Kitabı oku: «Jugendgerichtsgesetz», sayfa 8
Vgl. allgemein zu den aktuellen Entwicklungen der Jugendkriminalität, ihren Entstehungszusammenhängen, den Reaktionsmöglichkeiten und speziell zu Längsschnittuntersuchungen:
Baier/Kliem Entwicklungstrends der Jugendgewalt in Deutschland, ZJJ 2019, 104-113; Boers Delinquenz im Altersverlauf, MschrKrim 2019, 3-42; Boers/Reinecke u.a. Jugendkriminalität – Alltagsverlauf und Erklärungszusammenhänge, Neue KrimPol (NK) 2010, 58-66; Boers Die Kriminologische Verlaufsforschung, in: Schneider, H.-J. (Hrsg.): Internationales Handbuch der Kriminologie, Bd. 2, 577-616; Boers Kontinuität und Abbruch persistenter Delinquenzverläufe, in: BMJ 2009, 101-133 = DVJJ (Hrsg.) Fördern, Fordern, Fallenlassen, 2008, 340-376; Heinz Sekundäranalyse empirischer Untersuchungen zum Jugendkriminalrecht, 2019; Pfeiffer/Baier/Kliem zur Entwicklung der Gewalt in Deutschland. Schwerpunkt: Jugendliche und Flüchtlinge als Täter und Opfer, 2018; 2. PSB 2006, 354-407 (Kinder und Jugendliche als Täter und Opfer), 408-439 (Zuwanderer als Täter und Opfer); Sampson/Laub Life-Course Desisters?, Criminology 2003, 555-592; Schumann, K. Jugenddelinquenz im Lebensverlauf, in: Dollinger/Schmidt-Semisch (Hrsg,) 2010, 243-257; Stelly/Thomas Kriminalität im Lebenslauf, 2005; Weitekamp/Kerner/Stelly/Thomas Desistance from Crime: Life History, Turning Points and Implications for Theory Construction in Criminology, in: Karstedt/Bussmann (Eds.), Social Dynamics of Crime and Control. New Theories for a World in Transition 2000, 207-227.
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Bei den Verurteiltenzahlen ergibt sich folgendes Bild:
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 3: Strafverfolgung, 2017, 16.
Jahr | Verurteilte | Jugendliche | Heranwachsende |
---|---|---|---|
2003 | 736 297 | 52 905 | 75 468 |
2005 | 780 659 | 57 687 | 77 229 |
2008 | 734 669 | 54 771 | 70 127 |
2012 | 773 901 | 44 984 | 69 809 |
2017 | 716 044 | 28 479 | 50 434 |
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Der Anteil von Jugendlichen und Heranwachsenden unter den Abgeurteilten 2017 von 14 % und unter den Verurteilten von 11 scheint für eine geringer werdende Bedeutung der Jugendgerichtsbarkeit zu sprechen (Anteil 1985 = 21,3 %). Doch muss neben der demographischen Entwicklung (DVJJ (Hrsg.), Und wenn es künftig weniger werden – die Herausforderung der geburtenschwachen Jahrgänge, 1987), der zunehmend höhere Anteil informeller Erledigungen berücksichtigt werden. So betrug der Anteil der nach den §§ 45, 47 im Jahre 2017 informell sanktionierten Jugendlichen und Heranwachsenden schon 77,5 % ( je nach Bundesland zwischen 65-89 %), Boers/Scherff, ZJJ 2020, 7.
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Verurteiltenziffer (Deutsche Verurteilte je 100 000 Einw. der gleichen Personengruppe; früheres Bundesgebiet)
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 3: Strafverfolgung, 2017, 17.
Jahr | insgesamt | Jugendliche | Heranwachsende | Erwachsene |
---|---|---|---|---|
1995 | 1 070 | 1 167 | 2 581 | 1 010 |
2005 | 1 125 | 1 662 | 3 120 | 1 012 |
2008 | 1 069 | 1 619 | 2 700 | 966 |
2015 | 823 | 859 | 1 837 | 784 |
2017 | 754 | 774 | 1 570 | 772 |
Die Verurteiltenziffer ist also bei den Jugendlichen 2017 um 9,9 % und bei den Heranwachsenden um 14,5 % gegenüber 2015 gesunken, während sie bei den Erwachsenen um 1,5 % zurückgegangen ist.
