Kitabı oku: «Handbuch Medizinrecht», sayfa 9
c) Entscheidungen des EuGH
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Eine vollständige Darstellung der Rechtsprechung zur Warenverkehrsfreiheit mit Bezug zum Gesundheitsrecht ist aufgrund der Vielzahl der Entscheidungen nicht möglich. Die folgende Auswahl kann nur eine Übersicht über die Entwicklungslinien der Rechtsprechung geben. Ein Schwerpunkt der Entscheidungen liegt im Bereich des Arzneimittelrechts, das auch Gegenstand mehrerer europäischer Richtlinien ist. Dies betrifft bereits die Einordnung von Präparaten als Arzneimittel.[40]
Legt ein Mitgliedstaat für ein Knoblauchpräparat in Form von Kapseln, das nicht der Definition des Arzneimittels im Sinne der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel entspricht, das Erfordernis einer Genehmigung des Inverkehrbringens als Arzneimittel fest, so liegt darin eine durch Art. 34 AEUV verbotene Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung, die auch nicht durch Gründe des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt werden kann.[41]
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Zum anderen behandeln mehrere Entscheidungen die Frage der Einfuhr von Arzneimitteln aus einem anderen Mitgliedstaat.[42]
Eine nationale Regelung, die dazu führt, Einfuhren von Arzneimitteln in der Weise zu kanalisieren, dass sie nur bestimmten Unternehmen möglich sind, verstößt gegen Art. 34 AEUV, es sei denn, dass sie gemäß Art. 36 AEUV für einen wirksamen Schutz der Gesundheit oder des Lebens notwendig ist, etwa weil jede andere Regelung die von einer funktionierenden Verwaltung vernünftigerweise einzusetzenden Mittel erheblich übersteigen würde (Rs. De Peijper).[43]
Art. 34 AEUV steht einer nationalen Maßnahme entgegen, die die Einfuhr und den Vertrieb eines als kosmetisches Mittel eingestuften und aufgemachten Erzeugnisses mit der Begründung verbietet, dass dieses Erzeugnis die Bezeichnung „Clinique“ trägt. Das Verbot ist nicht notwendig, um den Erfordernissen des Schutzes der Gesundheit gerecht zu werden. Die klinische oder medizinische Konnotation des Begriffs reicht nicht aus, um dieser Bezeichnung eine irreführende Wirkung zuzusprechen, die ihr Verbot rechtfertigen könnte (Rs. Verband Sozialer Wettbewerb, Clinique).[44]
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Hierbei kommt dem Parallelimport von Arzneimitteln aus anderen Mitgliedstaaten eine besondere Bedeutung zu.[45] Parallelimporte sind Produkte, die außerhalb der offiziellen Vertriebsnetze der Hersteller oder zugelassenen Händler aus einem Mitgliedstaat in einen anderen eingeführt oder dort in den Verkehr gebracht werden.[46]
Art. 34 AEUV steht einer nationalen Bestimmung entgegen, die Parallelimporteure verpflichtet, denselben Erfordernissen wie denen zu genügen, die für Unternehmen gelten, die für ein Arzneimittel erstmals eine Zulassung beantragen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn eine solche Ausnahme von den Vorschriften, die normalerweise auf Zulassungen von Arzneimitteln anwendbar sind, nicht den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen beeinträchtigt (Rs. Rhône-Poulenc u.a.).[47]
Eine nationale Regelung, wonach das Erlöschen der Zulassung eines Bezugsarzneimittels auf Antrag des Inhabers dazu führt, dass die Parallelimportzulassung für dieses Arzneimittel automatisch erlischt, verstößt gegen Art. 34 AEUV. Ist jedoch nachgewiesen, dass wegen des gleichzeitigen Nebeneinanders von zwei Formulierungen desselben Arzneimittels auf dem Markt tatsächlich eine Gefahr für die Gesundheit besteht, so kann eine solche Gefahr Beschränkungen der Einfuhr der alten Formulierung des Arzneimittels im Anschluss an das Erlöschen der Bezugszulassung für diesen Markt rechtfertigen (Rs. Ferring).[48]
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Auch zu persönlichen Einfuhren von Arzneimitteln durch Privatpersonen hat der EuGH bereits wiederholt Stellung genommen.[49]
