Kitabı oku: «Segel setzen (E-Book)», sayfa 6
Nähe / Distanz und Dauer / Wechsel
Welche Werte Sie für sich als wichtig erkennen und als Stärken ausbilden, hängt mit Ihrem persönlichen Erleben und Verhalten zusammen: Haben Sie etwa eine Kombination von Werten wie Herzlichkeit, Hilfsbereitschaft und Vertrauen gewählt, sind Sie vermutlich sehr am Kontakt zu Ihren Mitmenschen interessiert und definieren sich eher in sozialen Bezügen. Haben Sie Freiheit, Unabhängigkeit und Unverwechselbarkeit gewählt, dann scheinen Sie in der Beziehung zu anderen immer auch die eigene Individualität und die Rückzugsmöglichkeit zu betonen. Beharrlichkeit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit deuten darauf hin, dass Sie Dauerhaftigkeit schätzen und suchen. Kreativität, Neugierde und Offenheit lassen auf die Bereitschaft schließen, Veränderungen spontan anzugehen und für eine Wechselhaftigkeit offen zu sein. Es gibt noch unzählige Wahlmöglichkeiten und Kombinationen. In der Tendenz lassen sich vier Grundausrichtungen menschlichen Verhaltens ausmachen: Dauerhaftigkeit, Wechselhaftigkeit, Nähe und Distanz. Riemann und Thomann bilden das in ihrem bekannten Modell ab.[3] Die oben beschriebenen Werte sind den Grundausrichtungen zugeordnet.
ABB. 14 | GRUNDAUSRICHTUNG MENSCHLICHEN VERHALTENS IN BEZUG AUF DIE WERTHALTUNG (Riemann-Thomann-Modell) |
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Sie werden sich nicht in nur einem dieser Bereiche positionieren können und wollen, aber eine Grundtendenz wird bei sorgfältiger Verortung meist erkennbar. Eine Bewusstheit darüber, wie sehr dies Ihr Verhalten prägt, kann im Umgang mit Schülerinnen und Schülern hilfreich sein. Wenn Sie beispielsweise grundsätzlich auf Distanz bedacht sind, auch gegenüber Ihren Schülerinnen und Schülern, einzelne von ihnen aber Nähe suchen, oder wenn Sie Ihr Leben prinzipiell gern abwechslungsreich gestalten und entsprechend auch Ihren Unterricht, bestimmte Kinder aber viel Beständigkeit brauchen, um gut lernen zu können: Wie reagieren Sie dann auf entsprechendes Verhalten der Schülerinnen und Schüler? Wie gehen Sie mit einer anderen Grundausrichtung um?
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Verorten Sie sich anhand Ihrer eigenen, bereits gesammelten Werten im Koordinatenkreuz der Grundausrichtungen. | ||
Dauer | Distanz | |
Nähe | Wechsel |
Menschenbild
Werthaltungen und Grundausrichtung befördern ein bestimmtes Bild von sich selbst, von anderen und vom Menschen ganz allgemein. Daraus leiten sich dann die eigenen handlungsleitenden Orientierungen für das private und berufliche Handeln in Kooperation mit anderen ab. Inwieweit diese Kooperation gelingen kann, hängt auch von der Sichtweise auf die andern ab. Wie sehen Sie andere Menschen und namentlich Ihre Schülerinnen und Schüler? Wie schätzen Sie deren Bereitschaft ein, sich anstrengen zu wollen und für die Gemeinschaft hilfreich zu agieren?
Die Managementtheorie unterscheidet zwei Bilder von arbeitenden Menschen, die für eine eigene Einschätzung sehr hilfreich sein können. Diese beiden Bilder entsprechen der Theorie X und der Theorie Y.[4]
Theorie X: Eine verinnerlichte Abscheu vor der Arbeit treibt den Menschen dazu, sie so weit wie möglich zu vermeiden. Er ist lustlos und wenig ehrgeizig und muss daher streng geführt und kontrolliert werden. Strafen bringen ihn dazu, produktiv mitzuarbeiten, denn er scheut Eigenverantwortung und Selbstständigkeit.
