Kitabı oku: «Kartell Compliance», sayfa 26

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b) Kollektive Marktbeherrschung

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Sowohl das nationale Kartellrecht (§ 18 Abs. 5 GWB) als auch das EU-Kartellrecht (Art. 102 AEUV) kennt neben der Einzelmarktbeherrschung die kollektive Marktbeherrschung durch mehrere Unternehmen. Dafür ist Voraussetzung, dass zwei oder mehr Unternehmen gemeinsam eine marktbeherrschende Stellung einnehmen und zwischen ihnen tatsächlich kein wesentlicher Wettbewerb besteht. In einem ersten Schritt ist dafür zu ermitteln, ob die betreffenden Unternehmen zusammen gegenüber den anderen Marktteilnehmern auf einem bestimmten Markt eine kollektive Einheit bilden. Das ist dann der Fall, wenn es zwischen den Unternehmen „wirtschaftliche Bindungen gibt, die es ihnen erlauben, gemeinsam unabhängig von ihren Konkurrenten, ihren Abnehmern und den Verbrauchern zu handeln“.[55] In einem zweiten Schritt ist dann anhand der üblichen Kriterien zu prüfen, ob die Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung innehaben.[56]

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Fälle, in denen mehreren Unternehmen eine solche Stellung zukommt, sind unter anderem beteiligte Unternehmen, die durch ein Kartell verbunden sind,[57] sowie solche in einem Oligopolverhältnis. Dabei wird letztlich jedes Unternehmen, das dem marktbeherrschenden Oligopol angehört, als alleiniger Marktbeherrscher eingestuft bzw. als solcher behandelt.[58] Nicht ausreichend zur Annahme einer oligopolistischen Marktbeherrschung ist hingegen, dass mehrere Unternehmen auf einem Markt nebeneinander und mit der Möglichkeit unabhängiger Verhaltensweisen tätig sind, ohne in wirtschaftlicher Hinsicht gemeinsam als Kollektiv aufzutreten oder zu handeln.[59]

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Trotz der rechtlichen Normierung wird die deutsche Rechtsprechung zunehmend durch die Oligopol-Rechtsprechung der europäischen Rechtsprechung beeinflusst.[60] Für die Annahme eines Oligopols i.S.d. Rechtsprechung muss eine hinreichende Markttransparenz bestehen und eine hohe Reaktionsverbundenheit muss sicherstellen, dass abweichendes Verhalten sanktioniert wird. Diese beiden Voraussetzungen müssen letztlich dazu führen, dass kein nennenswerter Wettbewerb – sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis – stattfindet.[61] Für die Feststellung müssen die Kriterien im Rahmen einer Gesamtbetrachtung gesehen werden. Sie können je nach Marktbedingungen unterschiedliches Gewicht haben. Insbesondere soll es nicht zu einer schematischen Durchprüfung kommen.[62]

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Während im europäischen Recht zur Bestimmung einer kollektiven marktbeherrschenden Stellung mangels gesetzlicher Marktbeherrschungsvermutungen sehr einzelfallspezifisch vorgegangen wird, kann im nationalen Recht auf die Vermutungsregelungen des § 18 Abs. 6 und 7 GWB zurückgegriffen werden. Danach ist Voraussetzung für die Vermutung einer kollektiven Marktbeherrschung ein Marktanteil von zusammen 50 % (bei zwei oder drei Unternehmen) bzw. zwei Dritteln (bei vier oder fünf Unternehmen).[63] Anders als die Vermutungsregelungen für einzelmarktbeherrschende Unternehmen ist die Vermutungsregelung für Oligopol-Marktbeherrschungen als echte Beweislastumkehr ausgestaltet. Diese Rechtsnatur – die gleichermaßen in Verwaltungs- und Kartellzivilverfahren gilt – führt dazu, dass die Unternehmen bereits dann als marktbeherrschend gelten, wenn sie nicht den Widerlegungstatbestand des § 18 Abs. 7 GWB nachweisen. Dabei tragen die beteiligten Unternehmen die volle formelle und materielle Beweislast. Eine Vermutung aufgrund von Marktanteilen kann durch den Nachweis des strukturell gesicherten Fortbestands wesentlichen Wettbewerbs im Innenverhältnis (Nr. 1) oder des Fehlens einer überragenden Marktstellung im Außenverhältnis (Nr. 2) widerlegt werden. Dies führt allerdings nicht dazu, dass das Bundeskartellamt etwa von seiner Aufklärungs- und Ermittlungspflicht vollständig befreit wäre. So haben die beteiligten Unternehmen insbesondere nur die zur Widerlegung geeigneten Tatsachen vorzutragen, soweit sie ihnen zugänglich sind und demnach keine Umstände, von denen sie keine genaue Kenntnis haben können. Im Bußgeldverfahren gilt die Vermutung nicht.[64]

