Kitabı oku: «Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis», sayfa 2

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Mister McKee machte ein ernstes Gesicht. Milo und ich saßen zusammen mit einer Reihe weiterer G-men im Besprechungszimmer unseres Chefs. "Wenn wir Pech haben, dann ist der Tod von Jack Scarlatti nur der Auftakt eines ausgewachsenen Gangsterkrieges", erklärte Mister McKee. Scarlatti und sein Syndikat versuchten zurzeit mit allen Mitteln, die Vorherrschaft der Russen und Ukrainer aus Brooklyn im Bereich der illegalen Müllentsorgung zu brechen. Die Gewinnspannen in diesem Zweig des organisierten Verbrechens überschritten seit Jahren schon die des Drogenhandels bei weitem. Ein unerwünschter Nebeneffekt immer höherer Umweltstandards und knapper werdender Lagerkapazitäten auf den legalen Sondermülldeponien.

Mister McKee wandte sich an Agent Max Carter aus dem Innendienst. "Ich hatte Sie gebeten, für die anwesenden Special Agents ein Dossier über Scarlattis bisherigen Werdegang zusammenzustellen, Max."

"Habe ich auch gemacht. Es wird gerade noch ausgedruckt. Im Wesentlichen lassen sich unsere bisherigen Erkenntnisse folgendermaßen zusammenfassen: Jack Scarlatti übernahm vor drei Jahren die Geschäfte seines Vaters Tony, der außer Landes ging, bevor die Justiz gegen ihn vorgehen konnte. Jetzt sitzt Tony Scarlatti in Marokko und kann davon ausgehen, dass wahrscheinlich auch in den nächsten zwanzig Jahren kein Auslieferungsabkommen zwischen Marokko und den USA abgeschlossen werden wird."

"Und selbst wenn", ergänzte Mister McKee. "Scarlatti senior hat frühzeitig dafür gesorgt, die Gewinne aus seinen illegalen Geschäften ins Ausland zu transferieren. Er wäre reich genug, um in Marokko die Justiz in seinem Sinn zu bestechen."

"Aus diesem sicheren Hafen wird ihn wohl so schnell auch niemand hervorlocken können", war ich überzeugt.

Mister McKee hob die Augenbrauen. "Wer weiß? Sein Sohn Jack Scarlatti wurde jedenfalls gestern am frühen Abend auf der Brooklyn Bridge unter sehr eigenartigen Umständen erschossen, was auch für das alte Familienoberhaupt die Lage ändern könnte. Jeder von Ihnen, der die Lokalnachrichten oder das Frühstücksfernsehen eingeschaltet hatte, wird die Bilder von der Rauchwolke gesehen haben, die Richtung Battery Park zog."

Max Carter projizierte ein Dia an die Wand, das den Tatort nur wenige Minuten nach dem Anschlag zeigte. Ein Hubschrauber der City Police hatte das Foto gemacht. Die Rauchfahne war deutlich zu sehen.

"Die Kollegen der City Police und der Highway Patrol haben gestern Abend noch Dutzende von Zeugen befragt. Einige unserer Agenten waren auch dabei. Danach ergibt sich folgendes Bild: Eine Gruppe von sieben bewaffneten Roller-Skates-Fahrern schnellte zwischen den im Stau stehenden Fahrzeugen her und begann damit, die wehrlosen Insassen auszurauben. Einer von ihnen drohte mit einer Handgranate für ein Inferno zu sorgen..."

"Was ihm ja wohl auch gelungen ist", sagte Clive Caravaggio. Der stellvertretende Special Agent in Charge nippte an seinem Kaffeebecher.

