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III. Das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers gem. § 147 StPO
1. Voraussetzungen des Akteneinsichtsrechts
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Die in § 147 Abs. 1 StPO geregelten tatbestandlichen Voraussetzungen des Akteneinsichtsrechts sind denkbar schlicht: Zur Akteneinsicht berechtigt ist der Verteidiger; Gegenstand der Akteneinsicht sind die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären. Weitere Voraussetzungen – wie etwa ein besonderes Interesse des Antragstellers an der Akteneinsicht – enthält die Norm nicht.
2. Versagungsgründe und die Bedeutung des Verfahrensstadiums
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Eine Versagung der beantragten Akteneinsicht kommt nach § 147 Abs. 2 S. 1 StPO in Betracht. Nach dieser Norm kann die Akteneinsicht dann, wenn der Abschluss der Ermittlungen noch nicht in den Akten vermerkt ist, versagt werden, soweit diese den Untersuchungszweck gefährden kann. Hierfür ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass aufgrund durch Tatsachen belegter Anhaltspunkte objektiv nahe liegt, dass der Beschuldigte bei Erlangung von Aktenkenntnis in unzulässiger Weise nachteilig in das Ermittlungsverfahren eingreifen werde.[1] Dies ist etwa dann der Fall, wenn aus den Akten ein bevorstehender Durchsuchungstermin oder ein Haftbefehlsantrag entnommen werden kann. Bloße ermittlungstaktische Erwägungen der Strafverfolgungsbehörde – etwa der Plan, neue Ermittlungsergebnisse dem Beschuldigten in einer Vernehmung überraschend vorzuhalten – können die Versagung der Akteneinsicht dagegen nicht rechtfertigen. Auch kann die Akteneinsicht nicht mit der Begründung versagt werden, dass andere Beschuldigte in objektiv nachvollziehbarer Weise Anlass gegeben haben, die Akteneinsicht zu verweigern.[2] Nach Auffassung des BGH soll sich eine Gefährdung des Untersuchungszwecks gem. § 147 Abs. 2 S. 1 StPO auch daraus ergeben können, dass durch die beantragte Akteneinsicht der Untersuchungszweck in einem anderen Strafverfahren gefährdet würde.[3] In jedem Fall ist, wie der Wortlaut der Norm „soweit“ klarstellt, vor der Ablehnung der beantragten Akteneinsicht in Gänze sorgfältig zu prüfen, ob die Gewährung einer teilweisen Akteneinsicht in Betracht kommt.[4]
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Nachdem der Abschluss der Ermittlungen gem. § 169a StPO in der Akte vermerkt ist, greift der Versagungsgrund nicht mehr. Vielmehr besteht ab diesem Zeitpunkt ein unbeschränktes und unbeschränkbares Akteneinsichtsrecht. Befindet sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft oder ist diese nach einer vorläufigen Festnahme beantragt, sind dem Verteidiger nach § 147 Abs. 2 S. 2 StPO die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung wesentlichen Informationen ungeachtet des Verfahrensstandes zugänglich zu machen, vgl. hierzu im Einzelnen: 14. Kap. Rn. 93 f.
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Ein ebenfalls unbeschränkbares Akteneinsichtsrecht – und damit auch im Falle einer Gefährdung des Untersuchungszweckes – hat der Verteidiger nach § 147 Abs. 3 StPO in die Niederschriften über die Vernehmung des Beschuldigten sowie in die über richterliche Untersuchungshandlungen, bei denen der Verteidiger ein Anwesenheitsrecht hat, sowie in vorliegende Sachverständigengutachten. Dabei ist das Akteneinsichtsrecht in die Vernehmungsprotokolle unabhängig davon, ob die Vernehmung von der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder einem Ermittlungsrichter durchgeführt wurde. Zu den vorgenannten richterlichen Untersuchungshandlungen, bei denen der Verteidiger ein Anwesenheitsrecht hat, zählen etwa die richterliche Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen.
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Nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens ergibt sich das (uneingeschränkte) Akteneinsichtsrecht des Verteidigers aus einer entsprechenden Anwendung des § 147 Abs. 1 StPO.[5] Nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens kann der Verteidiger Akteneinsicht gem. § 147 Abs. 5 S. 1 StPO beantragen.
