Kitabı oku: «Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis», sayfa 16

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„Ob das eine gute Idee war, muss sich erst noch zeigen“, meinte Milo, als wir wieder im Freien waren.

„Fred hat versucht, Susan Michaels auszuquetschen und es hat nicht das Geringste gebracht“, gab ich zu bedenken. „Und wenn dieser seltsame Typ, der gerne Frauen rasiert, wieder aufgetaucht wäre, hätte Susan doch diesmal gefahrlos darüber reden können. Schließlich stand sie doch nicht mehr unter der Fuchtel von Jaden Nichols.“

„Glaubst du wirklich, jemand wie Sonny Ricone ist humaner?“

„Nein. Aber eigentlich ist es auch in seinem Interesse, wenn der Barbier so schnell wie möglich gefasst wird! Schließlich verunsichert das die gesamte Szene und außerdem muss das Gewerbe mit einer verstärkten Polizeipräsenz rechnen.“







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Es war dunkel. Leichter Regen setzte ein. Susan Michaels sah auf die Uhr an ihrem Handgelenk. Sie hatte gerade die Subway Station an der DeKalb Street in Brooklyn verlassen und wartete am Straßenrand.

Sie war etwas außer Atem und blickte auf die Uhr.

Zwei Minuten zu spät!, dachte sie. Sie konnte nur hoffen, dass der Superjob, der ihr am Telefon angeboten worden war, sich damit nicht schon erledigt hatte.

Eine Limousine hielt am Straßenrand. Das Kennzeichen war aus New York. Das musste der Kunde sein.

Das Fenster an der Beifahrerseite wurde heruntergelassen.

Susan trat näher und blickte hinein.

„Einsteigen!“, wisperte eine Stimme.

„Erst das Geld!“

Ein paar Scheine wurden ihr entgegengestreckt. Sie zählte nach. Mehr als abgemacht!, dachte sie. Heute schien ihr Glückstag zu sein.

Sie öffnete die Tür und setzte sich auf den Beifahrersitz.

Im nächsten Moment fuhr die Limousine davon und fädelte sich in den Verkehr an der DeKalb Street ein.







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Am nächsten Morgen trafen wir uns im Büro von Mr McKee zur Besprechung.

Diesmal war außer Max Carter, Clive Caravaggio und einigen anderen Agenten auch Dr. Gary Schmitt anwesend, ein Psychologe, der sich mit dem Profiling von Serientätern auseinandergesetzt hatte und der unserem Field Office seit einiger Zeit zugeordnet war.

Zumindest für die Zeit, in der der Barbier noch frei herumlief. Normalerweise lehrte er in Quantico Tatortanalyse.

Dr. Schmitt hatte den Fall des Barbiers von Anfang an verfolgt. Schon nach dem Mord an Gail Montgomery hatte er das erste psychologische Gutachten zur Täterpersönlichkeit angefertigt.

Gary Schmitt hatte schon damals prophezeit, dass dieser Tätertyp erneut zuschlagen und sich nicht mit einem Mord begnügen würde.

Inzwischen lagen auch der vollständige Obduktionsbericht sowie sämtliche andere Laborberichte vor.

„Wir kennen jetzt die Zusammensetzung der K.o.-Tropfen, die den Opfern verabreicht wurden“, erklärte Mr McKee. „Die Mischung ist sehr speziell. Das Zeug heißt DSW-13 und ist auch als ‚Hammerschlag’ bekannt. In der Diskothek ‚The Skull’ hier in der Avenue B sind mehrere Fälle bei der City Police angezeigt worden, bei denen Gäste mit genau dieser Mischung betäubt und ausgeraubt worden. Es gab ein paar Festnahmen und Verurteilungen. Allerdings konnte bis jetzt nicht herausgefunden werden, von wem die K.o.-Droge stammt.“

„Aber es ist in dem Fall doch anzunehmen, dass der Täter zu den Gästen von ‚The Skull’ gehört“, vermutete unser indianischer Kollege.

