Kitabı oku: «Jugendgerichtsgesetz», sayfa 44

Yazı tipi:

§ 28 Bewährungszeit

(1) Die Bewährungszeit darf zwei Jahre nicht überschreiten und ein Jahr nicht unterschreiten.

(2) 1Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechtskraft des Urteils, in dem die Schuld des Jugendlichen festgestellt wird. 2Sie kann nachträglich bis auf ein Jahr verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf zwei Jahre verlängert werden.

Kommentierung

I.Anwendungsbereich1

II.Zeitraum2

III.Nachträgliche Veränderung3, 4

IV.Verfahren und Rechtsbehelfe5

V.Sonstiges6

I. Anwendungsbereich

1

Zum Anwendungsbereich gelten die Erläuterungen zu § 27 Rn. 1.

II. Zeitraum

2

Die Bewährungszeit beträgt mindestens ein Jahr, höchstens zwei Jahre. Eine Überschreitung der Mindest- oder Höchstdauer wie etwa in § 22 Abs. 2 ist nicht zulässig. Der nach richterlichem Ermessen festzulegende Zeitraum bestimmt sich danach, welche Zeit voraussichtlich benötigt wird, um sicher zu beurteilen, ob schädliche Neigungen in dem gem. § 30 erforderlichen Umfang vorliegen. Gleichzeitig soll die Zeit zur erforderlichen erzieherischen Einwirkung im Wege etwaiger Bewährungsauflagen oder -weisungen (§ 29) ausreichen. Mit der Höchstdauer, die aus rechtsstaatlichen Gründen wesentlich kürzer als die Bewährungszeit nach § 22 gehalten ist, ist sichergestellt, dass im Falle der Verhängung einer Jugendstrafe die erforderliche Nähe zur Straftat noch gewahrt bleibt. Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechtskraft des Urteils nach § 27 (Abs. 2 S. 1).

III. Nachträgliche Veränderung

3

Für die nachträgliche Veränderung der Bewährungszeit (§ 28 Abs. 2 S. 2) gilt neben den Erläuterungen zu § 22 Folgendes: Eine Verlängerung der in dem Beschluss nach § 268a StPO festgesetzten Bewährungszeit darf nur dann erfolgen, wenn ein entsprechender Anlass besteht (entsprechend Fischer § 56a Rn. 3; Sturm JZ 1970, 85). Es genügt nicht, wenn nur weiterhin Unklarheit über die Erforderlichkeit der Verhängung einer Jugendstrafe (§ 30) herrscht (a.A. Brunner/Dölling § 28 Rn. 1, wonach die Verlängerung in diesem Fall sogar ohne Gründe erfolgen kann). Vielmehr müssen neue Umstände vorliegen, die entgegen dem Stand der Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung nach § 27 nunmehr eine längere (oder kürzere) Bewährungszeit erforderlich erscheinen lassen. Eine ohne Vorliegen solcher Gründe getroffene Verlängerung der Bewährungszeit ist rechtsfehlerhaft und auf Rechtsmittel (§ 63 Abs. 2) aufzuheben. Die Gegenansicht (Brunner/Dölling § 28 Rn. 1), wonach die Verlängerung der Bewährungszeit ohne weitere Gründe erfolgen kann, übersieht, dass die nachträgliche Veränderung der Bewährungszeit eine richterliche Ermessensentscheidung ist, die jedenfalls im Falle der Verlängerung den Betroffenen belastet und daher schon wegen ihrer Anfechtbarkeit (§ 63 Abs. 2) zu begründen ist. (§ 62 Abs. 4, § 58 Abs. 1 S. 4; siehe auch § 22 Rn. 5).

4

Eine Veränderung der Bewährungszeit kann nur vor ihrem Ablauf erfolgen. Eine Verlängerung der Bewährungszeit nach ihrem Ablauf ist unzulässig. Eine dem § 56f StGB vergleichbare Regelung existiert nicht. Der Fall der nachträglichen Verlängerung zur Vermeidung des Widerrufs einer Aussetzung der Vollstreckung einer bereits erkannten Freiheitsstrafe kann hier nicht eintreten (OLG Düsseldorf MDR 1985, 516).

