Kitabı oku: «Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis», sayfa 3
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Die Villa von Alex Shkoliov gab ein Bild ab, wie man es sonst von Fernsehbildern aus Kriegsgebieten gewohnt war.
Als Clive und Orry dort mit einem Aufgebot von zwei Dutzend G-men auftauchten, waren bereits zahlreiche Einsatzfahrzeuge des Fire Service und der City Police vor Ort. Die Explosion hatte einen Brand ausgelöst, der allerdings mittlerweile unter Kontrolle war. Ein Übergreifen der Flammen auf benachbarte Häuser war inzwischen so gut wie ausgeschlossen. Aber in der Villa selbst loderten noch immer die Flammen.
Drei Tote waren inzwischen geborgen worden.
Allerdings waren sie bis zur Unkenntlichkeit entstellt.
Es würde den Gerichtsmedizinern vorbehalten bleiben, sie zu identifizieren.
Clive Caravaggio sprach zuerst mit George Rowtenburg, dem Einsatzleiter des Fire Service.
"Sorry, aber es wird noch eine ganze Weile dauern, bis Ihre Leute sich im Inneren der Villa umsehen können!", meinte er. "Momentan herrscht dort noch akute Lebensgefahr."
"Ist noch jemand im Haus?", fragte Clive.
"Soweit wir wissen nicht", erklärte Rowtenberg. "Unsere Leute konnten trotz ihrer Ausrüstung bislang nur einen kleinen Teil des Gebäudes betreten."
Clive blickte zu dem brennenden Gebäude hinüber. Beißende Qualmwolken zogen über das für New Yorker Verhältnisse sehr weitläufige Grundstück.
Orry meldete sich zu Wort. "Ich glaube, wir kriegen Besuch!", stellte er fest. Er deutete auf einen kleinen, breitschultrigen Mann mit Halbglatze und energischen Gesichtszügen. Mit einem Gefolge von mehreren kräftig gebauten Kerlen betrat er das Grundstück.
Einer der uniformierten Kollegen der City Police versuchte die Gruppe aufzuhalten.
"Gehen Sie aus dem Weg, Mann! Ich bin Alex Shkoliov! Mir gehört dieses Haus - oder was von ihm übrig geblieben ist." Der untersetzte Mann verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
Clive, Orry und einige weitere G-men gingen auf Shkoliov zu. Clive zog seine ID-Card, hielt sie dem Ukrainer entgegen.
"Ich bin Agent Caravaggio, stellvertretender SAC des FBI Districts New York. Es freut mich, dass Sie wohlauf sind, Mister Shkoliov."
"Ach wirklich? Sie brauchen mir nichts vorzuheucheln, G-man! In Wahrheit haben Sie gehofft, dass ich von den Männern des Fire Service als verkohlte Leiche geborgen werde! Ihr seid doch alle gleich! Ehrliche Geschäftsleute werden von Ihnen mit Ermittlungen überzogen und nach Strich und Faden schikaniert! Aber auf der anderen Seite ist Ihre Behörde nicht in der Lage, für Sicherheit zu sorgen!" Shkoliov streckte den Arm aus und deutete auf die Villa. "Da haben Sie den Beweis! Ich hoffe, Sie verfolgen die Schuldigen genauso hartnäckig, wie Sie es mit unbescholtenen Bürgern tun!"
"Nun mal halblang!", unterbrach Clive Caravaggio den Redefluss des Ukrainers. "Sie können froh sein, dass Sie in einem Staat leben, in dem Verdächtige relativ große Rechte genießen, sonst säßen Sie längst hinter Gittern!"
"Ach! Jetzt wollen Sie mich auch noch beschuldigen! Dabei bin ich um ein Haar das Opfer eines Mordanschlags geworden!" Shkoliov schnappte nach Luft. Er sagte ein paar Worte auf Ukrainisch zu seinen Bodyguards. Einer der breitschultrigen Mobster reichte seinem Boss daraufhin ein daumengroßes Sprühfläschchen.
Shkoliov sprühte sich damit in den Rachen.
Nitro-Spray!, dachte Clive. Er wusste, dass Shkoliov herzkrank war und mehrere Bypass-Operationen hinter sich hatte.
