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Kitabı oku: «Casanovas Heimfahrt», sayfa 6

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Sie gingen in den Feldern, unter den niedrigen Obstbäumen, zwischen denen die Rebenranken beerenbeladen sich hinschlangen; und Casanova sprach ohne Pause weiter. »Antworten Sie mir noch nicht, Lorenzi, denn ich bin noch nicht zu Ende. Mein Ansinnen wäre natürlich – nicht etwa frevelhaft, aber aussichts- und daher sinnlos, wenn Sie die Absicht hätten, Marcolina zu Ihrer Gattin zu machen, oder wenn Marcolina selbst ihre Hoffnungen und Wünsche in dieser Richtung schweifen ließe. Aber ebenso, wie die vergangene Liebesnacht Ihre erste war (er sprach auch diese seine Vermutung wie eine unbezweifelbare Gewißheit aus), ebenso war die kommende aller menschlichen Berechnung nach, ja auch nach Ihrer eigenen und Marcolinens Voraussicht bestimmt, Ihre letzte zu sein – auf sehr lange Zeit – wahrscheinlich auf immer; und ich bin völlig überzeugt, daß Marcolina selbst, um ihren Geliebten vor dem sicheren Untergange zu bewahren, einfach auf seinen Wunsch hin, ohne Zögern bereit wäre, diese eine Nacht seinem Retter zu gewähren. Denn auch sie ist Philosophin und daher von Vorurteilen so frei wie wir beide. Aber so gewiß ich bin, daß sie diese Probe bestünde, es liegt keineswegs in meiner Absicht, daß sie ihr auferlegt werde. Denn eine Willenlose, eine innerlich Widerstrebende zu besitzen, das ist etwas, das gerade in diesem Falle meinen Ansprüchen nicht genügen würde. Nicht nur als ein Liebender, – als ein Geliebter will ich ein Glück genießen, das mir am Ende auch groß genug erschiene, um es mit meinem Leben zu bezahlen. Verstehen Sie mich wohl, Lorenzi. Daher darf Marcolina nicht einmal ahnen, daß ich es bin, den sie an ihren himmlischen Busen schließt; sie muß vielmehr fest davon überzeugt sein, daß sie keinen andern als Sie in ihren Armen empfängt. Diese Täuschung vorzubereiten ist Ihre Sache, sie aufrechtzuerhalten, die meine. Ohne besondre Schwierigkeit werden Sie ihr begreiflich machen können, daß Sie genötigt sind, sie vor Eintritt der Morgendämmerung zu verlassen; und um einen Vorwand dafür, daß diesmal nur stumme Zärtlichkeiten sie beglücken sollen, werden Sie auch nicht verlegen sein. Um im übrigen auch jede Gefahr einer nachträglichen Entdeckung auszuschließen, werde ich mich im gegebenen Moment anstellen, als hörte ich ein verdächtiges Geräusch vor dem Fenster, meinen Mantel nehmen – oder vielmehr den Ihren, den Sie mir zu diesem Zwecke natürlich leihen müssen – und durchs Fenster verschwinden – auf Nimmerwiedersehen. Denn selbstverständlich werde ich dem Anschein nach bereits heute abend abreisen, dann unter dem Vorgeben, ich hätte wichtige Papiere vergessen, den Kutscher auf halbem Wege zur Umkehr veranlassen und mich durch die Hintertür – den Nachschlüssel stellen Sie mir zur Verfügung, Lorenzi, – in den Garten, ans Fenster Marcolinens schleichen, das sich um Mitternacht auftun wird. Meines Gewands, auch der Schuhe und Strümpfe, werde ich mich im Wagen entledigt haben und nur mit dem Mantel angetan sein, so daß bei meinem fluchtartigen Entweichen nichts zurückbleibt, was mich oder Sie verraten könnte. Den Mantel aber werden Sie zugleich mit den zweitausend Dukaten morgen früh fünf Uhr in meinem Gasthof zu Mantua in Empfang nehmen, so daß Sie dem Marchese noch vor der festgesetzten Stunde sein Geld vor die Füße schleudern können. Hierauf nehmen Sie meinen feierlichen Eid entgegen. Und nun bin ich zu Ende.«

Er blieb plötzlich stehen. Die Sonne neigte sich zum Niedergang, ein leiser Wind strich über die gelben Ähren, rötlicher Abendschein lag über dem Turm von Olivos Haus. Auch Lorenzi stand stille; kein Muskel in seinem blassen Antlitz bewegte sich, und er blickte über Casanovas Schulter unbewegt ins Weite. Seine Arme hingen schlaff herab, während Casanovas Hand, der auf alles gefaßt war, wie zufällig den Griff des Degens hielt. Einige Sekunden vergingen, ohne daß Lorenzi seine starre Haltung und sein Schweigen aufgab. Er schien in ein ruhiges Nachdenken versunken; doch Casanova blieb weiter auf seiner Hut, und in der Linken das Tuch mit den Dukaten, die Rechte auf dem Degengriff, sagte er: »Sie haben meine Vorbedingung erfüllt als ein Ehrenmann. Ich weiß, daß es Ihnen nicht leicht geworden ist. Denn wenn wir auch keine Vorurteile besitzen, – die Atmosphäre, in der wir leben, ist von ihnen so vergiftet, daß wir uns ihrem Einfluß nicht völlig entziehen können. Und so wie Sie, Lorenzi, im Laufe der letzten Viertelstunde mehr als einmal nah daran waren, mir an die