Kitabı oku: «Kartell Compliance», sayfa 27
bb) Konditionenmissbrauch
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Ein weiterer Fall des Ausbeutungsmissbrauchs ist der sog. Konditionenmissbrauch. Auch hier wird das Verhalten von Anbietern und Nachfragern gleichermaßen erfasst. Der Begriff der Konditionen ist – sowohl im europäischen als auch im deutschen Kontext – weit auszulegen. Damit erfasst der Begriff grundsätzlich alle Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien, die den wirtschaftlichen Wert der Geschäftsbeziehung und die Handlungsfreiheit der Parteien beeinflussen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die entsprechenden Konditionen in geschriebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Nutzungsbedingungen, Datenschutzerklärungen, Leistungsbeschreibungen oder sonstigen Vertragsdokumenten ausgestaltet sind.[96]
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Die Bedeutung des Konditionenmissbrauchs hat seit den Diskussionen um den Umgang des nationalen und europäischen Kartellrechts mit großen Unternehmen der Digitalwirtschaft und ihren Geschäftspraktiken deutlich zugenommen. Der wohl bedeutendste aktuelle Fall in diesem Zusammenhang stellt die Facebook-Entscheidung des Bundeskartellamts vom 6. Februar 2019 dar. In der Entscheidung stellte die Behörde auf der Grundlage von § 19 Abs. 1 GWB (ebenso in Betracht gekommen wäre das Regelbeispiel des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB sowie Art. 102 Abs. 2 lit. a AEUV, während das Bundeskartellamt die Generalklausel als gesetzlichen Anknüpfungspunkt bevorzugte) die Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung des Unternehmens fest. Das Bundeskartellamt untersagte Facebook, Konditionen zu verwenden, die die Nutzung des sozialen Netzwerks durch in Deutschland ansässige private Nutzer davon abhängig machen, dass Facebook nutzer- und gerätebezogene Daten, die bei der Nutzung konzerneigener Dienste wie Beispielsweise Whatsapp und Instagram erhoben werden, ohne Einwilligung der Nutzer mit den für Facebook geführten Nutzerkonten verknüpfen und verwenden kann. Gleiches gilt nach Auffassung des Bundeskartellamts auch für Konditionen, die die private Nutzung von Facebook davon abhängig machen, dass Daten, die über Drittanbieter erfasst werden, ohne Einwilligung der Nutzer mit den Facebook-Daten verknüpft werden.[97] Dabei stützt das Amt seine rechtliche Bewertung auf die Entscheidungen des BGH in Sachen VBL-Gegenwert[98] und Claudia Pechstein,[99] in denen das Gericht den Konditionenmissbrauch i.S.d. § 19 Abs. 1 GWB präzisiert hatte. Darin lehnt sich der BGH konsequent an die Rechtsprechung des EuGH zum Verbot unangemessener Geschäftsbedingungen gem. Art. 102 S. 2 lit. a AEUV an, der eine Abwägung der Interessen der Vertragspartner fordert.[100] Danach gelten solche Konditionen als unangemessen, die die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des unterlegenen Vertragspartners übermäßig einschränken.[101] Mit der Facebook-Entscheidung spricht das Bundeskartellamt zahlreiche nicht abschließend beantwortete Fragen rund um digitale Netzwerke und Plattformen an.[102]
cc) Diskriminierender bzw. behindernder Preishöhenmissbrauch/Konditionenmissbrauch
