Kitabı oku: «Gesellschaftliches Engagement von Benachteiligten fördern – Band 3», sayfa 5

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Warum ist Kooperation von Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen wichtig zur Stärkung demokratischer Partizipation ihrer Adressat*innen in der Kommune?

Die konzeptionelle Grundidee von KoKoDe ist nicht wirklich neu. Dass die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe lokal kooperieren sollen, ist eine alte fachliche Forderung. Dabei die Subjekte, ihre sozialräumlichen Lebensweisen und Themen in den Mittelpunkt zu stellen, ist ebenfalls keine neue Idee. Und trotzdem scheint die Kombination von beidem bisher so gut wie nicht erprobt zu sein. Das liegt meines Erachtens vor allem daran, dass die Versäulung der Arbeitsfelder in der Kinder- und Jugendhilfe sehr stark ist. Es liegt für Fachkräfte noch halbwegs nahe, sich mit anderen Einrichtungen aus dem eigenen Feld zusammenzutun und ein Handeln zu koordinieren, wahrscheinlich vorrangig im Feld der Legitimierung und Sicherung der eigenen Institutionen. Aber über die Arbeitsfeldgrenzen der Bereiche von Kita, Jugendarbeit, Ganztagsbetreuung, Familienberatung, Jugendkulturarbeit und Hilfen zur Erziehung hinweg ist eine Zusammenarbeit ungewohnt. Stattdessen ist die Handlungsperspektive stark begrenzt auf die eigene Einrichtung. Fachkräfte beschäftigt buchstäblich nur das, was in den Grenzen der eigenen Einrichtung – und das bedeutet auch der räumlichen Grenzen – stattfindet.

Wollen Fachkräfte und Einrichtungen eine solche Verinselung oder Versäulung überwinden, versuchen sie, Vernetzungstreffen zu organisieren, um die anderen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe – und vielleicht auch des Bildungssystems und der Zivilgesellschaft – an einen Tisch zu bringen, sich kennenzulernen und gemeinsame Kommunikationswege zu vereinbaren. Das geschieht besonders häufig mit Blick auf die Gestaltung von Bildungslandschaften, die in den letzten Jahren, stark von Schule ausgehend, in den Kommunen gefördert wurde (zum Aspekt der Bildungslandschaften im Verhältnis zum KoKoDe-Konzept siehe den Beitrag von Stephan Maykus in diesem Band).

Vernetzung und sogar eine Zusammenarbeit zwischen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe vor Ort bedeuten allerdings noch nicht, dass diese dabei die Themen der Kinder und Jugendlichen ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit und ihres Handelns stellen. Stattdessen herrscht oft eine rein organisationelle Koordinationsperspektive. Man prüft, welche Aufgaben sich überschneiden, wie Konkurrenzen zu verhindern sind und wie man stattdessen zusammen Aufgaben der Einrichtungen besser koordinieren und in Absprache erledigen kann. Solche Koordination ist sicher ein wichtiger Fortschritt, doch fehlt ihr der Einbezug der Menschen, um die es geht, nämlich der Kinder und Jugendlichen.

KoKoDe schlägt vor, bestehende Vernetzungen und Kooperationen beizubehalten, sie aber mindestens zu ergänzen durch eine Konzentration auf die Themen, Interessen und Konflikte der Kinder und Jugendlichen vor Ort. Es geht darum, sich darüber auszutauschen, wie sich diese Inhalte in den einzelnen Einrichtungen zeigen, und darüber hinaus zu erkennen, wo und wie sich darin eine gemeinsame Betroffenheit von Zielgruppen und Einrichtungen hinsichtlich der Verhältnisse vor Ort zeigt.