Max Carter kratzte sich am Kinn. "Den Zeugenaussagen nach lief das Ganze nicht so, wie diese Roller-Skates-Gang es wohl geplant hatte. Ein Porschefahrer zog eine Waffe und wehrte sich. Das war Jack Scarlatti. Er lieferte sich mit den Mobstern ein Feuergefecht. Insgesamt drei von ihnen kamen ums Leben. Dabei wurde die Handgranate ausgelöst. Die sterblichen Überreste der drei Roller-Skates-Fahrer sind beim Coroner und ich hoffe, dass wir möglichst bald wissen, um wen es sich handelt. Durch die Explosion, sowie durch die Luft geschleuderte Metallteile kamen außerdem die nach unseren bisherigen Erkenntnissen völlig unbeteiligten Insassen eines Sportcoupés ums Leben. Einige Dutzend Personen erlitten Verletzungen."

"Hatten die Täter es denn wirklich auf Scarlatti abgesehen oder handelte es sich vielleicht doch um einen Raubüberfall?", hakte mein Freund und Kollege Milo Tucker nach.

Max Carter zuckte die Achseln. "Wir wissen es nicht. Nur eins steht fest: Es gibt einige Leute bei der Müllmafia in Brooklyn, denen Scarlattis Tod gut in den Kram passt. Und der alte Scarlatti wird jetzt Blutrache schwören."

"Also können wir uns so oder so in nächster Zeit auf einiges gefasst machen", schloss Mister McKee. "Jack Scarlattis zweiter Mann hier in New York ist ein gewisser Ray Neverio. Gehört zur Familie, ein Großcousin glaube ich. Wir gehen davon aus, dass er die Geschäfte weiter führt."

"Wenn die Hypothese stimmt, dass die Brooklyn-Leute dahinterstecken, dann wird Neverio mit Sicherheit die Nummer Zwei auf der Todesliste sein", stellte Clive Caravaggio fest.

Mister McKee nickte. "Oder die Scarlatti-Familie schlägt zurück und es erwischt einen der Bosse in Brooklyn. Aber wir werden nicht zulassen, dass das passiert. Unter keinen Umständen."

"Für mich sieht das ganze eher aus wie eine dieser Mutproben, wie man sie von den Gangs aus dem Barrio oder der South Bronx kennt", meinte ich. Bei derartigen Mutproben mussten neu aufgenommene Mitglieder Straftaten begehen, die sie an die Gang banden. Es kam auf die Coolness des Auftritts an. Die Neuen mussten sich Respekt innerhalb der Gruppe verschaffen und zeigen, was für tolle Typen sie waren. Die Effektivität stand nicht an erster Stelle. Ihr Geld machten diese Gangs normalerweise im Drogenhandel oder anderen Zweigen des organisierten Verbrechens. Auf jeden Fall gab es einträglichere Möglichkeiten für sie, Geld einzunehmen, als das Auto-Mugging im Stau der Brooklyn Bridge.

Mister McKee nickte. "Normalerweise würde Ihnen jeder hier im Raum sofort zustimmen, Jesse. Aber in diesem Fall heißt das Opfer Jack Scarlatti. Und an so eine Nummer würden sich die üblichen Gangs nicht im Traum herantrauen."

"Sie meinen, dieses Theater mit den Roller-Skates, den langen Mänteln und dem Brieftaschenraub war nur vorgetäuscht?", hakte ich nach.

"Diese Möglichkeit sollten wir nicht ausschließen", fand Mister McKee.

"Immerhin sind Roller-Skates doch auch total out", mischte sich Orry ein. "Heute fährt doch jeder Inliner."

"Die haben allerdings eine viel geringere Stabilität und lassen sich nicht so sicher stoppen", erläuterte Max Carter. "Bei Roller-Skates sind die Rollen jeweils paarweise unter dem Schuh angebracht, bei Inlinern dagegen in einer Reihe."

Clive Caravaggio meldete sich zu Wort. "Wie sind die Kerle eigentlich geflohen?", hakte er nach. "Ich meine, vorausgesetzt, unter diesen Mänteln haben sich keine Girls versteckt!"

