Kitabı oku: «Pumping Art», sayfa 3

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Sein Vater trug ganztags Anzüge für seine Firma. Es gab ein Büro in der Innenstadt, mit vier Mitarbeitern. Sein Vater betrieb eine Finanzberatung. Wenn sein Vater nach Hause kam, verschwand er meistens zuerst in ein Arbeitszimmer, im Erdgeschoß neben dem großen Wohnzimmer. Und immer, wenn er wieder herauskam, sah er diesen Fußballtrainern ähnlich, die zum Spiel in vollem Anzug erscheinen, inklusive Krawatte, den sie im Verlaufe höchster Arbeitsamkeit, die sie mit ihrer Mannschaft auf dem Rasen teilen wollen, zur Hälfte ablegen, indem sie noch während der ersten Halbzeit das Jackett ausziehen oder aber so nach der Pause zur zweiten Halbzeit erscheinen, hemdsärmelige Entschlossenheit oder Kampfeswille oder irgendwas Ähnliches signalisierend. Bei Trainern mag das diese Wirkung haben. Bei seinem Vater hatte es das nicht. Aber oft genug kam er so die Küche, wenn Frank sich einen Moment dort aufhielt. Das sah jedesmal zufällig aus. Aber sein Vater kam immer zu schnell und zu gut vorbereitet auf sein Thema zu sprechen. Die Schule.

Sein Vater bekam davon absolut nichts mit.

Frank antwortete deshalb stets unverbindlich. Harmlos. Und auch deshalb aßen sie nur noch äußerst selten zusammen. Darauf achtete Frank.

Und war dann echt angepißt, als sein Vater mit seinem AudiTT auf dem Parkplatz vor der Schule absichtlich achtlos parkte, ins Gebäude verschwand und mit einem der Lehrer sprach. Davon hatte er vorher nichts verlauten lassen. In der Pause hatte der Audi schon die Runde gemacht. Und Frank wäre lieber auf dem Bauch nach Hause gerutscht, als zu seinem Vater eingestiegen, falls der ihm das angeboten hätte. Aber da war der Wagen schon wieder weg.

Nachmittags trafen sie sich in der Küche.

Sein Vater im weißen Hemd, die Ärmel hochgeschlagen. Er müsse noch zu einem Meeting, sagte er. Aber vorher wolle er noch mit Frank sprechen. Er sei in der Schule gewesen und habe mit seinem Klassenlehrer gesprochen. Frank fragte erst gar nicht, was der Scheiß sollte. Schlimmer, als irgendwelche Auseinandersetzungen, war, keine zu haben. Genau das war aber der Stand der Dinge des letzten Jahres.

„Ich wußte nicht, daß du Nachhilfe in Mathe und Physik gibst.“

„Dann weißt du´s jetzt.“

„Werde nicht fluzzig.“

„Oh, wieder ein Wort aus deiner Jugend?“

„Herr Roth meinte, daß du sogar höheren Jahrgängen Nachhilfe gibst.“

„Ja und?“

„Das ist ...“

„Was ist damit? Du hast ja nicht mal richtig mitgekriegt, das ich eine Klasse übersprungen habe!“

„Doch, das habe ich.“

„Welche?“

„Was?“

„Welche Klasse?“

„Siebte.“

„Achte.“

„Okay. Achte. Aber hast du jetzt schon mal daran gedacht, was du studieren willst? Zum Beispiel Betriebswirtschaft? Darüber wollte ich mit dir reden. Du wirst demnächst siebzehn ...“

„Es geht um die Firma, was?“

„Ja. Nein, nicht nur ... .“

„Wegen der Mama dich verlassen hat.“

„Sie hat ...“

„Sie hat dich wegen deiner scheiß Firma verlassen.“

„Hat sie das gesagt?“

„Ja.“

„Wann?“

„Wie wann?“

Wann hat sie das gesagt?“

„Als ich sie das letzte Mal gesehen habe.“

„Und wann war das?“

„Vor drei Monaten.“

Vor drei Monaten?“

Frank sah ihn immer noch nicht an. Er war eigentlich damit beschäftigt, zwei American Sandwich Toastscheiben dick mit Quark einzustreichen und mit Tomaten und Käse zu belegen.

