Kitabı oku: «Wildfell Hall», sayfa 4

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Fünftes Kapitel.

Das Atelier.

Es war gegen das Ende des Monats, als ich endlich dem eifrigen Drängen Rosa’s nachgab und sie zu einem Besuche nach Wildfell Hall begleitete

Zu unserm Erstaunen wurden wir in ein, Zimmer gewiesen, wo der erste Gegenstand, welcher mein Auge traf, eine Malerstaffelei mit einem Tische daneben war, worauf Leinwandrollen, Oel und Firnißflaschen, eine Palette, Pinsel, Farben u. s. w. umherlagen. An der Wand lehnten mehrere Skizzen auf verschiedenen Stufen der Ausführung und einige ausgeführte Gemälde, meist Landschaften und Figuren.

»Ich muß Sie in meinem Atelier willkommen heißen,« begann Mrs. Graham, »es ist heute im Wohnzimmer kein Feuer und das Wetter etwas zu kalt, um Sie in ein Zimmer mit kaltem Kamin zu weisen.«

Hierauf räumte sie die Malergeräthschaften von ein paar Stühlen, nöthigte uns zum Sitzen und nahm ihren Platz wieder vor der Staffelei ein, nicht gerade derselben gegenüber, sondern so, daß sie während des Gespräches von Zeit zu Zeit auf das Gemälde blickte und mitunter einen Pinselstrich daran that, als ob ihr es unmöglich wäre, ihre Aufmerksamkeit der Beschäftigung, wobei wir sie fanden, gänzlich zu entziehen und sie auf ihre Gäste zu heften. Es war eine Ansicht von Wildfell Hall, wie man es am frühen Morgen von dem Felde darunter aus dunkel gegen einen Himmel von hellem, silbernen Blau aufsteigen sah, mit einigen, wenigen rothen Streifen am Horizonte, mit vieler Treue gezeichnet und gefärbt und äußerst elegant und künstlerisch behandelt.

»Ich sehe, daß Ihr Herz bei Ihrer Arbeit ist, Mrs. Graham,« bemerkte ich; »ich muß Sie bitten, darin fort zufahren, denn wenn Sie sich von unserer Gegenwart unterbrechen lassen, so werden wir uns als unwillkommene Eindringlinge betrachten müssen.«

»O nein,« antwortete sie indem sie wie in die Höflichkeit geschreckt, ihren Pinsel auf den Tisch warf. »Ich werde von Besuchern nicht so überlaufen, daß ich den Wenigen, die mich mit ihrer Gesellschaft beehren, nicht ein paar Minuten widmen könnte.«

»Ihr Gemälde ist beinahe fertig,« sagte ich näher tretend, um es deutlicher zu betrachten und es mit mehr Bewunderung und Entzücken anblickte, als ich laut werden lassen wollte. »Ich sollte meinen, daß es mit einigen weiteren Strichen im Vordergrunde beendigt werden wird. — Warum haben Sie es aber Fernley Maner, Cumberland, statt Wildfell Hall, — schon genannt?« fragte ich, mich auf den Namen beziehend, den sie in kleinen Buchstaben unten auf die Leinwand geschrieben hatte.

Ich bemerkte jedoch augenblicklich daß ich mir eine Impertinenz zu schulden kommen gelassen hatte, denn sie erröthete und zauderte; nach einer momentanen Pause antwortete sie aber mit einer Art von verzweifelter Freimüthigkeit:

»Weil ich Freunde — wenigstens Bekannte — in der Welt habe, vor denen ich meinen gegenwärtigen Aufenthalt verheimlichen möchte, und da sie vielleicht das Gemälde sehen und die Manier, trotz der falschen Anfangsbuchstaben, die ich in die Ecke gesetzt habe, wieder erkennen könnten, so gebrauche ich die Vorsicht, dem Gegenstande ebenfalls einen falschen Namen zu geben, um sie auf die unrechte Spur zu bringen, wenn sie versuchen sollten, mich in Folge derselben aufzusuchen.«

»Sie haben also nicht im Sinne, das Gemälde zu behalten?« fragte ich, um das Gespräch auf einen andern Gegenstand zu bringen

»Nein, ich bin nicht reich genug, um blos zu meinem Vergnügen zu malen.«

»Die Mama schickt alle ihre Bilder nach London,« sagte Arthur, »und dort verkauft sie Jemand für sie und schickt uns das Geld.«

Als ich die übrigen Gemälde ansah, bemerkte ich eine hübsche Skizze von Lindenhope, vom Gipfel des Hügels, eine zweite Ansicht der alten Halle im sonnigen Dufte eines stillen Sommer-Nachmittags, und ein einfaches, aber rührendes Bildchen von einem Kinde, das mit schweigen dem, aber tiefem, kummervollen Bedauern über eine Hand voll verwelkter Blumen gebeugt war, mit dunkeln, niedrigen Hügeln und herbstlichen Feldern dahinter und einem düstern, bewölkten Himmel darüber.

