Kitabı oku: «Teufel Marietta», sayfa 5
»Was geht das Sie an?« fragte Halpert.
»Erlauben Sie mal!« erwiderte Günther. »Seien Sie doch nicht so unhöflich! Das geht mich allerdings an – und zwar sehr viel – der arme Mensch hat grade Unglück genug.«
»Was hat er?« fragte Halpert.
»Ich weiß nicht, ob Sie schon orientiert sind.«
»Worüber?«
»Na, schließlich ist es doch keine Kleinigkeit, über Nacht Vater von einem elfjährigen Kinde zu werden. Versetzen Sie sich mal in seine Lage, Herr Richter.«
»Ich denke gar nicht dran!« rief Halpert.
»Und denken Sie dabei an Ihre Frau!«
»Nein!!« brüllte Halpert wütend. »Das fällt mir ja gar nicht ein.«
»Aha!« sagte Günther. – »Sehen Sie! Ich hab’s mir gedacht!«
»Sie kennen den Menschen also?«
»Welchen Menschen?« fragte Günther.
Halpert wies auf Siewers:
»Den da!«
»Ach so!« erwiderte Günther. – »Menschen nennen Sie das? Sehen Sie mal an, das ist ja immerhin ganz freundlich von Ihnen.«
»Ob Sie ihn kennen?« fuhr ihn Halpert an.
Günther lächelte.
Und Halpert, der annahm, daß Günther ihn nicht verstanden hatte, wiederholte und brüllte noch lauter:
»Zum letzten Male frage ich Sie: kennen Sie den Mann da oder nicht?«
»Wahrscheinlich besser als Sie,« erwiderte Günther.
»Woher kennen Sie ihn?«
»Erlauben Sie mal, was geht denn Sie das an?«
»Wollen Sie jetzt antworten?« fragte Halpert.
»Ich denke nicht daran. Ich komme wegen einer Adoption, und nicht um mit Ihnen Privatgespräche zu führen.«
Halpert wandte sich an Starke:
»Was sagen Sie zu der Frechheit?« fragte er ihn.
Starke schüttelte nur den Kopf. Aber Siewers, der durch Günthers Auftreten allmählich sein Gleichgewicht wiederfand, wandte sich an Halpert und sagte laut:
»Der Herr kann Ihnen über alles Auskunft geben.«
»Sie geben also ebenfalls zu, ihn zu kennen?« fragte Halpert.
Und Siewers antwortete:
»Ja!«
»Ist er etwa auch daran beteiligt?« fragte er weiter.
Siewers zuckte mit den Achseln.
»Nicht daß ich wüßte!« sagte er.
»Aber er hat dabei geholfen?« fragte Halpert.
»Danach müssen Sie ihn schon selber fragen,« erwiderte Siewers, »oder besser, Sie fragen die Mutter, denn er wird es ja wohl kaum eingestehen.«
»Dazu werden wir ihn zwingen,« sagte Halpert.
»O je!« entschlüpfte es Günther, und er dachte: der Alte scheint zu wissen, daß ich der Vater bin.
Und wirklich wandte sich Halpert jetzt an Günther und fragte:
»Wo ist das Kind?«
Günther lächelte und schwieg.
Der Richter wiederholte seine Frage.
»Darüber verweigere ich die Aussage,« erwiderte Günther.
»Sie wissen’s also?«
»Allerdings! – im übrigen beruhigen Sie sich! Es ist in besten Händen.«
Halpert wandte sich an den Schreiber:
»Was sagen Sie zu meinem Blick, Starke?«
Starke verbeugte sich und sagte:
»Bewundernswert, Herr Rat, bewundernswert!«
»Demnach also ein Komplice,« entschied Halpert, beugte sich zu Starke hinüber und tuschelte ihm etwas ins Ohr.
Starke stand auf, ging zur Tür und schloß sie ab. Günther hatte sich inzwischen in geschickter Weise dem Dr. Siewers genährt und flüsterte ihm jetzt zu:
»Was willst du denn bloß hier? Es ist ja alles in bester Ordnung! Anni von Villiers adoptiert und deine Frau erfährt keine Silbe.«
Siewers sah ihn ganz verstört an.
»Ach! wenn du wüßtest!« stöhnte er.
»Ja, was ist denn geschehen?« fragte Günther.
»Meine Frau weiß alles!« erwiderte Siewers. »Sie hat mich telephonisch herzitiert.«
»O je!« rief Günther – »na, das kann ja nett werden!«
»Hier gibt’s keine Privatunterhaltung!« brüllte Halpert und befahl Günther: »Treten Sie mal zur Seite! Weg von dem da! – Und nun zum letzten Male: Wo ist das Kind?«
»Ich sag’s Ihnen doch nicht!« – Wenn Sie mich höflich gefragt hätten – vielleicht, daß ich’s Ihnen dann unter Diskretion mitgeteilt hätte.«
»Da hört doch alles auf!« fluchte Halpert und wandte sich verzweifelt an Starke, der auch ganz hilflos dasaß und immer nur den Kopf schüttelte.
