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II. Außenkompetenz der EU (Verbandskompetenz)

288

Der Lissabonner Vertrag regelt das auswärtige Handeln der Union in einem allgemeinen Teil (Art. 21 und 22 EUV), einem besonderen Teil (Art. 206 ff. AEUV) und einem Sonderregime für die GASP (Art. 23 ff. EUV). Hinzu kommen Regelungen weiterer Außenkompetenzen der EU, die in die verschiedenen Politikbereiche der Verträge integriert sind. Während Art. 21 und 22 EUV die Grundsätze und Ziele des auswärtigen Handelns der Union bestimmen, übertragen Art. 206 ff. AEUV der Union die Außenkompetenzen für bestimmte Bereiche wie die → Gemeinsame Handelspolitik und die → Entwicklungszusammenarbeit.

289

Zu den zentralen Bereichen, in denen die Mitgliedstaaten der Union spezifische Außenkompetenzen übertragen haben, zählen zudem die wirtschaftliche, finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Drittländern (Art. 212 f. AEUV), die humanitäre Hilfe (Art. 214 AEUV), die Einschränkung des Wirtschaftsverkehrs mit Drittstaaten (Art. 215 AEUV), der Abschluss von internationalen Übereinkünften (Art. 216 ff. AEUV) einschließlich → Assoziierungsabkommen (Art. 217 AEUV) sowie die Beziehungen der EU zu Internationalen Organisationen und Drittländern (Art. 220 f. AEUV).

290

Die Union kann mit Drittländern Übereinkünfte schließen über eine Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen in ihr Ursprungs- oder Herkunftsland, die die Voraussetzungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet eines der Mitgliedstaaten oder die Anwesenheit oder den Aufenthalt in diesem Gebiet nicht oder nicht mehr erfüllen (sog. Rückübernahmeübereinkommen; Art. 79 Abs. 3 AEUV). Gem. Art. 6 Abs. 2 EUV tritt die Union der → Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) bei. Mit diesem Beitritt ist freilich derzeit nicht zu rechnen, da der → Europäische Gerichtshof (EuGH) den bisherigen Entwurf für ein Beitrittsabkommen für mit dem → Primärrecht unvereinbar erklärt hat (EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 – EMRK-Beitritt –). Gem. Art. 2 Abs. 4 AEUV hat die Union nach Maßgabe des EU-Vertrages die Kompetenz, eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu erarbeiten. Art. 24 EUV bestimmt die Reichweite dieser Kompetenz. Auch im Bereich der Außenkompetenzen ist zwischen ausschließlichen (Rn. 291 f.), parallelen (Rn. 293) und geteilten Zuständigkeiten (Rn. 294) der Union zu unterscheiden (allgemein → Verbandskompetenz der EU).

1. Ausschließliche Zuständigkeiten der Union

291

Für die Gemeinsame Handelspolitik verfügt die Union über eine ausschließliche Zuständigkeit (Art. 3 Abs. 1 Buchst. e) AEUV). Die Union kann aus eigener Kompetenz völkerrechtliche Verträge mit Drittstaaten in diesem Bereich abschließen. Die Mitgliedstaaten können handelspolitische Vereinbarungen mit Drittstaaten nur schließen, wenn sie hierzu von der Union ermächtigt worden sind (Art. 2 Abs. 1 AEUV). Seit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon gehören zur Gemeinsamen Handelspolitik neben Zoll- und Handelsabkommen (→ Freihandelsabkommen) auch Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, über das geistige Eigentum sowie über ausländische Direktinvestitionen (Art. 207 Abs. 1 AEUV; → Internationales Investitionsrecht). Ziel der Gemeinsamen Handelspolitik der Union ist eine Liberalisierung des Welthandels durch eine schrittweise Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr und bei ausländischen Direktinvestitionen sowie durch den Abbau von Zollschranken und anderen Schranken (Art. 206 AEUV).

292

Gem. Art. 3 Abs. 2 AEUV hat die Union ferner die ausschließliche Zuständigkeit für den Abschluss internationaler Übereinkünfte, wenn der Abschluss einer solchen Übereinkunft in einem Gesetzgebungsakt der Union vorgesehen ist, wenn er notwendig ist, damit sie ihre interne Zuständigkeit ausüben kann, oder soweit er gemeinsame Regeln beeinträchtigen oder deren Tragweite verändern könnte. Diese Regelung normiert die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Parallelität von Innen- und Außenkompetenzen. Hiernach verfügt die Union nicht nur über ausdrückliche Kompetenzen zum Abschluss internationaler Übereinkünfte, sondern auch über eine implizite Vertragsabschlusskompetenz (implied powers), wenn die Union im Innenverhältnis zur Regelung der die Vereinbarung betreffenden Fragen zuständig und die auswärtige Gewalt zur Verwirklichung des Vertragsziels erforderlich ist (EuGH, Urt. v. 31.3.1971, 22/70 – AETR –; Urt. v. 14.7.1976, 3/76 u.a. – Kramer –; Gutachten 1/76 v. 26.4.1977 – Stilllegungsfonds –; s.a. Gutachten 1/94 v. 15.11.1994 – WTO –; Urt. v. 5.11.2002, C-476/98 – Open Skies –). Art. 216 Abs. 1 AEUV bestimmt Inhalt und Reichweite der Außenkompetenzen der Union, während Art. 3 Abs. 2 AEUV die Ausschließlichkeit der Kompetenz der Union regelt. Vereinbarungen i.R.d. → Zollunion liegen ebenfalls in der ausschließlichen Zuständigkeit der Union (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a) AEUV).