Gurgel zu fahren, so habe ich wieder – lassen Sie mich›s Ihnen gestehen – eine Weile mit dem Gedanken gespielt, Ihnen die zweitausend Dukaten zu schenken – wie einem – nein, als meinem Freund; denn selten, Lorenzi, habe ich zu einem Menschen vom ersten Augenblick eine solche rätselhafte Sympathie empfunden wie zu Ihnen. Aber hätt› ich dieser großmütigen Regung nachgegeben, in der Sekunde darauf hätte ich sie aufs tiefste bereut, geradeso wie Sie, Lorenzi, in der Sekunde, eh› Sie sich die Kugel in den Kopf jagten, zur verzweiflungsvollen Erkenntnis kämen, daß Sie ein Narr ohnegleichen gewesen sind, – um tausend Liebesnächte mit immer neuen Frauen hinzuwerfen für eine einzige, der dann keine Nacht – und kein Tag mehr folgte.«

Noch immer schwieg Lorenzi; sein Schweigen dauerte sekunden-, es dauerte minutenlang, und Casanova fragte sich, wie lang er sich›s noch dürfte gefallen lassen. Schon war er im Begriff, sich mit einem kurzen Gruße abzuwenden und so anzudeuten, daß er seinen Vorschlag als abgelehnt betrachte, als Lorenzi, immer wortlos, mit einer durchaus nicht raschen Bewegung der rechten Hand nach rückwärts in die Tasche seines Rockschoßes griff, und Casanova, der im gleichen Augenblick, nach wie vor auf alles gefaßt, einen Schritt zurückgetreten war, wie um sich niederzuducken – den Gartenschlüssel überreichte. Die Bewegung Casanovas, die immerhin eine Regung von Furcht ausgedrückt hatte, ließ um Lorenzis Lippen ein sofort wieder verschwindendes Lächeln des Hohns erscheinen. Casanova verstand es, seine aufsteigende Wut, deren wirklicher Ausbruch alles wieder hätte zunichte machen können, zu unterdrücken, ja zu verbergen, und, den Schlüssel mit einem leichten Kopfneigen an sich nehmend, bemerkte er nur: »Das darf ich wohl als ein Ja gelten lassen. Von jetzt in einer Stunde – bis dahin werden Sie sich mit Marcolina wohl verständigt haben —, erwarte ich Sie im Turmgemach, wo ich mir erlauben werde, Ihnen gegen Überlassung Ihres Mantels die zweitausend Goldstücke sofort zu übergeben. Erstens zum Zeichen meines Vertrauens und zweitens, weil ich ja wirklich nicht wüßte, wo ich das Gold im Laufe der Nacht verwahren sollte.« – Sie trennten sich ohne weitere Förmlichkeit, Lorenzi nahm den Weg zurück, den sie beide gekommen, Casanova, auf einem andern, begab sich ins Dorf und sicherte sich im Wirtshaus durch ein reichliches Angeld ein Gefährt, das ihn um zehn Uhr nachts vor Olivos Hause zur Fahrt nach Mantua erwarten sollte.

Bald darauf, nachdem er sein Gold vorerst an sichrer Stelle im Turmgemach verwahrt hatte, trat er in Olivos Garten, wo sich ihm ein Anblick bot, der an sich keineswegs merkwürdig, ihn in der Stimmung dieser Stunde sonderbar genug berührte. Auf einer Bank am Wiesenrand saß Olivo neben Amalia, den Arm um ihre Schulter geschlungen; ihnen zu Füßen lagerten die drei Mädchen, wie ermüdet von den Spielen des Nachmittags; das jüngste, Maria, hatte das Köpfchen auf dem Schoß der Mutter liegen und schien zu schlummern, Nanetta lag ihr zu Füßen auf den Rasen hingestreckt, die Arme unter dem Nacken; Teresina lehnte an den Knien des Vaters, dessen Finger zärtlich in ihren Locken ruhten; und als Casanova sich näherte, grüßte ihn aus ihren Augen keineswegs ein Blick lüsternen Einverständnisses, wie er unwillkürlich ihn erwartet, sondern ein offenes Lächeln kindlicher Vertrautheit, als wäre, was zwischen ihr und ihm vor wenigen Stunden erst geschehen, eben nichts andres gewesen als ein nichts bedeutendes Spiel. In Olivos Zügen leuchtete es freundlich auf, und Amalia nickte dem Herantretenden dankbar herzlich zu. Sie beide empfingen ihn, Casanova konnte nicht daran zweifeln, wie jemanden, der eben eine edle Tat begangen, aber der zugleich erwartet, daß man aus Feingefühl vermeiden werde, ihrer mit einem Worte Erwähnung zu tun. »Bleibt es wirklich dabei«, fragte Olivo, »daß Sie uns schon morgen verlassen, mein teurer Chevalier?« – »Nicht morgen«, erwiderte Casanova, »sondern – wie gesagt – schon heute abend.« Und als Olivo eine neue Einwendung erheben wollte, mit einem bedauernden Achselzucken: »Der Brief, den ich heute aus Venedig erhielt, läßt mir leider keine andre Entscheidung übrig. Die an mich ergangene Aufforderung ist in jedem Sinne so ehrenvoll, daß eine Verzögerung meiner Heimkehr eine arge, ja eine unverzeihliche Unhöflichkeit gegenüber meinen hohen Gönnern bedeuten würde.« Zugleich bat er um die Erlaubnis, sich jetzt zurückziehen zu dürfen, um sich für die Abreise bereitzumachen und dann die letzten Stunden seines Hierseins ungestört im Kreise seiner liebenswürdigen Freunde verbringen zu können.