Theorie Y: Der Mensch ist natürlicherweise leistungswillig und intrinsisch motiviert. Er arbeitet engagiert am gemeinsamen Erfolg. Orientiert an den höheren Zielen, geht er selbstkontrolliert und eigeninitiativ vor. Kontrolle ist dadurch überflüssig, kreative Freiräume werden verantwortungsvoll gestaltet. Der Mensch strebt nach Selbstverwirklichung durch Arbeit.
Selbstverständlich beeinflusst das Bild, das Sie sich von Menschen in Bezug auf ihren Arbeitswillen machen, Ihre Klassenführung.
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Übertragen Sie diese beiden Theorien auf Ihre Sichtweise von Schülerinnen und Schülern.Welche Ihrer Beobachtungen sprechen für die Theorie X und welche für die Theorie Y? | ||
Theorie X | Theorie Y | |
Sie ahnen es schon, wir sind Anhängerinnen der Theorie Y. Bitte folgen Sie uns für einen Moment und überlegen Sie mit uns: Wie könnte eine Klassenführung aussehen, die sich nach dem Menschenbild der Theorie Y richtet? Sie würde beispielsweise
•Selbstwirksamkeitserleben durch positive Verstärkung und eine positive Fehlerkultur ermöglichen;
•Lernprozesse unterstützen, ohne zu belehren;
•durch eine konstruktive Gesprächskultur, gegenseitige Hilfestellungen und gemeinsame Arbeitsphasen ein Gemeinschaftserleben ermöglichen;
•Freiräume zur eigenen Beschäftigung mit den vereinbarten Zielen schaffen.
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Und nun positionieren Sie sich bitte: Welcher Theorie (X oder Y) hängen Sie in Bezug auf Ihre Schülerinnen und Schüler an? Sehen Sie Unterschiede für die einzelnen Klassen oder sogar einzelne Lernende? | ||
Notieren Sie, welche Aspekte einer dafür wirksamen Klassenführung Sie seither schon praktizieren: | ||
Welche Aspekte könnten Sie noch ergänzen, um die Theorie Y vertiefter zu unterstützen bzw. sie überhaupt einmal auszuprobieren? | ||
Selbstwertgefühl
Unsere Wertvorstellungen prägen unsere Verhaltensweisen, unser Menschenbild und auch unseren Selbstwert. Sie orientieren sich im Handeln an Ihrem Wertesystem. Wenn Sie sich darin selbst als wirksam erleben, schafft das ein positives Selbstwertgefühl, was wiederum Ihre Persönlichkeit stärkt. Als Lehrkraft können Sie vor dem Hintergrund der Theorie Y einiges dazu beitragen, dass Ihre Schülerinnen und Schüler sich dahingehend erleben und entwickeln. Für die Schule als Lebensort lassen sich fünf Pfeiler eines gesunden Selbstwertgefühls ausmachen.[5]
ABB. 15 | FÜNF STÜTZPFEILER FÜR EIN GESUNDES SELBSTWERTGEFÜHL |
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Das Dach muss immer von mehreren Pfeilern gestützt werden. Kinder und Jugendliche sollten in der Schule in jedem Bereich positive Erfahrungen machen können. Als Lehrkraft können Sie darauf achten, dass jeder Pfeiler für alle Schülerinnen und Schüler zum Tragen kommt. Was genau diese Pfeiler oder Säulen für Sie in Ihrem Unterricht und für Ihre Klasse symbolisieren, werden Sie noch festlegen, wenn Sie Ihre Reiserouten planen. Sie können auch immer wieder überprüfen, was Sie als mehr oder weniger selbstverständliche Aufgabenbereiche Ihrer Klassenführung betrachten und an welchen Stellen Sie vielleicht neue Aufgaben erkennen.