Ein Mitgliedstaat verstößt gegen Art. 34 AEUV, wenn er Privatpersonen die Einfuhr von Arzneimitteln in einer dem üblichen persönlichen Bedarf entsprechenden Menge, die in dem Mitgliedstaat verschreibungspflichtig sind und die in einem anderen Mitgliedstaat durch einen Arzt verschrieben und in einer Apotheke gekauft worden sind, untersagt. Der Umstand, dass das Arzneimittel durch einen Arzt verschrieben und in einer Apotheke gekauft wurde, bietet eine Garantie, die derjenigen gleichwertig ist, die auf dem Verkauf des Arzneimittels in dem Mitgliedstaat beruht (Rs. Kommission/Deutschland).[50]
Ein Verstoß gegen Art. 34 AEUV liegt vor, wenn ein Mitgliedstaat bei persönlichen Einfuhren von in einem anderen Mitgliedstaat ordnungsgemäß verschrieben Arzneimitteln, die sowohl in diesem als auch in dem Mitgliedstaat, in dem sie gekauft wurden, zugelassen sind, ein Verfahren der vorherigen Genehmigung anwendet, sofern der Einführende die Arzneimittel nicht persönlich mit sich führt. Ebenso, wenn ein Mitgliedstaat bei persönlichen Einfuhren von in einem anderen Mitgliedstaat ordnungsgemäß verschriebenen Arzneimitteln, die aber nur in jenem Mitgliedstaat zugelassen sind, in dem sie gekauft wurden, ein unverhältnismäßiges Genehmigungsverfahren anwendet, sofern der Einführende die Arzneimittel nicht persönlich mit sich führt (Kommission/Frankreich).[51]
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Ein weiterer, wirtschaftlich sehr bedeutsamer Problemkreis ist der Versandhandel mit Arzneimitteln.
Ein nationales Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln, die in dem betreffenden Mitgliedstaat ausschließlich in Apotheken verkauft werden dürfen, stellt eine gemäß Art. 36 AEUV zum Schutz der Gesundheit und des Lebens gerechtfertigte Maßnahme gleicher Wirkung dar, soweit dieses Verbot verschreibungspflichtige Arzneimittel betrifft (Rs. Deutscher Apothekerverband).[52]
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Auch die Preisbindung von Arzneimitteln wurde überprüft.
Eine nationale Festsetzung einheitlicher Apothekenabgabepreise für verschreibungspflichtige Humanarzneimittel stellt eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne des Art. 34 AEUV dar, weil sie sich auf die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken stärker auswirkt als auf die Abgabe solcher Arzneimittel durch im Inland ansässige Apotheken. Eine solche Regelung kann mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen im Sinne des Art. 36 AEUV nicht gerechtfertigt werden, weil sie nicht geeignet ist, die angestrebten Ziele zu erreichen (Rs. Deutsche Parkinson Vereinigung).[53]
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Relevant wurde auch die Frage der Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern.
Eine nationale Bestimmung, wonach eine Apotheke, die die Arzneimittelversorgung eines Krankenhauses übernimmt, zur Erbringung sämtlicher mit der Versorgung zusammenhängender Leistungen verpflichtet ist, was dazu führt, dass sich die Auswahl der Apotheker auf diejenigen in der Nähe des Krankenhauses beschränkt, stellt eine gemäß Art. 36 AEUV zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigte Maßnahme gleicher Wirkung dar (Rs. Kommission/Deutschland).[54]
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Auch außerhalb des Arzneimittelbereiches stellen sich Fragen zur Warenverkehrsfreiheit, so etwa bei Medizinprodukten[55]
Ein Mitgliedstaat verstößt gegen Art. 34 AEUV, wenn er für steriles medizinisches Zubehör mit Ursprung in anderen Mitgliedstaaten Laborversuche und -analysen vorschreibt, die bereits in diesen Mitgliedstaaten durchgeführt worden sind und deren Ergebnisse den Behörden des Mitgliedstaates mitgeteilt werden können (Rs. Kommission/Belgien).[56]
Art. 34 AEUV und Art. 36 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach Kontaktlinsen nur in Fachgeschäften für medizinische Hilfsmittel vertrieben werden dürfen (Rs. Ker-Optika).[57]
und bei Blut und Blutbestandteilen.