An der verschlossenen Tür wurde gerüttelt.
»Was ist denn nun schon wieder?« fragte Günther.
»Schließen Sie vorsichtig auf,« befahl Halpert dem Schreiber – »und sehen Sie nach, wer draußen ist. – Es kommt mir niemand herein, wer’s auch ist.«
»Warum denn nicht?« fragte Günther. »Es ist ja noch Platz genug hier. – Lassen Sie mich mal sehen!« – Und er ging zur Tür, schob den Schreiber zur Seite und öffnete behutsam.
Im selben Augenblick wurde von außen gewaltsam gegen die Tür gedrückt. Günther flog zurück ins Zimmer, und Helene, Frau Siewers, Schwester Agate und der Vormund wirbelten herein.
Halpert rang verzweifelt die Hände. Und Günther rief:
»Donnerwetter! die ganze Bescherung- – Diesmal hatten Sie recht,« wandte er sich an Halpert – »es war ne Dummheit! wir hätten nicht öffnen sollen.«
Siewers stürzte vor seiner Frau auf die Knie und bettelte:
»Ella! kannst du mir verzeihen?«
»Ich habe es längst getan!« erwiderte sie mit großem Pathos. – »Und mehr als das! Weißt du, warum ich hier bin?«
Siewers schüttelte den Kopf.
»Um dein Kind zu adoptieren!«
»Allmächtiger!« entfuhr es Günther.
»Du gute, beste Frau!« rief Siewers – sprang auf und fiel ihr in die ausgebreiteten Arme.
»Bedanke dich auch da!« sagte Frau Siewers und wies auf Helene. »Sie hat mir so lange ins Herz geredet, bis ich gerührt war und nicht anders konnte. Erst fiel es mir ja ein bißchen schwer – schon mit Rücksicht auf die andern Kindern. – Jetzt aber bin ich so froh damit, daß ich glaube, ich könnte, ohne das Kind bei mir zu haben, keine Stunde mehr glücklich sein.«
Ach du lieber Himmel! dachte Günther. – Wo nimmt man jetzt nur all die Kinder her! Und zu Helene gewandt sagte er:
»Du hattest mir doch versprochen, ihr heute noch nichts zu sagen.«
Aber Helene strahlte:
»Habe ich nicht recht getan?« sagte sie und wies auf ihr Werk. »Urteile selbst!«
Herr und Frau Siewers lagen sich noch immer in den Armen.
Inzwischen redete Schwester Agate unausgesetzt auf Richter und Vormund ein und wies dabei alle Augenblicke auf Günther.
Günther entging das nicht. Jedesmal, wenn er merkte, daß von ihm die Rede war, machte er nach dem Richtertisch hin eine kurze Bewegung und sagte:
»Ich bitt’ Sie, lassen Sie mich doch aus dem Spiel. Sie komplizieren das Ganze ja nur unnütz.«
Halpert wand sich vor Unbehagen, und aus seinen fortwährenden Bewegungen zu Starke hin entnahm man, daß er von alledem, was Agate ihm da von dem geraubten Kinde erzählte, keine Silbe verstand.
Plötzlich, als sich ihm schon alles im Kopfe drehte, schrie er laut:
»Ruhe! so geht das nicht! Sie bringen ja alles durcheinander. Das sind ja mindestens sechs Kinder und Mütter, von denen hier auf einmal die Rede ist.«
Er hatte kaum ausgesprochen, da erschien Henri von Villiers und Frau Anni in der Tür.
»Da! das sind sie, Herr Richter!« schrie Agate und stürzte auf sie zu.
»Wer? – Was sind sie?« fragte Halpert verwirrt.
»Wo haben Sie unser Kind?« schrie Agate und erhob drohend den Arm. Und als Henri und Anni weiter nach vorn gehen wollten, sperrte sie ihnen den Weg: »Nicht einen Schritt, ehe Sie mir nicht sagen, wo unser Kind ist.«
Henri schob sie zur Seite, und während er zum Richtertisch ging und alles aufmerkte, sagte er:
»Fabelhaft, dies Frauenzimmer!«
Aber auch Günther wußte jetzt nicht mehr ein noch aus. Er faßte sich an den Kopf, sah einen nach dem andern an und sagte halblaut:
»Das geht nicht! das geht ja nicht! das kann man ja keinem Menschen klar machen – keinem! Da verliert ja jeder auf halbem Wege den Verstand! – Ich versuch’s also gar nicht!« sagte er sich. – »Mag’s nun kommen, wie’s will.«
Inzwischen hatte sich Henri unter vielen Formen dem Richter vorgestellt, auf den er nun unaufhörlich einredete.
