Kitabı oku: «Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis», sayfa 25
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16


Nach der Besprechung in Mr. McKees Büro traf ich zufällig Sally Hiram auf einem der Flure im FBI-Hauptquartier. Agent Baker, einer unserer Vernehmungsspezialisten, war bei ihr.
Sie blieb kurz stehen und sah mich an.
Ich nickte ihr zu.
Irgendetwas stimmt mit dieser Frau nicht, ging es mir durch den Kopf. Ich sah ihr nach, als sie mit Agent Baker den Flur entlangging.
Sie wurde überwacht. Jeder Schritt, den sie machte, wurde von Kollegen beobachtet.
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17


Gegen Mittag erreichte uns ein Anruf der Gerichtsmedizin in Stamford, Connecticut - einer etwa eine Autostunde von Manhattan entfernten Großstadt mittlerer Größe an der wilden Küste des Long Island Sounds.
Siebzig Minuten später empfing uns in der städtischen Leichenhalle der Pathologe Dr. Harold Gallimard, ein breitschultriger, untersetzter Mann in den Fünfzigern.
Außerdem war ein Beamter des Stamford Police Departments anwesend. Er stellte sich als Captain Max Carranoga vor und war seines Zeichens Leiter der Homicide Squad.
"Die beiden Toten wurden in einem Motel gefunden, das am United States Highway Number One zwischen Stamford und Darien liegt. Die Projektile, mit denen die beiden erschossen wurden, waren im Labor. Dabei stellte sich leider nichts heraus. Aber die Waffen, die die beiden Ermordeten bei sich führten, waren aktenkundig. Sie sind bereits kriminaltechnisch erfasst worden. Und zwar bei dem Überfall auf das MADISON GEN-TECH-Gelände in New Rochelle. Deswegen haben wir den FBI verständigt, Agent Trevellian."
"Vermutlich handelt es sich bei den Toten um die Männer, hinter denen wir her sind", meinte ich.
Dr. Gallimard führte uns durch die kühlen, gekachelten Räumlichkeiten des Leichenschauhauses.
Der Pathologe führte uns zu zwei Leichname, die mit weißen Tüchern bedeckt waren.
"Ich denke nicht, dass es etwas für Sie bringt, wenn Sie sich die Toten ansehen", meinte Gallimard. "Außerdem bin ich mit der Obduktion noch nicht ganz fertig. Die Todesursache ist jedoch eindeutig. Die Männer wurden aus nächster Nähe erschossen."
"Wissen Sie etwas über den Todeszeitpunkt?"
"Der liegt noch keine 48 Stunden zurück", war Gallimard überzeugt. "Aber um das herauszufinden braucht man keine Obduktion. Das geht aus Zeugenaussagen hervor. Aber das wird Ihnen Captain Carranoga erläutern."
"Die Schüsse wurden Dienstag gegen 2.34 vom Portier an der Rezeption gehört", sagte Carranoga.
"Das würde passen", meinte Milo. "Nach ihrem Coup in New Rochelle sind die Täter über den Highway one die Connecticut-Küste entlanggefahren und haben sich einen Platz zum Übernachten gesucht."
"Wir haben über das Abgleichen der Fingerprints die Identität der Beiden herausgefunden", erläuterte Captain Carranoga. "Es handelt sich um Ray Lansing und Tony Manzaro, zwei einschlägig vorbestrafte Berufsverbrecher. Ich habe Ihnen ein Dossier zusammengestellt, in dem alle unsere bisherigen Ermittlungsergebnisse festgehalten sind."
"Danke", sagte ich.
"Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen noch den Tatort. Ein anderer Mieter des Motels will einen Mann gesehen haben, der vor dem Zimmer der beiden Toten stand. Die Beschreibung dieses Unbekannten ist nicht besonders toll. Sie liegt bei den Akten. Aber es könnte der Täter gewesen sein."
"Ich hätte nichts dagegen, wenn wir noch zu dem Motel fahren würden", meinte Milo.