"Was ist Ihrer Meinung nach hier passiert?", fragte Clive in sachlichem Tonfall.
"Ich war in der City unterwegs, als mich einer meiner Leute anrief. Victor Kosteliov. Er sagte, ein Päckchen sei für mich abgegeben worden. Von einem Kurier. Ich habe Vic gesagt, dass er es sofort öffnen soll. Dann habe ich die Explosion durch das Telefon gehört." Shkoliov schluckte. "Ich nehme an, dass Vic nicht mehr am Leben ist. Der arme Kerl. Er war mein Neffe und ich hatte eigentlich gedacht, dass er eines Tages einen Teil meiner Geschäfte weiter führt..."
"Warum war Ihnen dieses Päckchen so wichtig, dass Sie die sofortige Öffnung anordneten?", hakte Clive nach.
"Vic hatte mir durchgegeben, dass es von dem Juwelier Zorovsky abgeschickt worden war. Ich weiß nicht, ob jemand wie Sie das Diamond Dreamland in der Fifths Avenue kennt."
"Ein sehr teurer Laden für handgearbeiteten Schmuck", sagte Clive gelassen.
Shkoliov hob die Augenbrauen. "Sie überraschen mich, G-man! Wie auch immer, Zorovsky gehört das Diamond Dreamland. Ich hatte mir von ihm ein paar Schmuckstücke anfertigen lassen, die ich heute Abend einer Dame zu schenken gedachte. Ich wollte wissen, wie die Stücke geworden sind..."
"Und das konnte dieser Victor Kosteliov für Sie beurteilen?", wunderte sich Clive. "Als was war er bei Ihnen angestellt?"
"Als Majordomus."
Clive wechselte mit Orry einen kurzen Blick. Dann fuhr der stellvertretende SAC fort: "Wir werden von Ihrer Aussage ein Protokoll machen müssen. Möglicherweise werden Sie Ihre Version der Ereignisse eines Tages vor Gericht wiederholen und beeiden müssen. Das ist Ihnen doch klar, oder?"
Shkoliov verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln.
"Ihre Kollegen haben in der Vergangenheit nie versäumt, mich auf meine Rechte hinzuweisen."
"Ich nehme an, Sie möchten mit Ihrem eigenen Wagen zur Federal Plaza fahren..."
"Bin ich verhaftet?"
Clive schüttelte den Kopf. "Nein, wir vernehmen Sie als Zeugen, Mister Shkoliov."
Der Ukrainer machte eine wegwerfende Geste. "Sie können sich Ihr ganzes Theater meinetwegen sparen."
"Möchten Sie nicht, dass die Schuldigen an diesem Anschlag auf Ihr Leben gefasst werden?", fragte Clive verwundert.
"Doch, das möchte ich schon. Ich traue Ihnen und dem FBI nur nicht besonders viel zu!"
6
Das Ticken des Zeitzünders war kaum zu hören.
Milo stieß auf meinen Ruf hin die Tür auf.
Er taumelte hinaus, stürzte auf einen Hauseingang zu. In letzter Sekunde rettete er sich in die Nische.
Ich rannte ebenfalls.
Als die Explosion losbrach, hechtete ich mich zu Boden und rollte mich seitwärts über den Asphalt. Im nächsten Moment befand ich mich unter einem der am Straßenrand parkenden Fahrzeuge. Eine Welle aus Druck und Hitze fegte über mich hinweg. Die Sprengladung, die der Roller-Skates-Gangster unter dem Chevy angebracht hatte, ließ eine gewaltige Flamme aufscheinen. Die Bombe wirkte wie eine Art Zünder, denn im nächsten Moment gab es eine zweite Explosion. Der Tank flog in die Luft. Ich betete dafür, dass nicht weitere Wagen Feuer fingen und explodierten. Aber dazu schien die Sprengladung nicht groß genug gewesen zu sein. Ich rollte mich unter dem parkenden Wagen hervor. Es handelte sich um eine Ford-Limousine, deren Unterboden ziemlich rostzerfressen war.