c) Erweiterung auf Unternehmen nach § 19 Abs. 3 GWB im nationalen Recht

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Im nationalen Kartellrecht bestimmt § 19 Abs. 3 GWB, dass die Missbrauchstatbestände der § 19 Abs. 2 Nr. 1 (Behinderungs- und Diskriminierungsverbot) auch für bestimmte Vereinigungen von Unternehmen bzw. Unternehmen gelten. Gemeint sind damit zum einen die sog. „legalisierten Kartelle“ i.S.d. § 19 Abs. 3 S. 1 GWB (für diese gilt zusätzlich auch das Anzapfverbot des § 19 Abs. 2 Nr. 5 GWB) sowie Unternehmen, die i.S.d. § 19 Abs. 3 S. 2 GWB zulässig Preise binden. Hintergrund dieser Ausnahmevorschrift ist die Überlegung des Gesetzgebers, dass die Freistellung der Kartellvereinbarung und die Zulassung der Preisbindung den beteiligten Unternehmen zusätzliche Macht verleihen, die dann auch Beschränkungen dieser Art rechtfertigen.[65] Damit wird im Wesentlichen die Rechtslage vor Neuordnung der §§ 18 ff. GWB durch die 8. GWB-Novelle fortgeführt, die im bisherigen § 20 Abs. 1 a.F. diese beiden Kategorien neben den marktbeherrschenden Unternehmen als Normadressaten stellte. Allerdings wurde in diesem Zusammenhang der Anwendungsbereich des § 19 Abs. 3 GWB gegenüber § 20 Abs. 1 GWB a.F. insoweit erweitert, als nunmehr neu im GWB geregelte Fälle der zugelassenen Kartelle und Preisbindung aufgenommen wurden (Branchenvereinbarungen für den Vertrieb preisgebundener Presseerzeugnisse nach § 30 Abs. 2a GWB sowie Kartellvereinbarungen in der Wasserwirtschaft nach § 31 GWB).[66] Eine vergleichbare Regelung kennt das EU-Kartellrecht nicht.

d) Marktbeherrschung auf mehrseitigen Märkten und in Netzwerken

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Wurde ein mehrseitiger Markt definiert, stellt sich im zweiten Schritt das Problem der Feststellung von Marktmacht. Allerdings sind die klassischen Marktmachtkriterien nicht vollumfänglich dazu geeignet, die Marktmacht der Unternehmen der digitalen Wirtschaft zu analysieren. Zum Beispiel kann das Kriterium der Reaktion auf Preiserhöhungen auf Märkten, auf denen Leistungen unentgeltlich angeboten werden, keine Anwendung finden. Auch wird man beim Vorliegen unentgeltlicher Leistungen die Marktmacht eines Unternehmens nicht anhand von umsatzbezogenen Marktanteilen beurteilen können. Hier können alternative Maßstäbe wie beispielsweise die Kundenzahl herangezogen werden.[67]

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Aus diesem Grund wurden auf nationaler Ebene in dem durch die 9. GWB-Novelle neu eingefügten § 18 Abs. 3a GWB eine Reihe von Kriterien aufgeführt, die bei Vorliegen von mehrseitigen Märkten und Netzwerken bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens zu berücksichtigen sind. Zweck der Aufnahme des neuen Kriterienkatalogs war die Verbesserung der Analyse der Markt- und Wettbewerbsverhältnisse sowie der Prüfung einer Marktbeherrschung. So sollten die Herausforderungen für die Anwendung des Wettbewerbsrechts im digitalen Zeitalter besser ins geltende Recht Eingang finden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die wirtschaftliche Bedeutung mehrseitiger Märkte und Netzwerke zugenommen hat.[68]