Max Carter zoomte die Brooklyn Bridge etwas näher heran. Dann markierte er mit seinem Laserpointer eine ganz bestimmte Stelle. "Sehen Sie hier! Genau dort wartete nach Angaben mehrerer Zeugen ein Mercedes Transporter in entgegengesetzter Fahrtrichtung. Da herrschte nämlich kein Stau! Die Roller-Skates-Gangster kletterten über die Leitplanken und verschwand im Transporter. Glücklicherweise hat sich ein Zeuge bei der City Police gemeldet, der sich die Nummer aufgeschrieben hatte."

"Wenigstens gibt es ab und zu noch so etwas wie Zivilcourage!", raunte Milo mir zu. Manche Leute glauben, Zivilcourage müsse immer bedeuten, dass man den Helden spielt. Oft genug besteht sie aber zum Beispiel nur darin, dass man sich eine Nummer aufschreibt oder sich als Zeuge meldet, anstatt so zu tun, als würde einen das alles nichts angehen.

"Der Transporter wurde einen Tag zuvor genau um 12.38 Uhr als gestohlen gemeldet", fuhr Max Carter fort. "Halter ist ein gewisser Larry Morton. Ihm gehört ein Drugstore in der South Bronx." Carter zeigte ein Bild von Morton, das offensichtlich aus den über das Datenverbundsystem NYSIS stammenden Fahndungsdateien stammte. "Morton ist wegen Versicherungsbetrugs vorbestraft, deswegen haben wir ihn in den Archiven."

Orry Medina meldete sich zu Wort. "Was hat er genau gemacht, Max?"

"Es ging um fingierte Unfälle. Das hat mit der Sache von gestern Abend nichts zu tun."

"Aber wir wissen, dass Morton sich schon auf krumme Touren eingelassen hat", ergänzte ich.

Max nickte. "Diesmal ist auch etwas faul. Er wurde wegen überhöhter Geschwindigkeit auf dem Bruckner Expressway geblitzt - eine halbe Stunde nachdem angeblich sein Wagen gestohlen worden war! Das Foto, das dabei entstand, zeigt eindeutig Morton, daran gibt es nicht den geringsten Zweifel!"

Mister McKee wandte sich an Milo und mich. "Ich möchte, dass Sie sich diesen Morton mal vornehmen. Möglicherweise hat er was mit der Sache zu tun oder kann uns zumindest wertvolle Hinweise geben."

"In Ordnung, Sir", sagte ich.

Unser Chef wandte sich an Clive Caravaggio. "Nehmen Sie alle unter die Lupe, die irgendwie mit den Scarlattis zusammenhängen, Clive. Aktivieren Sie jeden Informanten in Little Italy, der etwas dazu zu sagen hat!"

"Ich schätze, das Scarlatti-Syndikat gleicht im Moment einem aufgescheuchten Hühnerhaufen", meinte der stellvertretende SAC.

Mister McKee hob die Augenbrauen. "Aber dieser Zustand wird nicht lange anhalten, fürchte ich!"

Eines der Telefone auf dem Schreibtisch unseres Chefs klingelte.

Mister McKee ging an den Apparat, nahm den Hörer ans Ohr.

Eine tiefe Furche zeigte sich auf seinem Gesicht.

Kurze Zeit später legte er wieder auf. "In Brooklyn hat es eine Explosion gegeben. Die Villa von Alex Shkoliov steht in Flammen!"

Shkoliov - der Name war uns allen bekannt. Er galt als starker Mann bei den Ukrainern. Das alte grausame Mafia-Spiel ging also wieder los: Ihr tötet einen von uns, dann töten wir einen von euch...







4



Milo und ich saßen in einem unscheinbaren silbergrauen Chevy aus dem Fuhrpark der Fahrbereitschaft. Den Sportwagen, den uns das FBI Field Office New York sonst zur Verfügung stellte, war für den Job, der vor uns lag, einfach zu auffällig.