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Der Preishöhenmissbrauch kann auch in Form einer Diskriminierung bzw. Behinderung auftreten. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine willkürliche Gestaltung von Angebots- oder Einkaufspreisen und Konditionen eines Normadressaten auf den vor- oder nachgelagerten Märkten zu Wettbewerbsverzerrungen führen und sich dort als Ungleichbehandlung oder Behinderung auswirken. Diese Fälle der Preisspaltung im gleichen Markt werden vom Ausbeutungsmissbrauch nicht erfasst, sondern lassen sich besser unter die Kategorien der Behinderung bzw. Diskriminierung einordnen.[103]
dd) Ausbeutungsmissbrauch im Rahmen des Anzapfverbots (§ 19 Abs. 2 Nr. 5 GWB)
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Eine Besonderheit gegenüber dem europäischen Recht findet sich in § 19 Abs. 2 Nr. 5 GWB – das sog. Anzapfverbot. Die durch die 8. GWB-Novelle 2013 neu in § 19 GWB aufgenommene Norm beinhaltet einen Tatbestand des Missbrauchs von Nachfragemacht. Damit soll verhindert werden, dass sich marktmächtige Nachfrager vor deren Wettbewerbern Vorteile verschaffen. Während nach der herrschenden Meinung die Vorschrift nicht den Schutz der Marktgegenseite (Anbieter) vor Ausbeutung bezweckt,[104] ist das Bundeskartellamt anderer Auffassung und bezieht den Anbieter in den Schutzbereich mit ein.[105] Hintergrund der Regelung ist, dass ein Nachfrager seine marktbeherrschende Stellung nicht dazu ausnutzen darf, um einen von ihm abhängigen Anbieter zur Gewährung von sachlich ungerechtfertigten Vorzugsbedingungen, die andere vergleichbare Nachfrager nicht erhalten, zu veranlassen. Mit Vorteilen i.S.d. Abs. 5 können insbesondere Sonderrabatte, zum Beispiel „Hochzeitsrabatte“[106], unentgeltliche Dienstleistungen, Eintrittsgelder, Mengenrabatte und alle sonstigen günstigen Bedingungen gemeint sein. Die Vorteilsgewährung seitens des Anbieters darf nicht sachlich gerechtfertigt sein.[107]
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Im Zuge der 9. GWB-Novelle wurde der Wortlaut des § 19 Abs. 2 Nr. 5 GWB angepasst. Die neue Formulierung sollte die effektive Anwendbarkeit des Anzapfverbots sicherstellen.[108] Damit reagierte der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf in der Sache EDEKA, im Zusammenhang mit der Übernahme des Discounters Plus seitens EDEKA vom Wettbewerber Tengelmann. Im Verfahren hatte das Bundeskartellamt die Kartellrechtswidrigkeit mehrerer Forderungen festgestellt, die EDEKA im Zuge der Übernahme gegenüber einigen Lieferanten erhoben hatte („Hochzeitsrabatte“). Das OLG Düsseldorf hob die Entscheidung des Bundeskartellamts auf.[109] Vor diesem Hintergrund hielt der Gesetzgeber einige Klarstellungen für erforderlich. Während der Tatbestand vor der Änderung des Wortlauts voraussetzte, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen seine Marktstellung dazu ausnutzt, andere Unternehmen dazu aufzufordern oder zu veranlassen, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren, wurde im Zuge der 9. GWB-Novelle die Tatbestandsalternative des Veranlassens gestrichen. Außerdem wurde die Tatbestandsalternative des Erfordernisses der Ausnutzung der Marktstellung gestrichen. Schließlich wurde durch die neuen Kriterien in Satz 2 die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung konkretisiert.