Assoziativer Zugang zur eigenen Rolle
Falls Sie lieber assoziativ als analytisch denken, können Sie sich zum Abschluss dieses Abschnitts zur Rollenfindung selbst als ein Tier vorstellen, das Ihre Haltungen, Eigenschaften und Grundüberzeugungen versinnbildlicht und ausdrückt.
In diese Tiervorstellung können all Ihre bisherigen Überlegungen einfließen: Wie viel Nähe suchen Sie, oder verstecken Sie sich als Tier lieber? Was halten Sie von den anderen Menschen, wie viel Zutrauen haben Sie? Sehen Sie sich eher als brüllenden Löwen oder als scheues Reh? Als Tanzbär, entspannten Koala oder als Angsthasen? Als Alpha- oder Herdentier?
![]() | REFLEXION |
Welches Tier/Welche Tiere steht/stehen stellvertretend für Ihre Klassenführung? | |
Ist es ja nach Begegnung/Klasse/Situation ein anderes Tier? | |
Woran erkennen Ihre Schülerinnen und Schüler, dass Sie das gewählte Tier verkörpern? | |
Welchem Tier/Welchen Tieren würden Sie gerne mehr Raum gewähren? Wie können Sie es stärken? | |
Welches Tier/Welche Tiere würde(n) dann in den Hintergrund rücken? Wäre das wünschenswert – oder wie fühlt es sich für Sie an? | |
![]() | ANKERPLATZ |
Ihr Bild von Unterricht und Klassenführung bestimmt Ihre Handlungen im Klassenzimmer. Sie können unterschiedliche Zielsetzungen fokussieren (Kompetenzentwicklung, Selbstwirksamkeit, Orientierung, Freude usw.). Dies geschieht vor dem Hintergrund Ihrer Wertvorstellungen, die sich in drei wesentliche Lebensbereiche ordnen lassen. Werte sind handlungsleitend und stehen mit der persönlichen Grundausrichtung im Verhalten in Zusammenhang. Auch das Menschenbild in Bezug auf Arbeit ist ausschlaggebend für Ihre Klassenführung. Sie können Ihr Auftreten und Agieren als charakteristisches Tier assoziieren. |
1 ![]() | REISEROUTE 1KLASSENFÜHRUNG – DIE EIGENE HALTUNG KLÄREN – SO WIRD MEIN UNTERRICHT AUSSEHEN | |||
Meine Haltung als Führungskraft | Woran erkennen meine Schülerinnen und Schüler, dass ich es (bereits) umsetze? | Das möchte ich entwickeln | Diese Schritte brauche ich dazu noch | |
So sieht mein Bild der eigenen Klassenführung aus: | ||||
Diese Zielsetzungen ergeben sich für mich aus meinem Bild/sind mir wichtig: | ||||
Diese Werte gelten für mich:![]() | ||||
Hier stehe ich bezüglich Nähe und Distanz/Dauerhaftigkeit und Flexibilität: | ||||
Dieses Menschenbild leitet mich: | ||||
So will ich besonders den Selbstwert meiner Schülerinnen und Schüler stützen: | ||||
Dieses Tier will ich verkörpern: |
3.2In die eigene Führungsrolle finden
![]() | ORIENTIERUNGSPUNKTE FÜR DIE REISE |
Vertrauenswürdigkeit als sicherer Rahmen für Lernprozesse – Führungsstil oder Erziehungsstil? – Mythos Motivation – Reifegrad der Schülerinnen und Schüler – Situatives Führen – Stressoren |
Glaubwürdig sein und Vertrauen schaffen
Klassenzimmer sind Orte, in denen es oft zu starken Emotionen kommt, ausgelöst etwa durch die ständige Beurteilung (von Leistungen eigentlich, aber damit fühlt sich oft auch die Person selbst beurteilt), durch den Kampf um und die Verteidigung von Positionen innerhalb der Klasse oder auch durch nicht immer verletzungsfreie Interaktionen (körperlich oder seelisch). Dazu kommen Emotionen, die Schülerinnen und Schüler von außerhalb mitbringen und die den schulischen Alltag beeinflussen. Gefühle kommen mitunter auch durch körperliche Signale wie Angstschweiß, kalte Hände, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen zum Ausdruck. Kinder und Jugendliche können sie nicht immer selbst kontrollieren; das exekutive System ist ja noch nicht vollständig ausgereift.