IV. Verfahren und Rechtsbehelfe

5

Die Entscheidung über die Veränderung der Bewährungszeit (§ 28 Abs. 2 S. 2) ergeht nach Anhörung der Staatsanwaltschaft, des Jugendlichen und des Bewährungshelfers durch Beschluss, der zu begründen ist (§ 62 Abs. 4, 58 Abs. 1 S. 1, 2 und 4; s. auch § 62 Rn. 15). Zuständig ist ausschließlich der Richter, der die Entscheidung nach § 27 getroffen hat (§ 62 Abs. 4, 58 Abs. 3 S. 1). Die Zuständigkeit darf ebenso wenig wie die Entscheidung nach § 30 gem. § 58 Abs. 3 S. 2 auf den Jugendrichter des Aufenthaltsorts übertragen werden (BGH NStZ 1999, 361 m.w.N.; StV 1998, 348). Dies ergibt sich aus der Verweisung in § 62 Abs. 4, in der § 58 Abs. 3 S. 2 ausgenommen ist. Auch der Zweck der Regelung, nämlich ausschließlich die Klärung der Frage, ob die im Schuldspruch missbilligte Tat auf schädliche Neigungen zurückzuführen und deshalb gem. § 30 JGG nachträglich eine Jugendstrafe zu verhängen ist, spricht dafür, die Bewährungsüberwachung der alleinigen Zuständigkeit des erkennenden Jugendrichters zu überlassen. Für die Rechtsmittel (Beschwerde) gelten die § 63 Abs. 2, § 59 Abs. 2 und 5.

V. Sonstiges

6

Wurde die Entscheidung nach § 27 zulässigerweise mit Erziehungsbeistandschaft (§ 12 Nr. 1) verbunden (s. § 27 Rn. 13), so ruht diese Maßnahme bis zum Ablauf der Bewährungszeit (§ 8 Abs. 2 S. 2; s. § 27 Rn. 13). Die Vorschriften über den Sicherungshaftbefehl (§ 453c StPO) gelten nicht (s. § 30 Rn. 18). Die Verjährung der Strafverfolgung ruht (§ 78b Abs. 1 S. 1 StGB).

§ 29 Bewährungshilfe

1Der Jugendliche wird für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt. 2Die §§ 23, 24 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 und 3 und die §§ 25, 28 Abs. 2 Satz 1 sind entsprechend anzuwenden.

Kommentierung

I.Anwendungsbereich1

II.Bewährungshelfer2

III.Weisungen und Auflagen3, 4

IV.Entscheidung und Rechtsmittel5

I. Anwendungsbereich

1

Die Vorschrift gilt für Jugendliche und Heranwachsende, auch vor den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten (§ 105 Abs. 1, § 104, Abs. 1 Nr. 1, § 112). Die Verweisungen in § 29 S. 2 stellen klar, dass die §§ 23, 24 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 S. 2, Abs. 3 und § 25 wegen der Unterschiede der Rechtsinstitute der §§ 21 und 27 hier nur entsprechend anwendbar sind (BT-Drucks. 11/5829, S. 21). Daraus, dass die in Satz 2 genannten Vorschriften nur entsprechend anwendbar sind, folgt auch, dass im Hinblick auf das Höchstmaß der Bewährungszeit (§ 28) § 24 Abs. 2 S. 2 keine Anwendung findet (BT-Drucks. 11/5829, S. 21). Die Vorschrift gilt auch für rechtswidrige Taten, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts der früheren DDR begangen worden sind (Kap. III. C Abschnitt III Nr. 3f § 1 der Anlage I zum Einigungsvertrag).