Aus Sicht der Subjekte ist ihre Lebenswelt ohnehin ein Zusammenhang, der durch die Interaktion mit anderen in den sozialräumlichen Verhältnissen vor Ort entsteht. Die Kinder und Jugendlichen trennen sich also nicht von den Zuständigkeiten von Organisationen, sondern leben ihr Leben, mit den darin enthaltenen Themen und Schwierigkeiten. Sie suchen nach Möglichkeiten und Ressourcen, wie sie ihre Bedürfnisse umsetzen und mehr Handlungsfähigkeit erringen können. Die inhaltliche und strukturelle Aufteilung der Aufgaben und Angebote der Einrichtungen scheint da eher ein Hindernis zu sein. Diese orientieren sich nicht an den vernetzten Lebensweisen und lokal eingebundenen Bedarfen ihrer Adressat*innen, sondern verlangen, dass sich die Kinder und Jugendlichen den Strukturen und Angeboten der Organisationen anpassen. In einer Kita soll man lernen, mit anderen zu sprechen und zu handeln, zu spielen und sich zu bilden, aber Probleme, die etwa auf dem Weg in die Kita entstehen, werden dort nicht aufgegriffen. Was auf diesem Weg gefährlich oder langweilig oder besonders interessant ist, wird in der Kita kaum thematisiert.

Die Wahrnehmung der kommunalen Umwelt durch die Kinder und ihr aktives Agieren darin könnten ein starkes inhaltliches Potenzial für eine Artikulation in demokratischen Öffentlichkeiten in der Kommune enthalten. Die Kinder entdecken oft eine ganze Reihe von Problemen, aber auch alternative Gestaltungsmöglichkeiten (zum Beispiel zur Gestaltung von Stadt, zum Umgang mit Müll, zu Handlungsweisen mit von ihnen als riskant empfunden Mitmenschen). In Jugendhäusern oder in Ganztagsbetreuungen wird häufig nicht darauf reagiert, was die Kinder und Jugendlichen in anderen pädagogischen Einrichtungen erleben, welche Handlungsweisen und Probleme im Stadtteil zwischen unterschiedlichen Gruppierungen und Szenen entstehen, welche Attraktionen und Potenziale kommerzielle Orte bieten. Die Teilnehmenden sollen die Angebote wahrnehmen, die die Fachkräfte mit dem besten Willen, ihnen gerecht zu werden, für sie in der Einrichtung mit den gegebenen Ressourcen und Rahmenbedingungen vorbereitet haben. Was draußen passiert und welche möglichen Wirkungen dies auch nach innen hat, wird nicht thematisiert. Damit wird verpasst, die demokratische Einflussnahme auf die Lebensverhältnisse außerhalb der Einrichtung zu unterstützen.

Auf eine weitere Kooperationsnotwendigkeit hat besonders die Diskussion um die Bildungslandschaften hingewiesen: die Übergänge zwischen den unterschiedlichen Institutionen von Bildung und Erziehung. Im Laufe der Biografie wechseln Kinder und Jugendliche von einer Institution in die andere, etwa von der Kita in die Schule, daneben ins Jugendhaus oder in den Sportverein. Die Übergangsforschung zeigt, dass solche Passagen für die Subjekte anforderungs- und risikoreich sind. Handeln die Einrichtungen als Insel, kümmern sie sich nicht darum, wie ein Übergang von einer Einrichtung zur anderen aus Sicht der Subjekte zu gestalten wäre. Hier ergibt sich also ein besonderes kommunales Thema: auf welche Weise man möglichst gut und gerecht von pädagogischen Einrichtungen in andere übergehen kann. In den vergangenen Jahren haben viele lokale Bildungskonferenzen versucht, diese Übergänge zu analysieren und zu optimieren. Häufig haben sie dabei allerdings nur die institutionelle Perspektive betrachtet und gefragt, wie die vorherige Einrichtung die Kinder und Jugendlichen für die nächste Einrichtung vorbereiten muss – Paradebeispiel ist der Übergang von der Kita in die Grundschule – und wie eine Übergabe die Anforderungen und Kriterien der aufnehmenden Einrichtungen immer schon berücksichtigen kann.