Und aller Einrede nicht achtend, begab er sich ins Haus, stieg die Treppe zum Turmgemach empor und vertauschte vor allem seine prächtige Gewandung wieder mit der einfacheren, die für die Fahrt gut genug sein mußte. Dann packte er seinen Reisesack und horchte mit einer von Minute zu Minute gespannteren Aufmerksamkeit, ob sich nicht endlich die Schritte Lorenzis vernehmen ließen. Noch eh› die Frist verstrichen war, klopfte es mit einem kurzen Schlag an die Türe, und Lorenzi trat ein, im weiten dunkelblauen Reitermantel. Ohne ein Wort zu reden, mit einer leichten Bewegung ließ er ihn von den Schultern gleiten, so daß er zwischen den beiden Männern als ein formloses Stück Tuch auf dem Boden lag. Casanova holte seine Goldstücke unter dem Polster des Bettes hervor und streute sie auf den Tisch. Er zählte sorgfältig vor Lorenzis Augen, was ziemlich rasch geschehen war, da viele Goldstücke von höherm als eines Dukaten Wert darunter waren, übergab Lorenzi die verabredete Summe, nachdem er sie zuvor in zwei Beutel verteilt hatte, worauf ihm selbst noch etwa hundert Dukaten übrigblieben. Lorenzi tat die Geldbeutel in seine beiden Rockschöße und wollte sich wortlos entfernen. »Halt, Lorenzi«, sagte Casanova, »es wäre immerhin möglich, daß man einander noch einmal im Leben begegnete. Dann sei es nicht mit Groll. Es war ein Handel wie ein andrer, wir sind quitt.« Er streckte ihm die Hand entgegen. Lorenzi nahm sie nicht; doch nun sprach er das erste Wort. »Ich erinnere mich nicht«, sagte er, »daß auch dies in unserm Pakt enthalten gewesen wäre.« Er wandte sich und ging.

Sind wir so genau, mein Freund? dachte Casanova. So darf ich mich um so sicherer darauf verlassen, daß ich nicht am Ende der Geprellte sein werde. Freilich hatte er an diese Möglichkeit keinen Augenblick ernstlich gedacht; er wußte aus eigener Erfahrung, daß Leute wie Lorenzi ihre besondre Art von Ehre haben, deren Gesetze in Paragraphen nicht aufzuzeichnen sind, über die aber von Fall zu Fall ein Zweifel kaum bestehen kann. – Er legte Lorenzis Mantel zu oberst in den Reisesack, schloß diesen zu; die Goldstücke, die ihm geblieben, steckte er zu sich, blickte sich in dem Raum, den er wohl niemals wieder betreten sollte, nach allen Seiten um, und mit Degen und Hut, zur Abfahrt fertig, begab er sich in den Saal, wo er Olivo mit Frau und Kindern schon am gedeckten Tische sitzend fand. Marcolina trat zugleich mit ihm, was Casanova als günstiges Schicksalszeichen deutete, von der andern Seite aus dem Garten ein und erwiderte seinen Gruß mit einem unbefangenen Neigen des Hauptes. Das Essen wurde aufgetragen; die Unterhaltung ging anfangs langsam, ja wie gedämpft von der Stimmung des Abschieds in fast mühseliger Weise vonstatten. Amalia schien in auffallender Weise mit ihren Kindern beschäftigt und immer besorgt, daß diese nicht zuviel oder zuwenig auf ihre Teller bekämen. Olivo, ohne ersichtliche Nötigung, sprach von einem unbedeutenden, zu seinen Gunsten entschiedenen Prozeß mit einem Gutsnachbar, sowie von einer Geschäftsreise, die ihn demnächst nach Mantua und Cremona führen sollte. Casanova gab der Hoffnung Ausdruck, den Freund in nicht allzu ferner Zeit in Venedig zu begrüßen. Gerade dort, ein sonderbarer Zufall, war Olivo noch niemals gewesen. Amalia aber hatte die wunderbare Stadt vor langen Jahren als Kind gesehen; wie sie dahin gekommen, wußte sie nicht mehr zu sagen und erinnerte sich nur eines alten, in einen scharlachroten Mantel gehüllten Mannes, der aus einem länglichen schwarzen Schiff ausgestiegen, gestolpert und der Länge nach hingefallen war. »Auch Sie kennen Venedig nicht?« fragte Casanova Marcolina, die gerade ihm gegenübersaß und über seine Schulter in das tiefe Dunkel des Gartens schaute. Sie schüttelte wortlos den Kopf. Und Casanova dachte: Könnt› ich sie dir zeigen, die Stadt, in der ich jung gewesen bin! Oh, wärst du jung gewesen mit mir… Und noch ein Gedanke kam ihm, sinnloser beinahe als jener: Wenn ich dich jetzt mit mir dahin nähme? Aber während all dies unausgesprochen durch seine Seele ging, hatte er schon mit jener Leichtigkeit, die ihm auch in Momenten stärkster innerer Erregung gegeben war, von der Stadt seiner Jugend zu reden begonnen; so kunstvoll und kühl, als gälte es, ein Gemälde