis auf ein Jahr und im Fall des § 21 Abs. 2 bis auf zwei Jahre verkürzt werden. Die Verkürzung erfolgt aus spezialpräventiven Gesichtspunkten. Sie versteht sich erziehungspsychologisch als positive Verstärkung i.S.v. Belohnung (Eisenberg § 22 Rn. 8).

5

Die Verlängerung auf bis zu vier Jahre liegt im richterlichen Ermessen. Wegen des belastenden Charakters für die Betroffenen darf sie nur erfolgen, wenn zu den Erkenntnissen im Zeitpunkt der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung inzwischen neue Umstände hinzugekommen sind. Sie müssen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsaspektes gravierend sein (vgl. auch Hein NStZ 1983, 253). Eine Verlängerung der Bewährungszeit ohne solche Gründe ist rechtsfehlerhaft und auf Rechtsmittel hin aufzuheben (§§ 58 Abs. 1 S. 4, 59 Abs. 2, 5). Bloße Unsicherheiten reichen für eine Verlängerung nicht aus. Allein, um die weiteren Ratenzahlungen für eine auferlegte Schadenswiedergutmachung kontrollieren zu können, darf also die Bewährungszeit nicht verlängert werden (a.A. OLG Hamburg MDR 1980, 246 und Brunner/Dölling § 22 Rn. 4; wie hier Ostendorf § 22 Rn. 5, der zudem auf den fehlenden Tatbezug hinweist). Anders kann sich die Situation bei einem Freiheitsentzug während der Bewährungszeit darstellen. Grundsätzlich ist auch in diesem Fall die Bewährungszeit nicht zu verlängern. Wenn allerdings der Vollzug der freiheitsentziehenden Sanktion den überwiegenden Zeitraum ausfüllt, soll ausnahmsweise eine Verlängerung möglich sein (OLG Braunschweig NJW 1964, 1581 m. abl. Anm. Dreher). Eine solche Ausnahme bedarf jedoch einer gesetzlichen Grundlage (Ostendorf StV 1987, 321 und Eisenberg § 22 Rn. 10).

6

Eine Veränderung der Bewährungszeit kann nur vor ihrem Ablauf erfolgen. Zur Frage, ob eine Ausnahme zulässig ist, um einen sonst gebotenen Widerruf zu vermeiden, KG Beschl. v. 13.8.2015 – 4 Ws 52/15 –; siehe die Erläuterungen zu § 26 Abs. 2 (dafür Eisenberg § 22 Rn. 9 und Ostendorf § 22 Rn. 4; jetzt auch Brunner/Dölling § 22 Rn. 4).

IV. Prozessuale Fragen

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Die Entscheidung über die Veränderung der Bewährungszeit ergeht nach Anhörung der Staatsanwaltschaft, des Jugendlichen und des Bewährungshelfers durch Beschluss, der zu begründen ist (§ 58 Abs. 1). Den Beschluss erlässt der Richter, der die Aussetzung angeordnet hat. Nach § 58 Abs. 3 ist die Übertragung der Entscheidung auf einen anderen Jugendrichter möglich. Gegen die Entscheidung über die Dauer der Bewährungszeit ist Beschwerde nach § 59 Abs. 2, Abs. 5 zulässig.

8

Während der tatsächlichen Dauer der Bewährungszeit ruht die Vollstreckungsverjährung (§§ 79a Nr. 2 StGB und 2 JGG).

§ 23 Weisungen und Auflagen

(1) 1Der Richter soll für die Dauer der Bewährungszeit die Lebensführung des Jugendlichen durch Weisungen erzieherisch beeinflussen. 2Er kann dem Jugendlichen auch Auflagen erteilen. 3Diese Anordnungen kann er auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben. 4Die §§ 10, 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 1, 2, 3 Satz 2 gelten entsprechend.