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Nach der Gesetzesbegründung sind die Kriterien zwar speziell für die Besonderheiten von mehrseitigen Märkten und Netzwerken vorgesehen. Es soll jedoch nicht ausgeschlossen sein, sie auch in anderen Bereichen zu berücksichtigen. Dies spiegelt sich auch in der Formulierung der Vorschrift („insbesondere“) wieder. Nicht geändert hat sich jedoch die Tatsache, dass die Beurteilung der Marktstellung eines Unternehmens auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller gegebenen Umstände zu erfolgen hat. Dabei sind auch nach wie vor die Kriterien des § 18 Abs. 3 GWB, vor allem das Merkmal des Marktanteils (§ 18 Abs. 3 Nr. 1 GWB) auf mehrseitige Märkte und Netzwerke anzuwenden.[69] Kriterien, die die Vorschrift nennt, sind direkte und indirekte Netzwerkeffekte, die parallele Nutzung mehrerer Dienste und der Wechselaufwand für die Nutzer, Größenvorteile im Zusammenhang mit Netzwerkeffekten, Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten sowie innovationsgetriebener Wettbewerbsdruck.[70]

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So beruht zum Beispiel die Marktmacht von Facebook nach den Feststellungen des Bundeskartellamts im Facebook-Verfahren sowohl auf Marktanteilen bei Nutzern als auch auf identitätsbasierten Netzwerkeffekten. Auch wird die besondere Bedeutung des Besitzes großer Datenmengen erwähnt, die eine Markteintrittsbarriere darstellen könnten.[71]

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Auch wenn eine dem § 18 Abs. 3a GWB vergleichbare Regelung im EU-Kartellrecht nicht existiert, ist die Kommission bei bisherigen Fällen einzelfallspezifisch vorgegangen und hat eine Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände angestellt. So hat sie beispielsweise beim Google-Shopping-Verfahren neben den üblichen Marktanteilskriterien auch noch weitere Effekte herangezogen, die die Marktmacht eines solchen digitalen Unternehmens noch verstärken oder verfestigen könnten. So etwa die verschiedenen Netzwerkeffekte einer mehrseitigen Plattform, die Markteintrittsbarrieren durch große Investments sowie die besondere Marktmacht durch die Verschaffung von Nutzerdaten.[72]

II. Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung

1. Missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung – Generalklausel und Beispielkatalog

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Sowohl nach deutschem als auch nach europäischem Recht ist nicht die Erlangung oder Innehabung der marktbeherrschenden Stellung, sondern deren missbräuchliche Ausnutzung (§ 19 Abs. 1 GWB, Art. 102 AEUV) verboten. Dabei werden mit den Missbrauchstatbeständen sowohl Missbrauchsfälle auf Anbieter- als auch auf Nachfragerseite erfasst.

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Weder das GWB noch der AEUV enthalten eine Definition des Missbrauchstatbestandes. Die Auslegung des allgemeinen Begriffs erfolgt im Kontext mit den allgemeinen Zielen des Kartellrechts, unter besonderer Berücksichtigung des funktionalen Zusammenhangs mit dem Begriff der marktbeherrschenden Stellung. Für den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ist weder Kenntnis noch Verschulden erforderlich, es handelt sich um einen rein objektiven Begriff.[73] Nach dem EuGH ist ein Verhalten dann als missbräuchlich einzustufen, wenn es „die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindert, welche von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen.“[74]

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Zur erleichterten Anwendung wurde sowohl im nationalen als auch europäischen Recht die Generalklausel durch einen Beispielkatalog („insbesondere“) konkretisiert. Die Beispiele sind nicht abschließend und nennen lediglich Fälle, in denen regelmäßig von einem Missbrauch auszugehen ist. Dabei deckt sich Art. 102 AEUV in materieller Hinsicht weitestgehend vollständig mit dem deutschen Recht. Die insbesondere im europäischen Recht herausgebildeten Fallgruppen, lassen sich daher auch problemlos in den Beispielkatalog des § 19 GWB einfügen. Im Folgenden wird auf die wichtigsten Abgrenzungen und Fallgruppen rechtsübergreifend eingegangen werden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch auf die von der Kommission im Jahr 2009 veröffentlichten Erläuterungen zu ihren Durchsetzungsprioritäten im Rahmen des Art. 102 AEUV hinzuweisen.[75]