Auf der anderen Seite des Fords tauchte ich wieder auf. Ich rappelte mich hoch. Während die Flammen loderten, rief ich nach Milo.
"Alles klar, Jesse!", antwortete Milo.
Ich war nahe davor aufzuatmen. Doch da sah ich den roten Punkt an der Brownstone-Mauer auf der Seite von Mortons Drugstore tanzen.
Der Laserpointer eines elektronischen Zielerfassungsgerätes, wie man sie inzwischen als Zubehör zu zahlreichen Gewehren und Pistolen geliefert bekam.
Ich duckte mich.
Der Schuss zischte dicht über mich hinweg, fraß sich ins Mauerwerk und sprengte einen handgroßen Steinbrocken heraus. Ein zweiter Schuss folgte nur Sekundenbruchteile später. Ich zog die SIG, ließ den Blick schweifen.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand sich ein dreistöckiges Gebäude, das die Form eines Quaders hatte. Im Erdgeschoss hatte sich früher mal ein Supermarkt befunden. Jetzt waren die Fensterfronten mit Spanplatten vernagelt. In einer dieser Platten war ein Loch. Der Lauf eines Gewehrs ragte etwa zwanzig Zentimeter ins Freie. Das Mündungsfeuer blitzte erneut auf.
Ich nahm hinter der Motorhaube des Fords Deckung.
Milo feuerte in Richtung des Unbekannten. Ich schoss gleichzeitig mit meiner SIG. Ein Schrei gellte. Offenbar hatten wir jemanden getroffen. Spanplatten bildeten keinen Schutz gegen Projektile. Die Kugeln meiner SIG vermochten sie mühelos zu durchdringen.
"Gib mir Feuerschutz!", rief ich an Milo gerichtet.
Wir hatten ja keine Ahnung, ob unser Gegner allein operierte.
Milo schoss, was das Zeug hielt.
Ich lief in geduckter Haltung den Bürgersteig entlang. Die parkenden Fahrzeuge boten dabei etwas Deckung. Dann schlug ich einen Bogen, lief über die Straße.
Ich pirschte mich an den ehemaligen Supermarkt heran, presste mich schließlich gegen die Mauer. Es wurde nicht mehr geschossen. Zwischen dem Supermarkt und dem Gebäude zur Linken befand sich die Zufahrt zu einem an der Rückfront gelegenen Parkplatz. Ich spurtete los. An der Ecke stoppte ich, pirschte mich heran und tauchte mit der SIG im Beidhandanschlag aus der Deckung hervor.
Ein einzelner Van befand sich auf dem Parkplatz.
Typ, Baujahr und die ersten Ziffern des Nummernschildes stimmten mit dem überein, was ich mir von Mortons Fahrzeug gemerkt hatte. Es war niemand im Wagen.
Auf der Rückfront des Supermarktes befand sich eine Laderampe für Zulieferer. Daneben eine Tür für den Personalzugang. Sie stand einen Fußbreit offen, flog im nächsten Moment zur Seite.
Ich riss die SIG empor.
Mein Gegenüber trug eine Wollmütze, ziemlich weite Hosen und in der Rechten ein Sturmgewehr, wie es von Scharfschützen der Army benutzt wurde.
"Waffe weg, FBI!", rief ich.
Er erstarrte für eine Sekunde.
Sein graues Fleece-Shirt wies einen ziemlich großen, dunkelroten Fleck auf. Der Kerl hatte offensichtlich eine Kugel abbekommen.
"Hey, Mann, immer cool bleiben!", brachte der junge Mann heraus. Er atmete schwer. Die Wunde machte ihm offenbar zu schaffen.
Ich näherte mich.
"Bist du allein?"
"Scheiße, wenn ich 'ne Antwort gebe, legst du mich um!"
"Ich bin G-man, kein Killer! Leg jetzt verdammt noch einmal die Waffe auf den Boden! Und zwar ganz langsam!"
Er schluckte.
Dann riss er plötzlich sein Sturmgewehr hoch, feuerte einhändig in meine Richtung. Ein ziemlich ungezielter Schuss. Ich warf mich seitwärts, feuerte beinahe im selben Moment. Die Kugel meines Gegners pfiff dicht an mir vorbei.