zu schildern, bis er, unwillkürlich den Ton erwärmend, in die Geschichte seines Lebens geriet und mit einemmal in eigner Gestalt mitten in dem Bilde stand, das nun erst zu leben und zu leuchten anfing. Er sprach von seiner Mutter, der berühmten Schauspielerin, für die der große Goldoni, ihr Bewunderer, seine vortreffliche Komödie ›Das Mündel‹ verfaßt hatte; dann erzählte er von seinem trübseligen Aufenthalt in der Pension des geizigen Doktors Gozzi, von seiner kindischen Liebe zu der kleinen Gärtnerstochter, die später mit einem Lakaien durchgegangen war, von seiner ersten Predigt als junger Abbate, nach der er in dem Beutel des Sakristans nicht nur die üblichen Geldstücke, sondern auch ein paar zärtliche Briefchen vorgefunden, von den Spitzbübereien, die er als Geiger im Orchester des Theaters San Samuele mit ein paar gleichgesinnten Kameraden in den Gäßchen, Schenken, Tanz- und Spielsälen Venedigs maskiert oder auch unmaskiert verübt; doch auch von diesen übermütigen und manchmal recht bedenklichen Streichen berichtete er, ohne irgendein anstößiges Wort zu gebrauchen, ja in einer poetisch-verklärenden Weise, als wollte er auf die Kinder Rücksicht nehmen, die wie die andern, Marcolina nicht ausgenommen, gespannt an seinen Lippen hingen. Doch die Zeit schritt vor, und Amalia schickte ihre Töchter zu Bett. Ehe sie gingen, küßte Casanova sie alle aufs zärtlichste, Teresina nicht anders als die zwei jüngern, und alle mußten ihm versprechen, ihn bald mit den Eltern in Venedig zu besuchen. Als die Kinder fort waren, tat er sich wohl weniger Zwang an, aber alles, was er erzählte, brachte er ohne jede Zweideutigkeit und vor allem ohne jede Eitelkeit vor, so daß man eher den Bericht eines gefühlvollen Narren der Liebe als den eines gefährlich-wilden Verführers und Abenteurers zu hören vermeinte. – Er sprach von der wunderbaren Unbekannten, die wochenlang mit ihm als Offizier verkleidet herumgereist und eines Morgens plötzlich von seiner Seite verschwunden war; von der Tochter des adligen Schuhflickers in Madrid, die ihn zwischen zwei Umarmungen immer wieder zum frommen Katholiken hatte bekehren wollen; von der schönen Jüdin Lia in Turin, die prächtiger zu Pferde gesessen war als irgendeine Fürstin; von der lieblich-unschuldigen Manon Balletti, der einzigen, die er beinahe geheiratet hätte, von jener schlechten Sängerin in Warschau, die er ausgepfiffen, worauf er sich mit ihrem Geliebten, dem Krongeneral Branitzky, hatte duellieren und aus Warschau fliehen müssen; von der bösen Charpillon, die ihn in London so jämmerlich zum Narren gehalten; von einer nächtlichen Sturmfahrt, die ihm fast das Leben gekostet, durch die Lagunen nach Murano zu seiner angebeteten Nonne, von dem Spieler Croce, der, nachdem er in Spa ein Vermögen verloren, auf der Landstraße tränenvollen Abschied von ihm genommen und sich auf den Weg nach Petersburg gemacht hatte – so wie er dagestanden war, in seidenen Strümpfen, in einem apfelgrünen Samtrock und ein Rohrstöckchen in der Hand. Er erzählte von Schauspielerinnen, Sängerinnen, Modistinnen, Gräfinnen, Tänzerinnen, Kammermädchen; von Spielern, Offizieren, Fürsten, Gesandten, Finanzleuten, Musikanten und Abenteurern; und so wundersam ward ihm selbst der Sinn von dem wieder neu gefühlten Zauber seiner eigenen Vergangenheit umfangen, so vollständig war der Triumph all des herrlichen durchlebten, doch unwiederbringlich Gewesenen über das armselig Schattenhafte, das sich seiner Gegenwärtigkeit brüsten durfte, daß er eben im Begriffe war, die Geschichte eines hübschen blassen Mädchens zu berichten, das ihm im Dämmer einer Kirche zu Mantua seinen Liebeskummer anvertraut hatte, ohne daran zu denken, daß ihm dieses selbe Geschöpf, um sechzehn Jahre gealtert, als die Frau seines Freundes Olivo hier am Tische gegenübersaß; – als mit plumpem Schritt die Magd eintrat und meldete, daß vor dem Tore der Wagen bereitstehe. Und sofort, mit seiner unvergleichlichen Gabe, sich in Traum und Wachen, wann immer es nötig war, ohne Zögern zurechtzufinden, erhob sich Casanova, um Abschied zu nehmen. Er forderte Olivo, dem vor Rührung die Worte versagten, nochmals mit Herzlichkeit auf, ihn mit Frau und Kindern in Venedig zu besuchen, und umarmte ihn; als er sich mit der gleichen Absicht Amalien näherte, wehrte sie leicht ab und reichte ihm nur die Hand, die er ehrerbietig küßte. Wie er sich nun zu Marcolina wandte, sagte diese: »All das, was Sie uns heute abend erzählt haben – und noch viel mehr – sollten Sie niederschreiben, Herr Chevalier, so wie Sie es mit Ihrer Flucht aus den Bleikammern gemacht haben.