II. Bewährungshelfer

2

Der Verurteilte muss einem Bewährungshelfer unterstellt werden. Während die Unterstellung früher nach § 29 a.F. für die gesamte Dauer der Bewährungszeit zu erfolgen hatte, ist nach dem 1. JGGÄndG die Unterstellung nur für einen Teil der Bewährungszeit zulässig. Die Neuerung sieht als Regel eine Betreuungszeit von höchstens zwei Jahren vor, so dass der Richter auch die kürzere Unterstellung anordnen kann, wenn dies ausreichend erscheint. Der Gesetzgeber folgt damit der Erkenntnis, dass der Proband seinen Bewährungshelfer im Allgemeinen in der Anfangsphase der Betreuung am dringendsten benötigt und sich nach einer Phase des Übergangs entweder sozial gefangen hat oder hierzu auch mit Hilfe des Bewährungshelfers nicht in der Lage ist (BT-Drucks. 11/5829, S. 20). Die Betreuungszeit beginnt stets mit Rechtskraft des Urteils nach § 27, wie die Verweisung auf § 28 Abs. 2 S. 1 zeigt (§ 29 S. 2). Die Unterstellzeit ist ebenso wie die Maßnahmen (§ 29 S. 2) und der Bewährungsplan (§ 64) auch danach zu bemessen, welches Maß an Betreuung zur erzieherischen Einwirkung sowie dafür geboten ist, die erforderliche Gewissheit über den Umfang der schädlichen Neigungen (§ 30) zu gewinnen. Für die Durchführung der Bewährungshilfe bei Soldaten der Bundeswehr sind die §§ 112a Nr. 4 und 5 zu beachten (s. § 112a Rn. 6, 7). Im Übrigen gelten die Erläuterungen zu §§ 24, 25 sinngemäß.

III. Weisungen und Auflagen

3

Der Richter soll für die Dauer der Bewährungszeit die Lebensführung des Jugendlichen durch Weisungen und Auflagen erzieherisch beeinflussen (§ 29 S. 2, § 23). Weisungen oder Auflagen sind demnach regelmäßig anzuordnen, wenn nicht begründete Ausnahmen vorliegen. Zu den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Weisungen und der Auflagen s. § 10 Rn. 5 ff., § 15 Rn. 2. Die Weisung, in einem Heim zu wohnen, ist von Rechts wegen jedenfalls insoweit bedenklich, als dem Täter mit der Bewährungszeit gerade die Chance gegeben werden soll, sich in Freiheit und innerhalb seines gewohnten Lebensraumes zu bewähren und damit zu zeigen, dass schädliche Neigungen nicht in einem die Jugendstrafe erfordernden Umfang vorliegen. Dem könnte ein Heimaufenthalt entgegenstehen. Im Übrigen gelten die Erläuterungen zu § 10 und zu § 15 sinngemäß.

4

Bei Verstoß gegen Weisung und Auflagen kann Ungehorsamsarrest verhängt werden, § 29 S. 2, § 23 Abs. 1 S. 4, § 11 Abs. 3 (s. § 11 Rn. 10 ff.). Derartige Verstöße rechtfertigen für sich allein jedoch nicht ohne Weiteres die Verhängung der Jugendstrafe, sondern sie sind in ihrer Gesamtwürdigung für die Beurteilung des Umfangs der schädlichen Neigungen (§ 30) von Bedeutung (s. § 30 Rn. 8). Für den Bewährungsplan gelten § 64 S. 1, § 60.

IV. Entscheidung und Rechtsmittel

5

Für das Verfahren und die Rechtsbehelfe gelten die Erläuterungen zu § 28 Rn. 5 entsprechend.

§ 30 Verhängung der Jugendstrafe;
Tilgung des Schuldspruchs

(1) 1Stellt sich vor allem durch schlechte Führung des Jugendlichen während der Bewährungszeit heraus, dass die in dem Schuldspruch missbilligte Tat auf schädliche Neigungen von einem Umfang zurückzuführen ist, dass eine Jugendstrafe erforderlich ist, so erkennt das Gericht auf die Strafe, die es im Zeitpunkt des Schuldspruchs bei sicherer Beurteilung der schädlichen Neigungen des Jugendlichen ausgesprochen hätte. 2§ 26 Absatz 3 Satz 3 gilt entsprechend.

(2) Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 nach Ablauf der Bewährungszeit nicht vor, so wird der Schuldspruch getilgt.