"Tut mir leid, dass ich Sie nicht in meinem Büro empfangen habe", entschuldigte sich Captain Carranoga dann. "Aber dort wird gestrichen. Alles, was wir an persönlichen Gegenständen der Toten im Motelzimmer sichergestellt haben, können Sie mitnehmen."
Zwanzig Minuten später erreichten wir Miller's Motel am Highway one in Richtung Darien. Das Motelzimmer, in dem der Mord geschehen war, war von der Stamford Police versiegelt worden. Auf dem Fußboden war mit Kreide aufgezeichnet, wie die Toten gelegen hatten.
"Wir nehmen an, dass ein kurzer, aber heftiger Kampf stattgefunden hat", erläuterte Captain Carranoga den Hergang.
"Draußen vor der Tür haben wir Abdrücke von sehr unterschiedlich großen Füßen gefunden, die vom Täter stammen könnten."
Milo runzelte die Stirn.
"Sie meinen, es waren zwei Personen hier."
"Nein." Captain Carranoga schüttelte energisch den Kopf. "Unsere Erkennungsdienstler sind der Ansicht, dass es sich um die Abdrücke einer Person handelt, die zwei sehr unterschiedlich große Füße hat. Vielleicht eine Art Missbildung oder so etwas. Wir haben versucht, herauszufinden, ob einer der Gäste Füße mit diesen Merkmalen hat, aber wir konnten noch nicht alle Personen erreichen, die sich im fraglichen Zeitraum hier eingetragen hatten."
"Ich möchte gerne mit demjenigen sprechen, der hier zur Tatzeit an der Rezeption Dienst hatte."
"Müsste sich einrichten lassen", meinte Carranoga.
"Allerdings sind alle relevanten Aussagen bei den Akten..."
"Ihre Akribie in allen Ehren, Sir", erwiderte ich. "Aber ich nehme nicht an, dass Sie dem Zeugen dies hier zeigen konnten." Und während ich das sagte holte ich das Bild eines CX-Behälters aus der Jackentasche heraus.
Wir gingen zur Rezeption.
Der Portier, der zur Tatzeit Dienst gehabt hatte, wurde von zu Hause herbeigeklingelt. Eine Viertelstunde später konnten wir ihn befragen.
"Ich habe doch schon alles der Polizei gesagt", meinte er. "Und diesen Kerl in Mantel und Anzug habe ich auch genau beschrieben... Mein Gott, der sah so brav und bieder aus. Wie einer dieser frommen Bibelverkäufer, die übers Land ziehen. Ich komme gebürtig aus Wisconsin, müssen Sie wissen. Und..."
"Von wo aus haben Sie den Mann gesehen?"
"Von meinem Platz an der Rezeption aus. Durch das Fenster. Er stand im Licht der Außenbeleuchtung."
"Hat er Sie auch bemerkt?"
"Das glaube ich nicht."
"Ist Ihnen sonst noch irgendetwas an ihm aufgefallen?"
"Nein. Er hat sich auch nicht bei mir gemeldet, sondern ist gleich zum Zimmer der beiden Männer gegangen, die jetzt tot sind."
"Sie haben ihn gesehen, bevor die Schüsse fielen?"
"Ja."
"Was haben Sie gemacht, als die Schüsse fielen?"
"Ich habe aus dem Fenster geschaut. Es war nichts zu sehen. Dann habe ich die Polizei angerufen. Ich hatte eine Höllenangst..."
"Haben Sie den Mann, der vor dem Motelzimmer wartete, noch einmal gesehen?"
"Ja, ganz kurz. Er befand sich auf dem Parkplatz und stieg gerade in seinen Wagen ein."
"Was für einen Wagen?"
"Eine Limousine. Vielleicht ein Chevy."
"Hatte der Mann irgendetwas bei sich?"
"Was meinen Sie damit?"
"Hatte er etwas in der Hand?" fragte ich. "Eine Tasche oder so etwas?"
"Ja, da war etwas. Ein Ding, das aussah wie eine Thermoskanne, in der man Kaffee warmhält... Jetzt, wo Sie es sagen, fällt es mir ein."
