Kitabı oku: «Celsissimus: Salzburger Roman», sayfa 12
Graf Lamberg, welcher unter den Delegierten sich befand, erkannte die Verstimmung gegen seinen Herrn nur zu gut, konnte aber an solcher Wirkung der salzburgischen Forderungen nichts ändern. Er bemühte sich jedoch, mit dem Bayernherzog einen modus vivendi zu schaffen, freilich nur mit dem Resultat, daß Herzog Maximilian erwiderte: auch ihn kämen die hohen Reichshilfen schwer an, aber er nehme diese Bürde auf sich, weil er wünsche, zur Rettung des gemeinsamen Vaterlandes beizutragen.
Noch nach einer anderen Seite hin war der kluge Graf Lamberg thätig, er urgierte den Salzvertrag in der Umgebung des Kaisers und erhielt die Zusicherung, daß die Ratifizierung in späterer Zeit erfolgen werde, weil der Kaiser auf die Hilfe Salzburgs nicht verzichten könne.
Mit dieser wichtigen Nachricht reiste Lamberg sogleich nach Salzburg.
XII
Ließ Wolf Dietrich auf dem Regensburger Reichstag durch seine Gesandten in beweglichen Worten klagen, daß er gerne alles Menschenmögliche leisten würde, aber nichts Namhaftes bewilligen könne, weil in des Erzstiftes „armen und schlechten Gebirge die Bergwerke so stark abgefallen seien“, – zum Bauen in seiner Residenzstadt hatte der Erzbischof Geld genug aus vielerlei, oft zwangsweise eröffneten Quellen, wie er auch für sich, Salome und den inzwischen erfolgten Familienzuwachs, sowie für seine nach Salzburg berufenen Brüder in überreichem Maße sorgte und Kapitalien anhäufte, die zinsbringend ausgeliehen wurden.
Wo immer es angängig ward, wurden alte Häuser, Keuchen und Hütten angekauft oder eingetauscht und niedergerissen; so in der Pfeifergasse, am Brotmarkt, wo halbe Gassen dem Erdboden gleich gemacht wurden. Der uralte mit der „Freyung“ begabte Haunsperger-Hof wurde gleichfalls abgebrochen und dadurch verschwand für immer die kaiserliche Freyung, die einem Totschläger auf drei Tage Zuflucht vor den Gerichtsknechten gewährte. Die Erbauung des Friedhofes zu Skt. Sebastian war Wolf Dietrichs Werk, ebenso der „Neubau“, welcher zur zweiten Residenz bestimmt war, jedoch stecken gelassen wurde. Die Unruhe, der Wankelmut des Fürsten offenbarte sich in diesen Bauten; abbrechen, aufbauen und vor Vollendung stecken lassen, das ereignete sich des öfteren. Für seinen Bruder Jakob Hannibal, Obristen und Hofmarschall, erbaute er nördlich dem Neubau auf dem Platte, wo ehedem drei Häuser standen, die geschleift wurden, einen großen Palast, der 80000 Gulden Baukosten verschlungen haben soll. Wenige Jahre darauf entzweiten sich die Brüder, Hannibal wurde gezwungen, Salzburg zu verlassen und reiste mit wohlgezählten achtzehn Wagen voll Schätzen in Gold und Silber nach Schwaben ab. Im Zorn ließ Wolf Dietrich den Hannibalpalast niederreißen und der Erde gleich machen. Unzählig sind die Verschönerungs- und Verbesserungsbauten, die mählich der Stadt einen anderen Charakter zu verleihen begannen. Der Lieblingsplan Wolf Dietrichs begann sich zu verwirklichen, Salzburg veränderte sein Stadtbild und nahm ein italienisches Gepräge an durch die Neubauten, es gewann den eigentümlichen, bestrickenden Reiz der Renaissance. Insgesamt mußten fünfundfünfzig Häuser verschwinden, um prächtigen Neubauten Platz zu machen.
Wolf Dietrich verstand alle Schwierigkeiten zu überwinden, so sie seinen Bauplänen sich entgegenstellten, er entwickelte ebenso große Energie wie Fähigkeit. Das beweist zum Beispiel die Baugeschichte des prachtvollen Marstalles. Vom Franziskanerkloster am Fuße des Mönchsberges erstreckte sich bis zum Bürgerspittel eine dem Stift Skt. Peter gehörige Fläche, der sogenannte Frongarten, welcher von den Benediktinern als Obstgarten, Krantacker und Heufeld benutzt wurde. Im Frühling bis auf Georgi war es den Bürgern Salzburgs gestattet, in diesem langgestreckten Garten zu spazieren, und die salzburgische Jugend konnte mit Ball- und Kegelspiel sich dort erlustieren. Am Georgstage aber ward der Frongarten gesperrt und blieb geschlossen das Jahr hindurch bis zum nächsten Frühling.