„Ich schlage vor, dass Sie sich diesen Laden mal intensiv vornehmen, Medina“, sagte Mr McKee. „Vielleicht führt die Spur zum ‚Barbier’ über denjenigen, der ihm DSW-13 verkauft hat. Aber es gibt noch weitere interessante Erkenntnisse.“ Mr McKee nickte Max Carter zu. „Sie haben das Wort, Max.“

„Danke, Sir! Es fanden sich an der Kleidung der Leiche feinste Faserspuren, die von unseren Kollegen von der SRD inzwischen identifiziert werden konnten. Es handelt sich um eine Teppichbodenfaser.“

„Haben wir irgendetwas Vergleichbares an den vorangegangenen Opfern?“, hakte Mr McKee nach.

Max schüttelte den Kopf. „Nein. Aber dabei muss man bedenken, dass der erste Fall dieser Serie sieben Jahre zurückliegt und sich unsere Verfahren zur Spurensicherung erheblich weiterentwickelt haben. Es kann durchaus sein, dass solche Faserspuren auch an den Asservaten aus den vorangegangenen Fällen vorhanden waren, aber einfach nicht gesichert wurden.“

„Dann möchte ich, dass das nachgeholt wird“, erklärte unser Chef. „Schließlich beweisen diese Fasern, dass zumindest der Mord von Eileen Genardo in einer Wohnung verübt wurde.“

„Ich glaube nicht, dass der Täter seine Vorgehensweise in diesem Punkt geändert hat“, mischte sich Gary Schmitt ein. „Die Teppichbodenfaser und der vermutliche Tatort – eine Wohnung – lassen auf eine nach Sicherheit strebende Person schließen. Das Opfer wird vermutlich zunächst in Sicherheit gewogen, eingeladen in den Wagen zu steigen...“

„Woher wollen Sie wissen, dass der Täter einen Wagen benutzte?“, unterbrach in Mr McKee.

Gary Schmitt zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht, ich sage nur, was zu der Person passen würde, mit der wir es zu tun haben“, stellte er klar. „Und vergessen wir nicht, dass ein Wagen von bisher noch nicht ganz geklärtem Fabrikat am Heckscher Playground gesehen wurde, bevor man schließlich Eileen Genardo dort fand.“

„Der Täter lädt die Frauen ein, zu ihm in den Wagen zu steigen, bringt sie nach Hause, verabreicht ihnen dort die Betäubungsdroge und erwürgt sie dann mit einer Drahtschlinge“, schloss ich.

„Im Mageninhalt aller Opfer ist Kaffee zu finden“, stellte Max fest.

„Irgendetwas braucht unser Mann ja, in dem er das DSW-1 auflösen kann“, ergänzte Dr. Schmitt.

„Der Kerl geht tatsächlich auf Nummer sicher“, stimmte Milo zu. „Ich meine, K.o.-Tropfen und Drahtschlinge, da kann für den Täter ja wohl wirklich nichts mehr schief gehen.“

„Vergessen Sie nicht, dass die Oper auch noch gefesselt worden sind“, gab Gary Schmitt zu bedenken.

„Heißt das, er hat mit der Tötung gewartet, bis das Opfer wieder erwacht ist?“, hakte Mr McKee nach, während auf seiner Stirn eine tiefe Furche erschien.

„Inzwischen bin ich davon überzeugt“, gestand Gary Schmitt. „Unser Täter will, dass sein Opfer bei Bewusstsein ist, wenn ihm langsam die Luft abgedrückt wird und sich der Draht in Hals schneidet.“

„Ein Sadist“, stellte Mr McKee fest.

„Jemand, der selbst sehr stark verletzt wurde“, korrigierte Gary Schmitt.

„Von einer Prostituierten?“, fragte ich.