Als er endlich eine Pause machte, sagte Halpert:
»Sie wollen also adoptieren, Herr von . . .« – doch er kam nicht auf den Namen.
»Villiers, Baron von Villiers,« sagte Henri und verbeugte sich. – »Jawohl, deshalb bin ich hier.«
»Und wen, bitte, gedenken Sie zu adoptieren?« fragte Halpert.
»Das ist es eben,« sagte Henri und tat geheimnisvoll. »Ich hätte nämlich die große Bitte, Herr Rat, wenn es irgend ginge, daß der Name der Mutter geheim bleibt – es wäre für meine Frau und mich stark kompromittierend. – Sie verstehen – weil das Kind nämlich meiner Frau – ich würde dann lieber ganz verzichten.«
»Ich verstehe nicht,« erwiderte Halpert – »das Kind gehört Ihrer Frau, sagen Sie?«
»Pst!« sagte Henri und führte den Finger an den Mund: »leise bitte! man hört uns.«
»Ja, dann sind Sie also gar nicht verheiratet?« fragte Halpert.
»Aber natürlich!« erwiderte Henri. Halpert faßte sich an den Kopf:
»Ja, dann ist das Kind, doch Ihr Kind!« entschied er – »dann brauchen Sie’s doch nicht erst zu adoptieren.«
Henri war verzweifelt: – »Sie verstehen noch immer nicht, Herr Rat, – der Vater des Kindes . . .«
»Ich verstehe genau,« widersprach Halpert. »Ihre Frau hat sich vergessen – Sie sind nicht der Vater. Das geht aber niemanden etwas an, da es in der Ehe geboren ist.«
Henri wurde nervös:
»So verstehen Sie doch endlich!« drängte er. »Es ist eben nicht in der Ehe geboren.«
»Ach! soo!«
»Endlich!« sagte Henri und atmete auf.
Und Halpert meinte:
»Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Sie sind also geschieden.«
Henri rang verzweifelt die Hände.
»Nein!!« schrie er. – »Das Kind ist vor der Ehe . . .«
»Sooo!« sagte Halpert – »nun verstehe ich. Natürlich nehme ich gern die Rücksicht auf Ihre Gattin. Sie ist also die Mutter welches Kindes?«
»Des Kindes, das wir adoptieren wollen.«
»Das beweisen Sie mal erst!« platzte Günther, der alles mit anhörte, heraus. Und aus der Gruppe der andern, die sich schnell zusammengefunden hatten und ohne Pause aufeinander einredeten, hörte man jetzt Agates Stimme:
»Unsinn! das Kind heiratet überhaupt nicht, sondern tritt in unser Schwesternheim.«
»Und ich sage Ihnen,« widersprach Anni, »das Kind wird adoptiert und heiratet einen Offizier.«
»Und ich erkläre Ihnen,« schrie Frau Siewers, »das Kind gehört meinem Manne, und heiratet einen Gelehrten.«
Allmächtiger! dachte Günther – aber das kommt von meinem soliden Lebenswandel. Wenn ich jetzt drei Kinder hätte, wäre alles in schönster Ordnung.
»Ruhe!« brüllte Halpert zu den Frauen hinüber, die um den Besitz des Kindes stritten – »wir bringen ja alles durcheinander.« – Dann wandte er sich an Starke und fragte:
»Kennen Sie sich noch aus, Starke?«
»Nein, Herr Rat.«
»Sie vielleicht, Herr . .« wandte er sich zu dem Vormund, der neben ihm stand. – »Verzeihung, wer waren Sie doch gleich?«
Der Vormund verbeugte sich und sagte:
»Ich bin der Kommerzienrat Leeser.«
»Ja, was wollen denn Sie?« fragte Halpert.
»Wollen Sie etwa auch adoptieren?«
»Aber nein!« erwiderte der. »Ich bin doch der Vormund – wenigstens sagt’s der Herr hier« – und er wies auf den Schreiber.
»Von wem sind Sie der Vormund?« fragte Halpert.
»Das weiß ich nicht. Da muß ich erst zu Hause nachsehen. Ich habe jetzt unberufen elf Vormundschaften; da kenne ich mich natürlich nicht mehr aus.«
»Herr Kommerzienrat Leeser ist der Vormund des geraubten Kindes,« bekundete Starke.
»Wer sagt Ihnen das?« fragte Leeser.