Art. 34 AEUV in Verbindung mit Art. 36 AEUV steht einer nationalen Regelung entgegen, nach der die Einfuhr von Blut oder Blutbestandteilen aus einem anderen Mitgliedstaat nur unter der auch für inländische Produkte geltenden Bedingung zulässig ist, dass die Spender des Blutes, aus dem diese Produkte gewonnen wurden, nicht nur keine Bezahlung, sondern auch keine Erstattung der Aufwendungen erhalten haben, die ihnen im Rahmen dieser Spenden entstanden sind (Rs. Humanplasma).[58]
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Schließlich hat sich der EuGH auch im Bereich des Sozialversicherungsrechts mit der Warenverkehrsfreiheit beschäftigt. Das Unionsrecht lässt die Befugnis der Mitgliedstaaten unberührt, ihre Systeme der sozialen Sicherheit auszugestalten.[59] Zwar bestimmt mangels einer Harmonisierung auf Unionsebene das Recht eines jeden Mitgliedstaats, unter welchen Voraussetzungen das Recht oder die Verpflichtung auf Anschluss an ein System der sozialen Sicherheit besteht, doch müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Befugnis das Unionsrecht beachten.[60] Da ein Mitgliedstaat das Niveau, auf welchem er den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten will, selbst bestimmen kann, wird den Mitgliedstaaten ein entsprechender Beurteilungsspielraum zuerkannt.[61]
Eine nationale Regelung, nach der ein Sozialversicherungsträger eines Mitgliedstaats einem Versicherten die pauschale Kostenerstattung für eine Brille mit Korrekturgläsern, die dieser bei einem Optiker in einem anderen Mitgliedstaat gekauft hat, mit der Begründung versagt, dass der Erwerb im Ausland der vorherigen Genehmigung bedarf, verstößt gegen Art. 34 AEUV. Die Regelung ist nicht durch eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit gerechtfertigt, da die Pauschalerstattung für in anderen Mitgliedstaaten gekaufte Brillen hierauf keine Auswirkungen hat. Auch bietet der Kauf bei einem Optiker in einem anderen Mitgliedstaat Garantien, die denen gleichwertig sind, die beim Kauf bei einem Optiker im Inland gegeben sind, da die Anerkennung von Berufen Gegenstand von Unionsrichtlinien ist, so dass eine Rechtfertigung zum Schutz der öffentlichen Gesundheit ausscheidet (Rs. Decker).[62]
Im Rahmen eines nationalen Pflichtversicherungssystems erlassene Maßnahmen, durch die den Versicherten der Anspruch versagt wird, sich auf Kosten der Krankenversicherung mit namentlich genannten Arzneimitteln versorgen zu lassen, sind mit Art. 34 AEUV vereinbar, wenn bei der Auswahl der ausschließenden Arzneimittel eine Diskriminierung aufgrund des Ursprungs der Erzeugnisse unterbleibt und diese Auswahl auf objektiven Kriterien beruht. Es muss jedoch möglich sein, die Listen jederzeit zu ändern, wenn die Einhaltung der betreffenden Kriterien dies verlangt (Rs. Duphar u.a.).[63]
2. Freiheiten des Personen- und Dienstleistungsverkehrs
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Neben der Warenverkehrsfreiheit gehören auch die Freiheiten des Personen- und des Dienstleistungsverkehrs zu den Grundfreiheiten. Die Freiheit des Personenverkehrs unterteilt sich nach den Gesichtspunkten von selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit in die Niederlassungsfreiheit für Selbstständige (Art. 49–55 AEUV) und in die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 45–48 AEUV). In engem systematischen und wirtschaftlichen Zusammenhang zur Niederlassungsfreiheit steht die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs (Art. 56–62 AEUV).
a) Niederlassungsfreiheit
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Nach Art. 49 AEUV sind Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates nach Maßgabe der Bestimmungen des AEU-Vertrags verboten. Die Niederlassung wird nach ständiger Rechtsprechung des EuGH[64] als die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit definiert.