„Ja, vielleicht auch. Aber ich würde doch annehmen, die traumatischen Erlebnisse, die zu dieser Form der Persönlichkeitsstörung geführt haben, bereits in der Kindheit stattgefunden haben und sehr fundamental sein müssen. Der Täter hasst alle Frauen, nicht nur Prostituierte. Es könnte sein, dass es sich um einen Täter handelt, der in einer Umgebung aufwuchs, in der sehr feste Moralvorstellungen galten. Der Widerstand, den er aufbringen muss, um eine Prostituierte zu töten, ist vermutlich bei ihm geringer, weil er die Einstellung vermittelt bekam, dass es sich dabei um moralisch minderwertige Frauen handelt. Sünderinnen, die den Tod in Wahrheit verdient haben. Das macht es ihm leichter, seinen Hass auszuleben.“

„Ein sexuelles Motiv schließen Sie aus?“, fragte Mr McKee.

„Es geht um Erniedrigung und die Macht, jemanden bestrafen zu können“, erklärte Gary Schmitt. „Keines der Opfer wurde vergewaltigt oder sexuell missbraucht. Ich denke, der Obduktionsbericht von Eileen Genardo wird da keine unerwarteten Neuigkeiten bringen.“

Mr McKee atmete tief durch.

Er ging zu seinem Schreibtisch und holte eine zusammengerollte Zeitung, die er schließlich entfaltete, sodass wir die Schlagzeilen lesen konnten. „Das hier passt zu dem, was Sie uns vorhin über wertlose Sünderinnen gesagt haben, die unser Täter mit gutem Gewissen ermorden kann“, sagte er. „Ein radikaler Prediger namens Joshua Freed hat sich öffentlich zu Wort gemeldet und wird demnächst wohl durch alle möglichen Kabelsender wandern. Er behauptet, der ‚Barbier’ sei ein Schwert Gottes, um die Sünderinnen zu strafen, die sich einem gottlosen Leben hingegeben hätten.“ Mr McKee warf die Zeitung auf den Tisch.

„Der Unterschied zu unserem Täter scheint nur die Tatsache zu sein, dass dieser Prediger seinen Hass verbal äußert und nicht in die Tat umsetzt!“, sagte Schmitt.

„Könnte so etwas unseren Mann zu weiteren Taten anspornen?“, fragte ich.

Schmitt schüttelte den Kopf. „Ganz so einfach ist das nicht. Aber wenn der Täter von den Äußerungen dieses Predigers liest, könnte er das als eine Art Segnung seiner eigenen Handlungsweise empfinden. Die Hemmungen werden geringer, er könnte dem Bedürfnis, eine weitere Tat auszuführen vielleicht schwerer widerstehen.“

Ich berichtete von den Gerüchten über einen perversen Freier, der darauf stand, Frauen die Haare anzuschneiden und angeblich schon zur Zeit des Falles Gail Montgomery vor sieben Jahren Susan Michaels angesprochen hatte.

„Sie halten das nicht für besonders glaubwürdig?“, fragte Gary Schmitt.

Ich zuckte mit den Schultern „Für mich ist das schwer zu sagen. Ich denke, es handelt sich erst mal nur um ein Gerücht, bis ich mehr darüber weiß. Eigentlich wollte ich nur wissen, ob es möglich wäre, dass ein Täter manchmal bis zum Äußersten geht und ein Opfer umbringt und in andere Fällen sich vielleicht mit einer Rasur der Kopfhaut zufrieden gibt?“

„Das ist sogar sehr wahrscheinlich, wenn man von der bisher angenommenen Täterpersönlichkeit ausgeht“, erklärte Schmitt. „Falls dieser Mann, von dem Sie gehört haben, tatsächlich der Mörder sein sollte, dann scheint er sich zumindest zeitweise noch unter Kontrolle zu haben und belässt es bei ein paar etwas seltsameren Spielchen.“







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Susan Michaels spürte den Schlag ins Gesicht.

„Aufwachen!“

Der Klang jener Stimme, die innerhalb der letzten halben Minute dieses Wort mindestens zwanzigmal in ihr Ohr geschrieen hatte, war äußerst durchdringend. Ihr Schädel brummte. Jedes Mal glaubte sie, dass das Echo dieser Stimme von allen Seiten auf sie zukam. Wie ein Chor von Geisterstimmen.