Ich hatte auf seine Beine gezielt, ihn aber offenbar ebenfalls verfehlt.
Er befand sich nicht mehr in der Tür. Ich rappelte mich auf, pirschte mich an die Tür heran. "Geben Sie auf! Sie kommen da nicht heraus!"
Ich hörte Geräusche aus dem Inneren.
Milo bog inzwischen um die Ecke.
"Alles klar, Jesse?", fragte er.
Ich nickte. "Der Schütze ist da drinnen. Er hat eine Schussverletzung am Oberkörper."
"Ich habe Verstärkung gerufen."
"Die haben wir auch dringend nötig. Ich glaube nämlich nicht, dass wir lange mit dem Kerl allein bleiben werden."
"Holen wir ihn uns!"
Milo nahm die SIG mit beiden Händen. Er stürmte ins Innere des Supermarktes. Die Beleuchtung war ohne Stromversorgung. Da die Fensterfront zur Straße ja mit Spanplatten vernagelt war, herrschte Halbdunkel. Licht fiel nur durch ins Mauerwerk eingelassene Glasbausteine und eine Reihe kleiner Fenster knapp unterhalb der Decke. Leere Regale bildeten ein Labyrinth. Wenn der Kerl es darauf anlegte, konnte er uns hier eine ganze Weile zum Narren halten. Milo deutete auf dunkelrote, frische Flecken auf dem Boden. Blutflecken.
Die Spur führte hinter eine Regalwand.
Milo und ich verständigten uns mit ein paar Zeichen. Wir hatten so viele gemeinsame Einsätze hinter uns, dass wir uns beinahe blind verstanden.
Milo folgte der Spur. Ich schlug einen Bogen.
Wir wollten den Kerl in die Zange nehmen.
Mit seiner Verwundung konnte er ohnehin nicht weit kommen.
Wir bewegten uns lautlos.
Ich bemerkte den Strahl eines Laserpointers, der an der Decke entlang tanzte. Nur Sekunden dauerte das. Unser Gegner hatte einen Fehler gemacht, indem er den Lauf der Waffe in einem zu steilen Winkel angehoben hatte. Das verriet mir jetzt ungefähr seine Position. Milo hatte es bestimmt auch gesehen.
Ich lief in geduckter Haltung, die SIG in der Rechten.
In einer der engen Gassen zwischen Regalwänden stellte ich ihn. Er kauerte am Boden, atmete schwer. Zunächst bemerkte er mich gar nicht. Sein Blick war in die entgegengesetzte Richtung gewandt. Milo tauchte auf, richtete die SIG auf ihn.
Er wollte das Sturmgewehr empor reißen. Aber mit einer Hand war das ziemlich schwierig. Die andere Hand presste der Verletzte auf seine Wunde. Das Blut rann ihm dabei zwischen den Fingern hindurch.
Ich stürzte von hinten auf ihn zu.
Als er mich bemerkte, war es zu spät für ihn.
Ich bog mit der Linken seinen Waffenarm zur Seite.
Ein Schuss löste sich, riss ein faustgroßes Loch in eine der Spanplatten hinein, aus denen die Regalwände bestanden.
Meine SIG setzte ich ihm an die Schläfe.
Er erstarrte.
"Das Spiel ist endgültig aus", stellte ich klar. "Ich bin Special Agent Jesse Trevellian vom FBI Field Office New York. Du bist hiermit verhaftet. Und sobald ich die Hände frei habe, zeige ich dir sogar meine ID-Card."
Er ließ das Sturmgewehr los.
Ich ließ es in Milos Richtung über den Boden rutschen. Mein Kollege nahm es an sich, während ich den Killer mit meinen Handschellen fesselte. Trotz der Verletzung, die der Kerl davongetragen hatte, war das offenbar nötig. Milo hatte das Handy am Ohr und sorgte dafür, dass sich auch eine Rettungseinheit des Emergency Service auf den Weg hier her machte. Die Wunde sah ich mir kurz an. Ein glatter Durchschuss durch den Schulterbereich. Keine unmittelbare Lebensgefahr.