Die in der Kirch- und Getreidegasse wohnenden Bürger hatten die Erlaubnis ersehnt, die Rückseiten ihrer Häuser zu öffnen, auf daß sie Fenster und Thüren anbringen und von frischer Luft und von dem Blick in den Frongarten Gewinn erzielen könnten. Die Benediktiner wollten von solchem Begehren nichts wissen. Da wurden die pfiffigen Bürger beim Fürsten vorstellig, und Wolf Dietrich fand den Gedanken vortrefflich und wußte Rat. Auf sein Geheiß boten die beteiligten Bürger die Reichung von Burgrechtspfennigen an, wofür richtig die Mönche die Öffnung der Häuser der Kirch- und Getreidegasse zum Frongarten bewilligten. Damit war ein Prinzip durchbrochen, der Anfang gemacht. Kaum war die Bewilligung erfolgt, trat Wolf Dietrich auf: der Landesherr begehrte einen Teil des Frongartens für seine Zwecke und bot Ersatz aus seinem Grundbesitz. Die Benediktiner zögerten, sie mochten wohl Unheil wittern.
Wolf Dietrich ward wie immer ungeduldig, ließ monieren, und erreichte sein Ziel. Sofort ließ er einen langen und breiten Tummelplatz zum Ringelstechen, Turnieren und Abrichten der Pferde herstellen, dazu Holzbauten, was insgesamt gegen 4000 Gulden verschlang. Ein Jahr später kam es dazu, was die Patres befürchtet hatten vom Anbeginn: der Erzbischof forderte jetzt den ganzen Frongarten und bot zum Tausch die ihm gehörende Stockaner Wiese bei Bernau im Glanegger Gerichte.
Widerspruch war bei einem Wolf Dietrich nicht ratsam, die Benediktiner willigten ein. Nun gab der Fürst seinen Unterthanen den ganzen Garten das ganze Jahr hindurch frei, ließ im Winter dortselbst einen Steinbruch eröffnen, aus dessen Material der große herrliche Marstall erbaut wurde, ein Meisterwerk der Baukunst.
Im Bestreben, aus Salzburg ein Klein-Rom zu gestalten, zeigte sich Wolf Dietrich von einer ihm sonst fremden Konsequenz und scheute vor keinem Opfer zurück. Und glücklich machte es ihn, wenn Salome seinen Plänen und Bauten volles Lob spendete, ihn erinnerte an jene Stunden, da er um Salomens Liebe warb und von seinen hochfliegenden Ideen schwärmte. Ein Fürst von solcher Kunstbegeisterung konnte an dem düsteren wuchtigen Dom mit den fünf Türmen keine Freude haben. Des öfteren klagte Wolf Dietrich in stillen Stunden seiner Salome, daß er sich nicht Rats wisse, wie Salzburg einen schönen Dom bekommen könnte, ein Gotteshaus nach seinem Geschmack.
Und Salome, die kluge Frau, wußte da auch keinen Rat, denn an einen Abbruch des zwar düsteren, doch immer majestätischen alten Domes konnte im Ernst nicht gedacht werden; einmal nicht wegen der Salzburger Bürger, die an ihrer alten Kathedrale hingen, und dann nicht wegen der zweifellos enormen Kosten.
Winter ward es im stiftischen Land und der Dezember brachte Schnee und steife Kälte. So zart Salome gewesen, an einer fröhlichen Schlittenfahrt in warmer Pelzumhüllung hatte sie ihre Freude, und so wurde an einem frischen Dezembertag ein Ausflug gegen Hallein unternommen an dem sich in einem zweiten Schlitten auch Wolf Dietrich, gefolgt von Dienerschaft und Kümmerlingen in weiteren Kufenschlitten, beteiligte. In einem erzbischöflichen Lusthause wurde das vom vorausgeschickten Küchenpersonal bereitete Mahl eingenommen und fröhlich gezecht. Salome zeigte sich von besonderer Munterkeit, die Schlittenfahrt in frischer Luft hatte sie erquickt, und als frühzeitig der Abend sich ins stille Gelände senkte, schlug die Herzensdame dem Gebieter vor, im guterwärmten Lusthause die Nacht zu verbringen und erst am nächsten Tage nach Salzburg zurückzureisen. Dem allerliebsten Schmeicheln und Betteln vermochte Wolf Dietrich nicht zu widerstehen. Da die Kämmerer, welche freilich lieber ins Palais gekehrt wären, devot verkündeten, daß Nachtquartier bereit gestellt, die Räume gut geheizt werden könnten, so wurde die Übernachtung beschlossen.