Ein weiterer Schlag traf Susan Michaels im Gesicht – diesmal auf die andere Wange.

Sie stöhnte auf. Sehr vage und chaotisch kehrten die Erinnerungen zurück. Die Limousine, die Wohnung, die freundlich angebotene Tasse Kaffee.

Und danach hatte alles aufgehört. Wie bei einem Filmriss. Es gab keine Erinnerungen, nur ein tiefes dunkles Loch, in dass sie gefallen war. Sie hatte geschlafen wie ein Stein.

Wie viel Zeit seitdem vergangen war, davon hatte sie keine Ahnung.

Es konnten Tage, Wochen oder nur Stunden sein. Jegliche Empfindung dafür schien ihr abhanden gekommen zu sein.

Susan Michals lag auf dem Bauch.

Der Teppichboden, auf dem sie lag, war ziemlich abgelaufen. Hände und Füße waren mit Kabelbindern zusammengeschnürt, die sich an den Handgelenken tief in ihre Haut eindrückten. Die Hände spürte sie schon gar nicht mehr.

Nur als dunklen Umriss nahm sie eine Gestalt war, die zuvor neben ihr gekniet hatte und sich nun erhob.

Sie versuchte den Kopf zu wenden, vermochte die Gestalt aber nicht zu sehen.

„Was wollen Sie?“

Es kam keine Antwort.

Panik erfasste Susan. Der Puls schlug ihr bis zum Hals.

„Schrei ruhig!“, wisperte eine Stimme. „Dich hört hier niemand, die Wände sind absolut schalldicht. Schrei ruhig... Ich habe auch geschrieen... Damals...“

„Wer sind Sie, verdammt noch mal?“

Ein leises Lachen folgte. Dann wurde Susan an den Haaren gepackt, nachdem sich die Gestalt rittlings auf ihren Rücken gesetzt hatte. Mit einem Rasiermesser wurden die ersten Büschel aus ihrem dichten Haaransatz geschabt. Eine Stelle begann zu bluten. Ein roter Strom lief Susan über das Gesicht.

Die Angst machte sie inzwischen halb wahnsinnig.

„Lassen Sie mich gehen!“, flüsterte sie. „Bitte!“

„Das kann ich nicht“, lautete die kalte Erwiderung.

Susan schrie wieder aus voller Kehle. Die Stimme ermunterte sie noch.

„Lauter! Ich genieße deine Schreie! Nie wieder wird dich ein Mann ansehen. Hast du verstanden? Alles, was du bist, ist ein zuckendes Stück Fleisch voller Furcht.“

Ein heiseres Lachen ertönte nun und ging Susan durch Mark und Bein.

Es begann ihr zu dämmern, dass sie nicht mehr den Hauch einer Chance hatte, mit dem Leben davonzukommen.







24



Milo und ich saßen später in unserem gemeinsamen Dienstzimmer, das wir uns teilten. Wir sind zwar Außendienstmitarbeiter des FBI, aber die Arbeit mit dem Computer ist für uns ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit.

Ich gab den Namen Donna McNolan in den Computer ein. Zunächst versuchte ich es über NYSIS und AIDS. Es stellte sich heraus, dass ihre Fingerabdrücke gespeichert waren, da sie sich vor ein paar Jahren einmal für den Dienst in der Stadtverwaltung von Jersey City beworben hatte.

Ansonsten gab es im Internet jede Menge Artikel über sie und von ihr. „Seltsam“, murmelte ich. „Donna McNolan behauptet ja, dass sie Journalistin wäre....“

„Ist sie etwa etwas anderes, Jesse?“

„Nein, aber eigentlich gehören Modeschauen zu ihrem Ressort. Sie gehört zum Redaktionsteam der Zeitschrift New Beauty.“

„Dann gehören Reportagen über Serienmörder eigentlich gar nicht zu ihrem Gebiet?“, vergewisserte sich Milo. „Vielleicht will sich Miss McNolan als ernsthafte Fachjournalistin mit großen Reportagen einen Namen mache.“