»Sie sehen, daß ich einen trübseligen Mangel an Gegenständen habe,« bemerkte die schöne Künstlerin. »Ich habe die alte Halle einmal in einer Mondnacht aufgenommen und werde sie wohl wieder einmal an einem Winterschneetage und dann wieder einmal an einem dunkeln, bewölkten Abend aufnehmen müssen, denn ich habe wirklich weiter nichts zu malen. — Man hat mir gesagt, daß sich in der Nachbarschaft eine schöne Seeaussicht befindet — ist dies wahr? — und ist sie nicht zu weit, um zu Fuße, dahin zu gehen?«

»Ja, wenn Sie sich nichts daraus machen — vier — Meilen —— oder beinahe so viel — fast acht Meilen hin und zurück — und auf einem etwas rauhen, anstrengenden Wege zu gehen.«

»In welcher Richtung liegt sie?«

Ich beschrieb die Situation, so gut ich konnte, und wollte eben eine Erklärung der verschiedenen Straßen Heckenwege und Felder, durch die man gehen mußte, um sie zu erreichen, der Wege geradezu, und Wendungen zur Rechten und zur Linken beginnen, als sie mir Einhalt that und sagte:

»O« halten Sie ein — sagen Sie es mir jetzt nicht, ich werde alle Ihre Anweisungen vergessen haben, ehe ich sie brauche. Vor dem nächsten Frühjahr kann ich doch nicht daran denken, hinzugehen und dann werde ich Sie vielleicht bemühen. Jetzt haben wir den Winter vor uns —« sie hielt plötzlich inne, sprang mit einem unterdrückten Ausrufe von ihrem Stuhle auf, und sagte:

»Entschuldigen Sie mich einen Augenblick, eilte aus dem Zimmer und schloß die Thüre hinter sich.

Ich war neugierig, was sie so aufgeschreckt haben konnte, und blickte nach dem Fenster, denn ihre Augen waren im Augenblicke vorher demselben nachlässig zugewendet gewesen, und sah den Rock eines Mannes hinter einem großen Stechpalmenbusche, welcher zwischen dem Fenster und dem Vorhause stand, verschwinden

»Es ist der Freund der Mama,« sagte Arthur.

Rosa und ich blickten einander an.

»Ich weiß wirklich nicht, was ich von ihr denken soll,« flüsterte Rosa.

Das Kind sah sie in ernsthaftem Erstaunen an. Sie begann augenblicklich von gleichgültigen Dingen zu ihm zu sprechen, während ich mich mit Betrachten der Bilder unterhielt. In einem dunkeln Winkel befand sich eines, das ich früher nicht bemerkt hatte; es war ein kleines Kind, das mit von Blumen gefülltem Schooße auf dem Rasen saß. Die kleinen Züge und großen, blauen Augen, welche durch eine Fülle hellbrauner Locken, die, als es sich über seinen Sohns bog, über die Stirn herabgefallen waren, hervorlächelten, besaßen Aehnlichkeit genug mit denen des jungen Herrn vor mir, um es als ein Portrait Arthur Grahams in seiner frühen Kindheit zu erkennen.

Als ich dasselbe in die Höhe nahm, um es an das Licht zu bringen, entdeckte ich dahinter ein anderes, das der Wand zugekehrt war. Ich erlaubte mir, auch dieses aufzuheben; es war das Portrait eines Mannes in der Blüthe des jugendlichen Mannesalters — hübsch genug und nicht schlecht ausgeführt, aber wenn es von der gleichen Hand wie die übrigen herrührte, so war es offenbar vor mehreren Jahren gemalt, da es weit mehr Sorgfalt und Ausführlichkeit im Detail und weniger von der frischen Färbung und freien Behandlung besaß, wovon ich in diesem überrascht und entzückt worden war.

Dessenungeachtet betrachtete ich es mit bedeutendem Interesse.