« – »Ist das Ihr Ernst, Marcolina?« fragte er mit der Schüchternheit eines jungen Autors. Sie lächelte mit leisem Spott. »Ich vermute«, sagte sie, »ein solches Buch könnte noch weit unterhaltender werden als Ihre Streitschrift gegen Voltaire.« – Das möchte leicht wahr sein, dachte er, ohne es auszusprechen. Wer weiß, ob ich deinen Rat nicht einmal befolge? Und du selbst, Marcolina, sollst das letzte Kapitel sein. – Dieser Einfall, mehr noch der Gedanke, daß dieses letzte Kapitel im Laufe der kommenden Nacht erlebt werden sollte, ließ seinen Blick so seltsam erflackern, daß Marcolina die Hand, die sie ihm zum Abschied gereicht, aus der seinen gleiten ließ, eh› er, sich herabbeugend, einen Kuß darauf zu drücken vermocht hatte. Ohne sich irgend etwas, sei es Enttäuschung, sei es Groll, merken zu lassen, wandte sich Casanova zum Gehen, indem er durch eine jener klaren und einfachen Gesten, die nur ihm gehörten, zu verstehen gab, daß ihm niemand, auch Olivo nicht, folgen solle.

Raschen Schritts durcheilte er die Kastanienallee: gab der Magd, die den Reisesack in den Wagen geschafft hatte, ein Goldstück, stieg ein und fuhr davon.

Der Himmel war von Wolken verhängt. Nachdem man das Dorf hinter sich gelassen, wo noch hinter armen Fenstern da und dort ein kleines Licht geschimmert hatte, leuchtete nur mehr die gelbe Laterne, die vorn an der Deichsel befestigt war, durch die Nacht. Casanova öffnete den Reisesack, der zu seinen Füßen lag, nahm Lorenzis Mantel heraus und, nachdem er ihn über sich gebreitet, entkleidete er sich unter dessen Schutz mit aller gebotenen Vorsicht. Die abgelegte Gewandung, auch Schuhe und Strümpfe, versperrte er in den Sack und hüllte sich fester in den Mantel ein. Jetzt rief er den Kutscher an: »He, wir müssen wieder zurück!« – Der Kutscher wandte sich verdrossen um. – »Ich habe meine Papiere im Hause vergessen. Hörst du? Wir müssen zurück.« Und da jener, ein verdrossener, magerer, graubärtiger Mensch, zu zögern schien: »Ich verlange es natürlich nicht umsonst. Da!« Und er drückte ihm ein Goldstück in die Hand. Der Kutscher nickte, murmelte etwas, und, mit einem gänzlich überflüssigen Peitschenhieb auf das Pferd, wandte er den Wagen. Als sie wieder durch das Dorf fuhren, lagen die Häuser alle stumm und ausgelöscht. Noch ein Stück Wegs die Landstraße hin, und nun wollte der Kutscher in die schmälere, leicht ansteigende Straße einlenken, die zu Olivos Besitzung führte. »Halt!« rief Casanova, »wir wollen nicht so nah heranfahren, sonst wecken wir die Leute auf. Warte hier an der Ecke. Ich bin bald wieder da… Und sollt› es etwas länger dauern, jede Stunde trägt einen Dukaten!« Nun glaubte der Mann ungefähr zu wissen, woran er war; Casanova merkte es an der Art, wie jener mit dem Kopf nickte. Er stieg aus und eilte weiter, den Augen des Kutschers bald entschwindend, bis ans verschlossene Tor, daran vorüber, die Mauer entlang bis zu der Ecke, wo sie im rechten Winkel nach oben bog, und nahm nun den Weg durch die Weinberge, den er, nachdem er ihn schon zweimal im Tagesschein gegangen, leicht zu finden wußte. Er hielt sich der Mauer nahe und folgte ihr auch, als sie nun, etwa auf der mittleren Höhe des Hügels, wieder im rechten Winkel umbog. Hier ging er auf weichem Wiesengrund, im Dunkel der verhängten Nacht weiter, und mußte nur achtgeben, daß er die Gartentür nicht verfehlte. Er tastete längs der glatten steinernen Umfassung, bis seine Finger das rauhe Holz spürten; worauf er die Türe auch in ihrem schmalen Umriß deutlich wahrzunehmen vermochte. Er steckte den Schlüssel in das rasch gefundene Schloß, öffnete, trat in den Garten und sperrte hinter sich wieder zu. Er sah das Haus mit dem Turm jenseits der Wiese in unwahrscheinlicher Entfernung und in einer ebenso unwahrscheinlichen Höhe aufragen. Eine Weile stand er ruhig; er sah um sich; denn was für andre Augen noch undurchdringliche Finsternis gewesen wäre, war für die seinen nur tiefe Dämmerung. Er wagte es, statt in der Allee, deren Kies seinen nackten Füßen weh tat, auf der Wiese weiterzugehen, die den Ton seiner Schritte verschlang. Er glaubte zu schweben; so leicht war sein Gang. – War mir anders zumute, dachte er, zur Zeit, da ich als Dreißigjähriger solche Wege ging? Fühl› ich nicht wie damals alle Gluten des Verlangens und alle Säfte der Jugend durch meine Adern kreisen? Bin ich nicht heute Casanova, wie ich›s damals war?