Kitabı oku: «Jugendgerichtsgesetz», sayfa 42
b) Bestimmte neue Straftaten
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Eine zweite Einschränkung ergibt sich daraus, dass nur bestimmte neue Straftaten zum Widerruf führen können. Sie müssen zeigen, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zu Grunde lag, sich nicht erfüllt hat. Straftaten geringeren Gewichts, insbesondere Fahrlässigkeitstaten, eröffnen grundsätzlich keine Widerrufsmöglichkeit. Auch erhebliche einschlägige Straftaten müssen nicht zum Widerruf führen. Die Verlangsamung der Rückfallgeschwindigkeit und veränderte positive Ansätze im sozialen Umfeld des Verurteilten sind hierfür Beispiele. Selbst wenn mildere Maßnahmen nach § 26 Abs. 2 Nr. 1–3 wegen des Ablaufs der Bewährungsfrist nicht mehr angeordnet werden können, muss die neue Straftat nicht zwingend zum Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung führen, weil die erneute Straffälligkeit einer günstigen Prognose nicht immer und durchweg entgegensteht (BGH NStZ 2010, 83: Dreijährige berufliche Ausbildung, unmittelbar bevorstehender erfolgreicher Abschluss mit der Chance, im erlernten Beruf beschäftigt zu werden). Im Übrigen sind die Entstehungszusammenhänge der neuen Straftat sehr sorgfältig zu analysieren. Dabei ist kriminologisch zu berücksichtigen, dass auch eine zweite oder dritte Tat im Jugendalter durchaus normal ist (Heinz in: DVJJ (Hrsg.), 1990, S. 34 und Kerner in: DVJJ (Hrsg.), 1984, S. 14 ff. und BewHi 1989, 202 ff.). Zu Recht wird deswegen in der Rechtsprechung trotz erneuter Straftaten weiterhin eine günstige Prognose bejaht (LG Hamburg StV 1984, 32; LG Dortmund StV 1992, 558; LG Marburg NStZ 1982, 415 [Böhm] und, um bei Drogenabhängigkeit eine Langzeittherapie nicht zu unterbrechen, AG Krefeld StV 1983, 250; AG Braunschweig DVJJ-J 1996, 396). Der Widerruf setzt einen konkreten kriminologischen Zusammenhang der neuen Straftat zu der früheren voraus (Molketin ZfJ 1981, 266).
2. Widerruf auf Grund von Verstößen gegen Weisungen und Bewährungsaufsicht
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Nur bei Verstößen gegen Weisungen, nicht jedoch bei Nichterfüllung von Zusagen (vgl. § 23 Rn. 12) kann ein Widerruf erfolgen. Gröblich ist ein Verstoß gegen Weisungen, wenn er objektiv schwerwiegend und subjektiv vorsätzlich ist. Beharrlich verstößt der Verurteilte gegen Weisungen, wenn er objektiv wiederholt und subjektiv nachdrücklich handelt. Entscheidend ist es auch hier, die Hintergründe für die Verstöße gegen Weisungen zu klären. Es gibt Weisungen, denen junge Menschen einfach nicht nachkommen können, und veränderte Situationen, die ihnen die Erfüllung von Pflichten unmöglich machen. Erforderlich sind deswegen ein vorangehendes Gespräch und, wie es Ostendorf §§ 26, 26a Rn. 8 verlangt, eine Abmahnung. Die Tatsache, dass sich der Verurteilte der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers entzieht, darf nicht Anlass für einen Widerruf auf Grund enttäuschter Erwartungen sein. Der Abbruch des Kontaktes zu dem Bewährungshelfer kann auch auf eine inzwischen erfolgte Stabilisierung zurückzuführen und die Straftat Ausdruck einer nunmehr bewältigten krisenhaften Entwicklung sein (LG Hamburg StV 1984, 32). Da zwischen dem Bewährungshelfer und dem Probanden wechselseitige Beziehungen bestehen (sollten), darf allein die Tatsache, dass der Verurteilte verabredete Termine versäumt, nicht zum Widerruf führen, OLG Hamm StV 2017, 719 = ZJJ 2017, 76: Sporadisches Aufsuchen des Bewährungshelfers ist noch nicht „beharrlich“. Der Bewährungshelfer muss sich seinerseits um Kontakte bemühen. Nur wenn der Proband zielgerichtet für den Bewährungshelfer unerreichbar wird, ist ein Widerruf zu erwägen. Die Rücknahme einer (nicht vorgetäuschten) Einwilligung in eine Heilbehandlung, Entziehungskur, in einen Heim- oder Anstaltsaufenthalt stellt keinen gröblichen oder beharrlichen Verstoß dar (BGHSt 36, 97 zu § 56c Abs. 1 StGB).