2. Kategorien des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung

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Das sehr weite Verständnis des Schutzbereichs des Missbrauchsverbots und die Vielgestaltigkeit der zu erfassenden Sachverhalte bringt es mit sich, dass sich im Laufe der Zeit – losgelöst von der genauen Formulierung der Regelbeispiele des europäischen und deutschen Rechts – Kategorien und Fallgruppen gebildet haben, um einer Zuordnung unterschiedlichster Fälle möglichst systematisch zu begegnen. Dies soll die Einordnung des zu überprüfenden Marktverhaltens und damit die Analyse und Würdigung am Maßstab des deutschen und europäischen Rechts vereinfachen.[76] In diesem Zusammenhang haben sich insbesondere die Kategorien des Ausbeutungsmissbrauchs und Behinderungsmissbrauchs (und in diesem Rahmen der Ungleichbehandlung/Diskriminierung) sowie des Marktstrukturmissbrauchs herausgebildet. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Typisierung nicht erschöpfend ist. Dies würde der weiten Zielsetzung des Missbrauchsverbots – sowohl auf der Grundlage des Art. 102 AEUV als auch des § 19 GWB –, den Wettbewerb auf europäischer bzw. nationaler Ebene vor Verfälschungen zu schützen, nicht gerecht werden. Zudem lassen sich verschiedene missbräuchliche Verhaltensweisen vielfach gleichzeitig verschiedenen Missbrauchskategorien zuordnen, sodass es regelmäßig zu Überschneidungen kommt.[77] Im Folgenden wird daher insbesondere auf die häufigsten anzutreffenden und sowohl im deutschen als auch EU-Recht bedeutendsten Fallgruppen innerhalb der Missbrauchskategorien eingegangen.

a) Abgrenzung der Missbrauchskategorien

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Bei der Unterscheidung der Missbrauchskategorien ist der Übergang je nach Fallgestaltung fließend und eine genaue Zuordnung teilweise weder möglich noch erforderlich. Die grundsätzliche Unterscheidung kann jedoch das Verständnis und die Abgrenzung erleichtern. Während der Ausbeutungsmissbrauch vornehmlich eine vertikale Schutzrichtung verfolgt, ist der Behinderungsmissbrauch überwiegend horizontal ausgerichtet. So ist der Ausbeutungsmissbrauch insbesondere dadurch geprägt, dass der Normadressat aufgrund seiner marktbeherrschenden Stellung in der Lage ist, geschäftliche Vorteile zu erlangen, die er sich bei rechtmäßigem Wettbewerb nicht hätte sichern können. Dabei sollen die Unternehmen einer anderen Wirtschaftsstufe, nicht hingegen die direkten Wettbewerber des Unternehmens, geschützt werden. Der Behinderungsmissbrauch umfasst hingegen vornehmlich den Wettbewerb schwächendes Marktverhalten, indem die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen durch die Marktmacht des beherrschenden Unternehmens beeinträchtigt werden. Während der sog. Strukturmissbrauch im europäischen Recht die missbräuchliche unmittelbare Veränderung der Wettbewerbsstruktur – insbesondere durch Aktienkauf oder Fusion – durch ein marktbeherrschendes Unternehmen bezeichnet,[78] bezieht er sich im nationalen Recht auf das Regelbeispiel des § 19 Abs. 2 Nr. 3 GWB (Preis- und Konditionenspaltung) als Unterfall des Ausbeutungsmissbrauchs.[79]

b) Ausbeutungsmissbrauch

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Die Kategorie des Ausbeutungsmissbrauchs ist auf den Schutz der vor- und nachgelagerten Wirtschaftsstufen ausgerichtet. Er wird ausdrücklich sowohl im europäischen Recht (Art. 102 Abs. 2 lit. a AEUV) als auch im nationalen Recht (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 GWB) als Regelbeispiel aufgeführt. Danach ist ein Ausbeutungsmissbrauch (nach der Rechtsprechung des EuGH) dann zu bejahen, wenn der Inhaber einer marktbeherrschenden Stellung die sich daraus ergebenden Möglichkeiten dazu nutzt, um geschäftliche Vorteile zu erhalten, die er bei einem normalen und hinreichend wirksamen Wettbewerb nicht erhalten hätte.[80] Gegenstand der Betrachtung ist daher, ob die Forderungen des Normadressaten gegenüber seinen Abnehmern bzw. Lieferanten sich als missbräuchlich erweisen. Hauptanwendungsfälle des Ausbeutungsmissbrauchs sind der Preishöhenmissbrauch sowie der Konditionenmissbrauch. Für die Energiewirtschaft und die Wasserwirtschaft kennt das deutsche Recht zusätzlich auch die Vorschriften des § 29 GWB bzw. des § 31 GWB; auf diese soll hier jedoch nicht näher eingegangen werden.

