Kitabı oku: «Verteidigung in Vollstreckung und Vollzug», sayfa 8
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Eine Anfechtung der Ladung zum Strafantritt wegen fehlerhafter Annahme der Vollzugszuständigkeit kommt schließlich in Betracht, wenn diese vom Wohnort abhängt und der Mandant nicht dort wohnt, wo die Vollstreckungsbehörde ihn zum Strafantritt geladen hat. Hier ist nicht nur an Zustellungsfehler zu denken (s.o. Rn. 82 f.), sondern auch an die Ladung durch einfachen Brief (§ 27 Abs. 3 StVollstrO), die z.B. bei Freunden oder Angehörigen des Mandanten eingegangen sein kann, bei denen er früher gewohnt hat.
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Der Vollstreckungsplan ist in fast allen Bundesländern eine Verwaltungsvorschrift, keine Rechtsverordnung. Auf der Grundlage eines materiellen Verordnungsbegriffs könnte man zwar meinen, dass er in der Form einer Rechtsverordnung i.S.d. Art. 80 GG erlassen werden müsste, weil seine Regelungen generell und abstrakt sind. Sie sollen auch nicht nur verwaltungsintern wirken, ihr Zweck ist es ja gerade, die Rechtsstellung des betroffenen Verurteilten zu regeln. Man wird aber wohl annehmen dürfen, dass das auch durch Verwaltungsvorschrift geschehen kann, so dass § 152 StVollzG nicht etwa gegen Art. 80 GG verstößt.
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Wenn der Mandant wünscht, von Anfang an in eine andere Vollzugsanstalt zu kommen, als in die nach dem Vollstreckungsplan vorgesehene, also wenn keine Sonderregelung des Vollstreckungsplans auf ihn zutrifft, so handelt es sich zwar um ein vollstreckungsrechtliches und nicht um ein vollzugsrechtliches Anliegen.[68] Es bedarf nach § 26 Abs. 2 StVollstrO zur Verlegung der Zustimmung beider höheren Landesbehörden, ein sehr langwieriges Verfahren. Es muss unter Umständen mit dem Strafantritt weiter betrieben werden, weil die Zeit zwischen Ladung in die (falsche) JVA und Vollzugsbeginn zu kurz ist. Die Verlegung in Abweichung vom Vollstreckungsplan ist dann nur noch innerhalb des Strafvollzuges nach dessen Beginn vorgesehen: §§ 8, 9, 10, 65, 85 StVollzG. Das schließt nicht aus, dass man sich in völlig eindeutigen Fällen einer Verlegungsindikation (alle Angehörigen leben in der entgegengesetzten Ecke des Landes mit wenig Geld und schlechten Verkehrsverbindungen) den bürokratischen Aufwand von vornherein spart und durch Einvernehmen zwischen Verteidigung, Vollzugsanstalten und Vollstreckungsbehörde zu einer Abweichung vom Vollstreckungsplan und entsprechender Ladung gelangt. Wenn vor Strafantritt eine Meldeanschrift bei der Verwandtschaft vorgelegt werden kann und der Lebensmittelpunkt nach der Entlassung dort sein soll, erleichtert dies den Aufwand erheblich.