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Weitere zweite einschränkende Voraussetzung für den Widerruf ist die Besorgnis, dass der Verurteilte erneut Straftaten begehen wird. Diese negative Kriminalprognose muss auf konkrete und objektivierbare Verdachtsmomente gegründet sein (z.B. trotz Weisung zur Drogenabstinenz Drogenkonsum, kein Urin-Drogenscreening und auch keinerlei Bemühen um eine Drogentherapie; OLG Köln Beschl. v. 25.3.2009 – 2 Ws 68/09 und 2 Ws 129/09 [juris]), wobei hinsichtlich der erwarteten Wiederholungstat zusätzlich die in Rn. 10 erörterten Restriktionen zu beachten sind.
3. Widerruf auf Grund von Verstößen gegen Auflagen
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Bei Nichteinhaltung eines Anerbietens ist ein Widerruf nicht zulässig (vgl. § 23 Rn. 13), sondern nur bei einem gröblichen oder beharrlichen Verstoß gegen Auflagen. Vor einem Widerruf ist die Rechtmäßigkeit der Auflage nochmals selbstständig zu prüfen. Unzulässig ist z.B. die Auflage, einen Geldbetrag an die Staats/Landeskasse zu zahlen, weil sie keine gemeinnützige Einrichtung i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 4 ist und § 56b Abs. 2 Nr. 4 StGB keine Entsprechung im Jugendstrafrecht hat (OLG Zweibrücken StV 1991, 425). Die Einschränkung des § 26 Abs. 1 Nr. 2, dass das Verhalten des Verurteilten Anlass zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen wird, ist bei Verstößen gegen Auflagen nicht vorgesehen. Das Fehlen dieser Einschränkung wird von Eisenberg §§ 26, 26a Rn. 9 als negative Sanktionierung von Ungehorsam kritisiert. Ostendorf §§ 26, 26a Rn. 9 hält auch bei Verstößen gegen Auflagen eine negative Prognose für erforderlich, an die aber weniger hohe Anforderungen zu stellen seien, weil der Gesetzgeber von einer widerleglichen Vermutung für eine Rückfallgefahr ausgegangen sei (a.A. Walter in: Sieverts/Schneider (Hrsg.), Handwörterbuch der Kriminologie, 2. Aufl., Band 5, S. 164). Die Problematik verringert sich entscheidend, wenn die Subsidiarität des Widerrufs hinreichend beachtet wird.
III. Absehen vom Widerruf
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Der Widerruf der Strafaussetzung führt zur Vollstreckung der Jugendstrafe. Jugendstrafe ist aber ultima ratio und deswegen nach der kriminalpolitischen Zielsetzung des JGG und speziell des 1. JGGÄndG nach Möglichkeit zu vermeiden. Nach § 23 Abs. 1, der auf die §§ 11 Abs. 3 und 15 Abs. 3 verweist, kann bei schuldhafter Nichterfüllung von Weisungen und Auflagen Arrest verhängt werden, wenn zuvor eine Belehrung über die Konsequenzen der Zuwiderhandlung erfolgt war (OLG Hamm StV 2017, 719 = ZJJ 2017, 76: Beschwerde gegen den Widerruf der Bewährung erfolgreich, da der Beschwerdeführer nicht ordnungsgemäß über die Folgen des Weisungsverstoßes belehrt und auch kein Bewährungsplan erstellt worden ist. Zudem fehlen im Widerrufsbeschluss konkrete Angaben über die Anzahl der geschuldeten und tatsächlich abgeleisteten Arbeitsstunden. Außerdem sind die Formulierungen zur Arbeitsweisung bzw. zur Arbeitsauflage unklar. Die Belehrung muss in einer auch für einen juristischen Laien verständlichen und eindeutigen Art und Weise erfolgen. Die Möglichkeit des Widerrufs durch eine rückwirkende Verlängerung der Bewährungszeit zu ersetzen, stellt kein Allgemeinwissen dar, KG Berlin Beschl. v. 13.8.2015 – 4 Bs 52/15, juris). Der sog. Ungehorsamsarrest stellt insoweit eine Alternative zum Widerruf der Strafaussetzung dar. Da Arrest aber eine freiheitsentziehende Sanktion ist, sollte er durch ambulante Möglichkeiten ersetzt werden. Dafür bietet der durch das 1. JGGÄndG erweiterte § 26 Abs. 2 die Rechtsgrundlage. Diese Vorschrift, die in der Praxis der Vergangenheit zu oft vernachlässigt worden ist (Molketin ZfJ 1981, 265), hat innerhalb des kriminalpolitischen Konzeptes des 1. JGGÄndG eine erhebliche Aufwertung erfahren. Das Absehen vom Widerruf ist zwingend, wenn die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 gegeben sind. Der Widerruf ist also gem. § 26 Abs. 2 subsidiär (Brunner 1999, S. 35).