„Du warst bei ihr?“

„Ja.“

„Wieso weiß ich nichts davon?“

„Du weißt Vieles nicht.“

Sein Vater hatte die Kühlschranktür geöffnet. Sie blieb offen, während er davor stand. Niemand würde eine Kühlschrank so lange offen lassen, schon aus dem Drill heraus, sie gleich wieder zuzumachen, um Energie zu sparen. Wie er es selbst immer erklärt hatte. Jetzt atmete er einmal tief ein und wieder aus. Als hätte er den spürbaren Austritt der Kälte abgewartet, um genau die einatmen zu können.

„Und das hat sie gesagt: scheiß Firma? Oder sagst du das?“

„Fang gar nicht erst an, zu schreien.“

„HAT SIE DAS GESAGT ODER SAGST DU DAS?“

„Schrei nicht, verdammt nochmal.“

„ICH SCHREI, WANN ES MIR PASST!“

Damit schlug er die Kühlschranktür zu hart zu, so daß sie gleich wieder einen Spalt aufsprang. Und im Kühlschrank hatte etwas laut geklirrt.

„Dann schrei mal alleine.“

Frank nahm das Holzbrett mit dem Sandwich und verließ die Küche.

„Warte! ... bleib.“

Frank blieb in der Tür stehen. Das war das Mindeste.

„Was?“

„Du hast Recht.“

„Womit?“

„Das ich nicht zu schreien brauche. Aber es ist keine scheiß Firma.“

„Du sagst selbst, daß sie Schieflage hat.“

„Das hat sie immer mal. Auf und ab. Das habe ich ... immer noch wieder aufgefangen. Und das werde ich auch in Zukunft.“

„Mit mir oder was?“

„Hast du mal daran gedacht?“

„Nein. Absolut nicht.“

Sein Vater atmete nochmal übertrieben tief ein. Er blieb neben dem Kühlschrank stehen.

„Ich habe ihr fast alles kaufen können.“

„Darauf kommt es nicht an.“

Sein Vater suchte wieder den Blick, den er jetzt bekam. Frank schaute ihn endlich an. Über die ganze Küche hinweg. Aber es war ein müder Blick, mit schweren Lidern. Er war müde.

Er war es müde.

„Sie hat dich verlassen. Ob sie vorher schon psycho war oder erst nachher, weiß ich nicht. Aber du hättest es wissen können. Du hättest wissen können, wie eure ... Ehe war. Aber du hast es nie gewußt. Du hast nie darauf geachtet.“

Frank hielt inne.

Das war ein Anfang.

Aber er ließ es. Er wollte nicht weiter.

Vaters neue Freundin ging ihn nichts an. Sie war fünfzehn Jahre jünger als sein Vater, depressiv, Leidensfresse. Aus psychischen Gründen aus dem Beruf als Krankenschwester ausgeschieden. Sie saß immer mit krummem Rücken da. Ellen. Ellen betrug sich Frank gegenüber indifferent. Kumpelhaft wegen des geringen Altersunterschiedes. Und erwachsen, wenn sie auf seiten des Vaters sein mußte. Beides mißglückte. Daran sah Frank, daß sie ihren Platz in dem Gefüge nicht einnehmen konnte. Und sein Vater war mit ihr nicht etwa allein deshalb zusammen, weil sie jung und gut gebaut war, mit einem langen brünetten Pferdeschwanz, der ihren reizvollen Hals betonte, sondern auch, weil sie grundsätzlich tat, was er ihr sagte. Sein Vater glaubte an die Wahnvorstellung, etwas kontrollieren zu können. Sein Leben. Das anderer. Daran glaubte er. An Kontrolle. An Macht.

Dabei war inzwischen nur noch Frank übrig geblieben. Und das auch nur physisch.

Immerhin wohnte die Freundin hier nicht.

Das war besser so.

Ellen war geschieden, ohne Kinder. Sie behielt ihre Wohnung. So konnte sein Vater sie hier im Haus ficken, ohne daß sie, umgekehrt, in ihn eindrang. In sein großes Haus. Er war vierzig, hatte gute Haut, dunkles Haar, das gut geschnitten war, helle Augen, gut durchblutete Lippen, was gesund wirkte, weiße Zähne, eine schlanke Figur in stets gut sitzender Kleidung, einschließlich teurer Schuhe. Und eine Körpersprache, die immer den Kopf gerade erscheinen ließ, als wollte er damit eine unsichtbare Decke berühren. Immer eine Hand in die Hüfte gestützt. Und hatte im Grunde alles verloren.