Während unsere Kollegen mit großem Aufgebot zur Villa von Alex Shkoliov auf den Brooklyn Heights fuhren, waren Milo und ich in die entgegensetzte Richtung unterwegs.

Unser Ziel war das Haus Nr. 432 in der 143. Straße.

Das war die Adresse von Larry Morton, dem Besitzer des Van, mit dem die Roller-Skates-Gang geflüchtet war. Auf der First Avenue fuhren wir nach Norden. Der Harlem River ist die Grenze zwischen Manhattan und der Bronx, deren südlicher Teil einen geradezu berüchtigten Ruf genießt.

Einige Gebiete wurden von Gangs und Crackdealern beherrscht. Ganze Straßenzüge verfielen langsam. Die Polizei traute sich in manche Gegenden nur in Stärke einer 10er-Einsatzmannschaft und mit kugelsicherer Weste. Im Norden hingegen hatte die Bronx ein eher bürgerliches Gesicht. Schmucke Alleen mit Einfamilienhäusern prägten Viertel wie Riverdale. Auch die Labors der Scientific Research Division, dem zentralen Erkennungsdienst aller New Yorker Polizeieinheiten, befanden sich in der Bronx. Ein Stadtteil mit zwei Gesichtern, einem schönen und einem sehr hässlichen. Leider hatte letzteres den Ruf der Bronx in aller Welt nachhaltig geprägt. Eine Brücke führte über den Harlem River. Ab hier hieß die First Avenue plötzlich Melrose Avenue. Wie ein gerader Strich durchzog sie die Bronx und trennte unter anderem auch Einflussgebiete verschiedener Drogengangs voneinander. "Weißt du, was ich glaube, Milo?", fragte ich, als wir gerade das Bronx-Ufer des Harlem Rivers erreicht hatten. "Mir ging das die ganze Zeit über nicht aus dem Kopf, als wir in Mister McKees Büro saßen..."

"Wovon sprichst du, Jesse?"

"Davon, dass das meiner Ansicht nach auf keinen Fall ein geplantes Attentat auf Jack Scarlatti war."

"Wie willst du das so sicher ausschließen?"

"Diese Roller-Skates-Gang hat angefangen, den Leuten die Brieftaschen wegzunehmen. Wahrscheinlich sind sie aus purem Zufall auf Scarlatti getroffen."

"Und der hat geglaubt, ein Killerkommando hätte es auf ihn abgesehen. Scarlatti griff zur Waffe und das Drama nahm seinen Lauf."

"Genau. Wenn diese Gangster geahnt hätten, dass ihnen zufällig ein Scarlatti gegenübersitzt, hätten sie um dessen Porsche einen weiten Bogen gemacht, Milo."

"Zufällig?", echote Milo. "Wenn das Opfer Jack Scarlatti heißt, denkt man an alles Mögliche. Nur nicht an Zufall. Dir brauche ich ja nicht zu sagen, wie viele Feinde Scarlatti hatte. Wie Mister McKee schon sagte: Das Ausrauben der Leute kann durchaus Tarnung gewesen sein..."

"Aber dann beantworte mir mal eine Frage, Milo: Wie sollen die Mörder gewusst haben, dass Scarlatti junior sich mit seinem Porsche an einer ganz bestimmten Stelle auf der Brooklyn Bridge befand?"

"Keine Ahnung!"

"Siehst du! Wenn es ein Attentat war, dann müssen diese Roller-Skates-Killer das aber gewusst haben!"

Milo kratzte sich nachdenklich am Kinn. "Jemand hat einen Peilsender an Scarlattis Porsche angebracht!", fiel ihm eine Lösung ein, an die ich auch schon gedacht hatte.

"Die Kollegen der Scientific Research Division haben nichts dergleichen gefunden, ich habe mir Max' Dossier daraufhin noch einmal durchgelesen."