1. Weitere Weisungen oder Auflagen
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Die neuen Weisungen oder Auflagen sollen nicht die gröblichen oder beharrlichen Verstöße gegen Weisungen oder Auflagen ahnden, sondern dienen dazu, Haft zu vermeiden und das Bewährungsziel künftiger Straffreiheit zu erreichen.
2. Verlängerung der Bewährungs- oder Unterstellungszeit
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Eine Verlängerungsmöglichkeit besteht bis zum Höchstmaß von insgesamt vier Jahren. Umstritten ist, ob eine Verlängerung nur innerhalb der noch laufenden Bewährungszeit möglich ist (so Brunner 9. Aufl., § 22 Rn. 4, aufgegeben in der 11. Aufl. 2002) oder auch noch nach ihrem Ablauf (so VerfGH Brandenburg Beschl. v. 11.12.2018 – 77/15; Eisenberg §§ 26, 26a Rn. 11 und Ostendorf §§ 26, 26a Rn. 12). Bei einer rein grammatikalischen Interpretation besteht keine Möglichkeit für eine nachträgliche Änderung der Bewährungszeit, weil eine Frist, die abgelaufen ist, nicht mehr verlängert werden kann. Die Wortlautgrenze hat jedoch hier nicht denselben Stellenwert wie bei strafbegründenden Voraussetzungen. Es geht ganz klar um Haftvermeidung durch Verlängerung des Zeitraums statt Widerruf und damit Strafvollstreckung. Maßgebend ist die teleologische Interpretation auf der Grundlage der durch das 1. JGGÄndG deutlich veränderten kriminalpolitischen Zielrichtung. Wenn die Strafaussetzung zur Bewährung nach Ablauf der Bewährungszeit widerrufen werden kann, um auf Verhaltensweisen des Verurteilten in der Schlussphase zu reagieren, muss diese Möglichkeit erst recht für die Vermeidung des Widerrufs gelten. In der Phase nach Ablauf der Bewährungszeit und dem späteren Verlängerungsbeschluss bestehen keine Bewährungsverpflichtungen, so dass zwischenzeitliche Verstöße nicht zu berücksichtigen sind (KG StV 1986, 165; OLG Schleswig NStZ 1986, 363; Ostendorf §§ 26, 26a Rn. 12).
3. Erneute Unterstellung unter einen Bewährungshelfer
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Weil nach Inkrafttreten des 1. JGGÄndG Bewährungs- und Unterstellungszeit nicht mehr identisch sind, hat der Gesetzgeber neben der Verlängerung der Unterstellungszeit auch die Möglichkeit vorgesehen, den Verurteilten vor Ablauf der Bewährungszeit erneut einem Bewährungshelfer zu unterstellen, um den Widerruf der Strafaussetzung zu vermeiden. Dabei kommt auch eine Auswechslung des Bewährungshelfers in Betracht.