„Reden wir also von einem Studium?“

„Nein.“

„Wovon dann?“

„Keine Ahnung, wovon wir reden.“

„Wir reden über deine Zukunft.“

Diesmal holte Frank einmal tief Luft, leicht zittrig, was sich hoffentlich nicht nach außen mitteilte. Es gab zumindest kein Zittern in der Stimme.

„Vielleicht reden wir zum Beispiel darüber, das es allein meine Entscheidung war, nicht mit Mama gegangen zu sein, sondern hier im Haus zu bleiben. Aber DU hast damit nichts zu tun. DU hast schon lange nichts mehr mit mir zu tun. Wir sind nicht mal mehr das Rudiment einer Familie, weil es die nie gegeben hat. Es hat nie ein Ganzes gegeben. Es gab immer nur: Dich. Mama. Fanny. Mich. Jeder für sich. Wir waren NIE zusammen.“

„Gottverdammt!

„Ja genau.“

„Gottverdammt.“

„Deshalb brauchen wir auch über keine Firma zu reden, in die ich einsteige. Oder ein Studium.“

Sein Vater änderte seine Körperhaltung.

Du lebst für deine verschissene Firma. Nicht ich. Wir brauchen also auch nicht so zu tun, als redeten wir darüber. Das ist doch nur scheiß Konvention. Fanny ist weg. Mama ist weg. Was willst du von mir? Das, was du willst? So wie immer? Aber ich weiß ja nicht mal, was ich eigentlich will! Verstehst du das? ICH WEISS NICHT, WAS ICH WILL! ICH WEISS ES NICHT!“

„Aber darüber können wir reden!“

„Können wir nicht!“

„Aber ich kann dir was bieten!“

„Nein! Kannst du nicht!“

„GOTTVERDAMMT, ich ... !“

„Herrgott! Ich komm mir vor wie scheiß James Dean mit seinem Vater!“

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Überall starten Motoren unterschiedlichster Klangqualität, die in der kalten Luft des ewig dämmrigen, niedrigen Parkdecks aus Schiffsmetall in alle Richtungen Echos zu einem ansteigenden Geräuschpegel streuen. Jacken werden darin angezogen oder ausgezogen. Ein paar Kinder rennen herum. Erwachsenenköpfe tauchen ab. Türen klappen. Rufe. Stimmen. Und noch mehr Motoren.

Frank steigt ebenfalls ein.

Peter sitzt bereits.

Frank hat ihn vorhin in einem der Fastfoodbereiche getroffen, nachdem er in dem Kinosaal aufgewacht ist. Peter frühstückte english breakfast. Das Mädchen war nicht bei ihm. Frank hatte nur einen Kaffee getrunken und war danach mit Peter zu der Kabine gegangen, die Taschen holen.

Es gibt immer noch Durchsagen in drei Sprachen.

Peter hält einen USB-Stick hoch.

„Mucke?“

„Jetzt?“

„Wieso nicht jetzt?“

„Weil ich erst von dem Schiff runter möchte.“

„Was hat das damit zu tun?“

„Ich habe … wenig geschlafen.“

„Ja. Wo warst du eigentlich die letzte Nacht? Ich hab´ das nicht mehr richtig mitgekriegt.“

„Ich hab in einem Aufenthaltsraum geschlafen.“

„Wieso?“

„Die Kabine war zu tief im Schiff.“

„Davon hast du nichts gesagt.“

„Nein.“

„Bist du deswegen weg?“

„Ja.“

„Wegen ... sonst noch was?“

„Nein.“

Peter lacht plötzlich. Frank riecht den Alkohol in dessen Atem. Der Flachmann. Peter als Alkoholiker. Braucht morgens seinen ersten Schluck. Hier im Auto um diese Stunde riecht das nicht gut.

„Gato, der Schweigsame.“

„Wer?“

„Du.“

„Nein, ich meine, wer soll das sein?“

„Charles Bronson in dem Film.“

„Gato, der Schweigsame? Du meinst Cusack, der Schweigsame?“

„Oder so.“

„Mit Chuck Norris.“

„Auch recht.“

Kurzes Schweigen.