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Die Niederlassungsfreiheit umfasst die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für eigene Angehörige (Art. 49 AEUV). Auch können sich Staatsangehörige gegenüber ihrem Heimatmitgliedstaat auf die Niederlassungsfreiheit berufen, wenn sie etwa in einem anderen Mitgliedstaat eine nach dem Unionsrecht anerkannte berufliche Qualifikation erworben haben und nun wieder in ihren Mitgliedstaat zurückkehren.[65] Zwischenzeitlich verlangt Art. 49 AEUV nicht nur die Beseitigung jeder sich aus nationalen Regelungen oder Praktiken ergebenden Diskriminierung, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen, sofern sie geeignet sind, die Tätigkeiten des Staatsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.[66]
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Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit kann aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sein (Art. 52 Abs. 1 AEUV). Darüber hinaus ist eine Beschränkung nach der Rechtsprechung des EuGH[67] dann gerechtfertigt, wenn nationale Maßnahmen, welche die Ausübung der durch den AEU-Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen, vier Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewendet werden, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten und dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist. Für den Bereich der Gesundheit wird dabei berücksichtigt, dass ein Mitgliedstaat das Niveau, auf welchem er den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten will, selbst bestimmen kann. Den Mitgliedstaaten wird daher ein entsprechender Beurteilungsspielraum zuerkannt.[68]
b) Arbeitnehmerfreizügigkeit
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Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 45–48 AEUV) umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstiger Arbeitsbedingungen (Art. 45 Abs. 2 AEUV). Sie gibt den Arbeitnehmern das Recht, sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben und sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, sich in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, um dort nach den für die Arbeitnehmer dieses Mitgliedstaates geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine Beschäftigung auszuüben sowie nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verbleiben. Dabei ist der Begriff des Arbeitnehmers weit auszulegen. Als wesentliches Merkmal ist anzusehen, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält.[69] Darüber hinaus verlangt Art. 45 AEUV nicht nur die Beseitigung jeder Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen, sofern diese geeignet sind, einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates den Zugang zum Arbeitsmarkt und damit die Aufnahme einer unselbstständigen Tätigkeit zu behindern.[70]
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Eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit kann aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sein (Art. 45 Abs. 3 AEUV). Darüber hinaus ist eine Beschränkung nach ständiger Rechtsprechung[71] dann gerechtfertigt, wenn nationale Maßnahmen, welche die Ausübung der durch den AEU-Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen, vier Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewendet werden, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten und dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.
c) Freiheit des Dienstleistungsverkehrs
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Gemäß Art. 56 AEUV sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten nach Maßgabe der Bestimmungen des AEU-Vertrags verboten. Dienstleistungen sind selbstständige, in der Regel gegen Entgelt erbrachte Leistungen mit grenzüberschreitendem Unionsbezug, die zeitlich beschränkt sind und nicht von den Vorschriften über den freien Waren-, Kapital- oder Personenverkehr erfasst werden (vgl. Art. 57 AEUV). Die zeitliche Komponente der Tätigkeit ist maßgeblich für die aufgrund der unterschiedlichen Reichweite der Freiheiten bedeutsame Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit. Als Kriterien dienen die Dauer, Häufigkeit, Periodizität und Kontinuität der Tätigkeit.[72] Die aktive Dienstleistungsfreiheit umfasst die Leistungserbringung in einem anderen Mitgliedstaat, die passive Dienstleistungsfreiheit die Entgegennahme der Leistung in einem anderen Mitgliedstaat. Nach ständiger Rechtsprechung verlangt Art. 56 AEUV nicht nur die Beseitigung jeder Diskriminierung des in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistenden aufgrund seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen, sofern sie geeignet sind, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig entsprechende Dienstleistungen erbringt, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.[73]
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Eine Beschränkung der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs kann aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sein (Art. 62 AEUV i.V.m. Art. 52 Abs. 1 AEUV). Darüber hinaus ist eine Beschränkung nach ständiger Rechtsprechung[74] dann gerechtfertigt, wenn nationale Maßnahmen, welche die Ausübung der durch die Verträge garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen, vier Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewendet werden, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten und dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.