IV. Straferlass
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Der Erlass der Jugendstrafe ist nach Nr. 1 RiJGG zu §§ 26 und 26a durch einen Schlussbericht rechtzeitig vorzubereiten. Nach Ablauf der Bewährungszeit ist die Jugendstrafe zu erlassen, wenn die Strafaussetzung nicht widerrufen wird bzw. kein Verlängerungsgrund besteht. Der Beschluss über den Straferlass ist nach § 59 Abs. 4 nicht anfechtbar. Mit dem Straferlass erklärt der Richter zugleich gem. § 100 den Strafmakel als beseitigt, was jedoch nicht für Verurteilungen wegen Sexualstraftaten nach den §§ 174–180 oder 182 StGB gilt.
V. Anrechnung von Leistungen
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Leistungen, die der Verurteilte zur Erfüllung von Weisungen, Auflagen, Zusagen oder Anerbieten erbracht hat, werden weder im Fall des Widerrufs noch im Fall des Straferlasses erstattet – eine weitere Regelung, die den eigenständigen Charakter der Strafaussetzung zur Bewährung verdeutlicht (Ostendorf §§ 26, 26a Rn. 16). Abweichend von diesem Grundsatz kann der Richter jedoch nach Widerruf der Strafaussetzung Leistungen, die der Verurteilte zur Erfüllung von Auflagen und entsprechenden Anerbieten erbracht hat, auf die Jugendstrafe anrechnen. Dabei kann sich das Ermessen im Hinblick auf das Doppelbestrafungsverbot nach Art. 103 Abs. 3 GG auf Null reduzieren, so dass z.B. bei Geldbußen eine Anrechnungsverpflichtung entsteht (so Ostendorf §§ 26, 26a Rn. 16). Leistungen zur Erfüllung von Weisungen oder Zusagen können auf Grund der ausdrücklichen Regelung in § 26 Abs. 3 dagegen nicht angerechnet werden. Für Weisungen mit überwiegendem Repressionscharakter will Ostendorf eine Ausnahme zulassen, was de lege ferenda sinnvoll ist, de lege lata sich aber nicht begründen lässt.
Jugendarrest neben Jugendstrafe nach § 16a ist als sog. Kopplungsarrest im verbüßten Umfang zwingend anzurechnen, um eine Doppelbestrafung zu vermeiden; LG Hamburg Beschl. v. 4.9.2014 – 604 Qs 27/14 – zur Anrechenbarkeit der Weisung, sich für die Dauer der „Vorbewährungszeit“ in der Jugendgerichtlichen Unterbringung (JGU), einem Hamburger Haftvermeidungsprojekt aufzuhalten.
Leistungen, die zur Erfüllung von Auflagen erbracht werden, können auf die Jugendstrafe angerechnet werden. Für Weisungen fehlt eine entsprechende Regelung. Das hängt damit zusammen, dass § 56f Abs. 3 S. 2 StGB im Wortlaut übernommen, aber nicht jugendgemäß angepasst worden ist. Die ausdrückliche Erwähnung der Auflagen und ihrer Anrechenbarkeit wird mit der Genugtuungsfunktion der Strafe erklärt (Schönke/Schröder-Stree/Kinzig § 56f Rn. 23). Dieses Argument ist im Jugendstrafrecht nicht vorrangig zu berücksichtigen. Vielmehr wäre eine jugendgemäße Orientierung erforderlich und damit die Anrechenbarkeit auch von durch Weisungen angeordneten Beschränkungen der Freiheit entsprechend anzuwenden.
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Die Möglichkeit einer Anrechnung verbüßten Ungehorsamsarrests auf die Jugendstrafe nach Widerruf der Strafaussetzung ist in § 26 Abs. 3 nicht erwähnt. Deswegen halten Brunner/Dölling § 26a Rn. 12 eine Anrechnung für ausgeschlossen. Demgegenüber bejaht Eisenberg §§ 26, 26a Rn. 25 im Hinblick auf das in § 31 verankerte Einheitsprinzip eine Anrechnungsmöglichkeit und Ostendorf §§ 26, 26a Rn. 16 weist darauf hin, dass der Arrest die Weisungen und Auflagen ersetzt und insoweit angerechnet werden muss. Auch wenn die Begründungen im Einzelnen angreifbar sein mögen, entspricht das Ergebnis (= Anrechnung) dem Grundgedanken des 1. JGGÄndG, dass eine Haftverkürzung anzustreben ist, wenn Haft schon nicht vermieden werden kann.