… Und da ich Casanova bin, warum sollte an mir das klägliche Gesetz nicht zuschanden werden, dem andre unterworfen sind, und das Altern heißt! Und immer kühner werdend, fragte er sich: Warum schleich› ich in einer Maske zu Marcolina? Ist Casanova nicht mehr als Lorenzi, auch wenn er um dreißig Jahre älter ist? Und wäre sie nicht das Weib, dies Unbegreifliche zu begreifen?… War es nötig, eine kleine Schurkerei zu begehen und einen andern zu einer etwas größern zu verleiten? Wäre man nicht mit etwas Geduld zum gleichen Ziel gekommen? Lorenzi ist morgen fort, ich wäre geblieben… Fünf Tage… drei – und sie hätte mir gehört – wissend mir gehört. – Er stand an die Wand des Hauses gedrückt, neben Marcolinens Fenster, das noch fest verschlossen war, und seine Gedanken flogen weiter. Ist es denn zu spät dazu?… Ich könnte wiederkommen – morgen, übermorgen… und begänne das Werk der Verführung – als ehrlicher Mann sozusagen. Die heutige Nacht wäre ein Vorschuß auf die künftigen. Ja Marcolina müßte nicht einmal erfahren, daß ich heute dagewesen bin – oder erst später – viel später.

Das Fenster war noch immer fest geschlossen; auch dahinter rührte sich nichts. Es fehlten wohl noch ein paar Minuten auf Mitternacht. Sollte er sich irgendwie bemerkbar machen? Leise ans Fenster klopfen? Da nichts dergleichen ausgemacht war, hätte es vielleicht doch in Marcolina einen Verdacht werfen können. Also warten. Lange konnte es nicht mehr dauern. Der Gedanke, daß sie ihn sofort erkennen, den Betrug durchschauen konnte, eh› er vollzogen war, kam ihm, nicht zum erstenmal, doch ebenso flüchtig und als die natürliche verstandesmäßige Erwägung einer entfernten, ins Unwahrscheinliche verschwimmenden Möglichkeit, nicht als eine ernstliche Befürchtung. Ein etwas lächerliches Abenteuer fiel ihm ein, das nun zwanzig Jahre zurücklag; das mit der häßlichen Alten in Solothurn, mit der er eine köstliche Nacht verbracht hatte, in der Meinung, eine angebetete schöne junge Frau zu besitzen – und die ihn überdies tags darauf in einem unverschämten Brief ob seines ihr höchst erwünschten, von ihr mit infamer List geförderten Irrtums verhöhnt hatte. Er schüttelte sich in der Erinnerung vor Ekel. Gerade daran hätte er jetzt lieber nicht denken sollen, und er verjagte das abscheuliche Bild. – Nun, war es nicht endlich Mitternacht? Wie lange sollte er noch hier stehen an die Mauer gedrückt, fröstelnd in der Kühle der Nacht? Oder gar vergeblich warten? Der Geprellte sein – trotz allem? – Zweitausend Dukaten für nichts? Und Lorenzi mit ihr hinter dem Vorhang? Seiner spottend? – Unwillkürlich faßte er den Degen etwas fester, den er unter dem Mantel an seinen nackten Leib gepreßt hielt. Von einem Kerl wie Lorenzi mußte man am Ende auch der peinlichsten Überraschung gewärtig sein. – Aber dann… In diesem Augenblick hörte er ein leises knackendes Geräusch, – er wußte, daß nun das Gitter von Marcolinens Fenster sich zurückschob, gleich darauf öffneten sich beide Flügel weit, während der Vorhang noch zugezogen blieb. Casanova hielt sich ein paar Sekunden regungslos, bis von unsichtbarer Hand gerafft der Vorhang sich nach der einen Seite hob; das war für Casanova ein Zeichen, sich über die Brüstung ins Zimmer zu schwingen und sofort Fenster und Gitter hinter sich zu schließen. Der geraffte Vorhang war über seinen Schultern wieder gesunken, so daß er genötigt war, darunter hervorzukriechen, und nun wäre er in völliger Finsternis dagestanden, wenn nicht aus der Tiefe des Gemachs, in unbegreiflicher Entfernung, wie von seinem eignen Blick erweckt, ein mattes Schimmern ihm den Weg gewiesen hätte. Nur drei Schritt – und sehnsüchtige Arme breiteten sich nach ihm aus; er ließ den Degen aus der Hand, den Mantel von seinen Schultern gleiten und sank in sein Glück.

