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5. Kapitel Akteneinsicht › D. Das Akteneinsichtsrecht öffentlicher Stellen gem. § 474 StPO › IV. Die Besichtigung amtlich verwahrter Beweisstücke (§ 474 Abs. 4)
IV. Die Besichtigung amtlich verwahrter Beweisstücke (§ 474 Abs. 4)
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Unter den Voraussetzungen des § 474 Abs. 4 StPO kann die Besichtigung amtlich verwahrter Beweisstücke erfolgen. Hierbei handelt es sich um in den Akten oder an anderen Orten aufbewahrte Gegenstände, die nach den §§ 94 ff. StPO beschlagnahmt, sichergestellt oder auf anderem Wege in amtliches Gewahrsam gelangt sind.[1] Ebenfalls unter den Begriff des Beweismittels fallen nach §§ 111b ff. StPO sichergestellte Gegenstände, soweit diese auch als Beweismittel dienen können. Besichtigt werden können zudem Bild- und Tonaufzeichnungen nach § 58a StPO, falls es sich hierbei nicht ohnehin um „einsehbare“ Aktenbestandteile handelt,[2] sondern ihnen gerade aufgrund ihrer äußeren Beschaffenheit eine „eigene“ Beweiserheblichkeit zuteil wird.[3] Bei der Besichtigung von Bild- und Tonaufzeichnungen sind allerdings die Beschränkungen der §§ 58a Abs. 2 S. 6, 477 Abs. 2 StPO zu berücksichtigen. Unproblematisch möglich ist die Besichtigung in den Fällen der §§ 474 Abs. 1 und 3 StPO; im Fall des § 474 Abs. 2 StPO ist die Besichtigung hingegen nur dann zulässig, wenn die vorrangige Auskunftserteilung über das Beweisstück nicht zur Erfüllung der Aufgaben der ersuchenden Stelle ausreicht.[4] Da eine Auskunftserteilung über Beweisstücke in der Praxis kaum durchführbar ist, ist davon auszugehen, dass die Besichtigung von Beweisstücken auch im Fall des § 474 Abs. 2 StPO der Regelfall sein wird.
Anmerkungen
[1]
Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt § 147 Rn. 19 m.w.N.
[2]
Dazu: HK-StPO/Julius § 147 Rn. 23.
[3]
KG JR 1992, 124.
[4]
HK-StPO/Temming § 474 Rn. 10.
5. Kapitel Akteneinsicht › D. Das Akteneinsichtsrecht öffentlicher Stellen gem. § 474 StPO › V. Aktenübersendung zur Einsichtnahme/Parlamentarische Ausschüsse (§ 474 Abs. 5, 6)
V. Aktenübersendung zur Einsichtnahme/Parlamentarische Ausschüsse (§ 474 Abs. 5, 6)
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§ 474 Abs. 5 StPO ermöglicht es der ersuchten Stelle, die Akten zu Zwecken der Akteneinsicht an die ersuchende Stelle zu übersenden. Einen Anspruch hierauf hat die ersuchende Stelle hingegen nicht („können“); vielmehr liegt die Art und Weise der Gewährung der Akteneinsicht im Ermessen der ersuchten Stelle.
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§ 474 Abs. 6 StPO stellt lediglich klar, dass die landesgesetzlichen Regelungen, die parlamentarischen Untersuchungsausschüssen ein Recht auf Akteneinsicht einräumen, unberührt bleiben. Untersuchungsausschüsse auf der Ebene der Landtage oder des Bundestages können daher ein „eigenständiges“ Recht auf Akteneinsicht oder Auskunft aus entsprechenden Akten geltend machen; für die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse des Bundestages erfolgt dies auf der Grundlage von Art. 44 GG und § 18 PUAG.[1]
Anmerkungen
[1]
Vgl. dazu: BVerfG NVwZ 2009, 1353 ff.