d) Direktladung in den offenen Vollzug
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Die unmittelbare Ladung in den offenen Vollzug ist starken kriminalpolitischen Strömungen unterworfen. Nach der Föderalismusreform (s.u. Rn. 534) gibt es keine einheitliche bundesweite Regelung mehr. Grundsätzlich ist es von den Vollstreckungsplänen der Länder abhängig, in welche Anstalt der Verurteilte zu laden ist. I.d.R. entscheiden die Aufnahmeanstalten des geschlossenen Vollzuges über eine – mehr oder weniger – zügige Verlegung in den offenen Vollzug. Die Vollstreckungsbehörde hat zwar bereits vor Strafbeginn die Eignung des Verurteilten für den offenen Vollzug zu prüfen[69], die Direkteinweisung in den offenen Vollzugs kommt aber in vielen Bundesländern nur ausnahmsweise in Betracht.[70] Der Begriff des offenen Vollzugs darf nicht mit der Gewährung von Vollzugslockerungen (insb. Berufsfreigang) gleichgesetzt werden. Er ist in § 141 Abs. 2 StVollzG gesetzlich definiert: Anstalten des offenen Vollzugs sehen keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen vor. Die Entscheidung wird häufig von der Selbststellereigenschaft und einer geringen bis mittleren Strafhöhe (nicht mehr als 2–3 Jahre), abhängig gemacht; das Vorhandensein einer Arbeitsstelle (die den Kriterien des Vollzuges entspricht, worüber die Verteidigung sich informieren sollte) ist sehr hilfreich:
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Das BVerfG war bei einem drohenden Arbeitsplatzverlust über den Antrag auf direkte Ladung in den offenen Vollzug angerufen worden.[71] Es hat ein Verfahren zur Ladung in den geschlossenen Vollzug zugunsten des Verurteilten ausgesetzt, da diesem wegen der Aufrechterhaltung des bestehenden Arbeitsverhältnisses ansonsten schwere Nachteile entstehen würden. Die Justizbehörde hat daraufhin die aufnehmende JVA angewiesen, die Verlegung in den offenen Vollzug „alsbald“ nach der Inhaftierung zu prüfen. Dem grundrechtlich geschützten Resozialisierungsinteresse des Verurteilten, soweit es durch die Unterbringung in einer bestimmten Anstalt berührt ist, kann nach § 26 Abs. 1 S. 1 StVollstrO – und nicht erst im Stadium des Vollzuges (§ 8 Abs. 1 StVollzG) – durch eine Änderung der Zuständigkeiten im Vollstreckungsverfahren Rechnung getragen werden.[72] Zu beachten ist schließlich die Dauer einer Verlegung vom geschlossenen in den offenen Vollzug; in der Regel ist der Arbeitsplatz dann verloren. Das BVerfG nahm den Fall dennoch nicht zur Entscheidung an, weil Hamburg inzwischen eine neue Regelung getroffen hatte. Danach ist bei Gefangenen, die in einem festen Arbeitsverhältnis stehen, unter bestimmten Voraussetzungen spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Haftbeginn über die Verlegung in den offenen Vollzug und die Gewährung des Berufsfreigangs zu entscheiden. Dass in Hamburg, anders als in einigen anderen Ländern, der Vollstreckungsplan keine allgemeine Regelung enthält, nach der auf freiem Fuß befindliche Verurteilte von vornherein in eine Anstalt des offenen Vollzuges geladen werden können, hat das BVerfG nicht beanstandet.
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Der Hessische Gesetzgeber hält auch bei der vom BVerfG gebotenen Berücksichtigung des Resozialisierungsinteresses eine regelhafte Direkteinweisung in den offenen Vollzug nicht für zwingend.[73] Die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, das Saarland und Sachsen-Anhalt bestimmen bereits in den Vollstreckungsplänen JVAen oder -abteilungen des offenen Vollzuges als Einrichtungen, in denen unter bestimmten Voraussetzungen die Strafe anzutreten ist. In Nordrhein-Westfalen sieht der Vollstreckungsplan unabhängig von der Straflänge Anstalten des offenen Vollzuges als Aufnahmeanstalten vor. In Ländern, die nicht über eigenständige Anstalten des offenen Vollzuges verfügen (Bremen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen), erfolgt zwar keine unmittelbare Ladung für den offenen Vollzug, in geeigneten Fällen lautet die Ladung aber dennoch, dass sich der Betroffene direkt in der Abteilung des offenen Vollzuges stellen soll. Bayern und Baden-Württemberg als Länder mit eigenständigen Anstalten des offenen Vollzuges sehen in den Vollstreckungsplänen auch keine Direkteinweisung vor.[74]
e) Einwendungen gegen die Anordnung von Zwangsmaßnahmen
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Es kommt vor, dass die Verteidigung von StA-Maßnahmen zur Durchsetzung der Vollstreckung Kenntnis erhält, ehe sie ausgeführt werden. Dann kommt eine Verteidigung gegen diese Maßnahmen in Betracht; manchmal ist auch eine nachträgliche gerichtliche Überprüfung angebracht.