Eine mondhelle, bitterkalte Winternacht brach an mit all' ihrem Zauber, es flimmerte und glitzerte geisterhaft, weißstarrend, im Silberlicht schimmernd ragten die Berge ringsum auf wie die Burg Hohensalzburg.
In der Stadt waren die letzten Zecher längst aus der Trinkstube in ihre Häuser zurückgekehrt, Salzburg schlief, das Mondlicht leuchtete still durch die Fenster.
Vom Dom kündete die Glocke die Geisterstunde, da quoll eine Rauchsäule aus dem Dachstuhl der Kathedrale, kerzengerade aufzeigend in die klare Luft der stillen Winternacht und immer dichter werdend. Unheimlich knisterte es, bald züngelten Flämmchen hervor, ein Prasseln hub an, das Feuer verbreitete sich mit rasender Schnelligkeit, es flammte ein Turm nach dem andern auf, bald glühten alle fünf Türme des Domes, das Feuer leckte Eis und Schnee hinweg, die wabernde Lohe brachte die Bleidächer zum Schmelzen, die glühende Masse floß zischend an den Quadermauern nieder, im Schnee aufprasselnd und zerstiebend im heißen Gischt. Die Glocken schmolzen und fielen durch das brennende Chaos im schweren Fall.
Nun wurde es lebendig in den Häusern des Domviertels, der Schreckensruf: „Der Thuemb brinnet!“ brachte die Bürger auf die Beine. Der Viertelsmeister erschien und forderte zur Hilfe auf.
Die ungeheuere Flamme lohte zum nächtlichen Himmel und schon flogen feurige Brände hernieder zu den Dächern der umliegenden Häuser und auf die Residenz.
Die Hitze war so groß, daß niemand sich der Brandstätte nähern konnte; man mußte warten, bis das glühende Blei völlig abgeflossen sei. Inzwischen bemühten sich die Bürger, Stadtknechte und Landsknechte sowie die Dienerschaft des Erzbischofs die benachbarten Häuser und die Residenz zu retten.
Besonders Mutige wagten sich ins Schiff des Domes hinein, ergriffen Altäre, Schmuckgegenstände, ja selbst die Orgel konnte zerlegt und ausgebracht werden, wenn auch nur unter schwerer Gefahr und nicht ohne begreifliche Beschädigung einzelner Pfeifen.
Im Jammer um das verlorene, mächtige Gotteshaus erinnerten sich die Salzburger ihres Erzbischofs und Fürsten und schickten nach ihm in die Residenz, auf daß der Gebieter selbst die Rettungsarbeiten dirigiere und anordne, wohin die aus dem Dom gebrachten Gegenstände getragen werden sollen.
In der Residenz hatte man aber den Kopf verloren, und der Fürst weilte zudem auswärts. Knechte und Dienerschaft, alles beeilte sich, Hab' und Gut zusammenzuraffen in der Angst, daß auch noch das Palais werde ein Opfer der furchtbaren Feuersbrunst werden.
Ein Reiter ward aus der Residenz abgeschickt, dem Fürsten das große Unglück eiligst zu vermelden, der Mann mußte in bitterkalter Winternacht hinaus auf die Straße gen Hallein, und im Lusthause versuchen, das Gefolge wachzubringen, auf daß dem Erzbischof Kunde vom Dombrand werde.
Mit Sehnsucht erwartete man auf der Brandstätte das Erscheinen des Landesherrn.
Die Türme stürzten krachend ein, ein ungeheures Funkenmeer stob auf, richtete aber dank der Windstille kein weiteres Unheil mehr an, und die Funken erloschen auf den schneebedeckten Dächern der umliegenden Häuser.
Endlich jagte ein Reiter über die Salzachbrücke und kam im Galopp zur Brandstatt gesprengt. Aus hunderten Kehlen ward ihm entgegengerufen, alles fragte nach dem Erzbischof.
Der erschöpfte Reiter ward von der schreienden Menge umringt und konnte nur mit Mühe den erschreckten Gaul meistern.
„Wo ist der Fürst?“ hieß es.
Heiser rief der Meldereiter: „Er kommt nicht!“
Eine ungeheure Aufregung ergriff die Leute, welche es nicht fassen konnten, daß der Landesherr nicht kommen will. Alles schrie wirr durcheinander, jeder fragte nach dem Grund des Fernbleibens in solcher Not.