(2) Macht der Jugendliche Zusagen für seine künftige Lebensführung oder erbietet er sich zu angemessenen Leistungen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, so sieht der Richter in der Regel von entsprechenden Weisungen oder Auflagen vorläufig ab, wenn die Erfüllung der Zusagen oder des Anerbietens zu erwarten ist.

Kommentierung

I.Anwendungsbereich1

II.Möglichkeiten nach Absatz 12 – 11

1.Weisungen3 – 6

2.Auflagen7, 8

3.Nachträgliche Anordnungen9

4.Reaktionen auf Nichterfüllung10, 11

III.Möglichkeiten nach Absatz 212 – 14

1.Zusagen und Anerbieten13

2.Reaktionen auf Nichterfüllung14

IV.Prozessuale Fragen15, 16

Literatur:

Hoferer Zur Frage der Rechtmäßigkeit von Weisungen nach dem Jugendgerichtsgesetz, sich des Umgangs mit Betäubungsmitteln zu enthalten und zum Nachweis der Drogenfreiheit für eine bestimmte Zeit Urinproben abzugeben, NStZ 1997, 172–174; Kawamura-Reindl/Schneider Lehrbuch Soziale Arbeit mit Straffälligen, 2015; Leber/Friedrich/Weigend Zur Ergänzung herkömmlicher Therapiemodelle – Urinkontrollen als Bewährungsauflage bei Drogendelinquenten, BewHi 1993, 186–189; Ostendorf Zukunft des Jugendstrafrechts, in: BMJ (Hrsg.), Jugendstrafrechtsreform durch die Praxis, 1989, S. 325–337; Thiesmeyer Jugendgerichtsgesetz und Strafrechtsreform, RdJB 1970, 33–40; Ulmschneider Durchführung, Erfolg und rechtliche Grenzen der Bewährungsauflage bei Jugendlichen, 1966; Vogt Strafaussetzung zur Bewährung und Bewährungshilfe bei Jugendlichen und Heranwachsenden, 1972.

I. Anwendungsbereich

1

Vgl. § 21 Rn. 1 und § 22 Rn. 1. Bei der Erteilung von Weisungen und Auflagen gegenüber Soldaten der Bundeswehr sollen nach § 112a Nr. 3 die Besonderheiten des Wehrdienstes berücksichtigt werden. Zuvor soll der Richter den Disziplinarvorgesetzten des Jugendlichen oder Heranwachsenden hören (§ 112d).

II. Möglichkeiten nach Absatz 1

2

Weisungen und Auflagen sowie die nach § 24 zwingend vorgeschriebene Aufsicht und Leitung durch einen Bewährungshelfer sind flankierende Maßnahmen der Strafaussetzung zur Bewährung. Sie dienen ausschließlich spezialpräventiven Zwecken i.S. der Legalbewährung. Obwohl in § 23 Abs. 2 die Genugtuung für das begangene Unrecht erwähnt wird, hat dieser Gesichtspunkt keine positive eigenständige oder gar vorrangige Bedeutung. Durch den Bezug zum verwirklichten Tatunrecht wird vielmehr negativ für Art und Umfang der Auflage eine Grenze gezogen. Verhältnismäßigkeit und Spezialprävention sind und bleiben die Bezugspunkte (Eisenberg § 23 Rn. 5b und Ostendorf § 23 Rn. 2). Wenn demgegenüber Brunner/Dölling § 23 Rn. 1 „einschneidende“ Weisungen und Auflagen verlangen, die „nicht wesentlich hinter dem Strafvollzug zurückbleiben“, wird diese Position dem eigenständigen Charakter der Strafaussetzung zur Bewährung in kriminologischer, kriminalpolitischer und daraus folgend auch strafrechtsdogmatischer Hinsicht nicht gerecht. Die flankierenden Maßnahmen verdeutlichen dem verurteilten Jugendlichen und Heranwachsenden, dass die Strafaussetzung kein Freispruch ist (Böhm/Feuerhelm S. 243) – ein Eindruck, der durch die Konsequenzen bei Nichterfüllung und durch die Möglichkeit des Widerrufs bestärkt wird. Begrenzt sind die Weisungen und Auflagen auf die Dauer der Bewährungszeit. Zeitlich darüber hinausgehende flankierende Maßnahmen sind nicht zulässig. Innerhalb dieses Zeitraums können sie sich dagegen auf einen kürzeren Abschnitt beschränken oder wie z.B. bei einer finanziellen Schadenswiedergutmachung in einer einmaligen Handlung erschöpfen.