"Könnte es so etwas gewesen sein?", hakte ich nach und zeigte ihm das Bild des CX-Behälters.
Er nickte.
"Ja, ich bin mir sicher. Was ist das?"
"Ich habe noch eine letzte Frage", sagte ich, ohne darauf einzugehen. "Die beiden Männer, die erschossen wurden, haben sich hier bei Ihnen ins Gästebuch eingetragen..."
"Ja. Die Unterschriften sind kaum leserlich, vielleicht auch falsch. Ich habe ehrlich gesagt auch nicht weiter nachgefragt. Wenn ich das bei jedem machen würde, der hier her kommt..."
"Darum geht es nicht", unterbrach ich seinen Redefluss. "Wir haben Grund zu der Annahme, dass ursprünglich ein dritter Mann bei ihnen war."
"Davon weiß ich nichts."
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18


Wir kehrten nach Manhattan in die Federal Plaza zurück.
Captain Carranoga hatte uns sämtliche Beweisstücke ausgehändigt, die in dem Motelzimmer sichergestellt worden waren.
Unter den Unterlagen, die Carranogas Homicide Squad inzwischen angelegt hatte, befand sich auch ein Phantombild des blassen Biedermanns, den der Portier gesehen hatte. Es war ein Allerweltsgesicht.
Die Kollegen aus Stamford hatten das Bild bereits durch den Computer gejagt, aber es gab keinerlei Hinweise darauf, dass der Mann den Behörden bereits in irgendeiner Weise bekannt war.
Später ging ich zusammen mit Milo die persönlichen Sachen durch, die in Miller's Motel am Highway One von der Stamford Police gefunden worden waren. Die Gegenstände und Kleidungsstücke waren bereits kriminaltechnisch untersucht worden. Wir konnten also nichts verderben.
Insbesondere interessierte uns ein Handy, das einer der Männer bei sich gehabt hatte. Eine vollständige Auflistung aller Gespräche würden wir über die Telefongesellschaft bekommen, bei der der Besitzer unter Vertrag gewesen war.
Aber das konnte noch einen Tag dauern.
Immerhin hatten die Kollegen vom Stamford Police Department den Pin Code geknackt, so dass wir in das Menue gelangen konnten. Etwa vierzig Telefonnummern waren im internen Speicher zu finden. Die meisten davon wurden auf dem kleinen Display sogar mit dem dazugehörigen Namen angezeigt, was uns die Arbeit zusätzlich erleichterte.
Die meisten Nummern gehörten zu Leuten aus dem Umkreis um John F. Monty.
Über einige fanden sich Dossiers in unseren Datenbanken.
Ein paar Nummern von verschiedenen Lokalen in Manhattan waren auch darunter.
Außerdem waren dann noch ein paar Eintragungen vorhanden, bei denen nur die Vornamen aufgeführt waren. Eine kurze Überprüfung ergab, dass es sich um Verwandte von Tony Manzaro handelte, was nahelegte, dass er - und nicht Lansing der Besitzer des Apparats gewesen war.
Blieben noch zwei Nummern.
Wie probierten sie einfach aus.
Bei der ersten Nummer meldete sich das Gemeindezentrum einer Kirche mit dem Namen DIE AUSERWÄHLTEN DER APOKALYPSE in der Upper West Side.
"Scheint als wäre Manzaro ein frommer Mann gewesen", kommentierte Milo dieses Ergebnis.
"Er wäre nicht der erste Gangster, der sich vor dem Einbruch bekreuzigt", erwiderte ich. Und plötzlich musste ich an Sally Hiram und ihr Gerede von der Herrschaft des Bösen denken.
"Was ist los?", fragte Milo.
Seine Stimme riss mich aus meinen Gedanken heraus zurück ins Hier und Jetzt.
"Nicht so wichtig", murmelte ich.
Es blieb noch eine weitere Nummer.
Sie war unter dem Namen Smith eingetragen.
Und dort meldete sich niemand.
Es kostete uns nur einen Blick in das Telefonnummernverzeichnis der Stadt New York - eine Art umgedrehtes Telefonbuch - um die Erklärung dafür zu finden.