„Und wer ist Gato?“

„Keine Ahnung. Es gibt noch Mein Name ist Gator. Vielleicht meinst du den?“

„Dann meine ich den. Jedenfalls Charles Bronson.“

„Gator ist aber mit Burt Reynolds.“

„Shit. Sicher? Wie heißt dann der mit Charles Bronson?“

„Welcher? Mann, der hat viele Filme gemacht.“

„Gott. Was weiß ich“

„Chato´s Land vielleicht?“

„Kato?“

„Mit Ch. Chato.“

„Ah Shit!“

Peter wirkt leicht sediert, seine Mimik ist merkwürdig schlaff, kaum Gesten, er sitzt auf dem Beifahrersitz und starrt unter halb herabgelassenen Lidern durch die Frontscheibe, durch die es nichts anderes zu sehen gibt als dunkles Parkdeck und die Autos in unmittelbarer Nähe. Peter neigt zu solchen Apathien.

Reden kann er deswegen immer.

„Also keine Musik?“

„Bitte. Solange wir nicht von dem Schiff runter sind.“

„Gut.“

„Wegen des Linksverkehrs.“

„Was?“

„Weil da gleich Linksverkehr ist. Daran hab ich absolut nicht gedacht, als du mich gefragt hast, ob ich hier den Fahrer mache.“

„Ich habe gefragt, ob du hier den Assistent machst.“

„Was auf das Gleiche rausläuft.“

„Nicht ganz ...“

„Deswegen jedenfalls ... .“

„Ah, Linskverkehr, das ist easy.“

„Ich darf seit gestern überhaupt erst alleine fahren.“

„Echt?“

„Ja. Das hab ich dir gesagt.“

„Stimmt. Du hattest gestern Geburtstag. Shit! Daran hab´ ich gedacht und es wieder vergessen! Sorry. Tut mir leid. Herzlichen Glückwunsch nachträglich.“

„Danke.“

„Achtzehn?“

„Ja.“

„Wollen wir darauf anstoßen?“

„Jetzt?“

„Ja.“

„Nein.“

„Okay. Ist trotzdem easy. Der Linksverkehr.“

„Sagst du!“

„Yeap.“

„Du bist Engländer.“

„Ich lebe seit neun Jahren in Deutschland.“

„Aber du bist damit aufgewachsen. Und du bist hier selbst gefahren, oder?“

„Ja, klar. Aber du warst doch auch schon hier, sagst du.“

„Vor einem Jahr. Geflogen. Da hatte ich noch keinen Führerschein.“

„Okay. Was hast du gemacht?“

„Ich war in der Tate.“

„Bist du deswegen hergefahren?“

„Hauptsächlich wegen Rothko. Der hatte in der Tate einen eigenen Saal bekommen.“

„Der neue Rothko-Saal. Den hab ich mir auch schon angesehen. Der ist großartig.“

Es entsteht eine Pause.

Eine lange Pause. So lang, das Frank aufschreckt, als Peter wieder spricht.

„Warst du allein?“

„Gott!“

„Was ist?“

„Ich dachte, du bist weggedämmert. Du hattest die Augen zu.“

„Dieses Parkdeck wirkt deprimierend. So dunkel. Eng. Kalt. Warst du allein in London?“

„Mit Freundin.“

„Welche Freundin?“

Wie auf Geheiß fällt ein mattes Licht in das Deck. Es kommt von weit vorne. Die Ladeklappe senkt sich. Die letzten Motoren starten.

„Es geht los“, sagt Frank.

Dieses Tageslichtrechteck am Ende des hangarähnlichen Decks behält seine Form. Die ersten Wagen fahren hindurch. Frank und Peter können das noch nicht sehen. Aber sie hören es. Autos fahren. Dann ziehen die ersten vor ihnen an. Frank wollte Peter die ganze Zeit nach dem Mädchen in dem Saal gestern gefragt haben, die er mitnehmen wollte, läßt es jetzt aber.