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Zwangsmaßnahmen der Vollstreckungsbehörde wie der Vollstreckungshaftbefehl nach § 457 StPO sind vorgesehen, wenn der Verurteilte der Ladung zum Strafantritt nicht folgt oder flüchtig ist.[75] Er erhält dann regelmäßig erst bei seiner Festnahme Kenntnis davon. In diesem Augenblick tritt aber schon die Erledigung der Maßnahme ein. Er kann sie nicht mehr anfechten.[76] Trotzdem ist eine gerichtliche Überprüfung möglich. Der Verurteilte kann nämlich nach § 28 Abs. 1 S. 1 EGGVG beim OLG mit einem Feststellungsantrag geltend machen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Zwangsmaßnahme nicht vorlagen oder die Vollstreckungsbehörde gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe.[77] Ein Verwaltungsvorverfahren (§ 24 Abs. 2 EGGVG) ist bei Feststellungsanträgen, die erst nach Erledigung der bekämpften Maßnahme gestellt werden, nicht einzuhalten. Das für Feststellungsanträge nötige „berechtigte Interesse“ ist in den hier erörterten Fällen schon deshalb gegeben, weil die Zwangsmaßnahmen in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG eingreifen.
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In Verfahren über die Geltendmachung eines Vollstreckungshindernisses, eines Aufschubgrundes oder über Einwendungen gegen eine Ladung zum Strafantritt erfährt die Verteidigung mitunter noch rechtzeitig, dass die Vollstreckungsbehörde Maßnahmen nach § 457 StPO angeordnet hat. Die Zwangsmaßnahmen sind dann gesondert von der Geltendmachung des Vollstreckungshindernisses oder Aufschubgrundes anfechtbar.[78] Rechtsweg: §§ 23 ff. EGGVG. Dass der Vollstreckungshaftbefehl vom Rechtspfleger statt vom Richter stammt, gibt keinen Anlass zu Bedenken aus Art. 104 Abs. 2 GG, weil seine Legitimation aus dem Urteil herrührt. Zur Durchsetzung bei anderen Personen sind aber die Voraussetzungen der §§ 103, 105 StPO einzuhalten. In der Regel ist ein richterlicher Durchsuchungsbefehl erforderlich.[79] Das Fehlen der richterlichen Anordnung kann jedoch nur der Inhaber der Wohnung rügen.
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Der Eintritt der Rechtskraft genügt nur dann als förmliche Voraussetzung der Strafhaft, wenn der Mandant ihn in Untersuchungshaft erlebt. Ist er bei Eintritt der Untersuchungshaft in Freiheit, auch wenn der Haftbefehl nur nach § 116 StPO außer Vollzug gesetzt ist, so bedürfen Zwangsmaßnahmen der Förmlichkeiten des § 451 StPO: Die Vollstreckungsbehörde darf den verurteilten Mandanten nicht verhaften und auch keinen Vollstreckungshaftbefehl gegen ihn erlassen, ehe sie die Vollstreckbarkeitsbescheinigung hat. Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG handelt ausdrücklich von den „vorgeschriebenen Formen“, die gewahrt werden müssen, wenn jemandem die Freiheit zulässigerweise entzogen werden soll.[80] Rechtsweg: §§ 23 ff. EGGVG. Bei prozessualer Überholung infolge Nachlieferns der regelrechten Vollstreckungsunterlagen ist der Feststellungsantrag[81] gegeben und der Mandant hat einen Anspruch auf Schadensersatz einschließlich Schmerzensgeld.
f) Vollstreckung bei Abschiebung, Auslieferung oder Ausweisung
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§ 456a StPO behandelt nach seinem Wortlaut nicht den Strafaufschub, sondern das Absehen von der Vollstreckung bei Auslieferung und Ausweisung. Die Auslieferung richtet sich nach §§ 2 ff. IRG,[82] die Ausweisung nach §§ 53, 54 AufenthG; ihr steht die Abschiebung nach § 58 AufenthG gleich.[83] Der Sache nach handelt es sich aber um einen Aufschub, weil die Vollstreckung nachgeholt werden kann, wenn der Betroffene zurückkehrt, § 456a Abs. 2 StPO. Diese Nachholung kann bereits mit der Aufschubentscheidung angeordnet werden, auch unter gleichzeitigem Erlass eines Vollstreckungshaftbefehls.