Der Stadthauptmann forderte Ruhe und begann den Reiter auszufragen mit dem überraschenden Ergebnis, daß der Bote meldete, der Erzbischof, vom Kämmerling aufgeweckt, habe gesagt: „Brennt es, so lasse man es brennen!“
Das war den Bürgern Salzburgs in ihrer Erregung und Sorge zu viel, die Leute hingen liebend an ihrem Dom, die Gleichgültigkeit Wolf Dietrichs gegen den Dombrand entfaltete einen Tumult, allgemein ward der Verdacht ausgesprochen, daß der Erzbischof, von dem es bekannt war, daß er den Dom in seiner bisherigen Gestalt nicht leiden mochte, den Brand selbst verursacht habe! Geschäftige boshafte Zungen verbreiteten das Gerücht, das Feuer sei im erzbischöflichen Oratorium entstanden, der Fürst hätte dort einen brennenden Wachsstock zurückgelassen, und dadurch wäre erst der Chorstuhl, dann alles andere vom Feuer ergriffen worden.
Der Erzbischof Brandstifter seines Domes! So absurd und ungeheuerlich diese gehässige Anklage lautete, sie wurde geglaubt und weiter verbreitet ins stiftische Land wie auch nach Bayern und München, wo man, dem Fürsten ohnehin gram, die schlechte Nachricht gierig aufnahm und gar nach Rom übermittelte.
Am nächsten Tage kam Wolf Dietrich nach Salzburg zurück. Seine ruhige Haltung verstärkte den Verdacht, insonders der Erzbischof kein Wort des Bedauerns ob des vernichteten Domes laut werden ließ.
Auf sein Geheiß wurden die geretteten Gegenstände bei Skt. Peter und in der Pfarrkirche unter gebracht. Da der Gottesdienst im Dom nicht mehr abgehalten werden konnte, ließ Wolf Dietrich sogleich einen hölzernen Gang von der Residenz in die Pfarrkirche bauen, woselbst fürder celebriert werden mußte. Die Hochämter und Predigten wurden bei Skt. Peter abgehalten.
Wo alles tuschelte und boshaft wisperte in der Bischofstadt, konnte es nicht anders sein, als daß auch dem Domkapitel und den Hofbeamten der fürchterliche Verdacht einer fürstlichen Brandstiftung zu Ohren kam. Allein weder die Domherren noch die Hofchargen wagten es, dem Erzbischof diese handgreifliche Verleumdung mitzuteilen.
Da raffte sich Graf Lamberg auf, dem Freunde und Gebieter Gelegenheit zur Entkräftung des Verdachtes zu verschaffen und erbat sich bei Wolf Dietrich eine Audienz.
Lamberg traf den Fürsten übelgelaunt, fast bereute der treue Freund, sich in dieser Angelegenheit gemeldet zu haben. Doch die Erwägung, daß der Argwohn nicht auf dem Gebieter lasten dürfe, gab den Ausschlag.
Wolf Dietrich unterbrach seine Zimmerpromenade und blickte den Kapitulator forschend an. „Kommst du in politicis Lamberg? Ist neue Kunde von Prag eingelaufen?“
„Nein, Hochfürstliche Gnaden! Es ist eine Salzburger Angelegenheit, die ich unterbreiten möchte unserem gnädigen Herrn.“
„Der Thuemb ist ausgebrannt, ich wüßte nicht, was ansonsten Neues zu vermelden wäre in meiner Stadt!“
„Dieser Dombrand hat viel Zungen in eine Bewegung verbracht, die mir will gefährlich erscheinen.“
Wolf Dietrich horchte auf, sein forschender Blick musterte den Grafen durchdringend. „Schwatzen die Salzburger, nun daran will ich sie nicht hindern!“ meinte der Fürst dann geringschätzig.