"Wir haben den abschließenden Untersuchungsbericht der SRD noch nicht", gab Milo zu bedenken.

Ich grinste. "Eins zu null für dich!"

"Was - so schnell gibst du dich geschlagen?"

"Nein, ich habe mich in dieser Frage nur noch nicht endgültig festgelegt, Milo."

Ich bog von der Melrose Avenue ab. Wir fuhren durch trostlose Straßenzüge. Ganze Blocks waren unbewohnt. Nur hin und wieder fanden sich Geschäfte. Immer wieder konnte man vernagelte Fenster sehen. Larry Mortons Drugstore befand sich im Erdgeschoss eines dreistöckigen Brownstone-Hauses. Ich stellte den Chevy am Straßenrand ab. Wir stiegen aus, blickten uns um. Auf der anderen Straßenseite standen ein paar junge Männer in übergroßen Cargo-Hosen und dunklen Wollmützen. Ein Ghetto-Blaster sorgte dafür, dass die Gegend mit Rap-Musik beschallt wurde. Die Kerle blickten misstrauisch zu uns herüber. Wir betraten den Drugstore. Larry Morton stand hinter dem Tresen und nippte an einer übergroßen Kaffeetasse mit der Aufschrift "I love You". Ich erkannte ihn sofort von den Fotos, die wir von ihm hatten. Er war Mitte dreißig, hatte dunkel gelocktes Haar und blaue Augen. Morton blickte auf. Ich hielt ihm meine ID-Card entgegen.

"Ich bin Special Agent Jesse Trevellian vom FBI Field Office New York und dies ist mein Kollege Milo Tucker. Wir möchten Ihnen ein paar Fragen stellen!"

"Fragen?" Ein Muskel zuckte unruhig unterhalb seines linken Auges. "Was für Fragen?"

"Es geht um Ihren Wagen."

"Den Van?"

"Ja", nickte ich.

"Ich wusste gar nicht, dass sich neuerdings G-men um gestohlene Autos kümmern!"

"Wenn dieser Wagen wenig später bei der Ermordung einer Mafia-Größe als Fluchtfahrzeug der Täter dient - dann ja!"

Morton verschränkte die Arme vor der Brust. "Keine Ahnung, wovon Sie reden!"

"Jack Scarlatti - der Name sagt Ihnen gar nichts? In den Lokalnachrichten gab es kaum ein anderes Thema!"

"Mein Fernseher ist defekt, G-man!"

Milo holte eine Kopie jenes Fotos aus seiner Innentasche, das bei Mortons Geschwindigkeitsübertretung auf dem Bruckner Expressway geschossen worden war. "Dieses Bild wurde zu einem Zeitpunkt geknipst, als Sie Ihren Wagen schon als gestohlen gemeldet hatten."

"Das ist doch Unsinn!"

"Das sind Tatsachen!"

"Tatsache ist auch, dass mein Wagen immer noch verschwunden ist. Wissen Sie eigentlich, was das für mich als Geschäftsmann bedeutet?"

Milo mischte sich ein und sagte: "Ich nehme an, dass man Sie für Ihren Verlust fürstlich entschädigt hat!"

"Was?" Er stierte uns scheinbar verständnislos an. Wir waren uns sicher, dass er ganz genau wusste, worauf wir hinaus wollten.

Ich deutete auf das Foto. "Sie wussten offensichtlich schon im Voraus, dass Ihr Wagen gestohlen wird, Mister Morton. Es gibt zwei Möglichkeiten. Sie können mit uns zur Federal Plaza fahren und sich möglichst schnell um einen Anwalt bemühen..."

"...oder Sie packen aus!", ergänzte Milo.

"Hey, was wollt ihr mir da anhängen, ihr Schweinehunde!", rief Morton.