Wie die Kinder und Jugendlichen selbst Übergänge in der Biografie, aber auch im Alltag zwischen den Einrichtungen beurteilen, welche Bedarfe sie selbst sehen und welche Probleme und Chancen sie erkennen, machen die Einrichtungen selten zum Thema – geschweige denn, dass sie die jungen Menschen als berechtigte und befähigte Mitplaner*innen ihrer eigenen Passagen an solchen Prozessen entscheidend beteiligen würden. Auch hier wäre eine Kooperation besonders der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen nötig, um die demokratische Beteiligung der Kids an der Gestaltung dieser Übergänge möglich zu machen.

Ein weiteres Argument, beim Übergang demokratischer Partizipation von den Einrichtungen in die Kommune zu kooperieren, liegt darin, dass eine solche Zusammenarbeit beispielhaft für demokratisches Handeln in der Gemeinde sein kann. Überwinden die Einrichtungen ihre auf sich selbst zentrierte Perspektive, entdecken sie die komplexe Verbundenheit der Handlungsweisen vor Ort und praktizieren sie eine gleichberechtigte Kooperation mit anderen, zeigen sie an diesem Handeln bereits, wie Demokratie sein könnte. Denn diese muss Einzelinteressen und Differenzen berücksichtigen, sie aber auch in gemeinschaftliche Aushandlung zur Findung gerechter Lösungen einbringen. Die Sichtweisen, Interessen und Probleme von Einzelnen und spezifischen Gruppierungen müssen mit anderen gemeinsam Entscheidungen fällen, die möglichst für alle gut sind. In der Demokratie muss durch Kooperation und faire Konfliktaushandlung das Gemeinwohl hergestellt und gesichert werden. Solche demokratische Kooperation zwischen den Einrichtungen und ihren Beteiligten realisiert also bereits Demokratie. Kinder und Jugendliche können auf diese Weise unterstützt werden, über den Horizont der Einrichtung hinauszuschauen und mit anderen Beteiligten und Betroffenen anderer Einrichtungen in Kontakt und Kommunikation zu kommen. Gemeinsame Betroffenheiten können entdeckt und geklärt werden – und es wird möglich, sich zusammen öffentlich einzubringen und demokratische Politik vor Ort zu machen.

Literatur

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1 Im Folgenden werden die Begriffe gesellschaftliches Engagement und demokratisches Engagement synonym verwendet. Grundsätzlich zielt die Arbeitsweise auf die Ermöglichung und Förderung demokratischen Engagements ab – daher wird vorrangig dieser Begriff verwendet. Roland Roth (2003) hat darauf hingewiesen, dass gesellschaftliches Engagement allein noch keine spezifische Qualität darstellt, denn auch in autoritären oder faschistischen Gesellschaften engagieren sich Menschen; daher die Unterscheidung demokratisches Engagement.

2 Auf der Website des Instituts für Partizipation und Bildung (www.partizipation-und-bildung.de/) finden sich zahlreiche Literaturangaben und Downloads weiterer Texte zur Vertiefung der genannten Konzepte sowie zu Handlungsansätzen demokratischer Partizipation in der Krippe, in den Hilfen zur Erziehung und in der Schule.

Das Modellprojekt KoKoDe des Nachbarschaftsheims Schöneberg e. V. – Ziele, Arbeitsweisen, Prozesse und Erfahrungen