aa) Preishöhenmissbrauch

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Der Regelfall des vom Ausbeutungsmissbrauch umfassten Preishöhenmissbrauchs ist das Fordern überhöhter Preise durch marktbeherrschende Anbieter von Waren oder Dienstleistungen. Gleichwohl ist aber auch der umgekehrte Fall des Forderns von missbräuchlich niedrigen Preisen durch marktbeherrschende Nachfrager mit umfasst. Dabei ist ein Preis „missbräuchlich hoch“, wenn er höher ist als er sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würde, sowie „missbräuchlich niedrig“, wenn er von einem marktbeherrschenden Nachfrager unter Ausnutzung seiner Marktmacht niedriger angesetzt wird, als es bei wirksamem Nachfragewettbewerb möglich gewesen wäre. Ersterer Fall betrifft damit das Ausbeuten der Nachfragerseite durch einen marktbeherrschenden Anbieter, während letzterer das Ausbeuten der Anbieterseite durch einen marktbeherrschenden Nachfrager meint.[81] Es findet dabei ein Vergleich zwischen dem tatsächlichen und hypothetischen Preisniveau statt. In der Praxis lässt sich dieser Vergleich oft nur schwierig feststellen. Es haben sich daher unterschiedliche Verfahren herausgebildet, die als Instrument zur Ermittlung des Als-Ob-Wettbewerbs[82] herangezogen werden.

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Führend wird in dem Zusammenhang das sog. Vergleichsmarktkonzept – sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene – angewandt, wonach die möglicherweise überhöhten Preise mit solchen Preisen verglichen werden, die sich auf strukturell vergleichbaren, aber wettbewerblich wirksam organisierten Märkten bilden. Die Märkte müssen in sachlicher, örtlicher und zeitlicher Hinsicht dem betreffenden Markt möglichst nahestehen, womit insbesondere als sachliche Vergleichsmärkte Märkte mit verwandten Waren oder Leistungen in Betracht kommen. In der Ermittlung eines geeigneten anderen Marktes liegt in der Praxis allerdings die größte Schwierigkeit. So muss der Vergleichsmarkt zwar einerseits mit dem in Rede stehenden Markt vergleichbar sein, andererseits muss auf ihm aber wirksamer Wettbewerb bestehen.[83] Dabei wird im Regelfall zur besseren Vergleichbarkeit der Märkte ein Markt herangezogen, der durch wirksamen Wettbewerb einer Vielzahl von Unternehmen geprägt ist. Es kann unter Umständen aber auch bereits der Vergleich mit einem Unternehmen – selbst dann, wenn es sich dabei um ein Monopolunternehmen handelt – ausreichen.[84] Bei der Ermittlung des örtlichen Vergleichsmarkts kann ggf. auch auf ausländische Märkte zurückgegriffen werden müssen, wenn das betreffende Unternehmen im Inland eine Monopolstellung einnimmt und es daher im Bundesgebiet keinen örtlichen Vergleichsmarkt ohne Marktbeherrschung gibt. Zeitlich gesehen kommt der Markt, auf dem das Unternehmen tätig ist, aus einer früheren oder späteren Zeit (vor oder nach Abschluss des missbräuchlichen Verhaltens) in Betracht.[85] Im Rahmen des Vergleichsmarktkonzepts muss allerdings berücksichtigt werden, dass der Vergleichsmarkt mit dem Markt des betreffenden Unternehmens i.d.R. nur bedingt vergleichbar ist, sodass sich nicht bereits unmittelbar aus der Gegenüberstellung von beanstandetem Verhalten und dem Verhalten auf dem Vergleichsmarkt die Missbräuchlichkeit ergibt. Abweichungen sind daher ggf. durch Korrekturzu- und abschläge auszugleichen. Dabei sind zugunsten des betroffenen Unternehmens alle objektiven Strukturmerkmale zu berücksichtigen, die „unabhängig von dem jeweiligen Betreiber bestehen und die sich daher auch bei wirksamem Wettbewerb preiserhöhend auswirken“ würden.[86] Nicht berücksichtigungsfähig sind hingegen unternehmensindividuelle Umstände wie beispielsweise Unternehmensgröße und Umsatz. Da die hierdurch erfolgten Korrekturen im Regelfall nicht genau zu berechnen sind, ist anerkannt, dass bei der Berechnung des wettbewerbsanalogen Preises Sicherheitszuschläge in Ansatz zu bringen sind. Anschließend wird noch ein Erheblichkeitszuschlag angewandt, weil das dem Missbrauchsvorwurf innewohnende Unwerturteil eine erhebliche Überschreitung des hypothetischen Wettbewerbspreises voraussetzt.[87]