»Hier im Register steht’s,« erwiderte Starke und las:
»Als Vormund wird bestellt für das Kind der unverehelichten . . .«
»Halt!« unterbrach ihn Halpert – »der Name der Mutter wird nicht genannt.«
Henri dankte dem Richter durch eine kurze Verbeugung, und Starke ließ den Namen der Mutter fort und las weiter:
. . . ist der Kommerzienrat Leeser, Charlottenburg Mommsenstr. 7 bestellt.«
»Nu, ich bestreit’s ja nicht,« sagte Leeser – »wenn’s dasteht, wird’s wohl stimmen.«
»Sie scheinen ja mit großer Liebe an ihren Mündeln zu hängen,« meinte Günther.
»Hab’ ich se mir ausgesucht?« fragte Leeser. »Aber wenn Se glauben, se sind bei Ihnen besser aufgehoben – bitte!«
»Danke!« erwiderte Günther – »aber, was sagen Sie denn dazu, daß Ihr Mündel geraubt ist?«
»Was soll ich sagen? – Schließlich, wenn man’s nicht wieder findet, hab ich an Zehnen auch noch genug.«
Gemütvoller Mensch! dachte Günther. – Und an sowas muß ausgerechnet meine Tochter geraten.
»So kommen wir nicht vorwärts,« entschied Halpert. »Wir müssen der Reihe nach gehen. Zunächst also: Wessen Kind ist geraubt?«
Und Agate antwortete laut:
»Unser Kind!«
»Warum sagen Sie immer unser Kind?« bemängelte Halpert. »Das verwirrt nur! Sagen Sie doch: Ihr Kind. So weit sind wir also endlich. – Starke, schreiben Sie! – Sie sind also die Mutter des geraubten Kindes!« sagte er zu Agate.
»Sozusagen!«
»Was ist das schon wieder für eine Einschränkung. Sie müssen das doch wissen. Sind Sie’s oder sind Sie’s nicht?«
»Die richtige Mutter ist irgendwo – verschollen.« – Jetzt trat Henri, der inzwischen schwer mit sich gekämpft hatte, vor und erklärte:
»Wenn es denn nicht anders geht, so will ich auch das Opfer bringen – selbst auf die Gefahr hin, mich und meine Frau damit zu kompromittieren. Also, Herr Rat! die Mutter ist weder tot noch verschollen, sondern« – und dabei nahm er die verdutzte Anni bei der Hand und führte sie an den Richtertisch:
»Die Mutter dieses Kindes ist meine Frau.«
Diese Erklärung bewirkte zunächst, daß Dr. Siewers erschrak, zusammenfuhr und kein Auge mehr von Anni, der Mutter seines Kindes, wandte. Ferner aber hatte diese Erklärung einen Ausbruch der Empörung auf Seiten Agates zur Folge.
»Waas?« schrie sie und betrachtete Anni genau. —
»Unmöglich! das ist nicht wahr! er lügt!«
Henri schüttelte den Kopf und sagte:
»Fabelhaft!«
»Bringen Sie die Frau hinaus!« befahl Halpert dem Gerichtsdiener und wies auf Agate. »Sie warten draußen, bis ich Sie rufe!« sagte er zu ihr. »Das ist ja furchtbar!«
Als man Agaten hinausführte, bat Günther leise den Richter:
»Könnten Sie meine Frau nicht auch hinausbringen lassen?«
Aber Halpert ließ sich auf keine Zwischenfragen mehr ein. Seine Augen ruhten wie die eines Siegers auf Frau von Villiers.
»So!« sagte er. – »Die Mutter haben wir! – endlich!« – Und in freundlichem Tone sagte er zu Anni:
»Ihnen hat man also das Kind geraubt?«
»Aber nein!« erwiderte Anni. »Wie kommen Sie denn darauf? – Es ist bei uns zu Hause und spielt.«
Da sah Günther mit einem mitleidigen Blick den Richter an und dachte:
»Jetzt fängt er an, mir leid zu tun.«
Halpert schüttelte verzweifelt den Kopf.
»Das wissen Sie bestimmt?« fragte er; und als Anni dabei blieb, wandte er sich an Henri: »Herr von . . . – wie war doch der Name?«
»Villiers – Baron von Villiers,« sagte Starke.
»Richtig! – Also, Herr von Villiers, wollen Sie sich bitte dazu äußern?«
Und Henri erwiderte:
»Ich habe noch vor einer halben Stunde mit dem Kinde gesprochen.«
»Starke!« rief Halpert.
»Herr Rat!«
»Was sagen Sie dazu?«
»Es ist ein Uhr!« erwiderte Starke – »wir können vertagen.«
Günther war von dem Vorschlag entzückt.