VI. Prozessuale Fragen
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Die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder den Erlass der Jugendstrafe trifft der Richter gemäß § 58 Abs. 1 durch Beschluss. Der Staatsanwalt, der Jugendliche und der Bewährungshelfer sowie gemäß § 38 Abs. 3 S. 1 der Vertreter der Jugendgerichtshilfe (OLG Koblenz Beschl. v. 23.3.2016 – 2 Bs 150/16, juris) sind zu hören. Diese Anhörung erfolgt in der Praxis häufig so, dass lediglich die Möglichkeit zu einer schriftlichen Äußerung eingeräumt wird, wovon junge Menschen jedoch nur selten Gebrauch machen. Deswegen ist durch das 1. JGGÄndG die Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter gesetzlich verankert worden. § 58 Abs. 1 S. 2 will dazu beitragen, dass der Richter Probleme des Verurteilten besser berücksichtigen und auch erfahren kann, warum die Bewährung bisher nicht erfolgreich war. Hat das Gericht, das über den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung wegen eines Auflagenverstoßes zu entscheiden hat, die mündliche Anhörung des Verurteilen versäumt, so kann das Beschwerdegericht die Anhörung aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung selbst nachholen (OLG Hamm ZJJ 2008, 387–390).
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Erklärtes Ziel ist es, im Interesse des jungen Verurteilten durch Maßnahmen nach § 26 Abs. 2 einen Widerruf vermeiden und damit gleichzeitig den Jugendstrafvollzug entlasten zu können (BT-Drucks. 11/5829, 27).
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Während der Straferlass nach § 26a gem. § 59 Abs. 4 nicht anfechtbar ist, kann der zu begründende Beschluss über den Widerruf der Aussetzung der Jugendstrafe nach § 26 Abs. 1 mit der sofortigen Beschwerde gem. § 59 Abs. 3 angegriffen werden. Gegen die Ablehnung des Antrags der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung ist entgegen LG Hamburg NStZ 1996, 250 die sofortige Beschwerde nicht statthaft, LG Potsdam NStZ 1996, 285 und Sieveking/Eisenberg 1996, S. 251. Eine analoge Anwendung des § 453 StPO (über § 2) kommt nicht in Betracht, weil es an einer Regelungslücke fehlt, wie § 59 Abs. 3 beweist.
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Vor einem erwarteten Widerruf der Strafaussetzung sind nach § 453c StPO vorläufige Maßnahmen bis hin zum Sicherungshaftbefehl möglich (OLG Koblenz Beschl. v. 23.3.2016, 2 WS 150/16, juris: Die mündliche Anhörung des Verurteilten anlässlich der Verkündung eines Sicherungshaftbefehls durch den dazu beauftragten Richter ist keine Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor der Widerrufsentscheidung nach § 58 Abs. 1 S. 3. Der Haftvollzug darf aber nicht als „Denkzettel“ und Alternative zum Widerruf angeordnet werden (Brunner/Dölling § 26a Rn. 9; Eisenberg § 26a Rn. 14 und Ostendorf §§ 26, 26a Rn. 10).
Sechster Abschnitt Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe
Inhaltsverzeichnis
§ 27 Voraussetzungen
§ 28 Bewährungszeit
§ 29 Bewährungshilfe
§ 30 Verhängung der Jugendstrafe; Tilgung des Schuldspruchs
§ 27 Voraussetzungen
Kann nach Erschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten nicht mit Sicherheit beurteilt werden, ob in der Straftat eines Jugendlichen schädliche Neigungen von einem Umfang hervorgetreten sind, dass eine Jugendstrafe erforderlich ist, so kann der Richter die Schuld des Jugendlichen feststellen, die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe aber für eine von ihm zu bestimmende Bewährungszeit aussetzen.