„Sie braucht sich keinen Namen mehr zu machen – sie hat ihn schon, auch wenn mir das bislang nicht aufgefallen ist.“

Milo grinste. „Liegt vielleicht daran, welche Zeitschriften du liest.“

„New Beauty gehörte bis jetzt jedenfalls nicht dazu!“

„Siehst du!“

Ich lehnte mich in meinem Bürosessel zurück. „Ich hatte gleich das Gefühl, dass nicht alles der Wahrheit entspricht, was Donna McNolan uns aufgetischt hat.“

„Wetten, wenn sie dich nachher noch anruft, weil Susan Michaels ihr gegenüber doch noch das Herz geöffnet hat, ist dein ganzes Misstrauen im Handumdrehen vergessen, Jesse?“

„Möglich.“

Das Telefon auf meinem Schreibtisch klingelte.

Ich nahm ab, aber es war nicht Donna McNolan, sondern Jennifer Garrison.

„Agent Trevellian?“

„Am Apparat.“

„Sie haben mir Ihre Karte gegeben und gesagt, dass ich Sie anrufen könnte, wenn ich noch etwas aussagen möchte.“

„Ich bin ganz Ohr, Miss Garrison.“

„Nicht hier am Telefon, Agent Trevellian. Um fünf Uhr an der Ecke Howard Street und Lafayette Street in Manhattan. Dort gibt es einen Coffee Shop, dessen Namen mir leider entfallen ist.“

„Wir werden pünktlich sein“, versprach ich.

Sie unterbrach das Gespräch. Ich hatte zwischendurch die Lautsprecherfunktion eingeschaltet, sodass Milo das meiste hatte mithören können.

„Die Frau scheint ziemlich viel Angst zu haben“, lautete der Kommentar meines Kollegen. „Sonst würde sie sich nicht am anderen Ende der Stadt verabreden.“

In diesem Moment kam Max Carter mit einem Computerausdruck in unser Büro.

„Wir wissen jetzt, weshalb Norman Brodie sofort die Flucht ergriffen und sich so vehement gewehrt hat, als du ihn verhaften wolltest Jesse.“

„So?“

„Dies hier kam gerade herein. Das ist der Bericht über die ballistische Untersuchung an Brodies Waffe. Die Waffe ist fabrikneu und noch nirgends aktenkundig. Das gilt allerdings nicht für den Schalldämpfer.“

Genau wie der Lauf einer Waffe hinterließ auch ein Schalldämpfer charakteristische Riefen an einem Projektil.

„Sag bloß, der wurde bereits benutzt!“

„Vor zwei Wochen wurde Alex Waters erschossen. Waters soll ein Handlanger von Jaden Nichols gewesen sein.“

„Dann hat Norman Brodie angenommen, dass du ihn deswegen verhaften willst!“, war Milo überzeugt. „Schließlich kann er sich in dem Fall ja wohl nicht auf Notwehr herausreden.“

„Ein Zuhälterkrieg – wie wir schon vermutet haben“, murmelte ich. „Vielleicht sollen wir Brodie mal mit diesen Erkenntnissen konfrontieren. Möglicherweise ist er dann ja auch in anderen Dingen kooperationsbereiter.“

Ich wählte die Nummer der Gefängnisverwaltung von Rikers Island, wo Brodie derzeit wegen seiner Schussverletzung im Kliniktrakt untergebracht war, um mich anzumelden.

Nachdem ich mich ein paar Hierarchiestufen hoch gefragt hatte, bekam ich schließlich die Auskunft, dass Brodie vernehmungsfähig war.

„Lass uns nach Rikers Island fahren“, wandte ich mich an Milo. „Der Kerl sorgt im Hotel Parrinder für die Sicherheit und ich wette, dass er mehr weiß, als er uns gesagt hat.“

„Du denkst an diesen Kerl, der Frauen die Haare abschneidet?“

„Es könnte doch sein, dass die Frauen von dem Typ erzählt haben, weil sie sich bedroht fühlten.“

„Und wenn er aussagt, dass Sonny Ricone sein Auftraggeber bei dem Mord an Alex Waters war, haben wir eine Handhabe, ihn aus dem Verkehr zu ziehen...“

„...was die Aussagebereitschaft der Frauen, die er auf den Strich, schickt mit Sicherheit erhöhen würde.“







25



Wir fuhren nach Rikers Island und suchten Norman Brodie in seinem Krankenzimmer auf.