5. Kapitel Akteneinsicht › E. Das Akteneinsichtsrecht der Finanzbehörden gem. § 395 AO
E. Das Akteneinsichtsrecht der Finanzbehörden gem. § 395 AO
5. Kapitel Akteneinsicht › E. Das Akteneinsichtsrecht der Finanzbehörden gem. § 395 AO › I. Grundlagen und Anwendungsbereich
I. Grundlagen und Anwendungsbereich
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§ 395 AO räumt Finanzbehörden i.S.v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO das Recht ein, sich in Steuerstrafverfahren, die sie nicht selbstständig im Rahmen der §§ 386 Abs. 2, 399 Abs. 1 AO führen, über den Weg der Einsicht in die Akten[1] und die Besichtigung sichergestellter Gegenstände zu informieren.[2]
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Ziel der Norm ist damit die Sicherstellung der sachgerechten Ausübung der Mitwirkungsrechte und Pflichten der Finanzbehörden in allen Stadien des Steuerstrafverfahrens (Ermittlungs-, Zwischen-, Haupt- und Rechtsmittelverfahren) gem. §§ 403 Abs. 1, 2, 4, 407 Abs. 1 AO.[3] Nach der wohl überwiegenden Auffassung in der Literatur gilt dieses Recht auch nach der Beendigung des Verfahrens fort. Begründet wird diese „Ausdehnung“ des Akteneinsichtsrechts über den Abschluss des Verfahrens hinaus damit, dass das Akteneinsichtsrecht des § 395 AO „auch“ steuerlichen Interessen dient; diese aber gerade erst nach dem Abschluss eines steuerstrafrechtlichen Verfahrens sinnvoll mit Blick auf eine ggf. erforderliche Nachbesteuerung oder die Festsetzung von Hinterziehungszinsen ausgeübt werden können.[4]
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Für die Steuer- und Zollfahndung i.S.d. §§ 208, 404 AO gilt die Regelung des § 395 AO hingegen nicht.[5] Umstritten ist die Frage, ob § 395 AO auch steuerlichen Zwecken dient. Mit guten Gründen kann dies angenommen werden, wenn die verkürzte Steuer festgesetzt und eingefordert werden soll.[6] In allen anderen Fällen sind die Finanzbehörden auf die in § 111 Abs. 1 AO geregelte Amtshilfe angewiesen. Ebenfalls nicht anwendbar ist § 395 AO in Bußgeldverfahren wegen des Vorwurfs einer Steuerordnungswidrigkeit. Hier erfolgt die Akteneinsicht ausschließlich gem. § 49 Abs. 2 OWiG, da § 410 Abs. 1 AO nicht auf § 395 AO verweist.[7]
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Liegen die Voraussetzungen des § 395 S. 1 AO vor, so hat die Finanzbehörde einen Anspruch gegenüber der jeweils zuständigen Behörde (Staatsanwaltschaft/Gericht) auf die Gewährung der Akteneinsicht bzw. die Besichtigung amtlicher Beweismittel.
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Bei der Entscheidung über die Gewährung der Akteneinsicht handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung,[8] auch müssen hierbei die Einschränkungen des § 147 Abs. 2 StPO unberücksichtigt bleiben, da die Finanzbehörde im Rahmen des § 395 AO als Strafverfolgungsorgan tätig wird. Natürliche Grenzen der Befugnisse nach § 395 AO bestehen aber in Bezug auf den Zeitpunkt und die Dauer der Akteneinsicht. In zeitlicher Hinsicht wird der Anspruch durch die Erfordernisse eines zügigen Fortgangs des Verfahrens begrenzt.[9]
Anmerkungen
[1]
Vgl. speziell zur Akteneinsicht im Steuerstrafverfahren: Burkhard StV 2000, 526 ff.; Müller-Jacobsen/Peters wistra 2009, 458 ff.
[2]
Hübschmann/Hepp/Spitaler/Hellmann § 395 Rn. 5; Hüls/Reichling/Schork/Kauffmann § 395 Rn. 26.
[3]
Hübschmann/Hepp/Spitaler/Hellmann § 395 Rn. 6.
[4]
So Hübschmann/Hepp/Spitaler/Hellmann § 395 Rn. 17; wohl kritisch Kohlmann/Hilgers-Klautzsch § 395 Rn. 5.
[5]
Schwarz/Dumke § 395 Rn. 1; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Hellmann § 395 Rn. 20.
[6]
Vgl. Kohlmann/Hilgers-Klautzsch § 395 Rn. 5; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Hellmann § 395 Rn. 6 m.w.N.
[7]
Schwarz/Dumke § 395 Rn. 2a.