Die Züge und der Ausdruck hatten eine gewisse Individualität, welche es zu einem ähnlichen Portrait stempelte. Die hellen, blauen Augen sahen den Beschauer mit einer Art von verstecktem Humor an — man erwartete fast, sie blinzeln zu sehen. Die etwas zu üppig-vollen Lippen schienen in ein Lächeln ausbrechen zu wollen, die warm-gefärbten Wangen waren von einem dichten, röthlichen Backenbart geziert, während das glänzend-kastanienbraune Haar in reichlichen, wellenförmigen Locken etwas zu weit in die Stirn ging und anzudeuten schien, daß der Besitzer desselben auf seine Schönheit stolzer, als auf seinen Verstand war, wozu er vielleicht auch Grund hatte, und doch sah er nicht wie ein Narr aus.

Ich hatte das Portrait noch keine zwei Minuten in der Hand, als die schöne Künstlerin zurückkehrte.

»Nur Jemand, der nach dem Gemälde kommt,« sagte sie, um ihre schnelle Entfernung zu entschuldigen. Ich sagte ihm, daß er warten solle.«

»Ich fürchte, daß Sie es für eine Impertinenz halten werden,« sagte ich, »daß ich es gewagt, ein Gemälde anzusehen, welches der Maler der Wand zugekehrt hat; darf ich eben fragen —«

»Es ist eine sehr große Impertinenz, Sir,I und ich bitte Sie daher, nichts weiter darüber zu fragen, denn Ihre Neugier wird nicht befriedigt werden,« antwortete sie, in dem sie sich bemühte, die Strenge ihres Tadels mit einem Lächeln zu verdecken — ich konnte aber an ihrer erhitzten Wange und ihrem funkelnden Auge sehen, daß sie sich ernstlich ärgerte.

»Ich wollte nur fragen, ob Sie es selbst gemalt hätten,« fragte ich, indem ich ihr das Gemälde verdrießlich überließ, denn sie nahm es mir ohne alle Umstände aus der Hand, stellte es schnell wieder mit der Vorderseite nach der Wand in den dunkeln Winkel, das ändere wie früher dagegen und wendete sich dann lachend zu mir.

Ich war aber in keiner scherzhaften Laune; ich wendete mich nachlässig nach dem Fenster und blickte in den Garten hinaus, indem ich sie ein paar Minuten lang mit Rosa sprechen ließ, sagte dann, daß es Zeit zum Gehen sei, schüttelte dem Kleinen die Hand, verbeugte mich kühl gegen die Dame und bewegte mich der Thüre zu.

Nachdem Mrs. Graham jedoch von Rosa Abschied genommen, hielt sie mir die Hand hin und sagte mit sanfter Stimme und keineswegs unangenehmem Lächeln:

»Lassen Sie die Sonne nicht über Ihrem Zorne untergehen, Mr. Markham; es thut mir leid, daß ich Sie durch meine Unfreundlichkeit beleidigt habe.«

Wenn sich eine Dame herabläßt, Entschuldigungen zu machen, so ist es natürlich unmöglich zornig zu bleiben. Wir trennten uns also zum ersten Male als gute Freunde und diesmal gab ich ihrer Hand einen herzlichen und nicht einen malitiösen Druck.

Sechstes Kapitel.

Fortschritte.

In den nächsten vier Monaten trat weder ich in Mrs. Grahams Haus noch sie in das unsere, dessenungeachtet aber fuhren die Damen fort über sie zu sprechen und dessenungeachtet machte unsere Bekanntschaft, wenn auch nur langsame, Fortschritte. Was ihr Gerede betraf, so bewies ich demselben nur geringe Aufmerksamkeit — wenn es sich auf die schöne Einsiedlerin bezog, meine ich — und die einzige Belehrung, welche ich dadurch erhielt, war die, daß sie sich an einem schönen, frostigen Tage hinausgewagt und ihren kleinen Knaben bis zum Pfarrhause mitgenommen hatte, wo unglücklicher Weise Niemand als Miß Milward zu Hause war. Trotzdem war sie lange dort geblieben und Beide hatten, allen Berichten nach, viel miteinander gesprochen und sich mit dem gegenseitigen Wunsche, wieder zusammenzutreffen, getrennt. — Mary hatte aber die Kinder gern und zärtliche Mamas lieben diejenigen, welche ihre Schätze gehörig würdigen.