„Sie haben mich ganz schön erwischt!“, meinte er, als er mich sah und deutete auf seine Schulter. „Ein typischer Fall von Polizeibrutalität. Mein Anwalt wird von der Stadt New York eine Entschädigung erstreiten, an die man noch lange denken wird – und wie viel sich die Stadt New York dann von ihnen davon zurückerstatten lässt, wird für Sie eine spannende Frage.“ Er kicherte. „Sollten Sie ein Eigenheim oder einen wertvollen Wagen besitzen, verkaufen Sie ihn besser schon einmal!“

„Ich glaube, Sie sind da in einem Irrtum begriffen“, erwiderte Milo, noch ehe ich dazu etwas sagen konnte.

„Verdammt, es war Notwehr, dass ich Mancuso erschossen habe! Hätte ich zulassen sollen, dass mein Boss über den Haufen geschossen wird? Ihnen wäre das wahrscheinlich lieber gewesen... Auf juristischen Weg hat man ihm ja schließlich bislang nichts anhaben können.“

Ich zeigte ihm ein Foto von Alex Waters, das ich aus dem Computer ausgedruckt hatte und legte es ihm auf die Bettdecke. „Vielleicht wären Sie im Fall Mancuso mit Ihrer Geschichte durchgekommen. Aber nicht bei Waters.“

„Was habe ich mit dem Kerl zu tun?“

„Sie haben ihn erschossen.“

„Hören Sie, verzichten Sie inzwischen vollkommen auf Beweise? Reicht schon eine reine Unterstellung für eine Verurteilung oder wie weit ist unser Rechtssystem bereits heruntergekommen?“

„Wenn jemand wie Sie über die Mängel des Rechtssystems klagt, hat das schon einen eigenartigen Beigeschmack, Mister Brodie“, erwiderte ich. „Der Schalldämpfer Ihrer Waffe wurde beim Mord an Alex Waters verwendet. Für eine Verurteilung dürfte das ausreichen.“

„Ich kenne diesen Waters überhaupt nicht!“

„Das spielt keine Rolle. Sonny Ricone hat Ihnen den Auftrag gegeben, den Handlanger seines Feindes Jaden Nichols aus dem Weg zu räumen. Jedenfalls nehmen wir das an. Aber Sie können natürlich auch die gesamte Schuld auf sich nehmen.“

Er atmete tief durch.

„Ich will einen Anwalt.“

„Wenn er von Ricone bezahlt wird, sollten Sie besser einem Pflichtverteidiger vertrauen, denn Ihr Boss wird doch nur seinen eigenen Kopf aus der Schlinge ziehen wollen...“

Norman Brodie überlegte einige Augenblicke lang. „Verdammt...“, murmelte er.

„Arbeiten Sie mit uns zusammen, dann machen Sie Punkte.“

„Ich will ein konkretes Angebot des Staatsanwalts!“, forderte er.

Milo mischte sich jetzt in das Gespräch ein. „Der zuständige Bezirksstaatsanwalt heißt Robert Thornton und hat eine ausgeprägte Abneigung gegen Prostitution und alles was damit zusammenhängt. Wenn Sie sich da etwas erhoffen wollen, sollten Sie vorher schon mit uns zusammenarbeiten, sonst wird da nicht viel draus. Im Übrigen benötigt er Ihre Aussage dann ohnehin noch einmal vor Gericht!“

„Andernfalls wird Sonny Ricone wahrscheinlich ungeschoren davonkommen und Sie sitzen bis zum Ende Ihres Lebens im Knast“, ergänzte ich. „Falls man nicht sofort auf Mord ersten Grades plädiert und die Todesstrafe beantragt wird, was ich in Ihrem Fall für sehr wahrscheinlich halte.“

Brodie atmete tief durch.