"Vorsicht!", riet ich ihm. "Ich nehme an, dass jemand Sie mehr oder weniger freundlich gebeten hat, ihm den Van am nächsten Tag zu überlassen. Vielleicht wurden Sie sogar gezwungen. Sie ahnten, dass das mit irgendeiner illegalen Sache zu tun haben würde und meldeten den Van vorsichtshalber als gestohlen. Nur dummerweise brauchten Sie den Wagen noch einmal, bevor die Typen ihn am nächsten Tag abholten..."

"Sie haben eine blühende Fantasie", knurrte Morton zwischen den Zähnen hindurch. Sein Gesicht war dunkelrot angelaufen. Er ballte die Hände zu Fäusten. Die Muskeln seines breitschultrigen Oberkörpers spannten sich.

"Wem haben Sie den Wagen überlassen?", hakte ich noch einmal nach.

"Ich lasse mich von Ihnen nicht einschüchtern!"

"Na schön, dann reden wir besser an einem anderen Ort weiter."

Morton atmete schwer. "Nein!", schrie er. Er deutete zur Tür. "Wenn Sie mit mir dort hinausgehen und mich abführen..." Er stockte.

"Was ist dann?" hakte ich nach. "Wem haben Sie den Wagen zur Verfügung gestellt?"

"Ich kann es nicht sagen!"

"Sie müssen!"

"Die bringen mich um!"

Morton wirkte weiß wie die Wand.

"Wer?", hakte ich nach. "Na los, raus damit! Dass Sie nicht mit Roller-Skates auf der Brooklyn Bridge unterwegs waren, um Brieftaschen einzusammeln oder einen Angehörigen der Scarlatti-Familie umzubringen, ist mir schon klar..."

Milo beugte sich zu ihm über den Tresen. "Geben Sie uns einen Tipp, wir marschieren dann hier raus und unternehmen erst einmal gar nichts."

Der Mann schluckte.

Wenn wir ihn in Gewahrsam nahmen, dann würden alle in der Gegend denken, dass er ausgesagt hatte. Auch diejenigen, denen seine Angst galt. Das war es, was Morton im Moment fürchtete. Er schloss einen Augenblick lang die Augen. "Okay", brachte er schließlich heraus. "Sie suchen ein paar Leute, die gerne auf Roller-Skates über den Asphalt rasen..."

"Ich sehe, wir verstehen uns!"

"Es gibt hier einen Typ namens Kid Dalbán. Ein Puertoricaner. Keine Ahnung, ob das sein richtiger Name ist. Er dürfte kaum über zwanzig sein, aber die ganze Gegend hier bezahlt an ihn Schutzgeld. Ich auch. Dies ist sein Gebiet... Hier passiert nichts, was nicht seinen Segen hätte!" Morton atmete tief durch.

"Wo finden wir Dalbán?", fragte ich.

Morton lachte heiser. "Er wird Sie finden, wenn Sie sich länger als eine halbe Stunde in dieser Gegend aufhalten."

"Darauf möchte ich nicht unbedingt warten."

"Ich habe Ihnen schon viel zuviel gesagt, G-man! Was glauben Sie, was die mit Leuten machen, die sie für Verräter halten?" Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Morton schien wirklich große Angst zu haben. In gedämpftem Tonfall fuhr er fort: "Es gibt zwei Straßen weiter ein Parkhaus, das nicht mehr in Betrieb ist. Da treffen sich des Öfteren junge Leute. Sie benutzen die Rampen, um halsbrecherische Rennen abzuhalten."

"Auf Roller-Skates!", schloss ich.

"Ja. Es wird natürlich gewettet. Man kann viel Geld dabei gewinnen."

"Und Dálban veranstaltet das Ganze."

Er nickte zögernd. "Genau. Ein Teil dieser verrückten Typen, die da ihren Hals riskieren, sind Dalbáns Leute. Und der Rest träumt wahrscheinlich davon, in seine Gang aufgenommen zu werden. 'Los Santos' nennen die sich - die Heiligen. Wer dazugehört, hat nichts zu befürchten und genug Geld. Die tragen häufig so ein protziges Goldkreuz um den Hals. Im Gegensatz zur katholischen Version hängt allerdings nicht Jesus Christus, sondern ein gehörntes Gerippe daran."