Mitunter sah ich sie aber auch selbst — nicht nur wenn sie in die Kirche kam, sondern auch wenn sie mit ihrem Sohne im Freien war und entweder einen langen entschlossenen Spaziergang mit ihm machte, oder — an besonders schönen Tagen gemächlich über das Moor oder das öde Weideland um die alte Halle her hinstreifte und mit einem Buche in der Hand dahinging, während ihr Knabe um sie her sprang, und bei allen diesen Anlässen wußte ich es, wenn ich sie auf meinen einsamen Spaziergängen oder Ritten erblickte oder meinen ländlichen Geschäften folgte, meist so einzurichten, daß ich mit ihr zu sammentraf oder sie einholte, denn ich fand Behagen daran, Mrs. Graham zu sehen und mit ihr zu sprechen und entschiedene Freude am Plaudern mit ihrem kleinen Gefährten, an dem ich, nachdem einmal das Eis seiner Schüchternheit gebrochen war, einen recht liebenswürdigen, intelligenten und unterhaltenden kleinen Burschen fand, und wir wurden bald vortreffliche Freunde, inwiefern zur Zufriedenheit seiner Mama, kann ich mich nicht zu sagen erkühnen. Ich argwöhnte anfänglich, daß sie kaltes Wasser über diese zunehmende Vertraulichkeit zu schütten, — so zu sagen, die auflodernde Flamme unsrer Freundschaft zu verlöschen wünschte — als sie aber endlich, trotz ihrer Vorurtheile gegen mich, entdeckte, daß ich vollkommen harmlos war und selbst gute Absichten hatte, und daß ihr Sohn von der Bekanntschaft mit mir und meinem Hunde viele Freuden hatte, die er sonst nicht gekannt haben würde, so hörte sie endlich auf, Einwendungen dagegen zu machen, und bewillkommnete mich selbst, wenn ich erschien, mit einem Lächeln.

Was Arthur betraf, so schrie er mir seinen Gruß schon von ferne zu und lief mir wohl fünfzig Schritt von der Seite seiner Mutter her entgegen. Wenn ich zufällig zu Pferde war, so machte er immer einen Trab oder Galopp darauf mit, oder wenn sich eines von den Zugpferden in nicht zu großer Entfernung befand, so machte er einen langsamen Ritt darauf, der ihm fast eben so gut gefiel.

Aber seine Mutter folgte und ging stets neben ihm her — ich glaube nicht sowohl um zu sehen, daß er nicht zu Schaden komme, als um zu verhindern, daß ich seinem Kindergeiste keine ihr unangenehmen Gedanken einflößte, denn sie war immer auf ihrer Hut und gestattete nie, daß er ihr aus dem Gesichte kam.

Was ihr am besten gefiel, war, ihn mit Sancho spielen und wettlaufen zu sehen, während ich neben ihr hin ging — ich fürchte allerdings, nicht aus Vorliebe für meine Gesellschaft — obgleich ich mich zuweilen auch mit dieser Idee schmeichelte — als wegen der Freude, die es ihr machte, ihren Sohn mit denjenigen Leibesübungen beschäftigt zu sehen, welche für seinen zarten Körper so stärkend waren, die er aber doch ans Mangel an einem seinem Alter entsprechenden Spielgefährten so selten genießen konnte. Und ihre Freude wurde vielleicht auch nicht wenig durch den Umstand versüßt, daß ich bei ihr und nicht bei ihm und daher unfähig war, ihm direkt oder indirekt, absichtlich oder unabsichtlich Uebles zuzufügen — wofür ich ihr jedoch wenig dankte.

Mitunter glaube ich aber, daß es ihr wirklich etwas Vergnügen machte, mit mir zu sprechen, und an einem schönen Februarmorgen legte sie bei einem zwanzig Minuten langen Gange aus dem Moor ihre gewöhnliche Rauhheit und Zurückhaltung ab, und begann ein ordentliches Gespräch mit mir, bei dem sie mit solcher Beredtsamkeit und Tiefe des Gedankens und Gefühles von einem Gegenstande sprach, der glücklicher Weise mit meinen eignen Ideen übereinstimmte, wobei sie so schön aussah, daß ich bezaubert nach Hause ging und auf dem Wege — moralisch —— zusammenschrack, als ich mich bei dem Gedanken ertappte, daß es, Alles recht bedacht — am Ende doch besser sein würde, wenn man seine Tage mit einer solchen Frau verlebte, als mit Elise Milward — und dann erröthete ich — figürlich — über meine Unbeständigkeit.