„Okay, du kannst auch gleich fahren.“

„Ich seh´s.“

„Fahr einfach.“

„Und da draußen ist noch Zoll, sagst du?“

„Ja. Zollgelände. Da ist noch kein Linksverkehr, wenn du das meinst.“

„Das meine ich.“

„Nein. Da wird erst noch kontrolliert, was reinkommt. Die Engländer sind da ein bißchen para. Da wird man gerne schon mal in eine Halle gewunken und der Wagen komplett auseinander genommen.“

Frank sieht ihn an.

„Nur bei Verdacht.“

„Oh Gott. Es geht los.“

„Hinter dem mußt du her.“

„Ich seh´s.“

„Da hin.“

„Ja. Und da draußen ist noch kein Linksverkehr?“

„Was hast du für Panik? Da ist noch kein Linksverkehr. Da kommt erst der Zoll.“

„Wo sie uns rauswinken können?“

„Genau. Fahr jetzt.“

„Shit.“

„Fahr jetzt.“

„Hinter dem ... ?“

„Ja, erst mal raus aus dem Parkdeck und dann … DA längs! Hinter DEM da her.“

„Ich seh´s!“

„Yeah, ihr englischen Schwänze, euer Peter kommt!“ ruft Peter durch sein heruntergekurbeltes Seitenfenster. Aber die Motoren, die metallenen Geräusche der auf das Kai gelegten Rampe übertönen ihn. In der kalten Luft draußen dreht er das Fenster wieder hoch.

„Guck dir das hier draußen an! Die ganzen Autos.“

„Das alles ist Zoll.“

„Gott. Das kann ja noch dauern. Und du hast Termin.“

Wir haben Termin.“

„Okay. Wir“

„Aber erst heute Nachmittag.“

„Hinter dem da jetzt her oder was?“

„Ja. Hier die Rampe hinunter und dann hinter dem her. Ein-fach dieser Spur folgen.“

„Welcher Spur denn?“

„DER DA!“

„Okay. Und was ist das da hinten?“

„Das da hinten sind die Hallen. In denen werden die Autos auseinandergenommen, die verdächtig sind. Oder auch einfach Stichproben. Richtig schick mit Hebebühnen. Und schmucken Mechanikern.“

„Die nach was suchen?“

„Guns, Drogen und Pornos. Haustiere. Die böse Welt soll draußen bleiben. Wenn du was davon mitführst, fährest du bis zu zwei Jahre in den Knast ein.“

„Du hast nichts dabei, oder?“

„Nein. Die letzten Pillen hab ich mir gestern Abend reingepfiffen. Das, was ich noch bei mir habe, sind legale Medikamente.“

„Was für Medikamente?“

„Stilnox. Lorazepam, sowas.“

„Was ist das?“

„Beruhigungsmittel. Schlaftabletten. Antidepressiva.“

„Brauchst du das?“

„Ja, Mann. Sonst würde ich das Zeugs nicht nehmen.“

„Wozu?“

„Wozu was?“

„Wozu nimmst du das?“

„Gegen Angst, Schlafstörungen, Unruhe. Panikattacken.“

Darauf kann Frank nicht weiter eingehen. Vor ihnen öffnet sich, am Ende der Rampe, ein Areal wie riesige Baustelle, mit provisorisch eingerichteten Fahrspuren, gestreiften Hütchen, Beamten in Uniform, die überall herumstehen, was natürlich alles nicht improvisiert ist. Frank folgt einfach seinem Vordermann, einem weißen VW Passat. Das Tageslicht blendet.

Frank hat schon damit zu tun, die Spur zu halten.

Die Beamten sehen den Autos entgegen. Einige sprechen in kleine schwarze Geräte, die an ihren linken Schultern befestigt sind.

Sie rollen am ersten vorüber.

Er sieht sie kurz an.

Der nächste winkt, daß sie weiterfahren sollen.

Immerhin ist Peters Erscheinungsbild in Ordnung, denkt Frank, auch wenn er total dicht wirkt. Aber das ist er im Grunde ja auch. Nur weiß man bei ihm nie genau. Weil er einiges wegstecken und immer noch reden kann.

„Guck die Typen einfach freundlich an.“

„Warum?“

„Damit es nicht aussieht, als hättest du etwas zu verbergen.“

„Ich hab´ nichts zu verbergen!“

„Gut.“

„Hast du?“

„Nein. Doch. Vielleicht.“

Er klopft mit den Knöcheln gegen den Reißverschluß seiner Hose. Es klingt, als habe er darunter ein Frühstücksbrett aus Holz deponiert.