Die Nummer gehörte nämlich zu einer Telefonzelle am Times Square.
"Sieht ganz nach einem konspirativen Kontakt aus", meinte ich.
"Dieser Smith könnte der dritte Mann gewesen sein", vermutete Milo. "Schließlich haben die Wachmänner in New Rochelle ausgesagt, dass die beiden Einbrecher von einem Wagen abgeholt wurden. Und den muss schließlich irgendwer gefahren haben." Er hob die Schultern und fuhr dann fort: "Offenbar sind die Kerle über den Verbleib der brisanten Beute in Streit geraten."
"Das ist eine Möglichkeit", erwiderte ich.
"Und was ist die andere?"
"Dieser Smith war der Auftraggeber oder ein Kontaktmann für den Auftraggeber."
"Vielleicht hatten Manzaro und Lansing andere Vorstellungen vom Honorar für ihre Dienste... Oder sie haben versucht, zu handeln."
"Ja, das wäre möglich, Milo."
"Das würde bedeuten..."
"...dass der dritte Mann wahrscheinlich einer der anderen Namen in diesem Menue ist!"
Milo pfiff durch die Zähne. "Dann lass uns mal durchchecken, wer von seinen Vorstrafen her für so eine Sache in Frage käme."
Wir sahen uns die verschiedenen Datenausdrucke an. Die Sache war ziemlich eindeutig.
"Tom Ridger", murmelte Milo. "Vor sieben Jahren fuhr er schon einmal einen Fluchtwagen bei einem Einbruch, an dem auch John F. Monty beteiligt gewesen sein soll."
"So schließt sich der Kreis."
"Ridger wurde damals verurteilt, müsste aber längst wieder draußen sein."
Es dauerte keine Minute und die Fahndung nach Tom Ridger war eingeleitet.
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19


Der Mann, der sich Smith nannte, betrat das Halbdunkel von Frenzy's Billard Cafe in der 73. Straße Ost. Er knöpfte das Jackett auf. An seinem Hosenbund spürte er das Gewicht der Pistole, die er dort stecken hatte.
Hektisch glitt sein Blick über die Leute am Tresen. Es waren vorwiegend Männer. Zänkisches Stimmengewirr drang zu ihm herüber.
Ein riesiger Kerl in Ledermontur kam an ihm vorbei und musterte ihn.
"Ich weiß nicht, ob das der richtige Laden für dich ist", meinte er dann.
Smith' Gesicht blieb regungslos.
"Das lassen Sie mal meine Sorge sein", zischte er.
Der Kerl in Ledermontur zuckte die Achseln und ging hinaus.
Smith sah sich weiter in dem Lokal um.
Die Billardtische waren im Moment kaum frequentiert. Im Hintergrund lief gitarrenorientierte Musik.
Smith ging zum Schanktisch.
Der Mann, der die Getränke ausgab, hatte einen Vollbart, der ihm fast bis zum Rippenbogen reichte. Die schon schütter gewordenen Haare waren zu einem Zopf zusammengefasst.
"Ich bin ein Freund von Tom Ridger", behauptete Smith.
Der Bärtige grinste.
"Du siehst mir eher aus wie ein mormonischer Missionar, Bruder."
"Wo ist Tom?"
"Die Frage ist doch: Betrachtet Tom dich auch als seinen Freund? Mit so komischen Typen wir dir habe ich ihn nämlich noch nie 'rumlaufen sehen."
"Es geht für ihn um eine Menge Geld."
Der Bärtige runzelte die Stirn. "Für'n Bullen bist du zwar langweilig genug angezogen - aber nicht clever genug. Wer sind Sie?"
"Mein Name ist Smith!"
"Allein mit den Smith' von New York City könnten Sie 'ne ganze Kleinstadt füllen", erwiderte der Bärtige. "Ein bisschen genauer hätte ich's schon ganz gerne."
"Wenn Sie Tom sagen, dass Smith hier war, wird er Bescheid wissen."
"Habe ich gesagt, dass Tom hier her kommt?"