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Die Vorschrift behandelt das Verfahren zur Abschiebung. Liegt eine bestandskräftige Ausweisungsverfügung vor, kann von der Vollstreckung der Strafe ganz oder teilweise abgesehen werden. Die Maßnahme ist vor oder auch nach Beginn der Vollstreckung möglich; auch erneut, wenn nach Rückkehr des Verurteilten nach § 456a Abs. 2 StPO die Vollstreckung nachgeholt wird.[84] Ist nicht sicher feststellbar, ob der Verurteilte die Belehrung (S. 4) auch verstanden hat, ist die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe nach Rückkehr des Verurteilten in die Bundesrepublik Deutschland unzulässig.[85]
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§ 456a StPO hat nicht die praktische Bedeutung, die der Gesetzgeber damit erreichen wollte. Ein vollständiger Strafaufschub wird nach dieser Bestimmung fast nie gewährt.[86] Die Vollstreckungsbehörden gehen meist nach § 17 StVollstrO vor und vollstrecken einen erheblichen Teil der verhängten Freiheitsstrafe. Die Entscheidung sollte jedenfalls vor einer Entscheidung über eine vorzeitige Entlassung nach § 454 StPO ergehen, steht dieser aber nicht entgegen.[87] Die einzelnen Bundesländer haben Richtlinien erlassen, die z.T. veröffentlicht sind.[88] Sie verfahren nach § 456a StPO meist erst dann, wenn über die Hälfte der Strafe verbüßt ist; eine feste Mindestverbüßungsdauer besteht aber selbst bei lebenslangen Freiheitsstrafen und besonderer Schwere der Schuld nicht.
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Die Verteidigung muss die Vollstreckungsbehörde auf die Gesichtspunkte hinweisen, die für die volle Anwendung des § 456a StPO i.S. eines Strafaufschubs sprechen. Vorausgesetzt, der Mandant will die Bundesrepublik tatsächlich – wenn auch unter dem Druck der Verhältnisse – auf Dauer verlassen, sind die folgenden Umstände geeignet, das Interesse an der Strafvollstreckung zurückzudrängen: Der Mandant empfindet schon die Ausweisung oder Auslieferung als eine erhebliche Strafe.[89] Er hat die Tat möglicherweise begangen, weil er aus einem fremden Kulturkreis stammt, weil er sich in der Bundesrepublik vereinsamt fühlt, weil er infolge seiner Entwurzelung in einer depressiven Verfassung war (was sich bei Menschen aus anderen Kulturen oft in ganz anderen Verhaltensweisen äußert als bei uns[90]), weil er sich durch besonders gefährliche oder besonders schmutzige Arbeit und sonstige schlechte Arbeitsbedingungen ausgebeutet fühlte, weil er lange in den besonders bedrückenden Verhältnissen eines Ausländerwohnheims hat leben müssen, weil er durch mangelnde Sprachkenntnisse – und weil seine Angehörigen ihn nicht besuchen können – strafempfindlicher ist als andere[91], weil er von vornherein mit der Versagung von Vollzugslockerungen rechnen muss oder weil er im Ausland Strafverbüßung zu erwarten hat, der gegenüber die inländische i.S.d. § 154 StPO nicht beträchtlich ins Gewicht fällt.