1. Weisungen

3

Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des jungen Menschen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. § 23 Abs. 1 verweist auf § 10 und damit auch auf die Möglichkeiten der Betreuungsweisung, des sozialen Trainingskurses und des Täter-Opfer-Ausgleichs. Bewährungsweisungen sollen, Auflagen können erteilt werden. Durch Soll- und Kann-Bestimmung verdeutlicht der Gesetzgeber das Abstufungsverhältnis. Im Regelfall werden Weisungen erteilt, wobei der Katalog des § 10 nur exemplarischen Charakter hat. Art und Umfang sind vom Richter konkret zu bestimmen. Eine Untersuchung zu der tatsächlichen Praxis im Landgerichtsbezirk Stuttgart in den Jahren 1954 bis 1960 hat ergeben, dass in fast jedem vierten Fall gegen dieses Bestimmtheitsprinzip verstoßen worden ist (Ulmschneider 1966, S. 233). Die allgemeine Weisung, allen Anordnungen des Bewährungshelfers Folge zu leisten, ist nicht hinreichend genug bestimmt und damit gesetzwidrig (Schaffstein/Beulke/Swoboda S. 193). Gleichwohl arbeitet die Praxis in fast jedem zweiten Fall mit einer solchen unzulässigen Weisung (Vogt 1972, S. 102), Hintergrund ist die schwierige, bis zum Rollenkonflikt führende Abstimmung zwischen richterlicher Anordnung und eigenständiger sozialarbeiterischer und sozialpädagogischer Kompetenz von Bewährungshelferinnen und -helfern. Aus rechtsstaatlichen Gründen und im Hinblick auf die Möglichkeit des Widerrufs dürfen richterliche Aufgaben nicht auf die Bewährungshilfe übertragen werden, z.B. mit der Weisung, allen Weisungen der Bewährungshilfe nachzukommen. Die Weisung, zum Nachweis der Drogenfreiheit nach näherer Bestimmung durch den Bewährungshelfer Urinproben abzugeben, soll nach OLG Zweibrücken NStZ 1989, 578, LG Detmold StV 1999, 662 sowie LG Cottbus Beschl. v. 9.3.2009 – 24 jug Qs 4/09 (juris) zulässig sein, stellt aber zumindest einen problematischen Grenzfall dar (vgl. auch die Anm. von Stree JR 1990, 121, Ostendorf § 23 Rn. 3 und Hoferer NStZ 1997, 172, die die zum allgemeinen Strafrecht ergangenen einschlägigen Beschlüsse OLG Stuttgart Justiz 1987, 234 und BVerfG NStZ 1993, 482 nicht auf das Jugendstrafrecht für übertragbar hält – Urinprobe als Verstoß gegen das Verbot des Selbstbezichtigungszwanges). Das Gericht stellt nur und insoweit zutreffend darauf ab, dass an den Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden, hätte jedoch auf das Verhältnis Gericht-Bewährungshilfe unter dem Gesichtspunkt hinreichender Bestimmtheit eingehen müssen. Immerhin ist aber der Rahmen konkreter bestimmt als die allgemeine Weisung, sich von Drogen fernzuhalten. Zulässig soll die Weisung gegenüber einer drogenabhängigen jungen Frau sein, sich vom alten Bekanntenkreis und dem üblichen Szenetreff fernzuhalten und die Zeit der (Vor-)Bewährung zu nutzen, um einen Therapieplatz zu finden, AG Halle-Saale-Kreis NK 2000, 38 m. Anm. Sonnen. Zur Praxis der Urinkontrolle als Bewährungsauflage bei Drogendelinquenten vgl. Leber/Friedrich/Weigend 1993, S. 186 und LG Detmold StV 1999, 662; Schwerpunkt Drogen und Alkohol, ZJJ 4/2009.