Als ich in das Wohnzimmer trat, fand ich dort Elisen bei Rosa, aber sonst Niemand. Die Ueberraschung war mir nicht ganz so angenehm, wie sie hätte sein sollen. Wir plauderten lange Zeit zusammen, aber ich fand sie im Vergleich mit der reiferen und ernsteren Mrs. Graham etwas frivol und selbst etwas abgeschmackt, — ach, über die menschliche Beständigkeit!

Ich dachte jedoch, ich darf Elisen nicht heirathen, da meine Mutter so sehr dawider ist, das Mädchen aber auch nicht mit der Idee täuschen, daß ich es im Sinne habe. Wenn nun diese Laune anhält, so werde ich um so weniger Schwierigkeiten haben, mich von ihrer milden, aber unausgesetzten Herrschaft zu befreien, und wenn auch gegen Mrs. Graham so viele Einwendungen vorhanden sein sollten, so wird es mir am Ende doch gestattet sein, wie die Aerzte ein größeres Uebel durch ein kleineres zu heilen denn ich denke nicht, daß ich mich ernstlich in die junge Witwe verlieben werde, — noch sie in mich — das ist gewiß — wenn ich aber etwas Vergnügen an ihrer Gesellschaft finde, so mag es mir wohl gestattet sein, es zu suchen, und wenn der Stern ihrer Gottheit glänzend genug ist, um die Strahlen von dem Elisens zu verdunkeln, dann ist es um so besser, — aber ich kann es kaum glauben.

Und von da an ließ ich selten einen schönen Tag vorübergehen, ohne um die Zeit, wo meine neue Bekannte ihre Einsiedelei zu verlassen pflegte, einen Besuch in Wildfell zu machen, aber so häufig wurde ich in meinen Aussichten auf eine Zusammenkunft getäuscht, so veränderlich war die Zeit ihres Ausgehens, und die Lokalität, nach welcher sie sich begab, so flüchtig waren die Gespräche, welche ich erlangen konnte, daß ich mich halb und halb zu dem Gedanken neigte, daß sie sich ebenso viele Mühe gebe, um meine Gesellschaft zu vermeiden wie ich, die ihre zu suchen.

Das war jedoch ein zu unangenehmer Gedanke, um mir ihn einen Augenblick länger, als ich ihn passender Weise im Kopfe behalten konnte, zu bewahren.

An einem ruhigen, hellen Märznachmittage sah ich indeß, als ich das Walzen der Wiese und die Ausbesserung einer Hecke im Thale beabsichtigte, Mrs. Graham unten am Bache mit einem Skizzenbuche in der Hand und gänzlich von ihrer Lieblingskunst in Anspruch genommen, während Arthur sich damit die Zeit vertrieb, in dem flachen, steinigen Gewässer Dämme und Wehre zu erbauen. Ich verlangte gerade sehr nach Unterhaltung und eine so seltene Gelegenheit durfte nicht versäumt werden, weshalb ich so wohl Wiese als Hecke verließ und mich schnell hinab begab — aber nicht vor Sancho, der sobald er seinen jungen Freund bemerkte, augenblicklich in vollem Galopp hinab sprang und auf ihn mit einer lustigen Heiligkeit lossetzte die das Kind fast in die Mitte des Baches stürzte, wo es aber glücklicher Weise durch die Steine vor einer ernstlichen Durchnässung geschützt wurde, während dieselben zu glatt waren, als daß er sich hätte an ihnen verletzen können.

Mrs. Graham studierte die Unterscheidungszeichen der verschiedenen Bäume in ihrer winterlichen Nacktheit und kopierte ihre Verästungen mit geistreichen, zarten Strichen. Sie sprach nicht viel, aber ich blieb stehen und beobachtete die Fortschritte ihres Bleistiftes, es war ein wirkliches Vergnügen, denselben von den schönen, graziösen Fingern so geschickt geführt zu sehen. Bald aber verminderte sich ihre Geschicklichkeit, sie begann zu zaudern, zu zittern und falsche Striche zu machen und dann trat plötzlich eine Pause ein, in der die Eigenthümerin lachend ihr Gesicht zu dem meinen emporrichtete und mir sagte, daß ihre Skizze durch mein Zusehen nicht gewinne.

»Dann,« sagte ich, »will ich mit Arthur plaudern, bis Sie fertig sind.«

»Ich möchte einmal reiten,« Mr. Markham, wenn mich die Mama lassen will,« rief das Kind.