„Okay. Sonny Ricone hat mich beauftragt. Zurzeit herrscht ein Krieg zwischen ihm und Jaden Nichols. Da geht es Auge um Auge, Zahn um Zahn...“

„Mädchen um Mädchen?“, fragte ich.

„Ja, auch das.“

„Was war mit Jack Mancuso?“

„Das war ein gesondertes Problem. Eileen wollte einfach nicht mehr für ihn arbeiten und diesen Nichtsnutz durchfüttern. Daraufhin hat Jack Mancuso sich an Jaden Nichols gewandt. Frei nach der Devise, der Feind meines Feindes ist mein Freund. Nichols kam das natürlich recht. Er hat Mancuso wie einen Kettenhund benutzt, den man nur von der Leine zu lassen braucht, damit er beim Gegner für Terror sorgt!“

„Hängt das alles mit dem Besitzerwechsel im ‚Hidden Joy’ zusammen?“, hakte ich nach. „Es gab doch mal eine Zeit, da sollen sich Nichols und Ricone besser verstanden haben?“

Brodie nickte. „Sonny hat ein paar Schuldscheine aufgekauft und hatte Jaden Nichols in der Hand. Das hat Nichols ihm nie vergessen, darum gab es auch laufend Schwierigkeiten.“ Seine Augen wurden schmal. „Reicht das?“, zischte er.

„Nein, es gibt da noch einen anderen Punkt!“, erklärte ich.

„Schießen Sie los!“

„Wissen Sie irgendetwas von einem Freier, der darauf steht, Frauen die Haare abzuschneiden? Hat irgendeine der Frauen mal darüber berichtet?“

Er atmete tief durch. Mein Instinkt sagte mir, dass er etwas wusste, aber noch mit sich rang, ob er uns das verraten sollte. „Wenn ich Ihnen das erzähle, dann...“ Er sprach nicht weiter.

„Sonny Ricone wird Ihnen ohnehin bald auf Rikers Island Gesellschaft leisten“, erwiderte ich. „Und ich denke, dass man peinlich genau darauf achten wird, dass Sie nicht im selben Zellentrakt untergebracht werden.“

„Darum geht es nicht.“ Einen Augenblick zögerte er noch. „Es gab da einen Kunden, der besonders viel zahlte. Ich bekam heraus, dass Susan Michaels mit diesem Kunden Termine abmachte und dafür wesentlich mehr kassierte als üblich. Natürlich hat sie das Sonny nicht gemeldet, der hätte sonst eine höheren Anteil...“ Brodie biss sich die Lippen. „Ich meine natürlich, er hätte ihre Miete erhöht.“

„Also haben Sie Sonny nichts davon gesagt und mit Susan Michaels einen Deal gemacht.“

Er nickte. „So in etwa.

„Was wissen Sie über den Typ?“

„Dass er Frauen gerne die Haare abrasierte. Aber er war nicht gewalttätig, sondern scherte sie einfach nur kahl wie einen Skinhead. Aber es gibt ja Perücken. Der Kerl kam regelmäßig, immer dann wenn Susans Haare einigermaßen nachgewachsen waren.“

„Zwischenzeitlich wird er sich irgendwo anders geholt haben, was er brauchte“, glaubte Milo.

„Das vermute ich auch. Dafür gab es dann vielleicht einmal im Jahr kleines Vermögen.“

„Wie hieß der Kerl?“

„Randall.“

„War das sein Vorname oder Nachname?“

„Keine Ahnung. Ich weiß noch nicht einmal, ob es sein wirklicher Name war.“

„Hatte Eileen Genardo je mit diesem Typ zu tun?“

„Weiß ich nicht. Möglich wäre es, dass Susan sie weiterempfohlen und dafür einen Teil des Geldes eingesteckt hat. Aber davon weiß ich nichts. Jedenfalls schienen mir ihre Haare immer echt zu sein. Aber ich bin auch kein Experte dafür.“




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25 mayıs 2021
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