„Mit Vergunst, gnädiger Herr! Es giebt ein Schwatzen, das der Ehr' kann gefährlich werden.“
„Wohinaus will Lamberg zielen?“
„Ein Ziel möchte ich gesetzt wissen einer niederträchtigen Verleumdung, die vor dem Thron nicht Halt zu machen weiß.“
„So züngelt die Schlange Verleumdung gar herauf zu meiner Höhe? Pah, ein Tritt und es endigt schmählich solch' Gewürm!“
„Will mein gnädiger Herr ein offen Wort in bemeldter Sache mir verstatten?“
„Sprich aus, Lamberg, was deine treue Freundesseele so bewegt!“
„Der Schlange Verleumdung ein End' zu machen, ist es hohe Zeit, doch vermeine ich: nicht ein gewaltsam Tritt sei hier am Platze, nein, besser deucht mir ein Akt fürstlicher Noblesse und politischer Klugheit zugleich.“
„Wie? Will der Kapitular dem Erzbischof vorschreiben, was der Fürst und Herr zu thun und lassen habe?!“
„Mit nichten, Hochfürstliche Gnaden! In Treuen nur wär' meine unterthänige Meinung, der weit verbreiteten Verleumdung anjetzo durch eine restauratio aedis sacrae ein End' zu setzen.“
„Ha, capisco! Daß ich kein Freund des klotzigen Thuembes gewesen, wird mir wohl anjetzo eingekerbt?!“
„Viel schlimmer, gnädiger Herr!“
„Wie?“
„Hart ist's auszusprechen das schwere Wort, das Flügel hat gefunden und zweifelsbar das Ohr hämischer Freunde zu München erreicht haben dürfte.“
„Sprich deutlicher, Lamberg! Wessen werd' ich verdächtigt?“
„Der Brand….“
„Ha, verstumme! Oder mein Zorn erreicht auch den Freund und wirft ihn nieder!“
Lamberg verbeugte sich tief und schwieg, während Wolf Dietrich mit hastigem Schritt das Gemach durchmaß. Zurückkehrend war der Fürst ruhiger geworden, er reichte dem Freunde die Hand und sprach: „Niente di male, amico! Nun aber sage mir alles, ich bin ruhig und will beherrschen das heiße Blut.“
„Soll ich vielleicht zu gelegenerer Stunde einfinden mich?“
„Nein, Lamberg! Also meine Unterthanen verdächtigen mich, den Thuemb wohl gar in Brand gesteckt zu haben?! Ich verarg' es ihnen aber nicht….“
Jetzt rief Lamberg überrascht: „Wie? Hochfürstliche Gnaden finden solch' infamen Argwohn entschuldbar?“
„Un poco, si! Zu einem Teil, da ich nie ein Hehl daraus gemacht, daß widerwärtig ist mir das alt' Gebäu des Thuembes! Wissen das die Salzburger, ist's nur ein kleiner Schritt zum Argwohn, daß Mißgunst ward zum Brandstifter.“
Bei aller diplomatischen Schulung vermochte Lamberg seine Überraschung nicht zu verbergen, und über diese Anzeichen seiner Verblüffung zeigte sich Wolf Dietrich amüsiert.
„Gnädiger Herr wollen doch nicht solchen Argwohn in die Halme schießen lassen?“
„Nein! Doch weiß ich zur Stunde nicht, wo anzulegen ist die Axt, mit der abgehauen wird des Giftbaumes zähe Wurzel!“
„Mit Vergunst, die Stelle für die trennend' Axt kann ich bezeichnen!“
„So sprich, teurer Freund!“
„Zerstreuen wird jeglichen Argwohn die Wiederherstellung des alten Domes.“
„Das häßliche Gebäu restaurieren? Das ist fürwahr nicht nach Geschmack!“
„Es bleibt kein ander Weg, gnädiger Herr! Was später wird, mag vorbehalten bleiben einer besseren Zukunft.“
„Das klingt besser mir ins Ohr! Gut denn! Ich werde flicken lassen, doch Türme kommen nimmer auf den alten Bau! Und so ich zu leben habe, will einen neuen Thuemb ich bauen, der Salzburg soll zur Ehr gereichen.“
Froh dieses Erfolges, den wankelmütigen Fürsten umgestimmt zu haben, konnte Graf Lamberg die Residenz verlassen.
Wolf Dietrich hielt Wort; er ließ von welschen Maurern ein Dach aus Estrich und Mörtel eilig aufsetzen, die Quadermauern waren intakt geblieben. Diese Vorkehrungen besänftigten die Murrenden, der Verdacht schlummerte ein.
Als der Schlauere erwies sich aber doch wieder der baulustige Fürst; wie im voraus berechnet, konnte das in Eile und sehr schlauderhaft erbaute Dach den Unbilden der salzburgischen Witterung nicht lange widerstehen, der Regen sickerte durch das dünne Mauerwerk, es begann ein stetig Abbröckeln, und eines Tages stürzte ein großer Teil des Notdaches ein.
Nun hatte Wolf Dietrich den gewünschten Vorwand. Was an Altären im Dom noch vorhanden, wurde abgetragen, ebenso der Sarg des hl. Vigil; auch die Grüfte und Kapellen samt Inhalt wurden entfernt und in anderen Kirchen provisorisch untergebracht.
Die Salzburger errieten mählich des Erzbischofs Absichten und begannen zu murren. Da erließ Wolf Dietrich ein Mandat des Inhalts, daß er als Erzbischof – nicht verantworten könne, das Leben der Dombesucher einer Gefahr auszusetzen; die Domkirche sei in hohem Maße gefährlich baufällig und müsse daher abgetragen werden.