Aus eigener Erfahrung werden Sie wissen: In Bezug auf das Lernen können Emotionen behindern, die Aufmerksamkeit stören und einer positiven Lernleistung entgegenwirken.[6] Der Mensch lernt am besten in ruhiger und sicherer Atmosphäre. Dann kann er Veränderungsbereitschaft, Stress- und Frustrationstoleranz sowie Selbstvertrauen entwickeln. Als vertrauens- und glaubwürdige Führungskraft können Sie in Ihrem Klassenzimmer dafür einen sicheren Rahmen bieten: Neben der Gestaltung eines angenehmen Lernraums können Sie eine Unterrichtskultur schaffen, die Lernprozesse diesbezüglich unterstützt. Mit einer vertrauenerweckenden Haltung sind Sie für die Schülerinnen und Schüler berechenbar. Wirken Sie stark und belastbar, kann das für Heranwachsende entlastend sein.
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Wie stellen Sie sich Ihren idealen Chef bzw. Schulleiter oder Ihre ideale Chefin bzw. Schulleiterin vor? | |
Welche Persönlichkeitsmerkmale würden Sie ihr/ihm zuschreiben wollen, um Vertrauen fassen, ungehindert und frei arbeiten zu können und sich ihr/ihm sogar anzuvertrauen? | |
Sie agieren tagtäglich als Führungskraft. Wir möchten Sie deshalb einladen, sich über Ihre Vertrauens- und Glaubwürdigkeit Gedanken zu machen. Sie erinnern sich? In der Liste der Einflüsse auf die Lernleistung von John Hattie wird die Glaubwürdigkeit mit einer Effektstärke von d = 0,90 aufgeführt.
Vertrauenswürdigkeit der Lehrkraft ist also eine Voraussetzung für Angstfreiheit beim Lernen. Sie entsteht prozesshaft über eine Reihe positiver Erfahrungen. Schülerinnen und Schüler können ihrer Lehrkraft dann vertrauen, wenn sie folgende Faktoren erspüren:[7]
•Glaubwürdigkeit (kongruentes Verhalten, persönliche Motivation usw.),
•Gerechtigkeit,
•Feinfühligkeit,
•Selbstvertrauen,
•fachliche Kompetenz.
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Überlegen Sie nun, wie ausgeprägt Sie diese Faktoren in Ihren Lehrer-Schüler Beziehungen zeigen:Welche Situation(en) fällt/fallen Ihnen ein, in der Sie Glaubwürdigkeit vorleben? Wann sind Ihre Ziele und Ihre Motive kongruent erlebbar? Wie motiviert erleben Ihre Lernenden Sie als Lehrkraft? | |
Welche Situation(en) fällt/fallen Ihnen ein, in der Sie feinfühlige Gerechtigkeit ausdrücken? Können alle Schülerinnen und Schüler diese beiden Faktoren erspüren oder nur einzelne? | |
Wie wichtig ist Ihnen fachliche Kompetenz? Woran machen Sie diese in Ihrem Unterricht fest? Woran können sie Ihre Lernenden erkennen? | |
Vertrauenswürdigkeit wird in den ersten Sekunden der ersten Begegnung unbewusst überprüft und registriert. Aus der Forschung ist bekannt, dass dafür der erste Eindruck entscheidend ist.[8] Dieser läuft vor allem über Körpersprache und damit über die nonverbale Kommunikation ab (siehe Abschnitt 3.4) und findet auf der emotionalen Ebene Resonanz. Parallel dazu beginnt ein langsamer Prozess der «kognitiven Überprüfung der Vertrauenswürdigkeit»[9]. Ein in den ersten Sekunden emotional empfundener Eindruck hält sich dabei zwar lange. Dennoch suchen die Schülerinnen und Schüler langfristig immer wieder bewusst Bestätigungen dafür und revidieren unter Umständen auch den ersten Eindruck. Als Lehrkraft hat man also bei einem missglückten ersten Eindruck immer auch noch eine zweite Chance. War der erste Eindruck positiv, hat die Lehrkraft jedoch die Aufgabe, diesen immer wieder durch Taten zu bestätigen.