»Das ist ein glänzender Gedanke!« rief er. – »Sie sind ein genialer Mensch! Natürlich vertagen! Dann sind Sie den ganzen Schwindel hier los.«
»Unmöglich!« entschied Halpert und wandte sich wieder an den Schreiber: »Sie beantworten also die Eingabe des Schwesternheims.«
»Sehr wohl, Herr Rat, aber wie?«
»Abschlägig natürlich! Ihrem Gesuche hinsichtlich des geraubten Kindes könne keine Folge gegeben werden, da sich das Kind nach Angabe der Eltern . . . das heißt: der Mutter – übrigens, da wir grade dabei sind« – unterbrach er und wandte sich an Anni:
»Wer ist denn nun eigentlich der Vater des Kindes?«
»Allmächtiger!« platzte Günther heraus – »jetzt klappt’s!«
Anni sah ängstlich zu Günther hinüber, und Henri, dem das nicht entging, dachte: »Also doch!«
Dabei sah er Günther so herausfordernd an, daß der Richter aufmerksam wurde und Günther fragte:
»Sie etwa?«
»Erlauben Sie mal!« erwiderte Günther gekränkt und wies auf Helene. – »Ich bin ein verheirateter Mann!« – Und zu Siewers sagte er leise: »Es hilft dir nichts! du mußt es jetzt öffentlich bekennen.«
Und Dr. Siewers, der noch immer Anni anstarrte und sich durchaus nicht erinnern konnte, trat schüchtern vor und bekannte:
»Ich bin der Vater des Kindes!«
Frau Siewers, für die in diesem Augenblick die ganze Begebenheit ein anderes Gesicht bekam, sah Anni verächtlich an und sagte:
»Schämen Sie sich!«
Henri wandte sich an Dr. Siewers und erklärte:
»Mein Herr! Nun, wo ich es weiß, werden Sie sich mit mir schießen. Auch wenn es vor meiner Ehe war!« – Dann maß er ihn von oben bis unten und dachte: »Fabelhaft! dieser Geschmack!«
Halpert triumphierte:
»Endlich kommt Licht in das Dunkel!« rief er. —
»Bitte, treten Sie mal vor Frau von Villiers, und Sie Herr Dr. Siewers stellen sich daneben!« – Dann wandte er sich an Starke, wies auf beide hin und sagte stolz:
»Da hätten wir sie also endlich!«
Siewers nahm schüchtern Annis Hand und sagte mit zitternder Stimme:
»Können Sie mir vergeben?«
Anni bewegte nur leicht den Kopf.
Sie hatten sich nie gesehen; und doch dachten außer ihr und Günther alle, daß sich hier Vater und Mutter ein und desselben Kindes gegenüber standen. —
Diese feierliche Zeremonie wurde durch lauten Lärm, Peitschengeknall und Hundegebell gestört. Irgend wer riß die Tür auf und eine Frau, schön, rassig und von auffallend gutem Wuchs stürmte ins Zimmer. Sie trug ein Reitkostüm und um sie herum sprang und kläffte eine Meute von Hunden. Sie fuhr mit der Peitsche durch die Luft, so daß alle erschreckt auseinanderstoben.
»Seien ich iehr richtig bei die Vormund von das ehelose Kind?« fragte sie.
Und in einem einzigen Schrei riefen Günther, Siewers und von Villiers:
»Teufel! Marietta!!«
»Was ist denn nun das schon wieder?« brüllte Halpert, der sich bereits am Ziele glaubte. Und Helene, Anni und Frau Siewers, die sahen, wie ihre Männer mit weit aufgerissenen Augen staunend und bewundernd vor Marietta standen, fragten wie aus einer Kehle:
»Ja, kennst du diese Person denn?«
»Ich sein die Mutter von den eheloses Kind,« wiederholte Marietta – »das, wie man mir annonciert, iehr von Sie verwaltet wird. Ich bin gekommen, holen meine Tochter, um ihr bei mir zu nemmen und ihr auszubilden für die Zirkus – sein jetzt grad die richtige Alter.«
Halpert fragte eben:
»Wer ist denn Ihr Kind?« als die Tür sich auftat und Agate mit Elisabeth ins Zimmer trat.
»Da man hier sein Recht nicht bekommt, so habe ich es mir selbst verschafft,« sagte Agate und wollte mit dem Kinde vor den Richter treten. Plötzlich stand sie wie angewurzelt, starrte auf Marietta und rief:
»Himmel! die Mutter!!«
Und das Wort Mutter schlug wie eine Bombe ein.
Marietta riß das Kind an sich, drückte und herzte es, sagte ihm tausend liebevolle Worte, die, da sie spanisch sprach, kein Mensch verstand. Dann besah sie sich Elisabeths Wuchs, befühlte mit sachverständiger Miene die Muskeln an Armen und Beinen, klatschte begeistert in die Hände und rief ein über das andre Mal:
»Brava! brava! Ich sein entzückt, mein Kind! Wann du wirst fleißig sein, dann kannst du werden eine Artiste, so eminente wie deine Mutter.«
Und Elisabeth, in der das Blut der Mutter sprach, warf sich Marietta an den Hals und jubelte auf.