II. Persönlicher Anwendungsbereich
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§ 1 begrenzt den Anwendungsbereich des JGG auf Jugendliche und Heranwachsende und damit auf die Altersgruppe der 14-, aber noch nicht 21-Jährigen (Ausnahmen bis zum 24. Lebensjahr im Jugendstrafvollzug). Das Jugendstrafrecht gilt auch für die Dauer des Wehrdienstverhältnisses eines Jugendlichen oder Heranwachsenden bei der Bundeswehr, doch sind die Sondervorschriften der §§ 112a-112e zu beachten. Maßgebend ist das Alter zur Zeit der Tat, das ist der Zeitpunkt der Handlung bzw. Unterlassung, nicht des Taterfolges, der Strafverfolgung oder der Aburteilung. (Strafverfahren 2020 vor dem Landgericht Hamburg gegen den 93-jährigen Angeklagten, der als 17-jähriger 55 – Wachmann im KZ Stutthof war).
1. Kinder
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Kinder sind nach § 19 StGB schuldunfähig, woraus sich materiell-rechtliche und prozessuale Konsequenzen ergeben:
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Auch bei Dauerdelikten und natürlicher oder rechtlicher Handlungseinheit darf der Zeitraum vor Vollendung des 14. Lebensjahres nicht berücksichtigt werden. Unter dem Aspekt des Gebotenseins ist Notwehr gegenüber Angriffen von Kindern regelmäßig ausgeschlossen. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Schuldunfähigkeit nicht erkennbar und dieser Irrtum unvermeidbar war (SK-Rudolphi/Rogall § 199 Rn. 7, 8). Ein Kind kann Vortäter einer Hehlerei sein (BGHSt 1, 47), freilich nicht in der Beschuldigten-, sondern nur in der Zeugenrolle. Die Beteiligung von Kindern kann für den schuldfähigen Täter den Qualifikationssrund gemeinschaftlich z.B. der §§ 224 Abs. 1 Nr. 4, 244 Abs. 1 Nr. 2, 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllen. zugunsten eines Kindes ist eine Begünstigung nach § 257 StGB möglich, dagegen eine Strafvereitelung nach § 258 StGB ausgeschlossen.
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Das Alter von 14 Jahren ist eine Verfahrensvoraussetzung. Schuldunfähigkeit und damit Strafunmündigkeit sind ein in jedem Stadium des Verfahrens zu beachtendes Prozesshindernis. Eine Strafverfolgung gegenüber Kindern ist unzulässig (vgl. auch Polizeiliche Dienstvorschrift [PDV] 382 „Bearbeitung von Jugendsachen“ 1995, Nr. 3.4.1), Ein Kind kann nicht Beschuldigter sein, Strafprozessuale Zwangsmaßnahmen verbieten sich. Die Festnahme eines erkennbar Strafunmündigen kann nicht nach § 127 StPO gerechtfertigt werden. Die entgegenstehende Entscheidung KG JR 1971, 30 (vorläufige Festnahme nach Schneeballwürfen) überzeugt nicht, weil der Hinweis auf die Verhinderung weiterer Taten und die Feststellung der gesetzlichen Vertreter zwecks Klärung einer Aufsichtspflichtverletzung das Kind in eine Objektrolle drängt. Ostendorf spricht in diesem Zusammenhang zu Recht von einer unzulässigen strafrechtlichen Vertreterhaftung ( § 1 Rn. 3). Für Durchsuchungen gegenüber Kindern bietet weder § 102 StPO (kein Verdacht einer strafbaren Handlung) noch § 103 StPO (Kind ist keine „andere Person“) eine Rechtsgrundlage (a.A. OLG Bamberg NStZ 1989, 40 m. krit. Anm. Wasmuth). Eine körperliche Untersuchung nach § 81a StPO ist ebenso ausgeschlossen wie eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b StPO (zust. Hirt Krim 2003, 572). Entsprechendes gilt für alle Eingriffsnormen, die an den Beschuldigten-Status anknüpfen (Eisenberg StV 1989, 556).