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Mit dem Streichen des Erfordernisses der Ausnutzung der Marktstellung soll klargestellt werden, dass bereits die Aufforderung zur Vorteilsgewährung selbst einen Missbrauch von Marktmacht darstellt, soweit keine sachliche Rechtfertigung gegeben ist. Damit ist nunmehr nicht erforderlich, dass zwischen der Marktmacht und der Aufforderung über die allgemeinen Regeln ein hinausgehender Ursachenzusammenhang bestehen muss. Dies war bislang umstritten.[110]
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Das Streichen der Tatbestandsalternative des Veranlassens war vorwiegend redaktionell begründet, da das Tatbestandsmerkmal durch die Aufnahme der Alternative des Aufforderns im Rahmen der 7. GWB-Novelle bereits seine eigenständige Bedeutung verloren hatte. Auf den tatsächlichen Erfolg des Aufforderns, als das Veranlassen, kommt es danach nicht an.[111]
c) Behinderung und Ungleichbehandlung
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Neben dem Ausbeutungsmissbrauch stehen Fälle der Behinderung und Ungleichbehandlung bzw. Diskriminierung. So fasst im nationalen Recht der durch die 8. GWB-Novelle 2012/2013 neu gefasste § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB zwei unterschiedliche Missbrauchsformen zusammen – die unbillige Behinderung und die sachlich nicht gerechtfertigte andersartige Behandlung (Ungleichbehandlung bzw. Diskriminierung). Diese Unterscheidung trifft das europäische Recht so nicht ausdrücklich in Art. 102 AEUV, der als Fallgruppe nur den Diskriminierungsmissbrauch nach Art. 102 Abs. 2 lit. c AEUV enthält. Der Behinderungsmissbrauch im europäischen Recht hat seine inhaltliche Prägung hingegen durch die Rechtsprechung erfahren und wird auf die Generalklausel des Art. 102 Abs. 1 AEUV gestützt.
aa) Inhalt des Behinderungs- und Diskriminierungsverbotes
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Ein marktbeherrschender Anbieter oder Nachfrager handelt nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 GWB missbräuchlich, wenn er „die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen in einer für den Wettbewerb auf dem Markt erheblichen Weise ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt.“ Die geforderte Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen setzt damit voraus, dass das marktbeherrschende Unternehmen zusätzliche Hindernisse errichtet, die über seine Existenz, seine Marktmacht und seine damit verbundene Tätigkeit und übliche Verdrängungswirkung hinausgeht. Der sehr weite Anwendungsbereich der Vorschrift wird durch das Tatbestandsmerkmal der „Unbilligkeit“ eingegrenzt, welches verlangt, dass die Interessen der betroffenen Unternehmen mit denen des marktbeherrschenden Unternehmens abzuwägen sind.[112]
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Nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 GWB darf ein marktbeherrschendes Unternehmen ein anderes Unternehmen nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandeln als gleichartige Unternehmen. Dabei handelt es sich nicht um ein allgemeines Diskriminierungsverbot, welches einen schwerwiegenden Eingriff in die Vertragsfreiheit und damit auch in die wettbewerbliche Handlungsfreiheit von Unternehmen bedeuten würde. Das Diskriminierungsverbot setzt daher Marktbeherrschung (bzw. im Rahmen des § 20 Abs. 1 GWB relative Marktmacht) voraus und erfasst nur Diskriminierungen zwischen gleichartigen Unternehmen. Die betroffenen Unternehmen müssen sich daher in einer konkret vergleichbaren Situation befinden und gleichartige Grundfunktionen auf dem betroffenen Markt ausüben. Danach ist es auf beherrschten Märkten grundsätzlich verboten, im Verhältnis zu gleichartigen Unternehmen wirtschaftlich gleich liegende Sachverhalte ungleich zu behandeln. Diese Ungleichbehandlung muss sich nachteilig auf die Wettbewerbsposition des Anspruchstellers auswirken.[113] Auch hier ist im Rahmen der sachlichen Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes und Respektierung eines unternehmerischen Freiraumes abzustellen.[114]
bb) Verhältnis von Behinderung und Ungleichbehandlung
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Die Abgrenzung zwischen einer Behinderung und einer Ungleichbehandlung ist je nach Fallkonstellation nicht immer einfach. Das Verhältnis der beiden Missbrauchsarten ist insbesondere dadurch geprägt, dass die Ungleichbehandlung einen Unterfall der Behinderung darstellt. So ist der Begriff der Behinderung sehr weit zu verstehen. Nach nationalem Recht (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 GWB) ist darunter jedes Verhalten zu verstehen, das die wettbewerbliche Betätigungsfreiheit eines anderen Unternehmens nachteilig beeinflusst. Dieses weite Begriffsverständnis schließt die Ungleichbehandlung i.S.d. Kartellrechts ein, denn sie ist lediglich eine besondere Ausgestaltung der Behinderung in Form eines spezielleren Tatbestandes. Insbesondere lassen sich die beiden Verhaltensweisen nicht abschließend abgrenzen, indem man darauf abstellt, ob die Maßnahme horizontal oder vertikal ausgerichtet ist. Denn während das Behinderungsverbot – das zwar in erster Linie dem Schutz des Konkurrenten des Normadressaten dient – auch im Vertikalverhältnis gilt, kann das Diskriminierungsverbot, dessen typischer Anwendungsbereich Vertikalverhältnisse betrifft, auch im Horizontalverhältnis angewandt werden.[115] Eine Abgrenzung erfolgt daher regelmäßig im speziellen Einzelfall, wobei eine klare Zuordnung oftmals nicht notwendig ist und von der Rechtsprechung auch häufig nicht vorgenommen wird.[116] Aus diesem Grund wird im Folgenden nicht nach dieser Kategorisierung, sondern nach horizontalen und vertikalen Verhaltensweisen unterschieden.