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Es werden aber auch fiskalische Erwägungen gegenüber den persönlichen Faktoren in den Vordergrund gerückt, um den deutschen Strafvollzug zu entlasten. Diese gesetzgeberischen Motive schließen zwar nicht aus, so das OLG Hamm, die persönlichen Verhältnisse und Belange eines Verurteilten, wenn dies geboten erscheint, bei der zu treffenden Entscheidung angemessen zu berücksichtigen: „Diese stehen aber nicht im Vordergrund. Mögliche Abwägungsfaktoren sind insbesondere die Umstände der Tat, die Schwere der Schuld, die bisherige Vollstreckungsdauer, die familiäre und persönliche Situation des Verurteilten und das öffentliche Interesse an einer nachhaltigen Strafvollstreckung.“[92] Die Vorschrift kann auch auf Deutsche angewendet werden, nachdem Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG auch deren Auslieferung (innerhalb der EU) gestattet.[93] Rechtsbehelfe: Beschwerdeverfahren nach § 21 StVollstrO und § 23 EGGVG.[94]
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Für einen ausländischen Verurteilten kann auch ein Ersuchen um Vollstreckung im Heimatland sinnvoll sein. Nach § 71 IRG ist es möglich, einen ausländischen Staat um die Vollstreckung einer hier gegen den Mandanten verhängten Freiheitsstrafe zu ersuchen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Mandant sich im Ausland aufhält oder aufhalten wird und feststeht, dass er nicht hierher ausgeliefert (genauer: eingeliefert) wird. Bei einem ausländischen Mandanten muss diese Art der Vollstreckung in dessen Interesse oder im öffentlichen Interesse liegen. Ist er Deutscher, so dürfen ihm durch die Vollstreckung im Ausland keine erheblichen, außerhalb des Strafzwecks liegenden Nachteile erwachsen. Auf die weiteren Regelungen des § 71 IRG ist zu verweisen. Es kann bei einem ausländischen wie bei einem auslandsdeutschen Mandanten sinnvoll sein, bei der Vollstreckungsbehörde die Einleitung der Überstellung nach § 71 IRG zu beantragen, wenn die Familie des Mandanten im Ausland ist und sich auf diese Weise sicherstellen lässt, dass er während der Strafverbüßung Besuche seiner Angehörigen erhält. In jedem Falle ist es erforderlich, den ausländischen Strafvollzug vorher zu erkunden und abzuschätzen, ob er sich etwa vom hiesigen vorteilhaft unterscheidet oder ob er – wie vielfach schon in südeuropäischen Ländern – menschenunwürdige Zustände aufweist.
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Das Verfahren hat zwei Abschnitte, einen vollstreckungs- und einen völkerrechtlichen. Der vollstreckungsrechtliche Teil ist eine Entschließung der Vollstreckungsbehörde, die sie nach ihrem Ermessen zu treffen hat.[95] Die außerdem notwendige Entscheidung des Gerichts, regelmäßig der StVK, betrifft nur die Zulässigkeit der Überstellung, nicht die Entschließung, diese auch auszuführen. Damit diese Entschließung im Rechtsweg nach §§ 21 StVollstrO, 23 ff. EGGVG gerichtlich überprüfbar ist, muss die Behörde darlegen, von welchem Sachverhalt sie ausgegangen ist und welches ihre Ermessenserwägungen sind. Fehler sind dabei häufig. Vor allem neigen die Vollstreckungsbehörden dazu, der Resozialisierung des Verurteilten ein zu geringes Gewicht einzuräumen.[96] Es mag noch angehen, dass bei einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Türken berücksichtigt wird, er werde in der Türkei voraussichtlich wesentlich früher wieder freikommen als in Deutschland.[97] Dagegen dürfte der Ablehnungsgrund, die Vollzugsbedingungen in dem Heimatstaat des Verurteilten seien günstiger als in Deutschland[98], selbst dann nicht tragfähig sein, wenn auf eine Überfüllung der geschlossenen Vollzugsanstalten in Deutschland abgestellt würde, die resozialsierungsfeindlich wäre.[99]
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Geht die Vollstreckungsbehörde auf den Wunsch des Verurteilten ein, so kann die Regierung nach dem Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen[100] das Ersuchen stellen. Sie ist dazu aber dem Verurteilten gegenüber nicht verpflichtet. Ihr Verhalten in dieser Frage ist nicht justiziabel.[101]
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Möglich ist auch das Ersuchen um Einlieferung aus dem Ausland. Hält sich der Mandant, gegen den ein auf Freiheitsstrafe lautendes Urteil zu vollstrecken ist, im Ausland auf, dann muss er damit rechnen, dass die Bundesregierung[102] den ausländischen Staat um Auslieferung ersucht. Am 7.8.2002 ist der Rahmenbeschluss zum Europäischen Haftbefehl und am 23.4.2004 das Europäische Haftbefehlsgesetz (EuHbG) in Kraft getreten. Bereits mit Urteil vom 18.7.2005 hat das BVerfG das EuHbG für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Der Spielraum des Gesetzgebers wurde mit dem am 2.8.2006 in Kraft getretenen Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den EuHbG stark eingeschränkt. Die Verteidigung muss sich in diese Materie einarbeiten. Hinsichtlich der Möglichkeiten ein Auslieferungsersuchen abzulehnen, stellt § 73 IRG materiell die Rechtslage her, die bereits das EuHbG 2004 schaffen wollte. Ein Pflichtbeistand ist nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 IRG zu bestellen.