"War Dalbán persönlich hier, um sich Ihren Wagen auszuborgen?", fragte ich.

Er schüttelte den Kopf und lachte rau. "Nein, das wäre unter seiner Würde. Es waren ein paar junge Typen. Ich kenne sie nicht namentlich. "

"Das glaube ich Ihnen nicht. Die Typen stammen doch hier aus der Gegend."

"Verdammt, ich sage Ihnen die Wahrheit!"

"Haben Sie die Jungs nicht gefragt, wer sie schickt?"

"Sollte ich dafür meine Zahnkronen riskieren? Die hätten sich doch sowieso genommen, was sie wollten! Sie sagten einfach: Morgen brauchen wir deinen Wagen, sieh zu, dass er vollgetankt ist oder du ernährst dich die nächsten Monate aus der Schnabeltasse!"

"Verstehe."

Morton schüttelte den Kopf. "Nein, das glaube ich kaum. Und wenn Sie glauben, dass ich irgendetwas von dem, was ich Ihnen erzählt habe, vor Gericht wiederhole, dann sind Sie schief gewickelt. Da lasse ich mich lieber wegen Beihilfe an diesem Anschlag auf der Brooklyn Bridge verknacken."

Ich wechselte mit Milo einen kurzen Blick. Er nickte knapp und sagte: "Wir kommen vielleicht noch einmal wieder, Mister Morton."

"Wenn Sie mich ruinieren wollen: Nur zu!"

"Ein Kollege von uns wird dann mit Ihnen zusammen ein Phantombild dieser Männer erstellen."

"Sie trugen Spiegelbrillen und Mützen. Ich glaube nicht, dass das viel bringt!"

"Abwarten."

Er wollte offenbar ganz einfach nicht mehr sagen. Und das Phantombild würde vermutlich so konkret wie ein abstraktes Kunstwerk ausfallen. Die Mühe konnte man sich wohl sparen.

Wir verließen den Drugstore. Ich war mir noch nicht ganz schlüssig darüber, ob Morton uns mit seiner Aussage wirklich einen guten Tipp gegeben oder uns nur schnell abgespeist hatte. Auf jeden Fall wollten wir uns das Parkhaus mal vornehmen...

"Hey, ich glaube, ich spinne", murmelte Milo.

An unserem Chevy machte sich ein Typ mit Spiegelbrille und Helm zu schaffen. Als er uns sah, glitt er auf seinen Roller-Skates davon. Nach wenigen kraftvollen Bewegungen bekam er ein halsbrecherisches Tempo drauf.

Wir rissen die SIGS heraus.

"Stehen bleiben!", rief Milo.

Aber da war der Kerl schon um die nächste Ecke gebogen.

"Na los, den kaufen wir uns!", meinte Milo. Per Fernbedienung deaktivierte ich die Zentralverriegelung des Chevy. Milo riss die Beifahrertür auf. Ich umrundete die Motorhaube, die Hand glitt zum Türgriff. Milo saß schon im Wagen. Ich zögerte.

"Jesse, bist du festgewachsen oder was ist los?", hörte ich Milos Stimme.

Aber da war noch etwas anderes.

Ein ganz leises Ticken.

Es kam von unten.

"Verdammt raus, Milo! Sofort raus!"

Milo starrte mich an.

Im nächsten Moment zerriss eine Detonation den Wagen. Blechteile wirbelten wie Geschosse durch die Luft. Die Druckwelle ließ die Scheiben von Mortons Drugstore zerbersten.




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Litres'teki yayın tarihi:
25 mayıs 2021
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2159 s. 299 illüstrasyon
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9783956179822
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