d) Richtlinien zu den Freiheiten des Personen- und Dienstleistungsverkehrs
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Um die Aufnahme und Ausübung selbstständiger wie unselbstständiger Tätigkeiten zu erleichtern, erlassen das Europäische Parlament und der Rat Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise sowie für Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten (vgl. Art. 46, 53, 62 AEUV). Schon früh wurden für zahlreiche Berufsgruppen Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung erlassen, so für Ärzte,[75] Zahnärzte,[76] Tierärzte,[77] Apotheker,[78] Hebammen[79] sowie für Krankenschwestern und Krankenpfleger.[80] Ferner konnte eine Anerkennung nicht alleine deshalb verwehrt werden, weil eine Richtlinie für einen bestimmten Beruf noch nicht erlassen wurde.[81] Um von Einzelrichtlinien nicht erfasste Berufsgruppen zusammenzuführen, wurden in weiterer Folge allgemeine Richtlinien[82] erlassen, die wiederholt geändert und angepasst wurden. Zwischenzeitlich ist die Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen[83] in Kraft getreten. Diese hat die vorgenannten Richtlinien ersetzt. Damit konnte durch eine Vereinheitlichung der geltenden Grundsätze eine Neuordnung und Straffung der bisherigen Bestimmungen erreicht werden (vgl. Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2005/36/EG).
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Zur Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit wurden auf Grundlage von Art. 45, 46 und 48 AEUV mehrere Rechtsakte erlassen. Hierzu zählen vor allem die Verordnung (EU) Nr. 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer[84] sowie die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit.[85] Diese lösten die über viele Jahre geltenden Verordnungen (EWG) Nr. 1612/68[86] und Nr. 1408/71[87] ab. Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen (Art. 2 Abs. 1 der Verordnung). Die Verordnung betrifft Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit in Bezug auf Leistungen bei Krankheit, Mutterschaft und Vaterschaft, Invalidität, Alter, an Hinterbliebene, bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, Sterbegeld, Arbeitslosigkeit, Vorruhestandsleistungen und Familienleistungen (Art. 3 Abs. 1 der Verordnung).
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Zur Herstellung der Niederlassungsfreiheit für Dienstleistungserbringer und den freien Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten ist am 28.12.2006 die Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt[88] in Kraft getreten. Die Richtlinie gilt für Dienstleistungen, die von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden (Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie). Während der ursprüngliche Richtlinienvorschlag der Kommission auch Gesundheitsdienstleistungen umfasste, wurden diese im weiteren Verlauf der Beratungen vom Anwendungsbereich wieder herausgenommen. Gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. f der Richtlinie findet diese auf Gesundheitsdienstleistungen keine Anwendung. Vielmehr sollte der Gesundheitsbereich in einer separaten Richtlinie behandelt werden.
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Hierzu hatte die Kommission am 2.7.2008 einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung[89] vorgelegt. Nachdem das Europäische Parlament die Richtlinie bereits im April 2009 in erster Lesung mit Änderungen angenommen hatte, konnte der Rat im Dezember 2009 zunächst keine politische Einigung erzielen. Im Juni 2010 einigte sich der Rat auf einen Kompromiss, der durch das Europäische Parlament im Januar 2011 in zweiter Lesung angenommen wurde. Im April 2011 ist die Richtlinie 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung[90] in Kraft getreten. Ziel der Richtlinie ist es, den Zugang zu einer sicheren und hochwertigen grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung zu erleichtern und damit die Patientenmobilität innerhalb der EU gewährleisten (Ziff. 10 der Erwägungsgründe, Art. 1 der Richtlinie). Die Richtlinie regelt die Rechte von Patienten im Hinblick auf den Zugang zu Behandlungen in einem anderen Mitgliedstaat und die entsprechende Kostenerstattung.