Dabei blieb es; eine Schar welscher Arbeiter begann mit dem Abbruch der massigen Quadermauern, worüber Jahre vergingen. Aber eines Tages war das Ziel doch erreicht, – der alte häßliche Dom niedergelegt, der Platz bis auf den Grund geräumt.
Nun konnte Wolf Dietrich einen neuen Dom nach seiner Geschmacksrichtung erbauen.
XIII
Bei aller Freundschaft zum Grafen Lamberg liebte es Wolf Dietrich doch, seine Umgebung immer mehr zu verwelschen; so hatte er den Juristen Agostino Tandio aus Siena zu seinem Geheimschreiber, den Mailänder Sebastian Cattaneo zum Weihbischof und Bischof von Chiemsee ernannt. Baumeister des Fürsten war J.B. Minguarda, eine wichtige Persönlichkeit am Hofe des baulustigen Erzbischofs.
Als Wolf Dietrich aber mit Cattaneo zerfallen war, kamen der Reihe nach nur Italiener zur Würde des Weihbischofs, die bestrebt waren, bei Hof zu Einfluß zu gelangen. Indes hielt der Fürst in politischen Angelegenheiten doch am bewährten Ratgeber Lamberg fest, der am meisten damit vertraut war; allerdings war ein dem Charakter des Erzbischofs entsprechendes sprungweises Vorgehen aus eigener Initiative nie ausgeschlossen, und Lamberg wie die Hofräte bekamen dann die mißliche Aufgabe, in heiklen diplomatischen Verhandlungen beschwichtigend zu wirken und den verfahrenen Karren wo möglich wieder ins Geleise zu bringen.
Ein Sprung dieser Art war das plötzliche Angebot an Kaiser Rudolf II., dessen Sudwerk zu Ischl im Salzkammergut auf ewige Zeiten mit Holz aus den Wäldern des salzburgischen Pfleggerichts Hüttenstein zu versorgen. Natürlich konnte diese Spende des bisher im Geben sehr spröden Fürsten den Kaiser nur erfreuen. Weniger erbaut davon waren die Hofräte, welche sich den Kopf schier zerbrachen, um das Motiv solcher Spende und einer unfaßlichen Konzilianz zu entdecken. Und erst auf vorsichtig betretenen Umwegen vermochten die Juristen Wolf Dietrichs herauszubringen, daß der Fürst eine Annäherung an den Kaiser wünschte, und mit Mühe setzten die Räte bei der zu Pilsen erfolgten Vertragsschließung die Klausel durch, daß es dem Erzstift freistehen sollte, die Holzspende wieder aufzuheben, wenn Österreich das Halleiner Salz an seinem freien Gang nach Böhmen hindern oder sperren würde. In diesem Sinne wurde denn auch der Vertrag geschlossen, und Wolf Dietrich kam durch sein Entgegenkommen mit dem Kaiser auf guten Fuß, verdarb es aber dementsprechend mit dem bayerischen Nachbar, der in der Spende nichts anderes erblicken konnte, als den geglückten Versuch, daß Salzburg sich den ungehemmten Ausgang des Halleiner Salzes nach Böhmen sichern wollte.
Das fürstliche Geschenk mußte zu München geradezu verblüffen, und zwar im Hinblick auf die bisherigen Klagen des Fürsten auf Reichstagen über Geldmangel, Minderertrag der Bergwerke, demzufolge Wolf Dietrich dem Kaiser die erbetene Hilfe in der gewünschten Höhe verweigern zu müssen erklärt hatte. Herzog Max von Bayern konnte hier nur einen argen Widerspruch finden, der indes jene Holzspende noch übertrumpfte, als in München bekannt wurde, auf welch' pomphafte, nie dagewesene Weise der Erzbischof den zu Gast gekommenen spanischen Admiral Francisco de Mendoza empfing und mit einer Pracht und Üppigkeit bewirtete, die den Admiral veranlaßte, zu verkünden, daß der Erzfürst von Salzburg nicht nur der prunkliebendste, sondern auch der reichste unter den Kirchenfürsten Deutschlands sein müsse.
Als der Spanier aber den gastlichen Hof zu Salzburg verlassen hatte, wehte insofern ein anderer Wind durch das Palais, als der Hofkastner wieder einmal vor leeren Kassen stand und sich innerhalb des Kapitels Stimmen erhoben, die sich erlaubten, solch ungeheuerliche Prachtentfaltung zu tadeln und zugleich an Erfüllung jener Verbindlichkeiten zu erinnern, die Wolf Dietrich bei der Wahlkapitulation vor nun sehr geraumer Zeit übernommen.