Entscheidend ist nämlich, dass es sich gem. § 152 Abs. 2 StPO um eine verfolgbare Straftat handelt – eine Voraussetzung, die bei Kindern gerade nicht gegeben ist. Im Strafverfahren ist auch die Polizei dem Legalitätsprinzip unterworfen, so dass der Beschuldigtenbegriff der StPO nur einheitlich interpretiert werden kann und nicht unter präventiv-polizeilichen Aspekten verändert werden darf. § 163 Abs. 1 StPO gibt der Polizei keine weitergehenden Befugnisse. Auch können Erwachsene, die als strafunmündige Kinder Delikte begangen haben für ihre Taten nicht ausgeliefert werden (OLG Hamm StraFo 2007, 160). Obwohl Kinder »von der Berührung mit der Strafrechtspflege zu bewahren“ sind (schon RGSt 57, 206 f.), gab es nach einer in Berlin durchgeführten empirischen Untersuchung gegenüber angezeigten Kindern in der Altersgruppe zwischen 10 und 14 Jahren bei über 6 % Durchsuchungen und bei fast 27 % kurzfristig freiheitsentziehende prozessuale Zwangsmaßnahmen (Bruckmeier u.a. in: Autorengruppe Jugenddelinquenz (Hrsg.): Handlungsorientierte Analyse von Kinder- und Jugenddelinquenz 1983, 197). Auch Nr. 2 RLJGG zu § 1 gibt hierfür keine genügende Rechtsgrundlage.
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Nach dieser Richtlinie prüft die Staatsanwaltschaft bei Schuldunfähigkeit, wer zu benachrichtigen ist (Familiengericht, Schule) und ob gegen Aufsichtspflichtige einzuschreiten ist. Die Richtlinien haben nur den Charakter von einfachen Verwaltungsvorschriften. Als solche vermögen sie nicht umfassende Ermittlungen zur familiären und pädagogischen Situation von Kindern zu rechtfertigen. Präventiv polizeiliche Befugnisse der Gefahrenabwehr kamen regelmäßig auch nicht in Betracht (str.), weil die Grundsätze der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit zu beachten sind und Delinquenz im Kindesalter als normales Phänomen kein prognostisch relevanter Faktor für spätere Jugendkriminalität ist (Pongratz/Schäfer/Jürgensen/Weiße Kinderdelinquenz, 1975, S. 91; vgl. Hoops Was hilft bei Kinderdelinquenz? 2009 [Diss. Leipzig 2007]; Schwerpunkt Kinderdelinquenz, ZJJ 4/2012). Frehsee hat die Ergebnisse zur „Strafverfolgung“ von Strafunmündigen sehr anschaulich zusammengefasst (ZStW 100 (1988), 290, 321):
– | Jede Ermittlung, Registrierung, Speicherung und Weitergabe von Informationen, die nicht lediglich der Identifizierung sich unerträglich verdichtenden Schädigungsverhaltens dient, ist unzulässig. |
– | Deshalb dürfen nur die für die Identifizierung der Schwer- und Vielfachauffälligkeit an sich nötigen Personal- und Tatdaten registriert werden. |
– | Aufgenommene Anzeigen gegen Kinder sind sofort an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Soweit Gefährdungen des Kindes erkennbar werden, sind Eltern oder Jugendamt zu benachrichtigen. |
– | Die Staatsanwaltschaft ist nach der Einstellung zu keiner weiteren strafprozessualen Verwertung der Informationen befugt. |
– | Insbesondere ist es unzulässig, im Falle späterer Auffälligkeit im strafmündigen Alter polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und Unterlagen beizuziehen und an den Richter weiterzuleiten. |
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Allgemein zur Problematik:
Apel/Eisenhardt StV 2006, 490 ff., Erkennungsdienstliche Behandlung von Kindern – Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung; Eisenberg StV 1989, 554; Hirt Kriminalistik 2003, 570-578; Holzmann Polizeilicher Umgang mit unter 14-jährigen, 2008; Müller, S./Peter (Hrsg.), Kinderkriminalität, 1998; Neubacher ZRP 1998, 121; Ostendorf DVJJ-J 1997, 375; Polizei und Sozialarbeit: Wie gehen wir mit Kindern um?, DVJJ-J 2002. Pongratz/Jürgensen Kinderdelinquenz und kriminelle Karrieren. Eine statistische Nachuntersuchung delinquenter Kinder im Erwachsenenalter, 1990; vgl. auch Praxis der Rechtspsychologie 16 (2006), Themenschwerpunkt: Kinderdelinquenz; Verrel Kinderdelinquenz – ein strafprozessuales Tabu?, NStZ 2001, 284 ff.; Wetzels FPR 2007, 36 ff. (Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund); Schwerpunkt Kinderdelinquenz, ZJJ 4/2012; Sonnen FPR 2013, 408 (Kinder- und Jugenddelinquenz in der strafrechtlichen Ermittlung); Themenschwerpunkt Delinquente Kinder und Jugendliche, FPR 10/2013.