Ich durchsuchte ihn so gut es ging.
In der Knietasche seiner überweiten Cargo-Hosen befand sich ein Führerschein, der längst abgelaufen war. Aber das Foto passte zu dem Mann. Er hieß Allan Tucoma, war gerade einundzwanzig Jahre alt. Außerdem trug er noch ein Prepaid-Handy bei sich. Ich hoffte nur, dass er noch nicht dazu gekommen war, seine Leute zu rufen.
"Du bist ziemlich jung für einen Killer", stellte ich fest.
"Du kannst mich mal!"
"Bevor du noch irgendetwas sagst, solltest du wissen, dass alles, was du von nun an äußerst, vor Gericht gegen dich verwendet werden kann. Außerdem hast du das Recht auf einen Anwalt. Sofern..."
"Scheiß drauf! Das Theater kannst du dir sparen!"
"Um so besser."
Er sah erst Milo und dann mich einige Augenblicke lang an. "Ihr seid wirklich G-men?"
Milo hielt ihm die ID-Card unter die Nase.
"Sieht die vielleicht gefälscht aus?"
Allan Tucoma runzelte die Stirn. "Ich dachte..."
"Was dachtest du?", hakte ich sofort nach.
"Ich dachte, diese Scheiß-Itaker hätten euch geschickt!"
"Wegen der Sache mit Scarlatti?"
Er biss sich auf die Lippe. "Ich sage keinen Ton mehr, bis ich nicht einen Anwalt gesprochen habe!"
"Könnte sein, dass deine Aussage dann viel weniger wert ist!", stellte Milo klar. "Du hast versucht, zwei FBI-Agenten zu ermorden. Das ist ein schweres Verbrechen. Bei dem Prozess, der dir bevorsteht, wirst du das Wohlwollen des Staatsanwaltes dringend brauchen!"
Allan Tucoma lachte heiser. "Ach, ja?" Er verzog schmerzverzerrt das Gesicht.
"Was weißt du über den Mord an Scarlatti?", fragte Milo.
"Einen Dreck weiß ich! Ihr Arschlöcher wollt mir doch nur was anhängen! Das kenne ich schon!"
Milo ließ nicht locker.
"Willst du die Schuld allein auf dich nehmen? Du hast doch nicht aus eigenem Antrieb auf uns geschossen. Wer hat dir gesagt, dass du uns umlegen sollst?"
Ich erhob mich, steckte die SIG ein.
Draußen fuhr ein Wagen vor.
Ich fragte mich, ob das die Kollegen waren. Allerdings hatte ich keine Sirenen gehört. Das machte mich stutzig.
Milo sah mich an.
Er hatte denselben Gedanken.
"Unterhalte dich ruhig noch ein bisschen mit ihm", meinte ich an meinen Kollegen gewandt. "Ich sehe mal nach, was da los ist!"
"Ihr seid schon so gut wie tot, ihr Wichser!", ächzte der Gefangene.
Ich rannte zum Hintereingang.
Ein offener Geländewagen war vorgefahren. Vier mit Sturmgewehren und MPis Bewaffnete saßen darin. Sie trugen Sturmhauben, die nur die Augen freiließen. Ansonsten ähnelten sie in ihrer Kleidung dem jungen Mann, den wir festgenommen hatten.
Einer von ihnen riss sofort seine MPi hoch, feuerte in meine Richtung. Ich zuckte zurück in sichere Deckung. Rings um die Tür wurde die Außenwand derweil mit Einschusslöchern übersät.
Der Geschosshagel verebbte. Ich konnte hören, wie die Maskierten vom Wagen sprangen. Offenbar gingen sie in Stellung.
Ich hoffte, dass in Kürze unsere Kollegen auftauchten, um diesen Alptraum zu beenden.
Einige Augenblicke lang herrschte Stille.
"Hier spricht das FBI!", rief ich. "Wir haben euren Kumpel Allan Tucoma hier bei uns! Er ist verhaftet! Wenn ihr uns angreift, könnte er auch etwas abbekommen. Außerdem befinden sich unsere Leute auf dem Weg hier her! Sie müssten jeden Augenblick eintreffen..."