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Nun verlangen die ausländischen Staaten bei der Auslieferung zum Zweck der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe nicht, dass den Auslieferungsunterlagen auch ein Vollstreckungshaftbefehl beigefügt wird. Trotzdem setzt das Auslieferungsersuchen das Bestehen eines Haftbefehls nach § 457 StPO voraus, denn der ersuchte ausländische Staat soll ja mit der Verhaftung stellvertretend für die inländische Strafvollstreckung tätig werden; die Bundesrepublik kann ihn aber nicht um eine Zwangsmaßnahme ersuchen, die sie selbst nicht anwenden könnte. Der Vollstreckungshaftbefehl oder sein Fehlen kann zum Gegenstand der Verteidigung gemacht werden.
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Als Vorbringen der Verteidigung kommen nicht nur die vorerörterten Vollstreckungshindernisse, Aufschubgründe und sonstigen Einwendungen in Betracht, sondern außerdem auch die Haftbedingungen, die der Mandant beim Vollzug der Auslieferungshaft in dem ausländischen Staat zu erwarten hat. In vielen Ländern der sog. Dritten Welt, aber auch in einigen Staaten Südeuropas, sind die Lebensbedingungen in den Haftanstalten miserabel, menschenunwürdig und lebensgefährlich. Auslieferungshaft ist dann nach deutschem Rechtsverständnis unverhältnismäßig.
g) Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG
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Wenn die Verteidigung Hinweise darauf hat, dass der zu Freiheitsstrafe verurteilte Mandant drogenabhängig sein könnte, ist sorgfältige Prüfung der Vollstreckungsfrage angebracht. Der Mandant kann nämlich durch eine der Rehabilitation dienende Behandlung seiner Abhängigkeit die Zurückstellung der Strafvollstreckung erlangen mit dem Ziel, dass je nach Ausgestaltung der Therapie ein Teil der Strafe durch Anrechnung erledigt und der Rest zur Bewährung ausgesetzt wird. Stehen mehrere Freiheitsstrafen von jeweils nicht mehr als 2 Jahren zur Vollstreckung an, so lässt bereits die Möglichkeit, dass sämtliche im Anschluss zu vollstreckende Strafen einer Strafaussetzung oder Zurückstellung zugänglich sind, eine Maßnahme nach § 35 BtMG zu. Die Vorschrift lässt die Zurückstellung auch bei Freiheitsstrafen oder Jugendstrafen von mehr als zwei Jahren zu, wenn der noch zu vollstreckende Strafrest (ggf. nach U-Haft, s.u. Rn. 154) zwei Jahre nicht übersteigt.[103] Die damit verbundene Erweiterung der Zurückstellungsmöglichkeiten ist erheblich. Indem die Strafe bis auf zwei Jahre erledigt sein muss, trägt die Regelung auf der anderen Seite auch der Schwere der Schuld Rechnung.[104]
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Die Zurückstellung der Strafvollstreckung gem. § 35 BtMG ist gerade auch für Personen vorgesehen, bei denen die Voraussetzungen für eine Strafaussetzung zur Bewährung mangels günstiger Prognose (noch) nicht vorliegen. Die Prognoseformel des § 36 BtMG – „sobald dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann“ – gilt deshalb für die Zurückstellungsentscheidung nicht.[105]