2. Zweifel am genauen Alter von Jugendlichen und Heranwachsenden
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Bei Zweifeln über den genauen Tatzeitpunkt bzw. über das exakte Geburtsdatum, was mitunter bei Ausländern und bei unbegleiteten jungen Geflüchteten vorkommen kann, gilt die jeweils günstigere Rechtsfolge (BGHSt 5, 366 f.; OLG Köln NJW 1964, 1684 f., BGH StV 2000, 187). Wenn sich nicht ausschließen lässt, dass der Beschuldigte noch keine 14 Jahre alt war, ist das Verfahren einzustellen. In den beiden anderen Grenzbereichen – einerseits Jugendlicher/Heranwachsender und andererseits Heranwachsender/Erwachsener – entscheidet der Vergleich zwischen den jugendstrafrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten und den Rechtsfolgen nach allgemeinem Strafrecht. Dabei gilt kein generell-abstrakter, sondern ein individuell-konkreter Maßstab. Jugendstrafrecht ist nämlich nicht grundsätzlich das mildere Recht, sondern eher ein „aliud“ als ein „minus“ gegenüber dem allgemeinen Strafrecht (Schaffstein/Beulke/Swoboda Rn. 30 und 575). Dies zeigt sich auch daran, dass im Jugendstrafrecht relativ mehr freiheitsentziehende Sanktionen als im allgemeinen Strafrecht verhängt werden (Heinz Sanktionensystem, 2010, S. 104). Bei Freiheitsentzug entscheidet die Dauer. So ist eine Freiheitsstrafe von kürzerer Dauer nach allgemeinem Strafrecht stets günstiger als eine bestimmte Jugendstrafe von längerer Dauer (BGHSt 10, 100, 103). Ambulante Maßnahmen haben gegenüber stationären Sanktionen Vorrang (z.B. Geldstrafe gegenüber Jugendarrest). Innerhalb der ambulanten Maßnahmen sind die Konsequenzen bei Nichtbefolgung ebenso wie die registerrechtlichen Folgen zu berücksichtigen (Albrecht S. 83). Entscheidend ist aber immer eine tatsächliche Prüfung und Abwägung im Einzelfall oder ein konkret fiktiver Einzelfallvergleich (M/R/T/W/Rössner § 1 Rn. 7).
Neben diesen beiden einzelfallbezogenen Positionen wird auch vertretenJ den Zweifels Grundsatz in dubio pro reo auch im Verfahrensrecht und nicht nur im materiellen Recht anzuwenden, Eisenberg § 11 Rn. 11 mit Kritik an BGH ZJJ 2017, 414.
Inzwischen gilt in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/800 der Zweifelssatz für die für Jugendliche geltenden Verfahrensvorschriften, wenn zweifelhaft istJ ob der Beschuldigte zur Zeit der Tat das 18. Lebensjahr vollendet hat (Art. 3 der Richtlinie):
Falls Zweifel daran bestehen, ob eine Person das 18. Lebensjahr vollendet hat, gilt diese Person als Kind (Person im Alter von unter 18 Jahren). Voraussetzung dafür ist, dass nach eigenen Aussagen des Beschuldigten; Überprüfung des Personenstandes, dokumentarischen Recherchen und bei dessen Fehlen einer medizinischen Untersuchung als letztes Mittel weiterhin Zweifel hinsichtlich des Alters bestehen (Erwägungsgrund 13). Die Zweifelssatz entpflichtet nicht von durchzuführenden Verfahren zur Altersfeststellung. Praktische Fragen der Alterseinschätzung ergeben sich angesichts der großen Zahl von ausländischen unbegleiteten Kindern und Jugendlichen mit dem Anstieg ihrer Asylanträge von 163 im Jahr 2008 auf 35.359 im Jahr 2016. Das Problem der exakten Altersbestimmung bewegt sich in einem Bereich zwischen fehlender amtlicher Geburtsregistrierung in den Herkunftsländern bis zur Täuschung, um als Minderjähriger statt in Sammelunterkünften in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht werden zu können. Nach § 42a SGB VIII ist das Jugendamt berechtigt und verpflichtet, ein ausländisches Kind oder einen ausländischen Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise vorläufig in Obhut zu nehmen. Im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme ist die Minderjährigkeit durch Befragung und Einsichtnahme in deren Ausweispapiere festzustellen oder hilfsweise mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme einzuschätzen. Auf Antrag des Betroffenen oder von amtswegen hat das Jugendamt in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen (§ 42f SGB VIII) behördliches Verfahren zur Altersfeststellung). Nach dem Erwägungsgrund 13 der Richtlinie EU 2016/800 soll eine medizinische Untersuchung nur als letztes Mittel und unter strikter Achtung der Rechte der Kinder, seiner körperlichen Unversehrtheit und der Menschenwürde durchgeführt werden. Mit Blick auf die § § 81a, 81b StPO in Verbindung mit § 2 Abs. 2 sieht der Gesetzgeber hier keinen Umsetzungsbedarf.