„Was ist das?“

Er klopft nochmal.

„Mein Gay-Führer. Den habe ich mir vor längerer Zeit mal gekauft. Für London. Der gilt hier in England als Pornographie. Obwohl da wirklich gerade mal alle zwanzig Seiten ein Schwanz zu sehen ist. Und der hängt dann auch noch. Deswegen hab ich ihn in der Hose.“

„Weswegen?“

„Damit er nicht gefunden wird.“

„Und der gilt als Porno?“

„Ich glaub´ ja.“

„Und dann nimmst du das mit? Shit, Mann! Sagtest du nicht, das man dafür in den Knast gehen kann?“

„Genau.“

„Und warum hast du es dann dabei?“

„Mann, die Bilder sind harmlos. So Pin-Up-Typen, nur eben mal mit schönen langen Schwänzen. Richtig schönen langen Schwänzen. Sie müssen das Ding erst mal finden. Und ich hab das schon gemacht. Das ist nicht das erste Mal, das ich Ding mit rübernehme, okay? Also keine Sorge. Entspann dich. Du mußt den Typen nur freundlich zulächeln. So ... Cheeeeese.“

„Die stehen überall.“

„Dann lächle einfach.“

„Du hast Nerven.“

„Sonst wär´ ich ... gar nicht erst hier.“

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Frank hatte im Kunst-Kurs in der Oberstufe eine Hausarbeit mit eigenem Thema fertiggestellt. Die Eitelkeit in der Kunst - Malerei und Literatur- des 21. Jahrhunderts. Dazu hatte er Videoclips aus dem Internet geladen. Interviews mit Malern und Autoren. Neo Rauch in New York bei seiner ersten Einzelausstellung dort, wie er Fragen eines Fernsehjournalisten beantwortete. Thomas Bernhard, der vor seinem Anwesen aus dem Mercedes stieg und das holländische Fernsehteam zuerst vor dem Tor stehen ließ und dann doch herauskam, um bei einem Spaziergang Fragen zu beantworten. Philip Roth in seinem Arbeitszimmer. Houellebeqc, der zusammengesunken hinter einem Tisch auf einer Bühne saß und dem Moderator seine Dummheit gestattete. Und andere Künstler. Sie alle ließen sich idiotische Fragen gefallen. Aus beiderseitiger Geltungssucht. Beiderseitiger Eitelkeit. Auffallend stärker auf seiten der Künstler. Sie outeten sich als idiotische Gecken. Frank war abgestoßen und fasziniert. Nur zwei entsprachen dem nicht.

David Foster Wallace.

Und Francis Bacon.

Bacon in seinem Dreckloch, in Klein-Ganoven-Lederjacke, wie er neben diesem mit kaum noch unterscheidbaren Utensilien vollgemüllten Werktisch steht und während des Interviews mit einer Hand daran herumnestelt. Und vollkommen frei von Ego davon spricht, wie er seine Bilder anfertigt. Es sind die gleichen idiotischen Fragen und Bacon macht das mit. Aber man möchte ihm zuhören. Das ist der Unterschied. Er ist in diesem Video kein Geck. Er hat lange nicht in den Kunstmarkt gepaßt, hat nie den Markt bedient. Inzwischen wird er vereinnahmt, aber das ist ihm egal. Er ist ein alter, schwuler, alkoholabhängiger Autodidakt, der malti. Jetzt hat er das viele Geld, das er mit seinen Bildern verdient und die Möglichkeit, seine Bilder auszustellen.Auch das sieht man in einer Einspielung. Wie er in großen Ausstellungsräumen herumgeht und schaut, wie und wo seine Bilder aufgehängt sind. Auch das vollkommen uneitel.

Aus diesen Videos wollte Frank zweierlei machen. Einmal wollte er den jeweiligen Wortlaut abschreiben und als Texte veröffentlichen. Als wortwörtliche Interviews. Und dann wollte er die Clips selbst zu einem Film montieren, unkommentiert.

Beides, Buch und Film, wollte er jeweils Pumping Art nennen.

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Hacim:
230 s.
ISBN:
9783844240139
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