Die Persönlichkeit der Lehrkraft ist zwar fast allgegenwärtiges Thema (vor allem in der Referendarausbildung), ihre Ausbildung aber kaum. Nach diesem kleinen Exkurs dazu schauen wir als Nächstes auf die Führungstätigkeit an sich: Wohin wollen Sie führen, und wie wollen Sie führen? Auch dazu möchten wir Sie zuerst wieder fragen, welche Art der Führung Sie selbst als förderlich empfinden.
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Wie muss Ihr Vorgesetzter/Ihre Vorgesetzte führen, damit Sie sich wertgeschätzt fühlen, motiviert mitarbeiten, die Ziele der Schule unterstützen? Wie sehen für Sie angenehme Gespräche aus? Wie verhält er/sie sich, wenn Sie einen Fehler machen, zum Beispiel in der Konferenz zu spät kommen oder einen Abgabetermin vergessen? | |
Führen oder erziehen?
Möchten Sie von Ihrem oder Ihrer Vorgesetzten zu einem bestimmten, «richtigen» Arbeitsverhalten erzogen werden, also dazu ge-zogen werden, oder wollen Sie in einem sicheren Rahmen geführt werden? Ab wann hat man ein Recht darauf, nicht mehr erzogen zu werden? Es ist viel geschrieben worden über Erziehungsstile in der Schule. Wir halten es hier ganz mit Reinhold Miller: «Beziehungsmenschen erziehen nicht.»[10] Der Pädagoge und «Beziehungsdidaktiker» definiert Erziehung als «Zieh- und Schiebevorgänge durch Appelle» und sieht zwei am Menschen zerrende Grundeinstellungen:
Erstens: Erziehende sind der Ansicht, andere Menschen nach ihren eigenen Vorstellungen und Zielen verändern und durch Erziehungsmaßnahmen aus unreifen Menschen reife Persönlichkeiten bilden zu können.
Zweitens: Erziehende verhalten sich Menschen gegenüber, als seien diese Maschinen, die – aufgrund der Veränderungsabsichten und Einwirkungen – so reagieren, wie sie es haben möchten. [11]
Miller plädiert für Be-ziehen statt Er-ziehen, was Lernenden ermöglicht, aus der Abhängigkeit und hin zur Selbstständigkeit zu kommen.[12] Vor diesem Hintergrund sprechen wir lieber von Führungs- als von Erziehungsstil im Klassenzimmer. Es ist ein Führungsstil notwendig, der erreicht, dass jene, die geführt statt nur «gezogen» werden sollen, das auch zulassen.
Mythos Motivation
Was bedeutet das nun? Wie können Lehrkräfte dieses Geführt-werden-Wollen befördern?