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Das Vollstreckungsrecht nach §§ 35, 36, 38 BtMG ist hinreichend kommentiert[106]; hier müssen nur die Grundzüge und Hauptprobleme der Zurückstellungspraxis zur Sprache kommen: Vorausgesetzt wird eine rechtskräftige Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe, von der nicht mehr als zwei Jahre zur Vollstreckung ausstehen. Es fällt also auch z.B. eine Strafe von zwei Jahren und drei Monaten darunter, wenn die Untersuchungshaft drei Monate oder länger gedauert hat.[107] Liegen mehrere nicht gesamtstrafenfähige Freiheitsstrafen vor, so darf von keiner ein Rest von über zwei Jahren ausstehen. Die Möglichkeit einer Änderung der Vollstreckungsreihenfolge[108], um eine nicht zurückstellungsfähige Strafe vorweg zu verbüßen, ist seit der Entscheidung des BGH nahezu ausgeschlossen worden.[109] Ist eine zurückstellungsfähige Strafe länger, so muss sie bis zur Zurückstellungsreife vorwegvollstreckt werden (§ 43 Abs. 4 StVollstrO).[110] Auch eine nicht zurückstellungsfähige Strafe muss vollständig vollstreckt sein, sie bildet sonst ein Zurückstellungshindernis gem. § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG.[111] Es ändert nichts an der Zulässigkeit der Zurückstellung, wenn gleichzeitig mit der Freiheitsstrafe eine Unterbringung nach § 64 StGB verhängt worden ist.[112]
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Der Mandant muss die Straftat aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen haben. Ein Verstoß gegen das BtMG braucht das nicht zu sein, es genügt z.B. auch ein Raub, der begangen worden ist, um mit der Beute Heroin kaufen zu können. Abhängigkeit ist nicht mit der Anwendung der §§ 20, 21 StGB gleichzusetzen, obwohl das im Erkenntnisverfahren geprüft werden sollte. Das erkennende Gericht braucht die Abhängigkeit nicht bemerkt zu haben (s.u.).[113] Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit allein ist für die Zurückstellung keine geeignete Grundlage; enthält das Medikament, das der Mandant infolge seiner Abhängigkeit von gerade diesem Stoff zu nehmen pflegt (z.B. Codein), jedoch BtM, dann ist das BtMG darauf anwendbar.[114] Gebraucht der Mandant verschiedene Suchtstoffe, so genügt es für die Anwendung der §§ 35 ff. BtMG, wenn ein Betäubungsmittel i.S.d. BtMG darunter ist (Polytoxikomanie). Ebenso ist die Beschaffungskriminalität eines BtM-Abhängigen zwecks Erwerbs von Ausweichdrogen eine geeignete Grundlage.[115]
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Die Vollstreckungsbehörde genügt ihrer Aufklärungspflicht nicht, wenn sie die eine Betäubungsmittelabhängigkeit bestreitende Einlassung des Verurteilten in der Hauptverhandlung, die dem Urteil ungeprüft zugrunde gelegt wurde, unbesehen dazu verwendet, im Verfahren nach § 35 BtMG eine tatursächliche Betäubungsmittelabhängigkeit zu verneinen, obwohl die Verfahrensakten erhebliche Indizien für ihr Bestehen enthalten.[116]
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Die Tat aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen zu haben, setzt einen unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen der Abhängigkeit und der Straftat voraus.[117] Ein solcher besteht nur bei Taten, die der Beschaffung von Drogen zur Befriedigung der Sucht dienen sollten oder die der Täter ohne die Betäubungsmittelabhängigkeit nicht begangen hätte,[118] Mitursächlichkeit genügt.[119]
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Die Arbeit der Verteidigung wird vor allem zwei Probleme betreffen: den Nachweis der Drogenabhängigkeit gegenüber der Vollstreckungsbehörde – ggf. durch das Gutachten eines Sachverständigen – und die Sicherung eines Therapieplatzes. Die erste Voraussetzung und auch der Kausalzusammenhang sind von der Verteidigung bereits im Hauptsacheverfahren herauszuarbeiten, u.U. mit der Zustimmung des Gerichts zu dieser Maßnahme im Urteil. Weitere Voraussetzungen:
• | Therapiebereitschaft des Mandanten, |
• | körperliche Entgiftung, |
• | ärztliches Zeugnis für den Kostenträger (Krankenversicherung oder Rentenversicherung) mit entsprechender Kostenzusage, |
• | schriftliche Zusage durch eine staatlich anerkannte Therapieeinrichtung bzw. ein Rehabilitationszentrum, dass ein Therapieplatz vorhanden ist; durch sie und die Erklärung des Mandanten muss der Beginn der Behandlung sichergestellt sein, |
• | Verpflichtung des Mandanten, die Aufnahme und die Fortführung der Behandlung gegenüber der Vollstreckungsbehörde nachzuweisen mit entsprechender (beschränkter) Schweigepflichtentbindung. |
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Wenn das Gericht nicht schon in den Urteilsgründen die Zurückstellung der Strafvollstreckung befürwortet hat, muss die Vollstreckungsbehörde dessen Zustimmung einholen und notfalls nach § 35 Abs. 2 BtMG darum streiten.[120] Die Vollstreckungsbehörde darf die Zurückstellung der Strafvollstreckung nicht mit der Begründung verweigern, eine – vom Verurteilten abgelehnte – Sozialtherapie sei geeigneter als die von ihm angestrebte stationäre Drogentherapie, wenn die Voraussetzungen des § 35 BtMG erfüllt sind und die Drogentherapie nicht als aussichtslos erscheint.[121]
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Zurückstellung und Anrechnung sind auch möglich, wenn die Therapieeinrichtung in einem Nachbarland liegt; die Befürwortung des Gerichts muss sich dann ausdrücklich darauf erstrecken.[122] Die Zurückstellung ist mit Anrechnung des Aufenthalts in der Therapieeinrichtung und Aussetzbarkeit ohne die Erledigung einer bestimmten Mindestverbüßungszeit verbunden, vgl. § 36 Abs. 1, 2 BtMG.
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Die Zurückstellung der Strafvollstreckung ist ein problematisches Rechtsinstitut. Die damit ausgeübte Macht über den Verurteilten ist in mancher Hinsicht einschneidender als bei Verurteilung zu der Maßregel des § 64 StGB. Auch in privaten Therapieeinrichtungen ist der Klient neben der Beschränkung seiner Freiheit anderen Einschränkungen seiner Grundrechte unterworfen, ohne dass die therapeutische Funktion dieser Eingriffe immer sichergestellt wäre. Die Widerrufsmöglichkeiten der Vollstreckungsbehörde üben einen – u.U. bewusst eingesetzten – Zwangscharakter (letzte Chance) aus. Trotzdem ist eine nach § 35 BtMG eingegangene Drogentherapie regelmäßig für den Mandanten besser als der Strafvollzug. Die Sonderstellung der Betäubungsmittelabhängigen gegenüber Alkohol- und Medikamentenabhängigen und deren Ausschluss von Zurückstellungsmaßnahmen ist kaum zu rechtfertigen.[123]
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Verfahren und Rechtsbehelfe: Die Versagung der Zustimmung durch das Gericht ist für den Verurteilten nach § 35 Abs. 2 BtMG nur zusammen mit der Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde anfechtbar, §§ 23 ff. EGGVG. In der Vollstreckungsbehörde ist der Rechtspfleger zuständig. Nach früherer Unsicherheit ist geklärt, dass die Vorschaltbeschwerde nach § 21 StVollstrO eingelegt worden sein muss, sie ist formlos und nicht an eine Frist gebunden.[124]
Teil 2 Vollstreckung II Mandant ist in Freiheit › III › 2. Die Vollstreckung ist ausgesetzt