3. Verfahren und Rechtsschutz
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Gem. § 147 Abs. 5 S. 1 StPO entscheidet über die Gewährung der Akteneinsicht im vorbereitendem Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft. In steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren entscheidet die Finanzbehörde hierüber, wenn sie die Ermittlungen gem. §§ 386 Abs. 2, 399 Abs. 1 AO selbstständig führt. Der Polizei steht hingegen in keinem Fall eine Entscheidungskompetenz zu. Nach Anklageerhebung (auch im Fall eines Strafbefehlsantrages) ist der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts für die Entscheidung zuständig. Auch während des Hauptverfahrens bleibt es bei dieser Zuständigkeit; der gesamte Spruchkörper ist zur Entscheidung nicht berufen.[6] Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nach neuester Rechtsprechung des BGH[7] dem Tatgericht aus dem Gebot der Verfahrensfairness die Pflicht erwächst, den Angeklagten und seinen Verteidiger über die Ergebnisse von solchen Ermittlungen zu informieren, die ihm zwischen Eröffnungsbeschluss und Hauptverhandlung oder während laufender Hauptverhandlung durch Polizei oder Staatsanwaltschaft zugänglich gemacht werden. Diese Pflicht besteht auch dann, wenn es die Ergebnisse der Ermittlungen selbst nicht für entscheidungserheblich hält; denn es muss den übrigen Verfahrensbeteiligten überlassen bleiben, selbst zu beurteilen, ob es sich um relevante Umstände handelt.[8]
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Eine Anfechtung der die Akteneinsicht versagenden Entscheidungen im Ermittlungsverfahren besteht nur ausnahmsweise. § 147 Abs. 5 S. 2 StPO lässt als Rechtsbehelf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur dann zu, wenn die Akteneinsicht versagt wird, nachdem der Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt worden ist, wenn die Versagung die in § 147 Abs. 3 StPO bezeichneten Schriftstücke betrifft sowie schließlich, wenn sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß befindet, also vor allem in Fällen eines vollzogenen Haftbefehls. Dieser Anfechtungsausschluss des § 147 Abs. 5 S. 2 StPO bezieht sich auch auf Beschwerden der Staatsanwaltschaft, so dass etwa die Entscheidung des Vorsitzenden über die Art und Weise der Gewährung von Akteneinsicht insgesamt der Anfechtung entzogen sind.[9] Richterliche Entscheidungen, mit denen die beantragte Akteneinsicht versagt wird, sind nach § 304 Abs. 1, Abs. 4 S. 2 Nr. 4 StPO mit der Beschwerde anfechtbar. Die Beschwerde ist auch nicht während des Hauptverfahrens gem. § 305 S. 1 StPO dadurch ausgeschlossen, dass es sich um die Entscheidung des Vorsitzenden des erkennenden Gerichts handelt, weil die Ablehnung der Akteneinsicht in keinem inneren Zusammenhang mit dem Urteil steht.[10]
4. Information des Mandanten
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Der Verteidiger ist zur Weitergabe der durch die Akteneinsicht erlangten Erkenntnisse an seinen Mandanten berechtigt und auch verpflichtet. Eine sachgerechte Verteidigung setzt die detaillierte Kenntnis des Beschuldigten von der Vorwurfslage voraus. Daher ist der Verteidiger grds. auch berechtigt, dem Beschuldigten eine Abschrift der Ermittlungsakte auszuhändigen.[11] Allerdings hat der BGH[12] in der Vergangenheit die Auffassung vertreten, dass die Informationsweitergabe an den Mandanten dann unzulässig sein und eine taugliche Strafvereitelungshandlung i.S.d. § 258 Abs. 1 StGB darstellen soll, wenn sich aus der Akte Hinweise auf bevorstehende strafprozessuale Zwangsmaßnahmen – wie etwa eine Durchsuchung – ergeben. Auch wenn diese Restriktion außerhalb der höchstrichterlichen Rechtsprechung weitestgehend abgelehnt wird,[13] ist hier ein Strafverfolgungsrisiko für den Verteidiger nicht von der Hand zu weisen.
Anmerkungen
[1]
LR/Lüderssen/Jahn § 147 Rn. 135; SK-StPO/Wohlers § 147 Rn. 97; a.A. Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt § 147 Rn. 25, der eine konkrete Gefahr nicht für erforderlich hält.
[2]
Zur Beschränkung des Akteneinsichtsrechts im Falle der Gefährdung des Untersuchungszwecks vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt § 147 Rn. 25 m.w.N.
[3]
BGH NStZ-RR 2012, 16, 17 f. mit abl. Anm. Tsambikakis StV 2012, 323, 324 f.
[4]
Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt § 147 Rn. 25.
[5]
LG Oldenburg NStZ 1992, 555.
[6]
Satzger/Schluckebier/Widmaier/Beulke StPO, § 147 Rn. 45.
[7]
BGH NStZ 2017, 549 ff.