Motivation im eigentlichen Sinn meint einen dem Menschen eigenen Antrieb oder ein Verhalten, eine Bewegung, die auf ein Ziel – ein Motiv – ausgerichtet ist. Mitmenschen und damit auch Lehrkräfte können zwar auf die Bestimmung und Gestalt solcher Motive einen gewissen Einfluss nehmen, aber in Bewegung setzen können sie nichts. Man kann niemanden motivieren, denn jeder Mensch ist per se angetrieben sprich motiviert. Der Gedanke, dass es ein Mythos ist, andere motivieren zu können, ist für viele Lehrkräfte entlastend.[13] Das bedeutet nämlich, dass sich Motivation aus der Selbstverantwortung jeder und jedes Einzelnen heraus entfaltet und nicht ein Wenn-dann-Automat ist, den man nur richtig in Betrieb setzen muss.
Es gilt also, Bedingungen zu schaffen, unter denen Menschen gerne arbeiten. Nach dem Prinzip der Salutogenese[14] (Abschnitt 4.2) bedeutet das,
•eine hohe Sinnhaftigkeit herzustellen für das eigene Tun: Wozu tue ich die Dinge, die ich tun soll? Was ist das übergeordnete Ziel? Worauf läuft es hinaus? Was bringt es mir? Was gewinne ich dadurch?
•Verstehbarkeit zu erzeugen: Wie ist mein Tun eingebettet in das, was ich seither getan habe und morgen tun werde? Warum ist dieser nächste Schritt in dieser Art wichtig?
•die Machbarkeit aufzuzeigen: Wie genau geht das, was ich tun soll? Wo bekomme ich Hilfe, falls ich sie benötige? Wie gehe ich vor, wenn etwas nicht so klappt?
Lehrkräfte müssen diese Aspekte in ihrem Unterricht bedienen, und Lernende müssen diese Fragen stellen dürfen und Antworten darauf erhalten oder sie gemeinsam mit Lehrkräften suchen können. Darin besteht eine Führung, die Menschen in Gleichwürdigkeit zu einer autonomen Verantwortungsübernahme führt.[15]
Nun schauen wir ganz konkret auf den Führungsstil: Hier wollen wir nochmals eine Anleihe bei den Führungskonzepten der freien Wirtschaft nehmen und Ihnen den situativen Führungsstil näherbringen, in Kombination mit dem Modell des Reifegrades von Mitarbeitenden.[16] Dies beziehen wir direkt auf Unterricht und Schule. Wir schauen dabei auf die Wechselwirkungen von vier verschiedenen Aspekten: Reifegrad des Schülers beziehungsweise der Schülerin, Führungsstil der Lehrkraft in Bezug auf Aufgabenorientierung und Beziehungsorientierung.
Reifegrad der Schülerinnen und Schüler
In Anlehnung an Paul Hersey und Ken Blanchard bestimmen wir vier Reifegrade, die Schülerinnen und Schüler aufweisen können.
KÖNNEN | UND | WOLLEN | |
1. Der Schüler/Die Schülerin | kann | und | will |
2. Der Schüler/Die Schülerin | kann | und | will nicht |
3. Der Schüler/Die Schülerin | kann nicht | und | will |
4. Der Schüler/Die Schülerin | kann nicht | und | will nicht |
Der Reifegrad der Lernenden bestimmt die jeweilige Situation im Klassenzimmer und diese wiederum Ihr Handeln als Führungskraft. Wahrscheinlich tun Sie bereits das, was das Führungsmodell des situativen Führens nahelegt: Sie gehen mit unterschiedlichen Kindern und Jugendlichen unterschiedlich um. Denn für den einen Schüler kann es eine Leistung sein, morgens pünktlich zum Unterricht zu erscheinen, für die andere Schülerin ist es das Lösen einer schwierigen Matheaufgabe. Wenn Sie den ersten Schüler anweisen, die schwierige Matheaufgabe zu lösen, überfordern Sie ihn vielleicht; wenn Sie der zweiten Schülerin als vorrangiges Ziel setzen, morgens pünktlich zum Unterricht zu erscheinen, dann ist sie vermutlich stark unterfordert.