Kommentierung

I.Allgemeines1 – 3

II.Bindung an den Schuldspruch4 – 6

1.Reichweite der Rechtskraft4

2.Auswirkung des rechtskräftigen Schuldspruchs5, 6

III.Strafausspruch7 – 13

1.Führung während der Bewährungszeit7

2.Umfang der schädlichen Neigungen8 – 11

3.Strafzumessung12

4.Strafaussetzung zur Bewährung13

IV.Tilgung des Schuldspruchs (Absatz 2)14, 15

V.Verfahren und Rechtsbehelfe16, 17

VI.Sonstiges18

I. Allgemeines

1

Die Vorschrift gilt für Jugendliche und Heranwachsende, auch vor den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten (§ 105 Abs. 1, § 104 Abs. 1 Nr. 1, § 112). Die Verurteilung eines Jugendlichen auf Bewährung nach dem Recht der früheren DDR steht der Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe nach § 27 gleich (Kap. III. C Abschnitt III Nr. 3 f § 2 der Anlage I zum Einigungsvertrag). Die Vorschrift gilt auch für rechtswidrige Taten, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts der früheren DDR begangen worden sind (Kap. III. C Abschnitt III Nr. 3 f § 1 der Anlage I zum Einigungsvertrag).

2

Das Nachverfahren (§ 30) ist die Fortsetzung des anhängig gebliebenen Erkenntnisverfahrens nach § 27. Es setzt die Rechtskraft der Entscheidung nach § 27 voraus; andernfalls könnte weder der Lauf der Bewährungszeit beginnen (§ 28 Abs. 2 S. 1), noch bestünde die Grundlage für eine Bestrafung. § 30 gestattet nur zwei abschließende Entscheidungen, nämlich entweder die Verhängung der dem Schuldspruch nach § 27 entsprechenden Jugendstrafe oder die Tilgung des Schuldspruchs.

3

Wurde Jugendarrest nach § 8 Abs. 2 S. 2, § 16a verhängt, so wird dieser, soweit er verbüßt worden ist, auf die im Nachverfahren verhängte Jugendstrafe angerechnet (Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 26 Abs. 3 S. 3 und unten Rn. 12).

II. Bindung an den Schuldspruch

1. Reichweite der Rechtskraft

4

Gegenstand des Nachverfahrens ist die in dem Schuldspruch missbilligte Tat, also die Straftat, derentwegen der Täter gem. § 27 rechtskräftig schuldig gesprochen ist. Die Bindungswirkung der Rechtskraft der Entscheidung nach § 27 erstreckt sich nicht nur auf den Schuldspruch und die diesem zu Grunde liegenden Feststellungen sowie auf das Vorhandensein schädlicher Neigungen (s. § 27 Rn. 6, 19), sondern – bei Heranwachsenden – auch auf die Anwendung von Jugendstrafrecht gem. § 105. Da gem. § 27 nur die Entscheidung über die Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, setzt die Anwendung des Verfahrens nach den §§ 27–30 auf Heranwachsende die Bejahung des § 105 Nr. 1 oder 2 zwingend voraus (s. § 27 Rn. 10, 19). Eine abweichende Entscheidung im Nachverfahren würde auch dazu führen, dass mangels entsprechender Voraussetzungen und, weil nur die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, eine Freiheits- oder Geldstrafe nicht in Betracht käme, andererseits aber auch die Tilgung des Schuldspruchs nach § 30 Abs. 2 als spezifisch jugendstrafrechtliches Institut nicht erfolgen könnte. Freier richterlicher Überzeugung (§ 261 StPO) zugänglich bleibt dagegen die Beurteilung des Umfangs der schädlichen Neigungen. Stellt sich im Zuge des Nachverfahrens heraus, dass die nach Jugendstrafrecht verurteilte Person zur Tatzeit Erwachsener war, so verbleibt es aufgrund der Bindungswirkung der Entscheidung nach § 27 bei den Rechtsfolgenmöglichkeiten des § 30, wobei im Falle der Verhängung der Jugendstrafe ein modifizierter, etwa an Prognosegesichtspunkten des Erwachsenenstrafrechts orientierter Prüfungsmaßstab anzulegen sein wird (OLG Hamm NStZ 2011, 527).