"Schon gut, Corey", meldete sich eine heisere Stimme von hinten. Smith drehte sich herum. Ein hoch aufgeschossener, muskulöser Kerl stand vor ihm. Das enganliegende schwarze T-Shirt ließ die Arme frei, auf denen vor lauter Tätowierungen kaum noch Platz war. Das Haar war blond und steil in die Höhe gerichtet. Aber das Blond ging zu sehr ins Gelbliche, um echt zu wirken.
"Du bist Smith?", fragte er.
"Ja."
Der Bärtige mischte sich ein. "Ich dachte, ihr kennt euch."
"Halt die Klappe", knurrte der andere.
"Wir sollten uns unter vier Augen unterhalten, Mr. Ridger", schlug Smith vor.
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20


Milo saß am Steuer unseres Dienstwagens. Wir waren unterwegs nach Yorkville, wo Tom Ridgers letzte Adresse lag. Ob die noch stimmte, würde sich zeigen. Ridgers Bewährungsauflagen waren längst abgelaufen und er brauchte sich nirgends mehr zu melden.
Ich hatte die Mappe auf den Knien, in der die Ermittlungsergebnisse der Polizei in Stamford dokumentiert waren.
Eine ganze Weile betrachtete ich das Phantombild von dem Mann, der im Verdacht stand, Lansing und Manzaro getötet sowie den CX-Behälter an sich gebracht zu haben.
"Wir sollten dieses Bild mal in der Gegend des Times Square herumzeigen", meinte ich. "Vielleicht hat jemand diesen Mann dort in der Nähe einer bestimmten Telefonzelle gesehen..."
"Du glaubst, er könnte der mysteriöse Mann namens Smith sein", vermutete Milo.
Ich nickte.
"Liegt doch nahe", fand ich.
"Ich sag es ungern, aber uns läuft die Zeit davon."
"Wem sagst du das, Milo."
"Wenn wir diesen verdammten CX-Behälter bis Ende der Woche nicht aufgetrieben haben, sehe ich ziemlich schwarz."
Tom Ridgers Adresse lag in einem schmucklosen, fünfstöckigen Brownstone-Haus, das ziemlich heruntergekommen aussah. Dies war Sanierungsgebiet. Hier investierte niemand in alte Häuser. Jeder wartete darauf, dass der Abriss endlich begann.
Milo und ich stellten den Wagen aus der Fahrbereitschaft des FBI-Districts New York am Straßenrand ab, stiegen aus und gingen zur Haustür. Sie stand offen. Es gab keine Videoüberwachungsanlage oder irgendwelche anderen Sicherheitsmaßnahmen, wie sie inzwischen überall im Big Apple gang und gäbe waren. Es gab hier noch nicht einmal ein funktionierendes Schloss.
Der Flur war mit Graffitis verschmiert.
Der Fahrstuhl funktionierte nicht.
Mit schnellen, raumgreifenden Schritten brachten wir jeweils zwei oder drei Treppenstufen auf einmal hinter uns.
Ridgers Wohnung lag im ersten Stock.
Minuten später standen wir vor seiner Wohnungstür.
Die Klingel hatte jemand mutwillig zerstört. Von Ridgers Name war nur noch RIDG übriggeblieben. Auch hier war der Flur mit Griffitis übersät, doch selbst die waren schon nicht mehr vollständig. Überall blätterte der Putz herunter.
Milo und ich zogen unsere Dienstwaffen.
Aus dem Inneren der Wohnung waren Geräusche zu hören.
"Scheint, als wäre Ridger zu Hause", meinte Milo.
Wir hatten uns rechts und links von der Tür postiert.
Ich nickte Milo zu.
Milo schnellte vor, holte zu einem gewaltigen Fußtritt aus.
Die Tür sprang auf, Milo stürzte mit der P226 im Anschlag hinein. Er riss den Lauf der Waffe empor.
"FBI! Hände hoch!", rief er.
Ich folgte ihm in die Wohnung.
Inmitten eines chaotisch wirkenden Wohnzimmers stand ein Mann, wie zur Salzsäule erstarrt. Er hatte eine Halbglatze und war schätzungsweise fünfzig bis sechzig Jahre alt.