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Denken Sie an einzelne Schülerinnen und Schüler, die Sie besonders herausfordern. Wie würden Sie ihren Reifegrad einordnen? | |
Situatives Führen
In unterschiedlichen Situationen braucht es also eine jeweils andere Führung. Es kann unterschieden werden, ob Führung eher aufgaben- oder beziehungsorientiert ist:
DIE PERSON | KÖNNEN | WOLLEN | ORIENTIERUNG | FÜHRUNGSHANDELN |
Der Schüler/Die Schülerin | kann | will | Schülerinnen und Schüler weisen eine hohe Motivation und ein hohes Können aus. Beides gilt es durch eine klare Zielsetzung und viel Freiheit im Tun zu erhalten.Das bedeutet geringe Aufgabenorientierung und geringe Beziehungsorientierung, viel Selbstständigkeit und Verantwortungsübernahme innerhalb einer klaren Rahmensetzung. | DELEGIEREN |
Der Schüler/Die Schülerin | kann | will nicht | Diese Schülerinnen und Schüler verfügen über hohes Können, aber über eine geringe Motivation. Unter welchen Bedingungen «wollen» diese Schülerinnen und Schüler? Hier geht es um Begeistern, um Aufzeigen von Sinnhaftigkeit, um die Wertigkeit des Faches/der Aufgabe usw. Dazu braucht es eine hohe Beziehungsorientierung, einen guten Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen, eine Beteiligung an der Zielsetzung und an anderen Entscheidungen. Die Aufgabenorientierung tritt erst einmal in den Hintergrund. | BEGEISTERN |
Der Schüler/Die Schülerin | kann nicht | will | Diese Schülerinnen und Schüler weisen wenig Können, aber eine hohe Motivation aus. Diese Motivation gilt es zu nutzen, um mit viel persönlicher Begleitung und Unterstützung zu fördern. Die Beziehungsorientierung ist also hoch; ebenso die Aufgabenorientierung, denn die Kinder und Jugendlichen sollen durch Aufgaben gefördert werden. | FÖRDERN/UNTERSTÜTZEN |
Der Schüler/Die Schülerin | kann nicht | will nicht | Natürlich wollen wir alle gerne überzeugen und begeistern. Was aber tun wir, wenn ein Schüler oder eine Schülerin keine Motivation zeigt und über kein Können verfügt? Hier braucht es eine enge aufgabenorientierte Führung. Der fachliche Inhalt steht im Vordergrund; dafür werden Unterstützungsmöglichkeiten aufgezeigt und deren Bearbeitung abverlangt. Nur so kann ein fachliches Können erworben werden, das längerfristig vielleicht wieder eine Motivation entstehen lässt. Es braucht weniger Beziehungsorientierung, was hier bedeutet, dass die Lehrkraft mit dem Schüler oder der Schülerin keine endlosen Diskussionen über Sinn und Unsinn von Unterricht und Schule führt oder mit dem moralischen Zeigefinger mehr Einsatz fordert. Weniger Beziehungsorientierung heißt auf keinen Fall ignorieren oder links liegen lassen (also bestrafen für wenig Motivation), sondern angepasste Förderung, ohne sich in Diskussionen zu verstricken. | ANWEISEN |
Das Modell lässt sich visualisieren.
ABB. 16 | MODELL DES SITUATIVEN FÜHRENS nach Hersey/Blanchard |
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Welche Führungsideen haben Sie nun für die Schülerinnen und Schüler, an die Sie weiter oben gedacht haben?An wen können Sie delegieren? | |
Wie genau? Welche Tätigkeiten? Welche Aspekte? | |
Bei wem richtet sich Ihr Augenmerk auf das Begeistern? | |
Wie können Sie sich das vorstellen? | |
Wer braucht dringend Ihre Unterstützung? Wen wollen Sie fördern und unterstützen? | |
Wie genau wollen Sie das in die Wege leiten? | |
Wer benötigt klare Anweisungen mit hoher Aufgabenorientierung? | |
Wie können Sie das angehen? | |