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.
Sie kam in Form einer Gasgranate.
Der eiförmige Gegenstand flog durch die offenstehende Tür, prallte gegen eines der Regale und rollte dann über den Boden. Ein gelbes Gas quoll heraus.
Ich stürzte aus meiner Deckung hervor, um die Gasgranate zurück ins Freie zu kicken.
Aber ein wahrer Geschosshagel ließ mich sofort zurückzucken.
Die Projektile zerfetzten das Regal regelrecht.
Der gelbe Rauch biss in den Augen.
Ich rannte zu Milo und dem Gefangenen.
"Die wollen uns wohl ausräuchern!", meinte mein Freund und Kollege grimmig. Er überprüfte die Ladung des Sturmgewehrs, das wir Allan Tucoma abgenommen hatten. Eigentlich war das gegen jede Vorschrift, denn dieses Gewehr stellte ein wichtiges Beweisstück dar. Aber jetzt ging es für uns erst einmal darum, unsere Haut zu retten.
"Wir müssen hier weg!", stellte ich fest.
Das gelbe Reizgas breitete sich immer weiter aus.
Wir halfen dem Gefangenen auf die Beine. "Deine Freunde scheinen nicht viel Rücksicht auf dich zu nehmen, Allan", sagte Milo.
"Die werden euch Bastarde zur Stecke bringen!", fauchte er.
Wir nahmen Allan in die Mitte, stützten ihn und machten uns auf den Weg.
"Hey wo wollt ihr denn hin?", ächzte Allan. "Vielleicht gibst du uns ja einen kleinen Tipp", erwiderte ich. "Schließlich kennst du dich ja hier besser aus!"
"Leckt mich doch!"
Die Schwaden aus gelbem Reizgas wurden immer dichter, erfüllten bereits einen Großteil des Raums. Und obwohl das Gas uns noch gar nicht richtig erreicht hatte, tränten uns bereits die Augen.
Wir erreichten eine Tür. Sie war verschlossen. Ich nahm die SIG und feuerte. Mein gezielter Schuss ließ das Schloss aufspringen. Milo riss die Tür auf. Ein breiter Korridor lag vor uns. Rechts und links befanden sich Räume, die vermutlich mal als Büros gedient hatten. Die Türen waren ausgehängt. Eine graue Ratte huschte über den Flur.
Wir schlossen die Tür hinter uns so gut es ging und hetzten weiter.
"Ich kann nicht mehr!", keuchte plötzlich der verletzte Gefangene.
Im gleichen Moment wurde die von uns notdürftig geschlossene Tür zu den Verkaufsräumen aufgestoßen.
Ein wuchtiger Tritt ließ sie zur Seite fliegen.
Einer der Kerle stand mit einer MPi im Anschlag da. Seine Sturmhaube hatte er inzwischen offenbar gegen eine Gasmaske ausgetauscht, um nicht von dem eigenen Reizgas kampfunfähig gemacht zu werden. Unsere Gegner verfügten über eine Ausrüstung, bei der so mancher County Sheriff neidisch werden konnte.
Der Kerl feuerte sofort.
Ohne zu zögern.
Und ohne Rücksicht auf Allan Tucoma, den Milo und ich in unserer Mitte hatten.
Ich riss die SIG empor. Annähernd im selben Moment wie Kerl mit der Gasmaske schickte ich meine erste Kugel auf den Weg. Sie traf den Kerl mitten der Brust, ließ ihn zurücktaumeln und der Länge nach zu Boden schlagen. Die Schüsse, die sich noch aus seiner MPi lösten, gingen ins Nichts.
Sein Komplize tauchte für Augenblicke aus dem gelben Nebel auf, der jetzt durch die Tür zu quellen begann.
Ich feuerte mehrmals.
Der Kerl zog sich zurück, nahm Deckung.
Wir hetzten zum Ende des Korridors. Milo und ich schossen dabei in Richtung der Tür, um zu verhindern, dass uns jemand folgte.
Am Ende des Korridors befand sich die stillgelegte Liftanlage. Nach rechts war der Flur zugemauert.