[8]
Joecks/Jäger/Randt/Lipsky § 395 Rn. 6; Kohlmann/Hilgers-Klautzsch § 395 Rn. 14. Hüls/Reichling/Schork/Kauffmann § 395 Rn. 15.
[9]
Joecks/Jäger/Randt/Lipsky § 395 Rn. 6.
5. Kapitel Akteneinsicht › E. Das Akteneinsichtsrecht der Finanzbehörden gem. § 395 AO › II. Das Recht auf Akteneinsicht
II. Das Recht auf Akteneinsicht
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Das Akteneinsichtsrecht der Finanzbehörde entspricht inhaltlich dem Akteneinsichtsrecht des Verteidigers nach § 147 Abs. 1 StPO[1] (vgl. dazu Rn. 7 ff.) und erstreckt sich im Rahmen des Ermittlungsverfahrens auf alle von der Staatsanwaltschaft geführten Akten i.S.d. § 199 Abs. 2 S. 2 StPO. Das Einsichtsrecht umfasst mithin sämtliche Verfahrensakten, so dass hierunter auch etwaige Beiakten sowie Bild- und Tonaufnahmen fallen, soweit diese Aktenbestandteil geworden sind.[2] Die Einsicht in beigezogene Akten, die nicht Aktenbestandteil geworden sind, ist indes nur möglich, wenn der Antragsteller den Nachweis erbringt, dass die verfahrensführende Behörde der Einsichtnahme zugestimmt hat; Nr. 186 Abs. 3 S. 2 RiStBV. Ausgeschlossen von der Akteneinsicht sind damit lediglich Akten, deren Beiziehung angeordnet wurde, die tatsächlich aber nicht beigezogen wurden[3] und die staatsanwaltschaftlichen Handakten.[4]
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Das Recht auf Akteneinsicht selbst kann (Ermessen) durch die Behörde jederzeit und auch mehrfach ausgeübt werden, soweit dies für die sachgerechte Interessenwahrnehmung erforderlich ist. Die tatsächliche Ausübung der Akteneinsicht kann entweder „vor Ort“, d.h. in der Geschäftsstelle der verfahrensführenden Staatsanwaltschaft, oder im Wege der Übersendung der Akten, auf die gem. § 395 S. 2 AO ein Anspruch besteht, erfolgen. Macht die Finanzbehörde von ihrem Recht auf Übersendung Gebrauch, so hat sie in aller Regel nur dann einen Anspruch auf Überlassung der Originalakte, wenn sie ein entsprechendes Interesse glaubhaft darlegt;[5] anderenfalls muss sich die Behörde mit Kopien begnügen.
Anmerkungen
[1]
Kohlmann/Hilgers-Klautzsch § 395 Rn. 9; Klein/Jäger § 395 Rn. 1; Schwarz/Dumke § 395 Rn. 6.
[2]
Hübschmann/Hepp/Spitaler/Hellmann § 395 Rn. 22.
[3]
BGHSt 49, 317.
[4]
Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt § 147 Rn. 13.
[5]
Hübschmann/Hepp/Spitaler/Hellmann § 395 Rn. 27.
5. Kapitel Akteneinsicht › E. Das Akteneinsichtsrecht der Finanzbehörden gem. § 395 AO › III. Recht auf Besichtigung
III. Recht auf Besichtigung
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Die Finanzbehörde darf Beweismittel oder anderweitig sichergestellte Gegenstände (§§ 94, 111b ff. StPO) gem. § 395 S. 1 AO besichtigen. Diese Besichtigung dient insbesondere der Wahrnehmung der Rechte der Finanzbehörden im Zusammenhang mit der Anordnung des Verfalls (§§ 73 ff. StGB) und der Einziehung (§ 375 Abs. 2 AO, §§ 74 ff. StGB).[1] Ferner wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass die Besichtigung auch im steuerlichen Interesse erfolgen kann, weil entsprechende Gegenstände der Sachhaftung unterliegen können (§ 76 AO) oder die Sicherstellung und Überführung in das Eigentum des Bundes in Betracht komme (§§ 215, 216 AO).[2] Ob dies dem Regelungszweck des § 395 AO entspricht, erscheint hingegen fraglich.
Anmerkungen
[1]
Kohlmann/Hilgers-Klautzsch § 395 Rn. 20.