[8]
BGH NStZ 2017, 549 ff.
[9]
OLG Celle StV 2017, 158, 159; OLG Hamburg NStZ-RR 2016, 282 ff.
[10]
OLG Brandenburg NJW 1996, 67, 68; LR/Lüderssen/Jahn § 147 Rn. 167.
[11]
BGH NJW 1980, 64; OLG Frankfurt NStZ 1981, 144, 145.
[12]
Insbesondere BGHSt 18, 369, 371; vgl. auch Fischer § 258 Rn. 22; Satzger/Schluckebier/Widmaier/Beulke StPO, § 147 Rn. 23.
[13]
OLG Hamburg StV 1991, 551; KK-StPO/Laufhütte/Willnow § 147 Rn. 14; Satzger/Schluckebier/Widmaier/Jahn StGB, § 258 Rn. 27a; Krekeler wistra 1983, 43, 47.
5. Kapitel Akteneinsicht › C. Das Akteneinsichtsrecht des Nebenbeteiligten
C. Das Akteneinsichtsrecht des Nebenbeteiligten
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Einer (natürlichen oder juristischen) Person, die aufgrund einer ihr drohenden Einziehung oder eines ihr drohenden Verfalls als Nebenbeteiligte an dem Verfahren beteiligt ist, steht das Recht auf Akteneinsicht aus § 434 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 147 Abs. 1 StPO zu. Sofern die Nebenbeteiligung aufgrund einer drohenden Verbandsgeldbuße angeordnet ist, ergibt sich das Akteneinsichtsrecht des Verbands aus dem Verweis in § 444 Abs. 2 S. 2 StPO auf § 434 Abs. 1 S. 2 StPO. Auch das Akteneinsichtsrecht des Nebenbeteiligten kann nur durch einen Rechtsanwalt ausgeübt werden.
5. Kapitel Akteneinsicht › D. Das Akteneinsichtsrecht öffentlicher Stellen gem. § 474 StPO
D. Das Akteneinsichtsrecht öffentlicher Stellen gem. § 474 StPO
5. Kapitel Akteneinsicht › D. Das Akteneinsichtsrecht öffentlicher Stellen gem. § 474 StPO › I. Grundlagen
I. Grundlagen
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§ 474 StPO regelt die Gewährung der Akteneinsicht (in Akten i.S.d. § 199 Abs. 2 S. 2 StPO) und die Erteilung von Informationen aus laufenden oder bereits abgeschlossenen Strafverfahren[1] gegenüber Gerichten, Staatsanwaltschaften und anderen Justizbehörden (Abs. 1) sowie die Erteilung von Auskünften gegenüber anderen öffentlichen Stellen (Abs. 2). Das Akteneinsichts- bzw. Auskunftsrecht erstreckt sich dabei auch auf die in einem Strafverfahren beigezogenen Akten.[2] Die hierfür in § 474 StPO dargelegten Voraussetzungen sind auf das Strafverfahren beschränkt; sie sind auf andere Verfahrensarten nicht übertragbar.[3]
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Eine Notwendigkeit zur Übertragung besteht hingegen für die in § 474 StPO vorgesehenen Grenzen und Beschränkungen der Akteneinsicht bzw. der Erteilung von Auskünften, soweit die zur Akteneinsicht berechtigte Behörde oder öffentliche Stelle entsprechende Informationen nach der für sie geltenden Verfahrensordnung – bspw. in einem Zivilverfahren – weiterzugeben beabsichtigt.[4] Erhält demnach eine zur Akteneinsicht berechtigte Behörde oder öffentliche Stelle unter den Voraussetzungen des § 474 StPO Akteneinsicht bzw. werden auf dieser Grundlage Auskünfte erteilt, so darf eine Weitergabe dieser Information ebenfalls nur in den Grenzen des § 474 StPO erfolgen.[5] Eine darüber hinausgehende Informationsübermittlung würde einerseits zu einer Umgehung der Voraussetzungen des § 474 StPO führen und andererseits das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung[6] verletzen, das gerade durch die Einhaltung der in den §§ 474 ff. StPO niedergelegten Voraussetzungen sichergestellt werden soll.[7]
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Die Verantwortung für die (inhaltliche) Zulässigkeit der Informationsweitergabe ist in § 477 Abs. 4 StPO geregelt. Danach gilt: Beantragen öffentliche Stellen oder Rechtsanwälte die Übermittlung von Informationen im Wege der Akteneinsicht oder der Auskunftserteilung, so sind diese dafür verantwortlich, dass die Voraussetzungen für ihr Ersuchen vorliegen.[8] In diesem Fall ist die Prüfung der um Informationserteilung ersuchten Stelle – wenn kein Anlass auf weitergehende Prüfung besteht – darauf beschränkt, festzustellen, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liegt; § 477 Abs. 4 S. 2 StPO. Diese missverständliche Einschränkung der Prüfungspflicht befreit die Behörde jedoch (selbstverständlich) nicht von der eigenverantwortlichen Prüfung der in § 477 Abs. 2 und 3 sowie in § 474 Abs. 2 StPO enthaltenen Voraussetzungen.[9] In allen anderen Fällen trifft die ersuchte Stelle die uneingeschränkte Verantwortung für die Informationsweitergabe; § 479 Abs. 3 HS 2 StPO.