Mit einem Aufbrausen und einfachen Mandat war einer solchen Situation nicht zu entgehen; Wolf Dietrich konnte, da das Kapitel gegen ihn auftrat, auch nicht auf die Hilfe Lambergs zählen, der doch als Kapitular dem Kapitel angehörte. Der Fürst fand den ersehnten Ausweg, indem er alle Unkosten der Regierung auflastete und deduzierte: Der gewählte Erzbischof übt die Regierung aus, also ist er vollkommener Nutznießer und Herr aller Einkünfte, Regalien und Gefälle des Erzstiftes gegen Entrichtung der dem Erzstift obliegenden Bürden; der regierende Fürst könne also auch mit etwaig erspartem Vermögen bei seinen Lebzeiten frei schalten und walten, dasselbe verschenken und auf Stiftungen verwenden; hingegen solle dasjenige, was er nach seinem Tode an Gebäuden, Fahrnissen und Barschaft hinterlasse, dem Erzstift anheimfallen.
Mit diesem meisterhaften Schachzug, der Vertröstung auf die Erbschaft vermochte der kluge Fürst thatsächlich das Kapitel zu einem diesbezüglichen Vertrag zu bewegen, und nun war Wolf Dietrich dessen sicher, in Zukunft vor den unzufriedenen Dränglern Ruhe zu bekommen. Das Kapitel war einfach auf die Zukunft verwiesen und muß warten, bis der regierende Herr mit dem Tod abgegangen sein wird. Was sich dann als Nachlaß, insonders in Bar vorfindet, das ist eine andere Sache. Somit hatte sich die stetig vollzogene Berufung von Opportunisten ins Kapitel bis auf die nörgelnden alten Domherren ebenso gut bewährt, wie die vom Fürsten vorgenommene Auswechslung von ihm ergebenen Personen im Stadtrat. Dort hatte Bürgermeister Ludwig Alt einem Stadthauptmann Platz machen müssen, zum Syndikus wurde gleichfalls eine andere Persönlichkeit ernannt, und kurz darauf wurden beide Posten wieder aufgehoben und mit Bürgern besetzt, über deren freundlich ergebene Gesinnung kein Zweifel obwalten konnte.
Damit aber Geld in den Kasten kam, wurde die Türkensteuer, welche der Fürst nur in bescheidenen Teilen dem Kaiser gewährte, voll in der Höhe der kaiserlichen Forderung weiter erhoben und das Überplus dem fürstlichen Fiskus eingeliefert.
Jahre zogen ins stiftische Land und reicher Kindersegen ward dem Fürsten zu teil, der treu zu seiner Salome hielt. Der Nörgler an seinen Beziehungen zur schönen Frau unter der Bürgerschaft wurden immer weniger, sie fanden das Verhältnis zwar nicht in Ordnung, doch imponierte selbst den verbissensten Patriziern die Treue, das Festhalten des Fürsten an einer zur Gemahlin erkorenen Frau zu einer Zeit, da die Konkubinenwirtschaft weit verbreitet und fast nicht mehr anstößig empfunden ward. Und bei Notleidenden, Kranken, Armen und Siechen gab es überhaupt nur eine Stimme dankbarsten Lobes für Wolf Dietrich und Salome, deren Wohlthätigkeit im ganzen Erzstift bekannt war.
Im trauten Zusammensein mit Salome überkamen aber doch den Fürsten manchmal trübe Gedanken, die vertrauliche Mitteilungen aus Rom immer wieder wachriefen, Berichte über Bayerns stetige Versuche, den Salzburger zu diskreditieren eben seines Verhältnisses zu Salome wegen.
In solchen Momenten rief Wolf Dietrich unmutig, verbittert aus, daß kleinlich sei des Herzogs Machenschaften, und unfaßlich das Zögern Roms. „Hab' ich Gregors Machtwort respektiert, gekränkt dadurch mein treues Weib, nicht eingelöst mein fürstlich Wort, entbehrt der Bund des kirchlichen Segens, was soll Verleumdung weiter! Will Rom ein abermalig Machtwort sprechen, sei's drum! Des stetig Sticheln bin ich wahrlich überdrüssig, säh' lieber ein feindlich Andringen!“
Immer verstand es Salome, den Gebieter durch zarte Rede zu beruhigen, zu trösten über das Ungemach, das schließlich ja nicht unverdient genannt werden könne.