2. Auswirkung des rechtskräftigen Schuldspruchs

5

Demnach ist dem Richter im Nachverfahren eine Prüfung der Frage, ob die tatsächlichen Voraussetzungen des Schuldspruchs zutreffen, verwehrt. Selbst wenn der Schuldspruch aus tatsächlichen Gründen offensichtlich unrichtig ist, muss ihn der Richter seiner Entscheidung zu Grunde legen; es gelten insoweit dieselben Grundsätze wie bei der Rechtskraft teilweise angefochtener Entscheidungen (BGHSt 7, 283; 10, 71 ff.; 28, 119, 121). Eine Bindung an den Schuldspruch besteht danach selbst dann, wenn die Hauptverhandlung nach § 30 ergibt, dass der Angeklagte schuldunfähig war, etwa weil die Voraussetzungen des § 20 StGB vorgelegen haben (BGHSt 7, 283), oder weil die strafrechtliche Verantwortlichkeit (§ 3) nicht gegeben war (s. auch Rn. 6; a.A. Brunner/Dölling § 30 Rn. 12; Eisenberg § 30 Rn. 17; M/R/T/W-Meier Rn. 12). In diesen Fällen kann nur nach den Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens eine Korrektur erfolgen (s. auch Rn. 6). Der Richter darf sich im Nachverfahren nicht zu den Feststellungen in Widerspruch setzen, die dem Schuldspruch nach § 27 zu Grunde lagen (entsprechend: BGHSt 7, 283; 10, 71; 24, 274). Das gilt auch für Abweichungen, durch die nur der Schuldumfang betroffen und die rechtliche Beurteilung nicht in Frage gestellt wird (BGHSt 28, 119, 121). Er darf auch nicht bei der Feststellung der Strafzumessungstatsachen von den Feststellungen abweichen, die dem rechtskräftigen Schuldspruch zu Grunde liegen. Wurde dort z.B. festgestellt, dass der Täter mit unbedingtem Vorsatz gehandelt hat, so darf bei der Strafzumessung nicht von nur bedingtem Vorsatz ausgegangen werden (BGHSt 10, 71). Die Entscheidung des nur noch über die Straffrage urteilenden Richters im Nachverfahren ist nicht selbstständig. Sie steht vielmehr in innerer Abhängigkeit von dem rechtskräftigen Schuldspruch. Mit ihm zusammen muss sie ein einheitliches Ganzes bilden (BGHSt 10, 72). Auch in dem Verfahren nach den §§ 27–30 gilt der Grundsatz der Einheitlichkeit des Urteils (BGHSt 10, 72 f.). Danach macht es keinen Unterschied, ob über die Schuld- und Straffrage gleichzeitig entschieden oder ob nach rechtskräftigem Schuldspruch die Entscheidung über die Verhängung einer Strafe gem. § 30 getrennt ergeht. Auch in einem solchen Fall müssen der rechtskräftige Schuldspruch und die ihm zu Grunde liegenden Feststellungen die unantastbare Grundlage für das weitere Verfahren und wesentlicher Teil des abschließenden Urteils bleiben (BGHSt 10, 72, 73 zur Teilrechtskraft). Eine Beweisaufnahme über Feststellungen, die der Rechtskraft unterliegen, wäre unstatthaft (BGHSt 14, 30, 38). Eine Änderung des rechtskräftigen Schuldspruchs nach § 27 kann allenfalls im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens nach §§ 359 ff. StPO erwirkt werden (BGHSt 7, 283, 286). Wie auch sonst dürfen erzieherische Erwägungen aus rechtstaatlichen Gründen nicht dazu führen, bindende allgemeine Regeln außer Kraft zu setzen oder zu umgehen.