Agate fand zuerst die Sprache wieder:
»Lassen Sie uns das Kind,« bat sie. »Es ist fromm erzogen und wird sich draußen in der Welt nicht zurechtfinden.«
»Tattala! tattala!« rief Marietta und schlug empört mit der Peitsche in die Luft. »Das sein absurd, einzusperren mein Kind in eine Schwesternheim – en route, mon enfant! In die Manege!«
Und sie wollte mit dem strahlenden Kinde eben zur Tür hinaus, als Halpert ihr entgegenbrüllte.
»Halt! so geht das nicht. Ehe ich Ihnen das Kind überantworte, muß ich wissen, wer der Vater ist.«
Und auf die Worte hin, wer der Vater ist, stürzten Günther, Siewers und von Villiers vor und bekannten alle drei aus voller Überzeugung:
»Ich!!«
»I was!« rief Marietta, »was kümmern mich den Vater. Meine Kind haben mir und ihre Talent! Mein Kind brauchen keiner Vater.«
Sie nahm das Kind unter den Arm und öffnete die Tür.
»Haltet sie!« schrie Halpert; und die drei Frauen, der Schreiber und der Gerichtsdiener stürzten auf sie zu.
»Tattala!« rief Marietta höhnisch und hob die Peitsche – »daß ich nicht hetzen meine Hunde auf Ihnen!«
Und alle wichen zurück während Marietta mit dem Kinde erhobenen Hauptes aus dem Zimmer ging.
Drinn aber ging die Schlacht weiter.
Jeder Mann nahm für sich und jede Frau für den Mann der andern die Vaterschaft in Anspruch, bis der erschöpfte Richter mit dem Ausruf:
»Starke! ich lasse mich pensionieren!« die Verhandlung abbrach.
Verflixt!
Eine heitere Geschichte
Es war im Theater. Ihre Logen lagen sich gegenüber. Und da, was auf der Bühne vorging, sehr dumm war, so sah er den ganzen Abend zu ihr hinüber. Und als sie sich in der Pause im Foyer trafen, lachten sie sich an. Er grüßte unwillkürlich, und sie nickte so freundlich, daß jeder glaubte, sie seien gute Bekannte. Als das Stück endlich aus war, eilte er zum Ausgang. Er sah, wie sie die Treppe hinunterstieg und auf ihn zukam. Er ging einen Schritt auf sie zu, legte die Hand an den Hut und sagte: »Ich freue mich sehr!« Sie lächelte allerliebst. Der Theaterportier öffnete den Schlag eines Autos. Sie stiegen ein und fuhren davon.
Von Hiller aus, wo sie in dem kleinen Séparé »Cliquot gelb« tranken und Pfirsich Melba aßen, die sich so schlecht miteinander vertragen, fuhren sie ins Hotel. Obgleich er des Morgens dort mit einem Diener abgestiegen war, übersah der Nachtportier die »Kleinigkeit« und ließ sie passieren.
Sie waren sehr glücklich. »Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ewiger Bund zu flechten. Und das Unglück schreitet schnell.« Zumal nach Cliquot gelb und Pfirsich Melba. Und die Erinnerung trat bei ihr so stark und plötzlich auf, daß sie eilenden Fußes im tiefsten Negligé auf den Korridor und von da zur nächsten Toilette stürzte.
Diese an sich alltägliche Begebenheit ließe sich verschweigen, wenn sie für Amély, das war ihr Name oder sie nannte sich doch so, nicht den Ausgang zu folgender Tragikomödie gebildet hätte.
Die von Liebes- und Leibeswehen geschüttelte Amély hatte nämlich vergessen, sich die Nummer – 17 – ihres Zimmers zu merken. So irrte sie planlos auf dem langen Hotelkorridor umher, bis sie endlich auf den Wächter, der des Nachts die Gänge inspizierte, stieß.
»Denken Sie!« rief sie verzweifelt – »ich kann nicht in mein Zimmer zurück; ich habe die Nummer vergessen!«
»Wenn Sie sich einen Augenblick gedulden wollen,« erwiderte der Wächter – »ich werde sofort unten im Büro nachsehen. Bitte, nennen Sie mir Ihren Namen.«
Sie sah ihn verwirrt an.
»De . . . de . . . den Namen?« stotterte sie.
»Gnädige Frau sind doch gewiß mit Ihrem Gatten . . .?«
»Ja . . ja . . aber . . ich . . e . . weiß nich . . den Namen . .«
»Waas!« rief der Wächter entsetzt, der nun glaubte, es mit einer Geistesgestörten zu tun zu haben —
»Sie kennen Ihren Namen nicht?«
Die kleine Frau schüttelte verzweifelt den Kopf und schluchzte so laut, daß man es trotz der Doppeltüren im Zimmer 24, vor dem sie gerade standen, hörte.