Die Bilder, die ich von Ridger auf dem Computerschirm gesehen hatte, waren zwar schon etwas älter, aber immer noch gut genug, um auf den ersten Blick zu sehen, dass dies ein anderer Mann war. Er war offensichtlich damit beschäftigt, die Wohnung zu durchwühlen.
Zögernd hob er die Hände.
"Sie denken jetzt sicher was ganz Falsches", stammelte er, während er auf den Dienstausweis starrte, den Milo ihm entgegenhielt.
Ich ging mit der Waffe im Anschlag an ihm vorbei. Einen Augenblick später hatte ich die Tür zum Nebenraum erreicht.
Ich tastete mich voran.
Vorsichtig warf ich einen Blick hinein.
Es handelte sich um ein Schlafzimmer, das genauso unaufgeräumt war, wie der Rest der Wohnung.
"Hier ist niemand", sagte ich.
Dann nahm ich mir noch das Bad und die Küche vor.
Milo durchsuchte indessen den Mann nach Waffen.
"Vielleicht erklären Sie mir mal, was hier eigentlich gespielt wird", brachte er dann hervor, nachdem er den ersten Schrecken verdaut hatte.
Wir steckten unsere Waffen ein.
"Dasselbe wollten wir Sie gerade fragen", meinte Milo.
"Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen..."
"Wer sind Sie?, fragte Milo.
"Joel Mariano. Ich habe die Wohnung nebenan. Sie können es überprüfen, ich sage die Wahrheit..."
"Hat Mr. Ridger Sie beauftragt, hier aufzuräumen - oder was machen Sie hier?"
"Dieser Mr. Ridger schuldet mir 'ne Stange Geld. Er hat's mir immer wieder versprochen, der Hund. Und jetzt lässt er sich schon wochenlang nicht mehr hier blicken und da..."
"...da haben Sie die Sache selbst in die Hand genommen", vollendete ich.
Er zuckte die Achseln.
"Nicht jeder kann sich die Dienste eines Inkasso-Büros leisten."
"Wo ist Ridger?", fragte ich.
"Keine Ahnung."
"Rein rechtlich gesehen ist das, was Sie hier gemacht haben ein Einbruch..."
"Mann, ich weiß es wirklich nicht!", schrie er mich an und sein Kopf wurde dunkelrot dabei. Er atmete tief durch. "Muss eine große Sache sein, in die Tom Ridger da verwickelt ist, sonst würdet ihr vom FBI euch nicht dafür interessieren..."
"Ein bisschen mehr als Falschparken ist es schon", murmelte Milo. "Und wenn ich Sie wäre, würde ich mir jetzt ganz schnell überlegen, auf welcher Seite ich stehe. Außerdem sollten Sie daran denken, dass Tom Ridger sicher nicht begeistert davon sein wird, wenn er erfährt, was Sie hier gemacht haben..."
"Hören Sie..."
"Er ist unter anderem auch mal wegen Körperverletzung vor Gericht gewesen und soll mitunter ziemlich jähzornig sein."
Joel Mariano schluckte.
"Ja, ja...", knurrte er.
"Also sorgen Sie dafür, dass wir ihn schnell kriegen", schlug Milo vor.
Mariano machte zwei Schritte seitwärts, ließ die Schultern hängen. Dann sackte er in einen der durchgesessenen Sessel.
"Ich weiß wirklich nicht, wo Ridger ist, das müssen Sie mir glauben..."
"Und Sie haben keine Vermutung. Erzählen Sie keine Märchen", erwiderte Milo.
"Naja, er hat 'ne neue Freundin. Blondes Haar, lange Beine. Ich denke, er ist bei der."
"Adresse und Namen wissen Sie nicht zufällig?"
Mariano beugte sich vor.
"Versuchen Sie es doch mal in Frenzy's Billiard Cafe, 73. Straße Ost. Nicht gerade ein Laden nach meinem Geschmack, aber vielleicht finden Sie Ridger dort."
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