[2]
Hübschmann/Hepp/Spitaler/Hellmann § 395 Rn. 28; a.A. Kohlmann/Hilgers-Klautzsch § 395 Rn. 20.
5. Kapitel Akteneinsicht › E. Das Akteneinsichtsrecht der Finanzbehörden gem. § 395 AO › IV. Verfahren und Rechtsschutz
IV. Verfahren und Rechtsschutz
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Die Beantragung der Gewährung der Akteneinsicht kann formlos durch einen Antrag der Finanzbehörde erfolgen. Zu stellen ist dieser Antrag im Ermittlungsverfahren bei der zuständigen Staatsanwaltschaft. Im Zwischen- und Hauptverfahren muss der Antrag an den Vorsitzenden des zuständigen Gerichts gerichtet werden (§§ 147 Abs. 5 S. 1, 478 Abs. 1 S. 1 StPO). Das Gleiche gilt im Strafbefehlsverfahren, wenn der Antrag auf Erlass des Strafbefehls bereits bei Gericht eingegangen ist; § 407 Abs. 1 StPO.
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Wird der Antrag durch die Staatsanwaltschaft abgelehnt (zu den Formalien vgl. Nr. 188 RiStBV), so besteht die Möglichkeit, hiergegen mit der Dienstaufsichtsbeschwerde vorzugehen.[1] Ist diese nicht erfolgreich, so soll auch die ablehnende Entscheidung der Staatsanwaltschaft der gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden können.[2] Erfolgt die Ablehnung hingegen durch den Vorsitzenden des Gerichts, so besteht die Möglichkeit der Beschwerde gem. § 304 StPO. Die Frage, ob es dem Beschuldigten möglich ist, die Gewährung der Akteneinsicht anzufechten, hat kaum praktische Bedeutung, da er in den seltensten Fällen „rechtzeitig“ von der geplanten Gewährung der Akteneinsicht erfahren wird.[3] Ist dies hingegen doch einmal der Fall, so besteht nach zutreffender Ansicht die Möglichkeit, die Entscheidung über die Gewährung vor deren tatsächlicher Umsetzung mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 161a Abs. 3 S. 2–4 StPO anzufechten.
Anmerkungen
[1]
Klein/Jäger § 395 Rn. 4; Kohlmann/Hilgers-Klautzsch § 395 Rn. 25 m.w.N.
[2]
Vgl. nur: Hübschmann/Hepp/Spitaler/Hellmann § 395 Rn. 33.
[3]
Kohlmann/Hilgers-Klautzsch § 39 Rn. 27.
5. Kapitel Akteneinsicht › F. Das Akteneinsichtsrecht des Verletzten gem. § 406e Abs. 1 StPO
F. Das Akteneinsichtsrecht des Verletzten gem. § 406e Abs. 1 StPO
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Von erheblicher praktischer Relevanz ist das Akteneinsichtsrecht des Verletzten gem. § 406e Abs. 1 StPO; in einem Großteil der Wirtschaftsstrafverfahren begehren mutmaßlich Verletzte zur Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche Akteneinsicht. Die Behandlung dieser Akteneinsichtsgesuche ist zum einen regional unterschiedlich und zum anderen im Einzelfall kaum vorhersehbar. Die in der Norm enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe (bspw. berechtigtes Interesse, überwiegend schutzwürdige Interessen) führen bei der praktischen Anwendung für alle Beteiligten zu wenig Rechtssicherheit. Insoweit lässt sich konstatieren, dass die Praxis die bestehenden Interessenkonflikte zwischen Beschuldigtem und mutmaßlich Verletztem bislang nicht befriedigend löst.[1]
Anmerkungen
[1]
HK-StPO/Kurth/Pollähne § 406e Rn. 3.
5. Kapitel Akteneinsicht › F. Das Akteneinsichtsrecht des Verletzten gem. § 406e Abs. 1 StPO › I. Voraussetzungen
I. Voraussetzungen
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Gem. § 406e Abs. 1 S. 1 StPO kann für den Verletzten ein Rechtsanwalt die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt.