Thomas Glaw

Im Folgenden wird das Modellprojekt „Kooperativ in der Kommune demokratisches Engagement von Kindern und Jugendlichen fördern“ (KoKoDe), umgesetzt im Nachbarschaftsheim Schöneberg e. V. (NBHS), dargestellt und reflektiert. Ziel des Projekts war, die konzeptionelle Arbeitsweise der Förderung demokratischen Engagements von Kindern und Jugendlichen durch die Kooperation unterschiedlicher Einrichtungstypen der Kinder- und Jugendhilfe in Stadtteilen einzuführen. Es ging darum, die vorgeschlagenen Ziele und Methoden zu erproben und ihre Möglichkeiten und Grenzen zu reflektieren. Die konzeptionellen Ziele von KoKoDe stimmen mit den satzungsgemäßen Zielen des Nachbarschaftsheims Schöneberg überein, der „Förderung der Selbsthilfe und des bürgerschaftlichen Engagements“. Neben dieser inhaltlichen Kongruenz zeigte sich das Nachbarschaftsheim auch strukturell als ideal für das Modellprojekt, denn als großer, stadtteilbezogener Träger fast aller Sparten der Kinder- und Jugendhilfe in Berlin konnte es umfassend die kooperative Unterstützung demokratischen Engagements in der Kommune erproben.

In diesem Beitrag werden Erfolge und Hindernisse bei der Implementierung der Arbeitsweisen zur Förderung gesellschaftlich-demokratischen Engagements in der Kooperation unterschiedlichster Akteur*innen der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Zivilgesellschaft herausgearbeitet. Diese Erfahrungen sollen anderen Trägern und Akteur*innen für den Transfer und die weitere Implementierung zur Verfügung stehen. Zunächst werden Hintergrundinformationen zum Träger gegeben und dessen Satzungsgedanke im Hinblick auf das gesellschaftlich-demokratische Engagement von Bürger*innen des Stadtteils dargestellt. Daran anschließend geht es um die Entstehung des Modellprojekts und dessen Wirkungsziele sowie das Konzept des Projekts, um darauf aufbauend dessen organisationale Struktur zu beschreiben und von der Umsetzung zu berichten. Zum Abschluss werden die Erfahrungen in Bezug auf zwei der skizzierten Wirkungsziele aus sozialpädagogischer und organisationaler Perspektive reflektiert.

1. Informationen zu Träger und Projekt

Das Nachbarschaftsheim Schöneberg e. V. (NBHS) ist ein großer freier Träger von Angeboten und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und weiterer Felder der Sozialen Arbeit im Süden Berlins. Das Angebot innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe reicht von Angeboten der Eltern- und Familienbildung über Kindertagesstätten, Ganztagsbetreuung, Kinder- und Jugendarbeit bis zur Kulturarbeit. Darüber hinaus leistet der Verein Stadtteil- und Seniorenarbeit sowie Pflegearbeit über eine ausgegliederte gGmbH.

Verein und gGmbH agieren mittlerweile als sozialwirtschaftliche Unternehmen. Die Organisationsstruktur orientiert sich in ihrem Aufbau vor allem an den Arbeitsbereichen und verläuft von der Geschäftsführung über Bereichsleitungen und nachfolgend Einrichtungs- und Projektleitungen zu den Mitarbeiter*innen mit operativer Tätigkeit. Über rund zwölf Jahre hat sich durch ein enormes Wachstum des Trägers eine sehr differenzierte Organisation mit eigenständigen Fachbereichen und lokalen Zentren herausgebildet. Im Jahr 1999 waren noch 50, 2011 bereits knapp 1.000 Mitarbeiter*innen angestellt. Mittlerweile beschäftigen Verein und gGmbH etwa 1.100 Festangestellte. Der räumliche Aktionsbereich der Organisation weitete sich von ehemals einem Bezirk (Tempelhof-Schöneberg) auf die drei südwestlichen Berliner Bezirke (Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf) und damit in der Fläche von rund neun auf 170 Quadratkilometer aus.

Das personelle Wachstum, die fachspezifischen Differenzierungen und die räumliche Ausweitung stellen die Organisation vor die Herausforderung, eine gemeinsame fachliche Identität weiterzuentwickeln, die auch eine konsequente Aufrechterhaltung des Satzungsgedankens in allen Organisationseinheiten sichert. Dieser Satzungsgedanke soll im Folgenden beschrieben werden.