An Marcolinens seufzendem Vergehen, an den Tränen der Seligkeit, die er ihr von den Wangen küßte, an der immer wieder erneuten Glut, mit der sie seine Zärtlichkeiten empfing, erkannte er bald, daß sie seine Entzückungen teilte, die ihm als höhere, ja von neuer, andrer Art erschienen, als er jemals genossen. Lust ward zur Andacht, tiefster Rausch ward Wachsein ohnegleichen; hier endlich war, die er schon so oft, töricht genug zu erleben geglaubt, und die er noch niemals wirklich erlebt hatte – Erfüllung war an Marcolinens Herzen. Er hielt die Frau in seinen Armen, an die er sich verschwenden durfte, um sich unerschöpflich zu fühlen: – an deren Brüsten der Augenblick des letzten Hingegebenseins und des neuen Verlangens in einen einzigen von ungeahnter Seelenwonne zusammenfloß. War an diesen Lippen nicht Leben und Sterben, Zeit und Ewigkeit Eines? War er nicht ein Gott —? Jugend und Alter nur eine Fabel, von Menschen erfunden? – Heimat und Fremde, Glanz und Elend, Ruhm und Vergessensein – wesenlose Unterscheidungen zum Gebrauch von Ruhelosen, von Einsamen, von Eiteln – und sinnlos geworden, wenn man Casanova war und Marcolina gefunden? Unwürdig, ja lächerlicher von Minute zu Minute erschien es ihm, sich, einem Vorsatz getreu, den er früher als Kleinmütiger gefaßt, aus dieser Wundernacht stumm, unerkannt, wie ein Dieb zu flüchten. Im untrüglichen Gefühl, ebenso der Beglückende zu sein, als er der Beglückte war, glaubte er sich schon zu dem Wagnis entschlossen, seinen Namen zu nennen, wenn er sich auch immer noch bewußt war, damit ein großes Spiel zu spielen, das er, wenn er es verlor, bereit sein mußte, mit dem Dasein zu bezahlen. Noch war undurchdringliche Dunkelheit um ihn, und bis durch den dichten Vorhang das erste Dämmern brach, durfte er ein Geständnis hinauszögern, an dessen Aufnahme durch Marcolina sein Schicksal, ja sein Leben hing. Aber war denn nicht gerade dieses stummselige, süßverlorene Zusammensein dazu gemacht, ihm Marcolina von Kuß zu Kuß unlöslicher zu verbinden? Wurde, was sich als Betrug entspannen, nicht Wahrheit in den namenlosen Entzückungen dieser Nacht? Ja, durchschauerte sie, die Betrogene, die Geliebte, die Einzige, nicht selbst schon eine Ahnung, daß es nicht Lorenzi, der Jüngling, der Wicht, daß es ein Mann, – daß es Casanova war, in dessen Göttergluten sie verging? Und schon begann er es für möglich zu halten, daß ihm der ersehnte und doch gefürchtete Augenblick des Geständnisses gänzlich erspart bleiben würde; er träumte davon, daß Marcolina selbst, bebend, gebannt, erlöst ihm seinen Namen entgegenflüstern würde. Und dann – wenn sie so ihm verziehen – nein – seine Verzeihung empfangen —, dann wollte er sie mit sich nehmen, sofort, in dieser selben Stunde noch; – mit ihr im Grauen der Frühe das Haus verlassen, mit ihr in den Wagen steigen, der draußen an der Straßenbiegung wartete… mit ihr davonfahren, für immer sie halten, sein Lebenswerk damit krönen, daß er, in Jahren, da andre sich zu einem trüben Greisentum bereiten, die Jüngste, die Schönste, die Klügste durch die ungeheure Macht seines unverlöschlichen Wesens gewonnen und sie für alle Zeit zur Seinen gemacht hatte. Denn diese war sein, wie keine vor ihr. Er glitt mit ihr durch geheimnisvolle schmale Kanäle, zwischen Palästen hin, in deren Schatten er nun wieder heimisch war, unter geschwungenen Brücken, über die verdämmernde Gestalten huschten; manche winkten über die Brüstung ihnen entgegen und waren wieder verschwunden, eh› man sie recht erblickt. Nun legte die Gondel an; Marmorstufen führten in das prächtige Haus des Senators Bragadino; es war als das einzige festlich beleuchtet; treppauf, treppab liefen Vermummte – manche blieben neugierig stehen, aber wer konnte Casanova und Marcolina hinter ihren Masken erkennen? Er