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Das Vergleichsmarktkonzept ist jedoch nur eine Möglichkeit der Feststellung eines Preishöhenmissbrauchs. Die Abweichung vom hypothetischen Wettbewerbsverhalten kann auch auf andere Weise festgestellt werden. So kann insbesondere auch auf die Generalklausel zurückgegriffen werden.

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Neben dem Vergleichsmarktkonzept wird zur Feststellung eines Preishöhenmissbrauchs insbesondere auch die sog. Kostenkontrolle herangezogen. Diese kann insbesondere dann Berücksichtigung finden, soweit das Vergleichsmarktkonzept an seine Grenzen stößt, weil zum Beispiel alle in Betracht zu ziehenden Vergleichsmärkte ebenfalls monopolistisch strukturiert sind. Zwar ist der Vergleich mit Preisen eines anderen monopolistischen Unternehmens nicht ausgeschlossen, birgt aber die Gefahr, dass hier ein ebenfalls missbräuchlicher Preis zur Grundlage genommen wird, da dieses Vergleichsunternehmen ebenfalls keinem oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist. Im Rahmen der Kostenkontrolle werden letztlich alle Preisbestandteile (unter anderem Produktionskosten und Gewinne) im Wege der Kostenanalyse einzeln darauf überprüft, ob sie sich auch bei einem wirksamen Wettbewerb ergeben würden.[88]

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Vor allem im europäischen Recht findet neben dem häufig herangezogenen Vergleichsmarktkonzept außerdem das Konzept der sog. Gewinnspannenbegrenzung Anwendung. Dieses untersucht anhand der Kosten des betreffenden Unternehmens, ob die Gewinnspanne unangemessen ist. Im Gegensatz zum Vergleichsmarktkonzept kommt es also nicht auf einen Vergleich mit anderen Unternehmen, sondern ausschließlich auf das Unternehmen selbst an.[89] Nach dem Verständnis des EuGH geht es dabei um einen „überhöhten Preis […], der in keinem angemessenen Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung“ steht.[90] Da dies im Grunde auf eine Preisfestsetzung nach allgemeinem Gerechtigkeitsempfinden hinausläuft, hat sich dieses Konzept im deutschen Recht bisher nicht durchgesetzt.[91] Allerdings hat der deutsche Gesetzgeber das Konzept der Gewinnspannenbegrenzung für marktbeherrschende Anbieter von Elektrizität oder leitungsgebundenem Gas (Versorgungsunternehmen) in § 29 S. 1 Nr. 2 GWB übernommen und sich dabei ausdrücklich auf die europäische Gesetzgebung berufen.[92]

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Das GWB enthält in § 19 Abs. 2 Nr. 3 eine eigenständige Regelung der sog. Preisspaltung, die aber als ein Unterfall des Preishöhenmissbrauchs eingestuft werden kann. Dieser Fall des Preisstrukturmissbrauchs soll ungerechtfertigte Preisdifferenzierungen eines marktbeherrschenden Unternehmens erfassen. Es handelt sich um eine besondere Erscheinungsform des Preismissbrauchs in Gestalt einer Preisspaltung desselben Anbieters auf verschiedenen vergleichbaren Märkten und bei gleichartigen Abnehmern. Der Unterschied zum normalen Fall des Ausbeutungsmissbrauchs liegt insbesondere darin, dass das eigene Verhalten des Unternehmens auf vergleichbaren Märkten und nicht ein fiktiver Wettbewerb auf dem betreffenden Markt zum Maßstab genommen wird. Eine solche Preisspaltung wird dann angenommen,[93] wenn die Preispolitik eines Herstellers für verschiedene Waren oder Abnehmer in sich widersprüchlich, willkürlich oder sonst sachlich nicht zu rechtfertigen sind.[94] Dabei trägt das marktbeherrschende Unternehmen die Beweislast für die sachliche Rechtfertigung der Preisspaltung.[95]

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