Zu den Methoden der Altersbestimmung:
Alnajar Methoden zur forensischen Altersdiagnostik und Auswertung von Altersgutachten bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, Diss. Hamburg 2017; Gundelach, Lasse Beweiswürdigung von Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung, ZJJ 2018, 139
Jung, Thomas Die Altersermittlung im Strafverfahren, StV 2013, 51
Klein, Anne Altersschätzung bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen – Gefährdung des Kindeswohls?, Kritische Justiz 2015, 405
Stenger, Andreas/Bertolini, Stefan Unbegleitete minderjährige Ausländer – Herausforderungen bei der Identitäts- und Altersfestellung aus Perspektive der Sicherheitsbehörden, Kriminalistik 2018, 497
ZEKO Stellungnahme der Zentralen Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten (Zentrale Ethikkommission) bei der Ärztekammer – „Medizinische Altersschätzung bei unbegleiteten Flüchtlingen“, 2016
Der Beweisantrag eines ausländischen Angeklagten, er sei zwei Jahre jünger als in seinem Pass vermerkt und deswegen noch Heranwachsender, kann nur nach § 244 Abs. 3 StPO abgelehnt werden und nicht etwa mit der Begründung, dass sich das Gericht bereits im „Freibeweisverfahren“ die Überzeugung verschafft habe, dass das im Pass des Angeklagten angegebene Alter richtig sei (BGH StV 1982, 101). Zur Aufklärungspflicht BGH NStZ 1998, 50 f.; zur Behandlung des Sachverständigengutachtens im Verfahren OLG Hamburg StV 2005, 206 f.
3. Rechtsfolgen einer falschen Einordnung
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Die Verurteilung eines Erwachsenen nach Jugendstrafrecht hat keine Nichtigkeit zur Folge. Das soll auch im umgekehrten Fall der Verurteilung eines Jugendlichen zu Freiheitsstrafe nach allgemeinem Strafrecht gelten (BGH MDR 1954, 401 [Dallinger]), doch bestehen hier Zweifel. Bei der irrtümlichen Verurteilung eines Kindes wird danach differenziert, ob eine falsche Sachverhaltsfeststellung oder ein Rechtsfehler zu Grunde liegt. Nur bei Rechtsfehlern und dann auch nur bei Maßnahmen, die auch der Familienrichter nicht gegenüber dem Kinde hätte anordnen dürfen, wird Nichtigkeit angenommen (Dallinger/Lackner § 1 Rn. 21). überzeugender ist es jedoch, bei der Verurteilung von Kindern Nichtigkeit anzunehmen (Ostendorf § 1 Rn. 13 und jetzt auch Brunner/Dölling § 1 Rn. 12). Auch in diesem Fall sind zur Beseitigung des faktischen Scheins alle Rechtsmittel und Rechtsbehelfe bis hin zur Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 359 StPO und Einwendungen gegen die Vollstreckung nach § 458 StPO zulässig (Frehsee ZStw 100 (1988), 296); ebenso der Antrag, im Beschlusswege die Nichtigkeit festzustellen (Peters 1967, 524 und 1985, S. 524).