1. Verletzter
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Den Begriff des Verletzten bestimmt das Gesetz nicht; er ist vielmehr aus dem jeweiligen Regelungszusammenhang abzuleiten.[1] Für die §§ 406d ff. StPO gilt derselbe Verletztenbegriff wie bei der Anwendung des § 172 StPO.[2] Der Begriff ist zwar weit auszulegen, gleichwohl genügt eine nur mittelbare Rechtsbeeinträchtigung nicht.[3] Erforderlich ist vielmehr eine unmittelbare Rechtsverletzung durch die vorgeworfene Straftat. Verletzter ist mithin ausschließlich diejenige (natürliche oder juristische) Person, die durch die behauptete Tat – ihre tatsächliche Begehung unterstellt – unmittelbar in ihrem Rechtsgut verletzt ist.[4] Diese Rechtsgutsverletzung ist in jeden Einzelfall zu prüfen.
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Hierbei ist nach zutreffender Auffassung maßgeblich (auch) auf den Schutzbereich der verletzten Strafrechtsnorm abzustellen. Verletzter i.S.d. §§ 406d ff. StPO kann danach nur sein, wer in einem rechtlich geschützten Interesse durch eine Straftat beeinträchtigt wird, soweit die verletzte Strafrechtsnorm dabei auch seinem Schutz dient.[5] Das OLG Stuttgart hat hierzu in einer Entscheidung aus dem Jahr 2013 zutreffend ausgeführt: In Zweifelsfällen ist auf die Schutzzwecklehre zurückzugreifen. Danach kann jemand durch eine Tat nur dann verletzt sein, wenn seine Rechte durch die (angeblich) übertretene Norm – jedenfalls auch – geschützt werden sollen.[6] Nach der vom OLG Hamburg vertretenen Gegenauffassung erfasst der Verletztenbegriff in § 406d ff. StPO hingegen auch den Verletzten i.S.d. Adhäsionsverfahrens nach § 403 StPO. Danach käme die Gewährung von Akteneinsicht im Strafverfahren auch gegenüber solchen Antragstellern in Betracht, die von der verletzten Strafnorm nicht geschützt werden, wenn diesem aber möglicherweise zivilrechtliche Schadensersatzansprüche zustehen.[7]
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Der Verletzte kann das Akteinsichtsrecht – ebenso wie der Beschuldigte – nur durch einen Rechtsanwalt geltend machen. Dies gilt auch dann, wenn der Verletzte selbst Rechtsanwalt ist.[8]
2. Berechtigtes Interesse
a) Grundsätzliches
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Die Akteneinsicht setzt die schlüssige Darlegung eines berechtigten Interesses voraus. Das ergibt sich – neben dem Wortlaut des § 406e Abs. 1 S. 1 StPO – auch aus gesetzessystematischen Erwägungen: Bereits ein Umkehrschluss aus § 406e Abs. 1 S. 2 StPO zeigt, dass das Gesetz grundsätzlich das Bestehen eines berechtigten Interesses als selbstständige Voraussetzung des Akteneinsichtsrechts erachtet. Lediglich zu Gunsten des Nebenklagebefugten unterstellt das Gesetz, dass dieser mit der Akteneinsicht stets rechtlich anerkannte Zwecke, nämlich die Durchführung eines Strafverfahrens, verfolgt. Das Risiko eines Missbrauchs des Akteneinsichtsrechts ist in diesem Bereich wesentlich geringer, zumal auch die Zahl derjenigen, die Akteneinsicht begehren, wegen der Höchstpersönlichkeit der betroffenen Güter deutlich beschränkt bleibt. Insbesondere aber im Bereich der Vermögensstraftaten, die gerade nicht zur Nebenklage berechtigen, besteht wegen der mit einem solchen Delikt typischerweise verbundenen Weiterungen auf eine Vielzahl von Betroffenen ein erhöhtes Missbrauchsrisiko, das es im Interesse der Wahrung der Belange des Beschuldigten einzudämmen gilt.[9]
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Ein berechtigtes Interesse ist ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse.[10] Die Darlegung eines berechtigten Interesses verlangt einen Tatsachenvortrag, der Grund und Umfang eines bestimmten Interesses an der beantragten Auskunft erkennen lässt.[11] Für die Darlegung eines berechtigten Interesses ist daher entsprechend dem zivilprozessualen Verständnis ein schlüssiger Tatsachenvortrag erforderlich, aus dem sich das berechtigte Interesse ergibt. Eine Glaubhaftmachung ist nach h.M.[12] nicht erforderlich.