Der Herr auf Zimmer 24 richtete sich auf, horchte, sprang aus dem Bett, stürzte im Pyjama an die Tür, öffnete, stand da.
Madame wandte sich um.
»Gott sei Dank!« rief sie und warf sich ihm in die Arme. Sie zog den verschlafenen und verblüfften Herrn ins Zimmer. Die Tür flog zu. Der Wächter schüttelte den Kopf.
Der Herr auf Zimmer 17 wurde immer ungeduldiger. Er suchte selbst alle Toiletten ab, erst einmal, dann noch einmal, stand lange auf dem Flur, kam an Zimmer 24 vorüber – schließlich als es Morgen wurde, bat er den Direktor zu sich und setzte ihn von dem Verlust seiner Frau in Kenntnis. Und da er ja am Tage zuvor als Kommerzienrat Hilger aus Köln mit Diener abgestiegen und von einer Frau bisher nie die Rede gewesen war, so sah er sich nicht ohne Verlegenheit genötigt, dem Direktor auch die näherem Umstände mitzuteilen.
Der zog die Stirn in Falten und sagte ernst:
»Herr Kommerzienrat, wenn wir bei Ihnen als altem Gast auch ein Auge zudrücken, so müssen Sie uns doch wenigstens so weit entgegenkommen, daß Sie auf Ihre Frauen acht geben!«
»Gewiß! gewiß! ich sehe das ein, aber was sollte ich tun? Ich konnte sie doch unmöglich begleiten.«
»Und Ihre Brieftasche?« fragte der Maitre.
Der Kommerzienrat stürzte an den Schreibtisch. Da lag die Tasche. Und es fehlte kein Sou. Und da lagen Amélys Kleider, ihr kostbarer Schmuck! Ihre reizenden Dessous!
Nein! So einfach, wie der Direktor im ersten Augenblick dachte, lag der Fall nicht! Das Verschwinden einer entkleideten Frau, die alles, was ihr gehörte, zurückließ und nichts Fremdes mitnahm – das war zum mindesten neu! mysteriös! am Ende gar ein Verbrechen!
Der Direktor war in großer Bedrängnis. Das Renommee des Hauses und, was wichtiger war, seine Stellung standen auf dem Spiele. Der einzige, der vielleicht Bescheid wußte, war der Hotelwächter. Dessen Dienst war längst vorüber. Er war seit einer Stunde in seiner Wohnung im Norden, lag in seinem Bett und schlief.
Der Direktor beschloß, ehe man sich an die Polizei wandte und es zu einem öffentlichen Skandal kommen ließ, möglichst geräuschlos den Hotelwächter zu vernehmen. Um jedes Aufsehen zu vermeiden, fuhr er selbst in aller Frühe zu ihm. Nur die Direktrice, die einzige, die er einweihte, nahm er mit sich.
Der Herr von Nummer 24 fuhr am Morgen des nächsten Tages nach Budapest. Als er früh erwachte, lag neben ihm seine Nachbarin noch in tiefem Schlummer. »Den Seinen gibt’s der Herr im Schlafe,« dachte er, schmunzelte, stand auf – behutsam, um sie nicht zu wecken; entnahm seiner Brieftasche einen Hundertmarkschein, legte ihn auf den Nachttisch, schob vorsichtig selbst den Koffer zur Tür, nahm das erste Frühstück gegen seine Gewohnheit unten im Saal, zahlte die Rechnung, drückte dem Oberkellner, dem er schon manchen guten Tipp dankte und den er daher auch in diesem Falle für den Spender hielt, mit zugekniffenen Augen ein Zwanzigmarkstück in die Hand und versprach, als er ins Auto stieg, das Hotel all seinen Freunden in Budapest zu empfehlen.
Der Chef de Reception dankte, zog den Zylinder, telephonierte in den ersten Stock: »Zimmer 24 frei! Aufräumen!«
Als das Stubenmädchen Zimmer 24 betrat, öffnete sie zunächst das Fenster. Dann wandte sie sich um und entdeckte in dem zerwühlten Bette eine junge Frau, die mit aufgelösten Haaren im tiefsten Schlafe lag. Und auf dem Nachttische daneben entdeckte sie einen Hundertmarkschein.
Sie stutzte. »Zimmer 24 frei! Aufräumen!« hatte das Büro angesagt. Und dann – das wußte sie genau – hatte hier ein Herr und keine Dame logiert. Sie sah sich um. Kein Koffer! Keine Kleidung! Keine Schuhe! Nichts war da! Sie überlegte – und im nächsten Augenblick wußte sie auch schon, was hier zunächst zu tun war. Auf den Zehen schlich sie zum Bett, nahm den Hundertmarkschein, steckte ihn ein, ging zur Tür und verschwand.