Anmerkungen
[1]
Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt § 474 Rn. 1.
[2]
HK-StPO/Temming § 474 Rn. 1.
[3]
HK-StPO/Temming Vor §§ 474 ff. Rn. 12.
[4]
Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt Vor § 474 Rn. 1.
[5]
Hilger NStZ 2001, 15.
[6]
BVerfGE 65, 1 ff.
[7]
HK-StPO/Temming Vor §§ 474 ff. Rn. 2.
[8]
Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt § 477 Rn. 14.
[9]
HK-StPO/Temming § 477 Rn. 13.
5. Kapitel Akteneinsicht › D. Das Akteneinsichtsrecht öffentlicher Stellen gem. § 474 StPO › II. Das Akteneinsichtsrecht von Behörden (§ 474 Abs. 1)
II. Das Akteneinsichtsrecht von Behörden (§ 474 Abs. 1)
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Nach dem Wortlaut des § 474 Abs. 1 StPO können Gerichte, Staatsanwaltschaften und andere Justizbehörden Akteneinsicht erhalten, soweit dies für die Zwecke der Rechtspflege – i.S.d. § 23 EGGVG – erforderlich ist. Das Akteneinsichtsrecht besteht damit auch für die Justizbehörden des Bundes und der Länder, soweit diese im Rahmen der Rechtspflege, bspw. zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, tätig werden, die strafverfolgend tätige Polizei sowie die Finanzbehörden, soweit diese als Ermittlungsbehörde, d.h. zur Verfolgung von Steuerstraftaten agieren (§§ 386 Abs. 2, 399 Abs. 1, 402 Abs. 1, 404 AO).[1]
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§ 474 Abs. 1 StPO ergänzt damit die bestehenden Regelungen der StPO zur Informationsgewinnung der zuvor genannten Behörden,[2] wenn diese nicht ausreichen, um den jeweiligen Ermittlungszweck zu erfüllen.[3] Stets als „Minus“ in dem Recht auf Akteneinsicht enthalten, ist das Recht auf die Erteilung von Auskünften aus entsprechenden Akten.[4] Sowohl die Akteneinsicht als auch die Auskunftserteilung dürfen jedoch nur für ein bestimmtes anderes Verfahren,[5] nach zutreffender Auffassung jedoch nicht im Rahmen von Vorermittlungen, gewährt werden.[6] Besteht der Anspruch auf Akteneinsicht i.S.d. § 474 Abs. 1 StPO, so kann die einsichtbegehrende Stelle selbst festlegen, in welchem Umfang ihr Einsicht in die Akten gewährt werden soll.[7]
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Eine Beschränkung der Akteneinsicht durch die ersuchte Stelle ist dagegen nicht möglich.[8] Die Akteneinsicht steht allerdings unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit ihrer Gewährung. Diese muss durch die ersuchende Behörde zwar nicht gesondert begründet,[9] jedoch eigenständig geprüft und das Vorliegen von ihr verantwortet werden; § 477 Abs. 4 S. 1 StPO. Dies gilt auch für die Prüfung, ob anstelle der Akteneinsicht nicht auch die Auskunftserteilung i.S.d. § 477 Abs. 1 StPO – als weniger grundrechtsrelevanter Eingriff – in gleichem Maße sachdienlich sein kann. Folgerichtig ist die ersuchte Stelle weder berechtigt, eine Darlegung der Erforderlichkeit der Akteneinsicht von der ersuchenden Stelle einzufordern,[10] noch ist sie imstande, deren Sachdienlichkeit für das dortige Verfahren zu prüfen. Vielmehr darf und muss die ersuchte Stelle von der Erforderlichkeit der Akteneinsicht ausgehen.[11] Dies gilt insbesondere dann, wenn die Akten in einem gerichtlichen Verfahren angefordert werden, in dem der Amtsermittlungsgrundsatz gilt.[12]
Anmerkungen
[1]
Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt § 474 Rn. 2.