trat mit ihr in den Saal. Hier wurde ein großes Spiel gespielt. Alle Senatoren, auch Bragadino, in ihren Purpurmänteln, reihten sich um den Tisch. Als Casanova eintrat, flüsterten sie alle seinen Namen wie im höchsten Schrecken; denn am Blitz seiner Augen hinter der Maske hatten sie ihn erkannt. Er setzte sich nicht nieder; er nahm keine Karten, aber er spielte mit. Er gewann, er gewann alles Gold, das auf dem Tische lag, das war aber zu wenig; die Senatoren mußten Wechsel ausstellen; sie verloren ihr Vermögen, ihre Paläste, ihre Purpurmäntel, – sie waren Bettler, sie krochen in Lumpen um ihn her, sie küßten ihm die Hände, und daneben, in einem dunkelroten Saale, war Musik und Tanz. Casanova wollte mit Marcolina tanzen, doch die war fort. Die Senatoren in ihren Purpurmänteln saßen wieder um den Tisch wie vorher; aber nun wußte Casanova, daß es nicht Karten waren, sondern Angeklagte, Verbrecher und Unschuldige, um deren Schicksal es ging. Wo war Marcolina? Hatte er nicht die ganze Zeit ihr Handgelenk umklammert gehalten? Er stürzte die Treppen hinunter, die Gondel wartete; nur weiter, weiter, durch das Gewirr von Kanälen, natürlich wußte der Ruderer, wo Marcolina weilte; warum aber war auch er maskiert? Das war früher nicht üblich gewesen in Venedig. Casanova wollte ihn zur Rede stellen, aber er wagte es nicht. Wird man so feig als alter Mann? Und immer weiter – was für eine Riesenstadt war Venedig in diesen fünfundzwanzig Jahren geworden! Nun endlich wichen die Häuser zurück, breiter wurde der Kanal – zwischen Inseln glitten sie hin, dort ragten die Mauern des Klosters von Murano, in das Marcolina sich geflüchtet hatte. Fort war die Gondel, – jetzt hieß es schwimmen —, wie war das schön! Indes spielten freilich die Kinder in Venedig mit seinen Goldstücken; aber was lag ihm an Gold?… Das Wasser war bald warm, bald kühl; es tropfte von seinen Kleidern, als er die Mauer hinankletterte. – Wo ist Marcolina? fragte er im Sprechsaal laut, schallend, wie nur ein Fürst fragen darf. Ich werde sie rufen, sagte die Herzogin-Äbtissin und versank. Casanova ging, flog, flatterte hin und her, immer längs der Gitterstäbe, wie eine Fledermaus. Hätte ich das nur früher gewußt, daß ich fliegen kann. Ich werde es auch Marcolina lehren. Hinter den Stäben schwebten weibliche Gestalten. Nonnen – doch sie trugen alle weltliche Tracht. Er wußte es, obwohl er sie gar nicht sah, und er wußte auch, wer sie waren. Henriette war es, die Unbekannte, und die Tänzerin Corticelli und Cristina, die Braut, und die schöne Dubois und die verfluchte Alte aus Solothurn und Manon Balletti… und hundert andre, nur Marcolina war nicht unter ihnen! Du hast mich belogen, rief er dem Ruderer zu, der unten in der Gondel wartete; er hatte noch keinen Menschen auf Erden so gehaßt wie den, und er schwor sich zu, eine ausgesuchte Rache an ihm zu nehmen. Aber war es nicht auch eine Narrheit, daß er Marcolina im Kloster von Murano gesucht hatte, da sie doch zu Voltaire gereist war? Wie gut, daß er fliegen konnte, einen Wagen hätte er doch nicht mehr bezahlen können. Und er schwamm davon; aber nun war das gar kein solches Glück mehr, als er gedacht hatte; es wurde kalt und immer kälter, er trieb im offenen Meer, weit von Murano, weit von Venedig – kein Schiff ringsum, seine schwere goldgestickte Gewandung zog ihn nach unten; er versuchte sich ihrer zu entledigen, doch es war unmöglich, da er sein Manuskript in der Hand hielt, das er Herrn Voltaire überreichen mußte, – er bekam Wasser in den Mund, in die Nase, Todesangst überfiel ihn, er griff um sich, er röchelte, er schrie und öffnete mühselig die Augen.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
150 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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