4

Die Weisung, keinen Alkohol zu trinken, ist in Verbindung mit einer Kontrollmöglichkeit hinreichend konkret und zielführend, um den Risikofaktor zu beseitigen: Monatlicher Atemalkoholtest bei der Polizei und Ergebnismitteilung an das Gericht, LG Cottbus Beschl. v. 9.3.2009 – 24 jug Qs 4/09. Eine Anordnung, dem Gericht alle zwei Wochen unaufgefordert schriftlich und lückenlos Aufenthaltsorte mit Anschrift für jede Tag- und Nachtzeit jeden Tages anzugeben, dient ausschließlich der Kontrolle, ist nicht überprüfbar und nicht geeignet, den Verurteilten erzieherisch zu beeinflussen, um ihn von rechtsextremen Gruppen mit ausländerfeindlichen und antisemitischen Zielen fernzuhalten (LG Cottbus Beschl. v. 9.3.2009).

5

Die Bewährungsweisung, durch die einer werdenden Mutter aufgegeben wird, sich nach der Entbindung um eine versicherungspflichtige Tätigkeit zu bemühen, um „durch eine sozialversicherungspflichtige Arbeit soziales Verhalten zu erlernen und eine solche Arbeitsstelle als Grundlage einer Reintegration nach Straffälligkeit anzustreben“, ist gesetzmäßig (LG Würzburg NJW 1983, 464). Der Begründungszusammenhang von Sozialversicherungspflicht und (Re)Sozialisierung ist zwar kriminologisch angreifbar, das Ergebnis bleibt aber unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten vertretbar. Der Vorprüfungsausschuss des Bundesverfassungsgerichts hat die entsprechende Verfassungsbeschwerde mangels Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG NJW 1983, 442; vgl. auch BVerfG NStZ 1981, 21 zur Weisung, einer vom Bewährungshelfer gebilligten, grundsätzlich versicherungspflichtigen Arbeit nachzugehen und Arbeits- oder Ausbildungsstellen nur mit vorheriger Zustimmung des Bewährungshelfers zu wechseln).

6

Gesetzwidrig ist die Weisung, sich in eine ambulante psychiatrische Behandlung zu begeben, wenn der Proband seine Einwilligung hierzu ausdrücklich versagt hat (OLG Hamm StV 1990, 308). Das gilt auch für die Anordnung, monatlich ein Negativattest über eine Blutuntersuchung zur Frage eines eventuellen Alkoholkonsums vorzulegen, OLG Cottbus Beschl. v. 9.3.2009 – 24 jug Qs 4/09 (juris). Das mit der zulässigen Weisung, den Wohnsitz bei seiner Mutter in den Niederlanden (grenznah) zu nehmen, verbundene Verbot, für die Dauer der Bewährungszeit in das Gebiet der Bundesrepublik einzureisen, dort durchzureisen oder sich dort aufzuhalten (mit Anordnung der nationalen Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung) ist gesetzwidrig, LG Aachen StraFo 2018, 359: „Bei einem verurteilten jugendlichen Straftäter, der seinen Wohnsitz in einem Anreinerstaat in einer Stadt an der deutschen Grenze hat und zudem die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrscht, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das in Form einer Weisung ergangene Einreise- und Durchreiseverbot in Deutschland während der Bewährungszeit im Interesse des Betroffenen liegt“.

Weitere Einzelheiten in der Kommentierung zu § 10.