cc) Fallgruppen mit horizontalem Schwerpunkt
(1) Kampfpreise („predatory pricing“)
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Die sog. Kampfpreisunterbietung gilt als klassischer Fall eines Behinderungsmissbrauchs. Dabei bieten marktbeherrschende Unternehmen ein Produkt oder eine Dienstleistung für einen bestimmten Zeitraum zu einem besonders niedrigen Preis auf dem Markt an und verdrängen (potenzielle) Konkurrenten von dem schon beherrschten relevanten Markt oder von dritten Märkten bzw. halten diese von einem Marktzutritt ab. Durch eine solche Preisunterbietung werden große Teile der Nachfrager vom Wettbewerber auf ihn umgeleitet.
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Das maßgebliche Kriterium für die Annahme eines Verstoßes gegen § 19 GWB bzw. Art. 102 AEUV ist nach der AKZO-Formel des EUGH das Preis-Kosten-Verhältnis innerhalb des marktbeherrschenden Unternehmens. Danach werden grundsätzlich drei Kategorien gebildet. So sind Preise, die unter den durchschnittlichen variablen Kosten liegen, grundsätzlich als missbräuchlich anzusehen, da bei einem marktbeherrschenden Unternehmen davon auszugehen ist, dass primäres Ziel der Preisunterbietung die Ausschaltung seiner Konkurrenten ist. Preise, die zwar unter den durchschnittlichen Gesamtkosten, aber über den durchschnittlichen variablen Kosten liegen, sind hingegen nur dann als missbräuchlich anzusehen, wenn sie im Rahmen eines Plans festgesetzt werden, der die Ausschaltung eines Konkurrenten zum Ziel hat.[117] Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass ein Preis, der oberhalb der Gesamtkosten liegt, jedenfalls keinen Missbrauch darstellt. Dies ist auch deshalb anzunehmen, weil niedrige, aber kostendeckende Preise grundsätzlich Ausdruck echten Leistungswettbewerbs sind.[118]
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Im Rahmen der erforderlichen Verdrängungsabsicht der zweiten Kategorie sind alle Indizien des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dazu können unter anderem das Preisverhalten des Unternehmens auf anderen Märkten, interne Unterlagen, der Aufkauf von Wettbewerbsprodukten, der Abschluss von Ausschließlichkeitsvereinbarungen, der zeitliche Ablauf des Preiskampfes sowie das Hinzutreten weiterer Behinderungsmaßnahmen zählen.[119] Die Verdrängungsabsicht ergibt sich dabei insbesondere aus der Dauer, der Beständigkeit, dem Umfang sowie der Planmäßigkeit der Verluste.[120] Es kann unter Umständen auch bereits ausreichen, dass, selbst wenn keine Verdrängungsabsicht vorliegt, eine Preispolitik zu einer tatsächlichen oder wahrscheinlichen Verdrängung des Wettbewerbers führen kann.[121]
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Das nationale Recht verbietet darüber hinaus im Rahmen von § 20 Abs. 3, 4 GWB Unternehmen mit einer gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegenen Marktmacht, Waren und Dienstleistungen unter Einstandspreis anzubieten, sofern dies nicht nur gelegentlich erfolgt und nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Für Lebensmittel sind jegliche Angebote unter Einstandspreis für solche Unternehmen ausdrücklich nach § 20 Abs. 3 Nr. 1 GWB untersagt.[122]
(2) Kopplungsgeschäfte