Gesellschaftliches Engagement im Nachbarschaftsheim: Satzungsgedanke und Regionen

Das NBHS wurde nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Ziel gegründet, das Engagement der Einzelnen für sich und für die Gesellschaft zu stärken. Das verdeutlicht auch der Satzungszweck in § 1: „Der Zweck des Vereins ist die […] Förderung der Selbsthilfe und des bürgerschaftlichen Engagements […].“ Insofern kann als ein tragender Pfeiler der Organisation das gesellschaftlich-demokratische Engagement von Bürger*innen im Stadtteil angesehen werden. Zentrale Elemente wie Freiwilligkeit, Teilnahme und Teilhabe, Gemeinschaftlichkeit, Gemeinwohlbezogenheit und Ehrenamtlichkeit werden dabei berücksichtigt.

Ihr großes Wachstum stellt die Organisation vor die Herausforderung, bei den einzelnen Fachkräften sowie in den Handlungsfeldern und Regionen immer wieder einen gemeinsamen Bezug zum Satzungszweck der Engagementförderung herzustellen und zu sichern. Wie lässt sich aber in einem so großen und differenzierten Träger eine gemeinsame fachliche Identität und fachliche Grundlage erzeugen und erhalten? Hier entstand die Idee eines Zurück zu den Wurzeln, denn dieser historisch gewachsene Grundgedanke des NBHS ist weiterhin aktuell und angesichts von Individualisierung, kultureller Vielfalt und sozialen Spaltungen der Gesellschaft aktueller denn je.

Die Rückbesinnung auf gesellschaftlich-demokratisches Engagement als NBHS-Grundstein bot als übergeordnete Querschnittsaufgabe die Antwort auf die Herausforderung der Diversität der einzelnen Organisationseinheiten und auf die immer differenziertere Spezifizierung von professionellen Arbeitsfeldern und Fachgebieten.

Aus Sicht des Vereins ist die Förderung von Engagement somit weiterhin eine sinn- und zusammenhangstiftende Kernaufgabe. Das NBHS versteht sich als Partner der Bürger*innen aller Altersstufen bei der lokalen Entfaltung eines demokratischen Engagements. Dieses wird als aktive Aneignung der demokratischen Gesellschaft verstanden, also als Bildungsprozess und Teilnahme an einer demokratischen Herstellung guten Lebens für alle in ihren lokalen Nachbarschaften und darüber hinaus. Der Verein verfügt durch die Vielfältigkeit seiner Tätigkeitsfelder und die damit verbundenen Ressourcen und Kompetenzen über das Potenzial, Sozialräume und übergreifende Themen zusammenzuführen, also Gesellschaft als lokales Gemeinwesen lebendig zu gestalten und zu verändern. Daher gilt es, unterstützende Strukturen lokaler Demokratiebildung vorzuhalten, die partnerschaftlich und kooperativ demokratisches Engagement der Bürger*innen fördern. Dabei sollten die unterschiedlichen Einrichtungen, die entlang der biografischen Entwicklung von Kita bis Seniorenwohnheim die Entwicklung demokratischen Engagements begleiten, lokal ineinandergreifen. Statt fachspezifischer und lokaler Separation beziehungsweise Versäulung wird eine bereichsübergreifende Kooperation in lokalen Nachbarschaften angestrebt.

Basierend auf diesem Ansatz ging und geht es darum, den nächsten konsequenten Schritt der Weiterentwicklung des Satzungsgedankens zu vollziehen, indem die derzeitige bereichsspezifische Betrachtungsweise erweitert wird durch eine übergreifende und vernetzende Perspektive, die die Themen und Interessen der Bürger*innen ins Zentrum stellt. In der systematischen Umsetzung können somit nachhaltige Strukturen entstehen, die eine kontinuierliche Verankerung von gesellschaftlichem Engagement als Aufgabe der Einrichtungen innerhalb der Regionen ermöglichen.

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