»Worauf« mein Junge?«

»Dort ist ja ein Pferd auf dem Felde,« antwortete er, nach der kräftigen, schwarzen Stute zeigend, welche die Walze zog.

»Nein, mein Arthur, es ist zu weit,« wendete seine Mutter ein

Ich versprach ihn aber wohlbehalten zurückzubringen, wenn er ein paar mal auf der Wiese hin und hergeritten sein würde, und als sie sein begieriges Gesicht sah, lächelte sie und ließ ihn gehen.

Es war das erste Mal, daß sie mir gestattet hatte, ihn auch nur ein halbes Feld weit von ihrer Seite zu entführen.

Auf seinem riesenhaften Rosse thronend und feierlich auf der großen steilen Wiese auf und ab reitend, sah er wie die Inkarnation stiller, heiterer Zufriedenheit und Freude aus. Das Walzen war jedoch bald zu Ende; als ich aber den wackeren Reiter herabnahm und seiner Mutter wieder zustellte, schien sie etwas unwillig zu sein, daß ich ihn so lange zurückgehalten habe. Sie hatte ihr Skizzenbuch geschlossen und wahrscheinlich seit einigen Minuten schon ungeduldig auf seine Rückkehr gewartet.

Es war jetzt sehr Zeit, nach Hause zu gehen, »wie sie sagte und wollte mir guten Abend wünschen; ich hatte aber noch keine Lust, sie zu verlassen und begleitete sie daher halbwegs den Berg hinauf. Sie wurde geselliger und ich fing an, mich sehr glücklich zu fühlen, als sie aber die düstere, alte Halle erblickte, stand sie still und wendete sich im Sprechen zu mir, als erwarte sie, daß ich nicht weiter gehen, sondern daß das Gespräch hier enden und ich jetzt Abschied nehmen werde, — wozu es in der That auch Zeit war, denn der helle, kalte Abend brach schnell herein, die Sonne war untergegangen und die Mondsichel wurde am blassen, grauen Himmel sichtlich glänzender, aber ein Gefühl fast des Mitleids nietete mich an die Stelle fest.

Es schien hart zu sein, sie nach einem so einsamen, unfreundlichen Hause gehen zu lassen; ich schaute hinauf, es erhob sich schweigend und düster vor uns. Aus den unteren Fenstern des einen Flügels schimmerte ein schwaches, rothes Licht — alle übrigen Fenster aber waren dunkel und viele zeigten schwarze Glas- und rahmenlose Fenster höhlen.

»Finden Sie es nicht öde, dort zu wohnen?« fragte ich nach einem Augenblicke schweigender Betrachtung.

»Mitunter!« entgegnete sie; »an Winterabenden, wenn Arthur zu Bett ist und ich dort allein sitze und den kalten Wind um mich her heulen und in den verfallenen, alten Gemächern seufzen höre, kann kein Buch, keine Beschäftigung die trüben Gedanken und Befürchtungen, welche sich mir aufdrängen, unterdrücken. Ich weiß aber, daß es thöricht ist, solcher Schwäche nachzugehen — Wenn Rahel mit einem solchen Leben zufrieden ist, muß ich es auch sein — ich kann wirklich Gott für ein solches Asyl nicht genug danken, so lange es mir bleibt.«

Der letzte Satz wurde halblaut gesprochen und eher an sie selbst als an mich gerichtet. Hieran bot sie mir guten Abend und entfernte sich.

Ich war auf meinem Heimwege noch nicht weit gekommen, als ich Mr. Lawrence auf seinem hübschen grauen Pony den unebenen Heckenweg, welcher über den Hügel führte, heraufreiten sah. Ich ging ein Stück von meinem Pfade ab, um mit ihm zu sprechen, denn wir hatten einander seit einiger Zeit nicht getroffen.

»War das Mrs. Graham, mit der Sie so eben sprachen?« fragte er, nachdem die ersten Begrüßungsworte zwischen uns Vorüber waren.

»Ja.«

»Hm, ich dachte es mir.«

Er blickte bei den Worten die Mähne seines Gaules nachdenklich an, als habe er ernstlichen Grund, mit ihr oder etwas Anderem unzufrieden zu sein

»Nun, was ist weiter dabei?«

»O nichts!« antwortete er; »Ich dachte nur, daß sie Ihnen mißfiel,« fügte er ruhig hinzu, indem sich seine klassische Lippe zu einem leichten, sarkastischen Lächeln kräuselte.