Nach links hatte es den noch immer vorhandenen Hinweisschildern nach einen Ausgang zur Straße gegeben. Ebenfalls zugemauert.
"Verdammt, wir sitzen in der Falle", knurrte Milo. Er postierte sich an der Korridor-Ecke und legte Allan Tucomas Sturmgewehr an.
An der Tür zum Verkaufsraum blitzte Mündungsfeuer auf. Eine MPi knatterte los.
Milo feuerte zurück, bis das Magazin des Sturmgewehrs leergeschossen war. Er zog sich zurück.
Ich hatte inzwischen meine SIG nachgeladen und trat an seine Stelle.
Vorsichtig tauchte ich aus der Deckung hervor, zielte und schoss mehrfach hintereinander.
Die Antwort kam Sekundenbruchteile später in Form eines Bleigewitters. Ich zog mich schleunigst zurück. Die Schüsse unserer Gegner zischten an uns vor, perforierten die Aluminiumtüren der stillgelegten Aufzugsanlage. Aber in die bellenden Schussgeräusche mischte sich noch etwas anderes.
Sirenen!
Offenbar waren die Einsatzfahrzeuge unserer Kollegen im Anmarsch. Milo nahm sein Handy ans Ohr und versuchte Kontakt zu ihnen zu bekommen, was mit einem Umweg über unsere Zentrale an der Federal Plaza auch gelang. In knappen Sätzen berichtete Milo die Lage. Unsere Kollegen sollten den Gasmaskenträgern schließlich nicht ins offene Messer rennen.
Der Geschosshagel verebbte.
Offenbar hatten auch unsere Gegner mitgekriegt, was die Stunde geschlagen hatte.
Sie zogen sich zurück.
Unsere Probleme waren damit noch nicht hundertprozentig gelöst.
Das gelbe Reizgas breitete sich weiter aus. Der Weg durch den Verkaufsraum des Supermarktes war uns abgeschnitten. Und hier bleiben konnten wir nicht, auch wenn die Gaskonzentration noch keine bedenkliche Größenordnung hatte. Aber das konnte schneller eintreten, als uns lieb war.
Der verletzte Allan Tucoma rang jetzt schon nach Luft.
"Verdammt... Ich brauche einen Arzt!", keuchte er.
"Du hättest längst einen, wenn deine Freunde hier nicht aufgetaucht wären", erwiderte ich.
"Scheiße..."
Draußen wurde geschossen. Offenbar waren die Maskierten nicht bereit, sich kampflos zu ergeben.
Ein anderes Geräusch übertönte jedoch alles.
Aus einem der ehemaligen Büroräume drang ein gewaltiger Knall.
Stimmen wurden laut.
"Jesse! Milo! Seid ihr da irgendwo?"
Ich schnellte vor, hielt mir die Nase dabei zu und erreichte den Raum, in dem die Detonation stattgefunden hatte. Mit einer Sprengladung hatten unsere Kollegen einen Teil der Spanplatten beseitigt, die die Fensterfront zum Großteil verdeckt hatte. Die Scheiben waren geborsten.
Ich blickte in die Augen unseres Kollegen Jay Kronburg, der mit seinem 4.57er Magnum-Revolver dastand und mich ebenso überrascht musterte wie ich ihn. Sein Partner Leslie Morell befand sich nur wenige Schritte von ihm entfernt. Zwei uniformierte Officers der City Police waren gerade dabei hereinzuklettern.
Ich steckte die SIG zurück ins Holster.
"Alles klar!", sagte ich.
Die Schussgeräusche verebbten inzwischen.
Agent Leslie Morell griff sich an den Funk-Ohrhörer, über den er mit den anderen, an diesem Einsatz beteiligten Kollegen verbunden war.
"Ich höre gerade, dass zwei Männer verhaftet wurden!"
"Es waren insgesamt vier", erklärte ich. "Einen habe ich leider in Notwehr erschießen müssen."
"Das heißt, dass ein Täter entkommen ist", stellte Milo fest.
"Wir werden die umliegenden Blocks absuchen", versprach Jay Kronburg. "Das Aufgebot, mit dem wir hier angerückt sind, ist groß genug dafür!"