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Kopplungsgeschäfte i.S.d. Kartellrechts liegen vor, wenn Anbieter, die bei bestimmten Produkten oder Dienstleistungen über eine marktbeherrschende Stellung verfügen, diese nur mit zusätzlichen Produkten oder Dienstleistungen mit niedrigerer Marktbedeutung am Markt anbieten. Durch diese Vorgehensweise können Wettbewerber, die auf dem Markt für das begleitende Produkt mit dem marktbeherrschenden Unternehmen konkurrieren, behindert werden. Während das europäische Recht das Kopplungsgeschäft ausdrücklich als Regeltatbestand in Art. 102 Abs. 2 lit. d AEUV normiert, fällt es im deutschen Recht regelmäßig unter den allgemeinen und weit zu verstehenden Begriff des Behinderungsmissbrauchs. Dabei ist aber die Doppelnatur eines Kopplungsgeschäfts zu berücksichtigen. Soweit es bei der unternehmerischen Maßnahme vordergründig darum geht, dem Nachfrager sinnlose zusätzliche Produkte oder Dienstleistungen aufzudrängen, handelt es sich um einen Fall des Ausbeutungsmissbrauchs. Soweit das Unternehmen hingegen bezweckt, die Marktmacht auf dem Markt des Hauptproduktes auf den des gekoppelten Produktes auszuweiten, ist das Handeln als Behinderungsmissbrauch einzustufen. Sofern beide Wirkungen vorliegen, sind je nach Einzelfall beide rechtlichen Grundsätze oder einer der beiden heranzuziehen.[123] Damit schützt das Kopplungsverbot zwei unterschiedliche Rechtsgüter. Einerseits dient es dem Schutz der Handelspartner vor Beeinträchtigungen ihrer Handlungsfreiheit (die dann beeinträchtigt wäre, wenn der Vertragspartner zur Abnahme von Produkten oder Dienstleistungen gezwungen wäre, an denen er kein Interesse hat oder sie anderweitig beziehen möchte), andererseits dient es dem Schutz vor Wettbewerbsverfälschungen auf dem Markt des gekoppelten Produktes oder des Kopplungsproduktes.[124]
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Um das Vorliegen eines Kopplungsmissbrauchs zu bejahen, muss das betreffende Unternehmen eine beherrschende Stellung auf dem Markt für das Kopplungsprodukt (das Ausgangsprodukt, nicht hingegen auf dem Markt des gekoppelten Produktes) innehaben und es muss sich bei dem Kopplungsprodukt und dem gekoppelten Produkt um zwei unterschiedliche Produkte handeln. Außerdem darf das Unternehmen seinen Abnehmern nicht die Möglichkeit geben, das Kopplungsprodukt ohne das daran gekoppelte Produkt zu beziehen und die Kopplung muss zu einer Marktverschließung auf dem Markt des gekoppelten Produktes führen.[125] Es ist mittlerweile – abweichend von der Normierung in Art. 102 Abs. 2 lit. d AEUV – anerkannt, dass auch dann eine missbräuchliche Kopplung vorliegen kann, wenn das gekoppelte Produkt in einer sachlichen Beziehung zum Kopplungsprodukt steht oder die Kopplung dem Handelsbrauch entspricht.[126]
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Der wohl aktuellste Fall im Zusammenhang mit Kopplungsgeschäften ist die Entscheidung der Kommission gegen Google, in der sie dem Unternehmen aufgrund eines Kopplungsgeschäfts zwischen dem Android-Betriebssystem und Google-Internetsuchdiensten eine Geldbuße in Höhe von 4,34 Mrd. EUR auferlegt hatte.[127] Darin hatte die Kommission festgestellt, dass Google auf den Märkten für allgemeine Internet-Suchdienste, für lizenzpflichtige Betriebssysteme für Smartphones sowie für Android-App Stores eine marktbeherrschende Stellung einnehme. Diese Stellung habe Google missbräuchlich ausgenutzt, indem das Unternehmen gegenüber allen Herstellern von Android-Geräten als Bedingung für eine Lizensierung des App-Stores von Google (Play Store) verlangte, die App Google-Suche und die Google-eigene Browser-App Chrome auf den Geräten vorzuinstallieren.[128]