6

Eine Bindung an den Schuldspruch nach § 27 entfällt nur dann, wenn der Angeklagte auf Grund eines Gesetzes gem. § 27 für schuldig befunden wurde, das überhaupt keine Strafe androht, etwa weil das Verhalten nur eine Ordnungswidrigkeit wäre (BayObLG NJW 1954; 611), oder wenn Verfahrenshindernisse (z.B. Verfolgungsverjährung, mangelnder Strafantrag) vorgelegen haben oder bekannt geworden sind. In diesen Fällen ist das gesamte Verfahren einzustellen (§§ 206a, 260 Abs. 3 StPO, vgl. BGHSt 8, 269 f.; 11, 393; NJW 1954, 1776; Beschl. v. 14.6.1977 – 4 StR 243/77). Dagegen führen abweichende Feststellung hinsichtlich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nicht zur Einstellung des Verfahrens (a.A. wohl Eisenberg § 30 Rn. 17; Brunner/Dölling § 30 Rn. 12, allerdings ohne Begründung), denn diese ist keine Verfahrensvoraussetzung, sondern Element der Schuld (BGHSt 9, 382 ff.; s. § 3 Rn. 2) und als solches von der Rechtskraft des Schuldspruchs umfasst (s. Rn. 5). In Betracht kommt allenfalls eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach den allgemeinen Vorschriften.

III. Strafausspruch

1. Führung während der Bewährungszeit

7

Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn sich vor allem durch schlechte Führung des Jugendlichen während der Bewährungszeit herausstellt, dass die in dem Schuldspruch missbilligte Tat auf schädliche Neigungen von einem Umfang zurückzuführen ist, dass eine Jugendstrafe erforderlich ist. Danach können alle Tatsachen verwertet werden, die durch das Verhalten des Jugendlichen während der Bewährungszeit geschaffen worden sind. Tatsachen aus der Zeit vor der Entscheidung nach § 27 dürfen zum Nachteil des Angeklagten nicht verwertet werden; diese waren zum Gegenstand des Verfahrens nach § 27 zu machen. Auch Fehlverhalten des Jugendlichen zwischen der Verkündung der Entscheidung nach § 27 und dem Beginn der Bewährungszeit sowie zwischen dem Ablauf derselben und der abschließenden Entscheidung nach § 30 darf nicht für die Beurteilung des Umfangs der schädlichen Neigungen verwertet werden; eine mit der Aussetzung der Vollstreckung einer bereits verhängten Strafe vergleichbare Rechtslage besteht nicht. Die (überwiegend ohne Begründung vertretene) Gegenmeinung, wonach alle selbst vor dem Schuldspruch nach § 27 liegenden Tatsache verwertet werden dürfen, sofern sie nur während der Bewährungszeit bekannt werden (M/R/T/W-Meier Rn. 3; Dallinger/Lackner § 30 Rn. 4; Eisenberg § 30 Rn. 4; Brunner/Dölling § 30 Rn. 8), ist unvereinbar mit der Rechtskraft der dem Schuldspruch nach § 27 zu Grunde liegenden Feststellungen (s. Rn. 4, 5) und mit dem eindeutigen Wortlaut des § 30, wie sich aus dem in Abs. 1 Satz 1 als Beispiel hervorgehobenen Aspekt „vor allem durch schlechte Führung des Jugendlichen während der Bewährungszeit“ ergibt. Das Verfahren nach §§ 27–30 bedeutet vom Ergebnis her gesehen, dass der Täter zunächst keiner Freiheitsentziehung unterworfen ist und, sofern er sich bewährt, sie auch nicht zu fürchten braucht (BGHSt 9, 104, 106; BayObLG GA 1971, 181, 182). Der Verurteilte muss darauf vertrauen können, dass er eine echte Chance der Bewährung hat und die Jugendstrafe bei entsprechendem Verhalten nach der Verurteilung, abwenden kann. Dem stünde entgegen, wenn er in dem Nachverfahren mit nachteiligen Tatsachen überrascht würde, die mit seinem Verhalten während der Bewährungszeit in keinem Zusammenhang stehen. Die Tatsachengrundlage der rechtskräftigen Entscheidung nach § 27 darf nicht durch neue nachträgliche Feststellungen geschmälert oder ausgeweitet werden, auch wenn es sich um Tatsachen handelt, die neben der Schuld- auch die Straffrage betreffen (BGHSt 10, 71, 73). Während der Bewährungszeit müssen neue Tatsachen hervorgetreten sein, die bei objektiver Betrachtungsweise geeignet sind, die Unsicherheit über den Umfang der schädlichen Neigungen zu beheben. Eine bloß andere Bewertung von in dem Verfahren nach § 27 bereits festgestellten Tatsachen genügt nicht (Dallinger/Lackner § 30 Rn. 6).