[2]
§ 161 Abs. 1 S. 1 (Staatsanwaltschaft), §§ 161 Abs. 1 S. 2, 163 Abs. 1 S. 2 (Polizei) und §§ 161 Abs. 1, 202, 244 Abs. 2 (Gericht).
[3]
Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt § 474 Rn. 2.
[4]
SK-StPO/Weßlau § 474 Rn. 9.
[5]
SK-StPO/Weßlau § 474 Rn. 8; Hilger NStZ 2000, 15.
[6]
Krause FS Strauda, 2006, S. 351, 360.
[7]
KK-StPO/Gieg § 474 Rn. 3; Satzger/Schluckebier/Widmaier/Ritscher StPO, § 474 Rn. 8.
[8]
HK-StPO/Temming § 474 Rn. 4 unter Hinweis auf Hilger NStZ 2000, 15.
[9]
BT-Drucks. 14/1484, 26.
[10]
HK-StPO/Temming § 474 Rn. 5 m.w N.
[11]
Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt § 474 Rn. 4.
[12]
Z.B. § 99 Abs. 1 VwGO, 86 Abs. 1 FGO oder 120 Abs. 1 SGG.
5. Kapitel Akteneinsicht › D. Das Akteneinsichtsrecht öffentlicher Stellen gem. § 474 StPO › III. Die Auskunftserteilung und Akteneinsicht gegenüber öffentlichen Stellen (§ 474 Abs. 2, 3)
III. Die Auskunftserteilung und Akteneinsicht gegenüber öffentlichen Stellen (§ 474 Abs. 2, 3)
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Alle öffentlichen Stellen, d.h. Behörden oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, die hoheitliche Aufgaben wahrnehmen und nicht unter § 474 Abs. 1 StPO fallen, können unter den Voraussetzungen des § 474 Abs. 2 StPO Auskünfte aus Strafakten erhalten. Zu berücksichtigen ist dabei, dass entsprechende Auskünfte gem. § 477 Abs. 1 StPO auch im Wege der Überlassung von Abschriften aus Akten erteilt werden können. Nur dann, wenn die Erteilung einer solchen Auskunft einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, oder aber die Auskunft nicht ausreichend wäre, um die Aufgabe der Einsicht begehrenden Stelle zu erfüllen, kann auch einer öffentlichen Stelle i.S.d. § 474 Abs. 2 StPO Akteneinsicht gem. § 474 Abs. 3 StPO gewährt werden. Die Erteilung von Auskünften ist allerdings nur unter den in § 474 Abs. 2 Rn. 1–3 StPO dargelegten Voraussetzungen zulässig. Sie kommt daher gem. § 474 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StPO in Betracht, soweit sie zur Feststellung, Durchsetzung oder Abwehr von Regressansprüchen im Zusammenhang mit der Straftat erforderlich ist.
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Auskünfte können gem. § 474 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StPO auch dann erteilt werden, wenn der ersuchenden öffentlichen Stelle aufgrund einer anderweitigen Vorschrift (§§ 12 ff. EGGVG) personenbezogene Daten übermittelt werden dürfen, oder nach einer von Amts wegen bereits erfolgten Übermittlung personenbezogener Daten eine (weitergehende) Übermittlung erforderlich ist, ohne die die ersuchende Behörde ihre Aufgabe nicht wahrnehmen könnte. Abweichend von § 474 Abs. 1 StPO entscheidet (ausschließlich) in diesem Fall die ersuchte Stelle, ob und welche Informationen sie weitergibt.[1] Die in § 474 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ausnahmsweise zulässige Gewährung der Akteneinsicht, in den Fällen, in denen die Auskunftserteilung nicht zumutbar ist, dient der Entlastung der Justiz. Akteneinsicht ist überdies zu gewähren, wenn die ersuchende Stelle die Notwendigkeit derselben begründet. Eine (denkbare) Informationsübermittlung an Polizeibehörden zum Zwecke der Gefahrenabwehr unterfällt jedoch nicht § 474 Abs. 2 StPO, sondern erfolgt unter den Voraussetzungen des § 481 StPO.[2] Die Auskunftserteilung gegenüber Nachrichtendiensten erfolgt ausweislich § 474 Abs. 2 S. 2 StPO unter den Voraussetzungen des § 18 BVerfSchG, § 10 MAD-Gesetz und § 8 BND-Gesetz sowie den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften.
Anmerkungen
[1]
HK-StPO/Temming § 474 Rn. 7 unter Hinweis auf BT-Drucks. 14/1484, 26.
[2]
Brodersen NJW 2000, 2536, 2540.