Im Gefühle innig aufquellender Liebe rief Wolf Dietrich: „Das sagt Salome, der ich die Ehe einst gelobt, mein Weib, dem das Wort ich gebrochen?!“ „Ja, geliebter Herr und Gebieter! Wohl hab' ich ersehnt heiß die kirchlich Einsegnung unseres Bundes, wie jedes liebend Weib im innerst Fühlen solche Segnung wird erstreben; doch in meinem Falle eracht' ich es als höchste Pflicht, zu unterordnen mich den höheren Geboten, zu fügen mich und alles verhindern nach Kräften was gefährden könnte Thron und Leben meines gnädigen Herrn!“
Von Herzen dankbar zog Wolf Dietrich die Getreue in seine Arme und küßte die weiße Stirn Salomens.
Sich der Umschlingung entziehend, sprach Salome dann leise: „Mein gnädiger Herr! Ein Wort im Vertrauen möge mir verstattet sein!“
„Sprich, Geliebte, ich bin ganz Ohr für dich!“
„In schuldiger Demut tret' ich, wie schon gestanden, willig in den Hintergrund. Als Mutter aber muß ich für unsere Kinder nach meinen Kräften sorgen —“
„Salome! Ich thue sicherlich das Meinige! Will nicht hoffen, daß Ursach' ist zur geringsten Klage?!“
„Mit nichten, theurer Gebieter! Wahrlich fürstlich ist zu nennen die Fürsorge für mich und die Kleinen. Allein der Blick muß weit hinaus sich richten….“
„Ich verstehe mählich! Geurkundet ist bereits, daß führen wird jeder Sproß aus unserem glücklich Bund meinen Namen Raittenau! Das gilt für unseren Erstling Wolf wie für unsere andern Kinder!“
„Verzeiht mir, hoher Herr und geliebter Gönner! Geurkundet hat der Stiftsherr, zugleich Erzbischof mit Handschrift und dem Siegel. Zwingt solche Urkund' aber unsere Feinde zur Anerkennung einer legitimen Abstammung, da nichtig ist der Bund der Eltern?“
„Ob der Bayer wird nennen meine Kinder nach meinem Namen, mich könnt' kalt dies lassen!“ erwiderte in trotziger Geringschätzung der Fürst.
„Doch nicht, gnädiger Herr! Just der Bayer soll gezwungen sein, anzuerkennen solche Urkunde“
Überrascht blickte Wolf Dietrich auf, er wußte nicht im Augenblick, wohinaus Salome wolle. „Den Bayer zwingen? Dazu reicht Salzburgs Macht nicht wohl aus!“
„Nicht Salzburg hätte ich im Auge, der Kaiser kann ihn zwingen!“
„Der – Kaiser?! Salome, deiner Gedanken hoher Flug setzt mich fürwahr ins Staunen!“
„Wie Salzburg steht zum Kaiser, ich weiß dies nicht. Ein bittend Wort, mein' ich, und gerne wird des Reiches höchster Herr betätigen des Stiftsherrn Urkund' – —!“
„Hm!“ Gedankenvoll schritt Wolf Dietrich im reich geschmückten Wohngemach hin und her, nicht eben angenehm berührt von den Plänen Salomes, die zu realisieren das schwankende Verhältnis Salzburgs zum Kaiser sehr erschwert. Ist der Fürst in diesen Tagen persona grata bei Rudolf, es kann solche Beziehung sich ändern binnen wenigen Tagen, und von besonderer tief empfundener Ergebenheit zum Kaiser spürt Wolf Dietrich wenig in seinem Herzen. Dies aber der Gemahlin zu sagen, geht nicht an. Zu Salome tretend, sprach der Fürst: „Solch' wichtige Sache will überlegt, sorglich betreuet sein. Ich werde deinen Plan im Aug' behalten und zur rechten Zeit den rechten Schritt thun!“
„Wie mein gnädiger Herr befiehlt! Nur bitt' ich in schuldiger Ehrfurcht, es möge nicht zu lang gezögert werden, wasmaßen vom Herzog Max nicht viel des Guten zu versehen ist!“
„Pah, der Bayer! Ein Mann, der im Rücken kämpft und salzhungrig ist!“
Salome kannte den Fürsten zu genau, um in Momenten solcher Geringschätzung eine Umstimmung, eine Warnung zu versuchen, womit nur das Gegenteil, erbitterter Trotz, erreicht würde. Die kluge Frau wollte aber auch nicht beitragen, die Mißachtung und Unterschätzung eines gefährlichen Gegners zu fördern, und so beschränkte sich Salome darauf, den Gebieter zu bitten, die für die Kinder wichtige Angelegenheit nicht aus dem Auge verlieren zu wollen.