Kommentierung
I.Allgemeines1 – 4
1.Anwendungsbereich1
2.Rechtsnatur2 – 4
II.Voraussetzungen5 – 11
1.Ausschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten5
2.Schädliche Neigungen6 – 8
3.Erforderliche Sicherheit9
4.Entscheidung über Jugendstrafe10
5.Bewährung11
III.Richterliches Ermessen12
IV.Verhältnis zu anderen Maßnahmen13 – 16
1.Verbindung mit anderen Maßnahmen (§§ 7–9, 13)13, 14
2.Unterbringung (§ 5 Abs. 3)15
3.Nachträgliche Entscheidungen (§§ 31, 66)16
V.Verfahren und Rechtskraft17 – 20
1.Allgemeines17
2.Urteil18
3.Rechtskraft19
4.Rechtsmittel20
VI.Amnestie21
VII.Sonstiges22
I. Allgemeines
1. Anwendungsbereich
1
Die Vorschrift gilt für Jugendliche und Heranwachsende, auch vor den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten (§ 105 Abs. 1, § 104 Abs. 1 Nr. 1, § 112). Sie findet auch Anwendung auf rechtswidrige Taten, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts der früheren DDR begangen worden sind (Kap. III. C Abschnitt III Nr. 3 f § 1 der Anlage I zum Einigungsvertrag).
2. Rechtsnatur
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§ 27 normiert keine eigenständige Rechtsfolge des Jugendstrafrechts im strafrechtlichen Sinne (§ 5). Die Vorschrift erlaubt lediglich in bestimmten Fällen (s. Rn. 5–8) eine Aufspaltung der sonst vorgeschriebenen einheitlichen Entscheidung über die Schuld- und Straffrage, indem sie den Richter dazu befugt, eine rechtskraftfähige Vorabentscheidung über die strafrechtliche Schuld des Täters zu treffen und die Entscheidung über die Strafe für eine bestimmte Zeit aufzuschieben. Das Urteil nach § 27 ist deshalb allenfalls insofern eine „echte Strafentscheidung“, als es sich um eine richterliche Entscheidung auf dem Gebiet des Strafrechts (so wohl Brunner/Dölling § 27 Rn. 3), nicht aber insofern, als es um eine Entscheidung über strafrechtliche Rechtsfolgen handelt. Da nach erfolgreichem Ablauf der Bewährungszeit (§§ 28, 29) nicht nur eine Bestrafung entfällt, sondern auch der Schuldspruch getilgt wird, ist die Entscheidung nach § 27 aus rechtsfolgenrechtlicher Sicht eine bedingte Verurteilung (BayObLG GA 1971, 181; Schaffstein/Beulke/Swoboda Rn. 528; Potrykus JR 1961, 407; Brunner/Dölling § 27 Rn. 1). Der Aussetzung der Vollstreckung einer bereits erkannten Jugend- oder Freiheitsstrafe im Sinne von § 21 oder § 23 StGB kann sie daher keinesfalls gleichgestellt werden (BGHSt 9, 160, 161; BayObLG GA 1971, 182). Vom Ergebnis her gesehen bedeutet die Verurteilung nach § 27, dass der Täter jeweils zunächst keiner Freiheitsentziehung unterworfen ist und, sofern er sich bewährt, sie auch nicht zu befürchten braucht (BayObLG a.a.O., BGHSt 9, 104, 106).
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Es besteht allerdings eine enge Verbindung zwischen der Schuldfeststellung und dem Nachverfahren gem. § 30. Diese zeigt sich insbesondere darin, dass die abschließende Entscheidung gemäß § 30 nur dahin lauten kann, dass entweder Jugendstrafe ausgesprochen oder die Tilgung des Schuldspruchs angeordnet wird. Eine weitere Möglichkeit der Verfahrensbeendigung ist im Gesetz nicht vorgesehen (s. § 30 Rn. 1). Es kann daher selbst in einem Falle, in dem zwar die Verhängung einer Jugendstrafe endgültig nicht angebracht erscheint, jedoch eine andere nachdrückliche erzieherische Einwirkung auf den Jugendlichen erforderlich wäre, eine solche nicht mehr angeordnet werden (vgl. BayObLG GA 1971, 182; BGHSt 18, 207, 211; s. § 30 Rn. 2). Aus all dem ergibt sich, dass bei der Entscheidung nach § 27 keineswegs nur ein vom Strafausspruch völlig getrennter Schuldspruch ergeht. Vielmehr ist mit dieser Entscheidung der zwar noch offen gelassene, aber später durchaus mögliche und für den Fall der Nichttilgung des Schuldspruchs sogar unumgängliche Strafausspruch der Art nach bereits in der Weise bestimmt, dass nunmehr Jugendstrafe in Betracht kommen kann. Schuldfeststellung und Strafausspruch stehen demnach auch bei der Entscheidung nach § 27 in enger Verbindung (BayObLG GA 1971, 182). Die Schuldfeststellung nach § 27 ist daher keine noch nicht vollständig erledigte Entscheidung i.S.v. § 66 Abs. 1 S. 1 (BGH NJW 2007, 447; s. auch Rn. 16). § 66 Abs. 1 findet daher auf Entscheidungen nach § 27 keine Anwendung (BGH a.a.O.).