»Nun, wenn dem auch so gewesen wäre, kann man seine Ansicht bei näherer Bekanntschaft nicht ändern?«

»Ja natürlich,« entgegnete er, während er vorsichtig einen Knoten in der rauhen, üppigen Mähne des Ponys auflöste.

Hierauf wendete er sich plötzlich zu mir, heftete seine scheuen, braunen Augen mit Einem festen, durchdringenden Blicke auf mich und fügte hinzu:

»Sie haben also Ihre Ansicht verändert?«

»Das kann ich gerade nicht sagen, — nein, ich denke, daß ich, noch meiner früheren Ansicht über sie bin, — sie aber etwas verbessert habe.«

»O!« — Er sah sich um, um etwas ausfindig zu machen, worüber er sprechen könne, blickte zum Monde auf und machte eine Bemerkung über die Schönheit des Abends, welche ich, als nicht zur Sache gehörig, nicht beantwortete.

»Lawrence,« sagte ich, ihm ruhig ins Gesicht blickend; »sind Sie in Mrs. Graham verliebt?«

Statt hiervon tief beleidigt zu sein, wie ich mehr als halb erwartet hatte, folgte dem ersten Anfall des Erstaunens über eine so kühne Frage, ein kicherndes Lachen, als sei er von der Idee höchlich belustigt.

»Ich in sie verliebt?« wiederholte er, »was bringt Sie auf einen solchen Gedanken?«

»Nach dem Interesse, welches Sie an den Fort schritten meiner Bekanntschaft mit der Dame und der Veränderung meiner Ansicht über sie nehmen, dachte ich, Sie könnten etwa eifersüchtig sein.«

Er lachte von Neuem.

»Eifersüchtig? — nein! — aber ich dachte, daß Sie im Sinne hätten, Elise Milward zu heirathen.«

»Dann haben Sie falsch gedacht; ich habe, so viel ich weiß, nicht im Sinne, die Eine oder die Andere zu heirathen.«

»Dann, denke ich, würden Sie am besten thun, sie ungeneckt zu lassen.«

»Haben Sie im Sinne, Jane Wilson zu heirathen?«

Er erröthete und spielte von Neuem mit der Mähne, antwortete aber:

»Nein, ich denke nicht.«

»Dann würden Sie am besten thun, sie ungeneckt zu lassen.«

Er hätte sagen können, sie läßt mich nicht ungeneckt, aber er machte nur ein verlegenes Gesicht und sagte etwa eine halbe Minute lang nichts, worauf er einen neuen Versuch machte, das Gespräch abzulenken, und diesmal ließ ich es so hingehen, denn er hatte bereits genug ertragen. Noch ein weiteres Wort über den Gegenstand würde das Stäubchen gewesen sein, welches den Rücken des Kameels gebrochen hätte.

Es war zu spät zum Thee, aber meine Mutter hatte die Theekanne und das Weißbrod heißgestellt und nahm, obgleich sie mich ein wenig ausschalt, meine Entschuldigungen bereitwillig genug an, und als ich mich über den Geschmack des Thees, welcher zu lange gezogen hatte, beklagte, schüttete sie das Uebrige aus und trug Rosa auf, frischen in die Kanne zu thun und neues Wasser zu kochen, was mit bedeutender Geschäftigkeit und unter gewissen auf fallenden Commentaren vor sich ging.

»Nun! — wenn ich es gewesen wäre, so würde ich gar keinen Thee erhalten haben, wäre es selbst Fergus gewesen, so würde er sich mit dem haben begnügen müssen, welcher da war und man hätte ihm gesagt, daß er dafür dankbar sein solle, denn er wäre noch zu gut für ihn, aber Du — für Dich können wir nie zu viel thun. — So geht es immer — wenn es bei Tische etwas besonders Gutes gibt, so blinzelt und nickt mir die Mama zu, mich dessen zu enthalten, und wenn ich darauf nicht achte, so flüstert sie: — Iß nicht zu viel davon, Rosa — Gilbert wird es gern zum Abendbrod genießen: ich bin ganz und gar nichts — im Wohnzimmer heißt es: — Komm Rosa, räume Deine Sachen auf und mache das Zimmer hübsch nett, daß sie sich freuen, wenn sie nach Hause kommen, und schier das Feuer gut, Gilbert sieht es gern, wenn das Feuer hellauflodert. In der Küche: Mache die Pastete groß, Rosa, die Jungen werden wohl hungrig sein — und pfeffere sie nicht zu sehr, es wird ihnen gewiß recht schmecken, oder: Rosa, thue nicht zu viel Gewürz in den Pudding, Gilbert hat ihn so nicht gern — oder: Backe eine gute Menge kleine Rosinen in den Kuchen, denn Fergus ißt ihn gern so. Wenn ich sage: aber ich, Mama, thue es nicht, so heißt es: an mich soll ich nicht denken — du weißt, Rosa, daß wir in allen Haushaltungsdingen nur zweierlei zu bedenken haben, erstlich was sich paßt, und zweitens was den Männern im Hause am angenehmsten ist — für die Damen ist Alles gut genug.«