(3) Rabattsysteme
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Grundsätzlich darf ein Anbieter seinen Abnehmern als wettbewerbskonforme Maßnahme der Absatzförderung Rabatte gewähren. Sie sind erst dann missbräuchlich i.S.d. Missbrauchsverbots, wenn sie darauf abzielen, dem Abnehmer durch die Gewährung eines Vorteils, der nicht auf einer ihn rechtfertigenden wirtschaftlichen Leistung beruht, die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich zu machen oder zu erschweren, den Konkurrenten den Zugang zum Markt zu verwehren, Handelspartnern für gleichwertige Leistungen ungleiche Bedingungen aufzuerlegen oder die beherrschende Stellung durch einen verfälschten Wettbewerb zu stärken.[129] Je nach Fallkonstellation kann ein Fall des Ausbeutungs-, Behinderungs- oder Diskriminierungsmissbrauchs gegeben sein kann. Der Schwerpunkt der Rechtsanwendung liegt in der Behinderung der Wettbewerber.[130]
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Da Rabattsysteme sehr unterschiedlich ausgestaltet werden können, hat die europäische Praxis eine Reihe von Anwendungsfällen entwickelt, die zur rechtlichen Einordnung von Rabatten herangezogen werden.
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Danach gelten sog. reine Mengenrabatte, die ausschließlich an den Umfang der bei dem betroffenen Hersteller getätigten Käufe anknüpfen, als unbedenklich. Mengenrabatte dieser Art sind dann anzunehmen, wenn sie für jede einzelne Bestellung und somit entsprechend den vom Verkäufer erzielten Kosteneinsparungen gewährt werden.[131]
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Hingegen gelten sog. Treuerabatte, die darauf abzielen, Kunden vom Bezug bei konkurrierenden Herstellern abzuhalten, indem ihnen ein finanzieller Vorteil gewährt wird, grundsätzlich als missbräuchlich.[132] In diesem Zusammenhang hat der EuGH jedoch erst jüngst im Verfahren gegen Intel entschieden, dass auch bei Treuerabatten eine Gesamtbetrachtung der Umstände für die Rabattgewährung vorgenommen werden muss.[133]
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Ein Missbrauch ergibt sich regelmäßig auch dann, wenn statt Rabatten im Vorfeld nachträgliche Zahlungen als Belohnung der Treue erfolgen.[134] Gruppenrabatte, die als Belohnung für den ausschließlichen Bezug von ganzen Abnehmergruppen eingesetzt werden, gelten als Unterfall der Treuerabatte ebenfalls als grundsätzlich missbräuchlich.[135]
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Ebenfalls als missbräuchlich einzustufen sind Umsatzrabatte, wenn sie einen versteckten Treuerabatt darstellen. Gleiches gilt für Sortiments- und Grenzrabatte. Im Allgemeinen lässt sich festhalten, dass anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu ermitteln ist, ob der jeweilige Rabatt dazu geeignet ist, den Wettbewerb durch Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung zu missbrauchen. Dazu ist eine Orientierung an den durch Kommission und Rechtsprechung entwickelten Kategorien sinnvoll. Diese sind jedoch nicht als abschließend zu erachten.[136]