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Inhaltlich regelt die Vorschrift eine Ausnahme vom Grundsatz „in dubio pro reo“, die dazu führt, dass begründete Zweifel an dem Vorliegen schädlicher Neigungen in einem die Jugendstrafe erfordernden Umfang (§ 17 Abs. 2 1. Alt.) nicht dazu nötigen, von vorneherein zu Gunsten des Angeklagten von einer Jugendstrafe abzusehen, sondern die Entscheidung darüber bis zur endgültigen Gewissheit aufzuschieben. Wegen dieses Ausnahmecharakters sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Entscheidung nach § 27 eng auszulegen (im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt NJW 1955, 603; Potrykus § 27 Bem. 2; vgl. auch Schriftl. Bericht, BT-Drucks. 1/4437, S. 6/7; i.d.S. nun wohl auch Brunner/Dölling § 27 Rn. 6 ff. 10; a.A. Dallinger/Lackner § 27 Rn. 12; Hellmer Erziehung und Strafe, 1957, S. 275 ff., 286; Ostendorf NJW 1981, 379 f.; für eine eher regelmäßige Anwendung wohl Eisenberg § 27 Rn. 7, wonach die Feststellung schädlicher Neigungen ohnehin kaum möglich und die erzieherische Eignung der Jugendstrafe empirisch nicht hinreichend belegt sei). Die von der Gegenmeinung als Begründung für eine extensive Auslegung herangezogene, sicherlich unumstrittene Praktikabilität und der Erfolg der Verfahrensweise nach §§ 27 bis 30 (vgl. hierzu Kreischer Die Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe nach § 27 JGG in ihrer praktischen Bedeutung, (Diss. Heidelberg) 1970; Lorbeer Probleme der Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe nach § 27 ff. JGG, (Diss. Hamburg) 1980; Memmler RdJ 1966, 225 ff.; Ostendorf NJW 1981, 378 ff.; Balzer Der strafrechtliche Begriff der schädlichen Neigungen, Diss. Kiel 1964; Hellmer Erziehung und Strafe, 1957, S. 275 ff.; Nothacker Zbl 1985, 340 Fn. 77; Schumann ZRP 1984, 319 ff., 322; Kerner BewHilfe 1977 (Bd. 24), 293; Meyer Zbl 1981, 373; Berckhauer/Hasenpusch MschKrim 1984, 176 ff.; Herrmann MschKrim 1983, 267 ff.; Kaiser NStZ 1982, 106; Eisenberg § 27 Rn. 16, jeweils m.w.N.) erlangt im Rahmen der richterlichen Ermessensausübung Bedeutung (Rn. 12); diese Gesichtspunkte dürfen aber nicht dazu verleiten, die nur aus den Besonderheiten des Jugendstrafrechts zu rechtfertigende Relativierung des rechtsstaatlichen Grundsatzes „in dubio pro reo“ durch § 27 mehr als unumgänglich vorzunehmen. § 27 will dem Richter nämlich nicht die Entscheidung darüber ersparen, ob der Täter aus einem eingewurzelten Hang oder auf Grund einer einmaligen Entgleisung gehandelt hat, sondern er beschränkt sich auf die Fälle, in denen er sich „trotz Erschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten“ nicht davon zu überzeugen vermag, dass die in der Straftat hervorgetretenen schädlichen Neigungen in so großem Umfang vorliegen, dass eine Jugendstrafe erforderlich ist (Schriftl. Bericht, BT-Drucks. 1/4437, S. 6/7; OLG Frankfurt NJW 1955, 603).