»Das ist eine sehr gute Lehre,« sagte meine Mutter »Gilbert denkt sicherlich auch so.«

»Auf alle Fälle ist es eine sehr bequeme Lehre für uns,« sagte ich, »aber wenn Sie meine Behaglichkeit wirklich befördern wollen, Mutter, so müssen Sie Ihre Bequemlichkeit und Behaglichkeit etwas mehr berücksichtigen, als sie es thun. — Was Rosa betrifft, so zweifle ich nicht, daß sie für sich sorgen wird, und wenn sie einmal ein Opfer bringt, oder eine besondere Hingebung beweist, so wird sie schon Licht unterlassen, mir es vorzuhalten. — Sie thun so viel, daß ich in die gröbste Sorglosigkeit in Bezug auf Andere und die größte Genußsucht versinken könnte, blos weil ich gewohnt werde, beständig für mich gesorgt, alle meine Bedürfnisse im Voraus oder doch augenblicklich, nachdem ich sie äußere, befriedigt zu sehen — während ich in vollkommener Unwissenheit über das, was für mich gethan wird, bleibe, wenn mich nicht Rosa von Zeit zu Zeit darüber aufklärte, und ich würde Ihre Güte als eine Sache, die sich von selbst versteht, aufnehmen und nie erfahren, wie viel ich Ihnen zu verdanken habe.«

»Ja, das wirst Du auch nicht eher, Gilbert, als bis Du verheirathet bist. Wenn Du dann ein leichtsinniges, eingebildetes Mädchen, wie Elise Milward, hast, das sich um weiter nichts kümmert, als ihren augenblicklichen Vortheil und ihr Vergnügen, oder eine irregeleitete, hartnäckige Frau, wie Mrs. Graham, die über ihre vornehmsten Pflichten in Unwissenheit schwebt und nur in Bezug auf das, was ihr am wenigsten angeht, klug ist, — dann wirst Du den Unterschied finden.«

»Es wird mir gut thun« Mutter. Ich bin nicht blos dazu in die Welt geschickt worden, um die guten Eigenschaften und Gefühle Anderer zu üben, sondern um — auch die meinigen für sie anzustrengen, und wenn ich heirathe, erwarte ich mehr Vergnügen darin zu finden, meine Frau glücklich und es ihr behaglich zu machen, als daß sie dies gegen mich thäte: ich möchte lieber geben als empfangen.«

»O, das ist Alles Unsinn, lieber Junge — das ist Jungengeschwätz! Du wirst es bald müde werden, Deine Frau anzubeten und ihren Launen nachzuleben, wenn sie auch noch so reizend ist, und dann kommt die Prüfung.«

»Nun wohl, dann muß das Eine die Last des Andern tragen.«

»Dann muß Jedes in seine gehörige Stelle treten. Du wirst Deine Geschäfte verrichten, und sie, wenn sie Deiner würdig ist, die ihrigen, aber es ist Dein Geschäft, es Dir selbst recht zu machen, und das ihre, es Dir recht zu machen. Sicherlich war Euer armer, lieber Vater ein so guter Ehemann, wie nur je einer gelebt hat; nachdem aber die ersten sechs Monate oder so vorüber waren, hätte ich eben so gut erwarten können, daß er fliegen würde, als daß er einen Schritt mir zu Gefallen aus seinem Wege gegangen sei. Er sagte immer, ich sei eine gute Frau und thue meine Schuldigkeit — Gott habe ihn selig — that immer die seine, war fleißig und pünktlich, tadelte selten ohne Grund, ließ meinem guten Essen immer Gerechtigkeit widerfahren und verdarb meine Speisen nie durch zu langes Ausbleiben, und mehr kann eine Frau von ihrem Manne nicht verlangen.«

Ist dem so, Halfords — ist dies der Umfang Ihrer häuslichen Tugenden? — und verlangt Ihre glückliche Frau weiter nichts, als dies?

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