b) Prüfung, Geltendmachung oder Abwehr zivilrechtlicher Ansprüche als berechtigtes Interesse
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Wichtigster Anwendungsfall des berechtigten Interesses an der Akteneinsicht ist in Wirtschaftsstrafverfahren die Prüfung bzw. Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche des Verletzten und die Abwehr von Ansprüchen. Dies ist im Grundsatz unumstritten.[13] Zugleich wird aber auch zutreffend betont, dass eine beantragte Einsichtnahme allein zur Ausforschung der Betroffenen oder zu einer nach materiellem Zivilrecht unzulässigen Beweisgewinnung nicht gewährt werden darf.[14] Akteneinsicht darf daher nach zutreffender Auffassung nur dann gewährt werden, wenn der Antragsteller einen entsprechenden zivilrechtlichen oder zivilprozessualen Auskunftsanspruch hat. Nur in diesem Fall besteht ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht.[15] Einem Antragsteller ohne einen derartigen Anspruch Akteneinsicht zu gewähren, würde bedeuten, die privatrechtliche Risikoverteilung, die in der zivilprozessualen Substantiierungslast zum Ausdruck kommt, auf den Kopf zu stellen.
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Nach einer zutreffenden, von der Rechtsprechung indes nicht aufgegriffenen, Literaturauffassung[16] soll Akteneinsicht zum Zwecke der Prüfung und Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche erst dann gewährt werden dürfen, wenn die Täterschaft rechtskräftig festgestellt wurde. Diese Ansicht hat Velten wie folgt begründet: Akteneinsicht zu einem früheren Zeitpunkt (welche die Waffengleichheit auch im Verhältnis zu den unschuldig Angeklagten verschiebt) ist vielfach nicht erforderlich. Ist sie ausnahmsweise angesichts der ungewöhnlichen Dauer des Strafverfahrens geeignet und notwendig, so stehen die überwiegenden Interessen des potenziell Unschuldigen entgegen. Diese Schranke verhindert eine Instrumentalisierung des Strafverfahrens zur Ausforschung des Beschuldigten.[17]
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In jedem Fall eine genaue Prüfung erfordert die Frage, an der Einsicht in welche Aktenbestandteile der Verletzte ein berechtigtes Interesse hat. Denn es ist allgemein anerkannt, dass kein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht besteht, soweit die begehrte Einsicht keinen Bezug zu der den Verletzten betreffenden Tat hat.[18] Daher sind von der Akteneinsicht jene Aktenbestandteile auszunehmen, die sich nicht in personeller und materieller Hinsicht auf den Tatverdacht beziehen, der die Verletzteneigenschaft der Akteneinsicht begehrenden Person begründet.[19] Klarstellend ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der Umfang der Akten als solches und die möglicherweise für eine Trennung der Akten notwendige Bindung von Ressourcen eine vollständige Versagung der Akteneinsicht nicht begründen können. Ressourcenengpässe der Justiz dürfen nicht zu Lasten eines Akteneinsichtsrechtes eines Verletzten gehen.[20]
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Nicht abschließend geklärt ist, ob ein berechtigtes Interesse des Verletzten auch dann vorliegt, wenn dieser zivilrechtliche Ansprüche nicht gegen den Beschuldigten, sondern ausschließlich gegen Dritte – wie etwa eine vom Beschuldigten vertretene Gesellschaft – geltend macht. Jedenfalls bedarf es bei dieser „Drei-Personen-Konstellation“ einer besonders präzisen Prüfung der entgegenstehenden Interessen des Beschuldigten wie auch des (ggf. unbeteiligten) Dritten. Für den Fall, dass dem Verletzten Akteneinsicht gem. § 406e Abs. 1 StPO gewährt werden sollte, erscheint es zunächst naheliegend, dem Dritten – aus Gründen der Waffengleichheit – einen eigenen Anspruch auf Akteneinsicht aus § 475 StPO zuzubilligen. Andererseits handelt es sich hier um einen weiteren Informationseingriff zu Lasten des Beschuldigten (und ggf. weiterer Betroffener), so dass auf eine eigenständige Prüfung der Voraussetzungen des Akteneinsichtsrechts des Dritten nicht verzichtet werden kann.