Draußen suchte sie den Hausdiener. Den bat sie, doch mal nachzusehen, ob der aufdringliche Herr von Nummer 24 »auch wirklich raus sei.« Sie ginge nicht früher hinein. Und der Hausdiener, der es schon lange »gut auf das Zimmermädchen zu stehen« hatte, war über so viel Scham entzückt, ging zur Tür von Nummer 24 und klopfte laut an.
Eine dünne Stimme piepste im Halbschlaf: »Herein!« Er öffnete und stand Amély, die gerade erwachte, gegenüber.
»Nanu?« sagte er und brachte vor Staunen kein Wort mehr heraus.
Aber Amély, obschon sie einen schweren Kopf hatte, fand sich schneller in die Situation. Sie sah sich um. Dann richtete sie sich auf und schrie, während sie sich die Augen rieb, ganz laut:
»So’n Halunke!«
Der Hausdiener riß den Mund auf; und das Stubenmädchen, das zwischen den Doppeltüren stand und horchte, erschrak und schob den blauen Schein noch tiefer in ihre Tasche.
Aber im selben Augenblick stürzte Amély auch schon aus dem Bett, lief zur Klingel, läutete und schrie laut nach der Polizei.
Das Personal lief zusammen – freilich der Direktor und die Direktrice fehlten – die stiegen in dem Augenblick die steile Stiege zur Wohnung des Hotelwächters im Norden der Stadt hinauf – und sie erzählte ohne die geringste Scheu von ihrem Abenteuer. Wie sie die Bekanntschaft im Theater gemacht, wie sie bei Hiller eine Flasche Champagner nach der andern habe trinken müssen, wie sie dann mit dem »Hochstapler« ins Hotel gekommen sei. Ihren Schmuck, ihre Börse, ihr Geld, ihre Kleider, alles habe ihr der Kerl gestohlen! Und mit dem verzweifelten Ausruf: »Polizei!« brach sie zusammen.
Da der Direktor und die Direktrice – sie klopften eben an die Tür des Hotelwächters – nicht zu finden waren, so ergriff der Oberkellner die Direktive, verständigte telephonisch die Polizei und gab ein genaues Signalment des Herrn von Nummer 24.
Der wurde aus seinem Kupee erster Klasse, als der Zug nach Budapest sich eben in Bewegung setzen wollte, unsanft von vier kräftigen Armen herausgezogen, mit Handschellen versehen und in einem Auto zur Konfrontierung ins Hotel gebracht.
Natürlich! er leugnete alles. Er gab eine ganz unglaubwürdige Erklärung und suchte den erfahrenen Beamten einzureden, die Frau sei ihm nachts »zugelaufen«; wie ein Hund. Die Beamten wechselten nur verständnisvolle Blicke. Sie kannten das! Und sie wußten, daß sie den Richtigen hatten.
Sein Gepäckschein wurde ihm noch im Bahnhofsgebäude abgenommen, und der Koffer, der die gestohlenen Sachen enthielt, telegraphisch auf der nächsten Station zurückgehalten.
Als die Beamten mit ihrem unschuldigen Opfer triumphierend Zimmer 24 betraten, fuhren der Direktor und die Direktrice, die von der Aufklärung, die der Hotelwächter gegeben hatte, befriedigt und erheitert waren, ins Hotel zurück.
Die junge Frau, die jetzt wieder ganz wach und nüchtern war, stutzte, als man ihr den Herrn von Nummer 24 gegenüberstellte. Aber Kellner und Stubenmädchen erkannten ihn wieder – und er selbst gab ja zu, daß dies sein Zimmer – und dies da die Frau gewesen sei. Und so gab sie nach und sagte: »Ja!«
Man visitierte gerade seine Taschen, als der aufgeklärte Herr von Nummer 17 mit dem aufgeklärten Direktor leise die Tür zu 24 öffneten, um die vertauschte Frau möglichst geräuschlos wieder nach Nummer 17 zu überführen.
Aber kaum hatten sie das Zimmer betreten, ohne zu begreifen, was hier vorging, da erkannte sie in dem Herrn von Nummer 17 auch schon ihren Freund von gestern abend wieder.
»Das ist der Halunke!« schrie sie, stürzte sich auf ihn und krallte ihre Nägel fest in sein Gesicht.
Als man sie, nicht ohne Mühe, von ihm losgerissen hatte, trat der Direktor vor und klärte den Sachverhalt auf.
Amély war entzückt! Sie warf sich erst dem Herrn von Nummer 17, dann dem Herrn von Nummer 24 an den Hals und küßte beide.