2. Parallele Zuständigkeiten der Union und der Mitgliedstaaten

293

Besteht eine parallele Zuständigkeit von Union und Mitgliedstaaten, hindert das Tätigwerden der Union die Mitgliedstaaten nicht daran, ihre eigene Zuständigkeit auszuüben (Art. 4 Abs. 3 und 4 AEUV). Union und Mitgliedstaaten handeln nebeneinander. Im Bereich des auswärtigen Handelns bestehen parallele Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten und der Union im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit (Art. 209 AEUV) und der humanitären Hilfe (Art. 214 AEUV). Gleiches gilt für die Zusammenarbeit mit Nicht-Entwicklungsländern (Art. 212 AEUV), auch wenn Art. 4 Abs. 4 AEUV dies nicht ausdrücklich normiert.

3. Geteilte Zuständigkeiten der Union und der Mitgliedstaaten

294

Soweit keine ausschließliche Zuständigkeit der Union gem. Art. 3 AEUV und auch keine parallele Zuständigkeit nach Art. 4 Abs. 3 und 4 AEUV begründet ist, besteht eine geteilte Zuständigkeit der Union und der Mitgliedstaaten. Grundsätzlich können Union und Mitgliedstaaten verbindliche Rechtsakte erlassen. Die Mitgliedstaaten nehmen aber ihre Zuständigkeit nur wahr, sofern und soweit die Union ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat (Art. 2 Abs. 2 AEUV). Im Bereich des auswärtigen Handelns betrifft dies bspw. die Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Bereich der Umweltpolitik nach Art. 192 AEUV.

A › Auswärtiges Handeln der Union (Charlotte Kreuter-Kirchhof) › III. Gemischte Abkommen der EU und der Mitgliedstaaten

III. Gemischte Abkommen der EU und der Mitgliedstaaten

295

Viele völkerrechtliche Abkommen der EU werden als gemischte Abkommen geschlossen. Hierbei handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, den die Europäische Union und die Mitgliedstaaten gemeinsam mit Drittstaaten oder Internationalen Organisationen schließen. Vertragsparteien des Abkommens sind die Mitgliedstaaten und die Union. Sie üben gemeinsam ihre Kompetenzen im Außenverhältnis aus. Ein gemischtes Abkommen ist notwendig, wenn das Abkommen Bereiche regelt, die nicht allein in die Kompetenz der Union fallen, sondern auch Kompetenzen der Mitgliedstaaten betreffen (EuGH, Gutachten 1/78 v. 4.10.1979 – Internationales Naturkautschukübereinkommen –; Gutachten 1/94 v. 15.11.1994 – WTO –). Ein gemischtes Abkommen kann geschlossen werden, wenn es sich um eine parallele Zuständigkeit der Union und der Mitgliedstaaten handelt.

A › Auswärtiges Handeln der Union (Charlotte Kreuter-Kirchhof) › IV. Organkompetenz in der EU

IV. Organkompetenz in der EU

296

In der Europäischen Union nehmen drei Organe (→ Organe und Einrichtungen) und Funktionsträger die Außenvertretung der Union wahr. Der Präsident des → Europäischen Rates vertritt die Europäische Union auf seiner Ebene in Angelegenheiten der GASP nach außen (Art. 15 Abs. 6 UAbs. 2 EUV). Unbeschadet hiervon bleiben die Befugnisse des → Hohen Vertreters der Union für die GASP, der die Union in den Bereichen der GASP vertritt (Art. 27 Abs. 2 EUV). In der Praxis führten überlappende Kompetenzen bislang nicht zu Schwierigkeiten. In den übrigen Bereichen vertritt die → Europäische Kommission die Europäische Union nach außen (Art. 17 Abs. 1 S. 6 EUV). Der Präsident des Europäischen Rates, der Hohe Vertreter sowie die Kommission werden in ihrem auswärtigen Handeln durch den → Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) unterstützt.

A › Auswärtiges Handeln der Union (Charlotte Kreuter-Kirchhof) › V. Grundsätze und Ziele des auswärtigen Handelns der EU

V. Grundsätze und Ziele des auswärtigen Handelns der EU

297

Die Verträge binden das auswärtige Handeln der Union insgesamt an gemeinsame Werte und richten es auf bestimmte Ziele aus. Gem. Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1 EUV lässt sich die Europäische Union bei ihrem Handeln auf internationaler Ebene von den Grundsätzen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der universellen Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, der Achtung der Menschenwürde, der Gleichheit und der Solidarität sowie der Achtung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts leiten. Die Union und die Mitgliedstaaten anerkennen diese Grundsätze als für sich maßgebend, wollen diesen aber auch weltweit zu stärkerer Geltung verhelfen. Ein Weg hierfür sind internationale Kooperationen. Gem. Art. 21 Abs. 1 UAbs. 2 EUV strebt die Union an, die Beziehungen zu Drittländern und Internationalen Organisationen auszubauen und Partnerschaften mit ihnen aufzubauen. Sie setzt sich insbesondere i.R.d. Vereinten Nationen für multilaterale Lösungen bei gemeinsamen Problemen ein.

298

Art. 21 Abs. 2 EUV bestimmt die Ziele des auswärtigen Handelns der Union. Art. 3 Abs. 5 EUV konkretisiert diesen Zielkatalog. Hiernach schützt und fördert die Union ihre Werte und Interessen in ihren Beziehungen zur übrigen Welt und trägt zum Schutz ihrer Bürgerinnen und Bürger bei. Sie leistet einen Beitrag zu Frieden, Sicherheit, globaler nachhaltiger Entwicklung, Solidarität und gegenseitiger Achtung unter den Völkern, zu freiem und gerechtem Handel, zur Beseitigung der Armut und zum Schutz der Menschenrechte, insbesondere der Rechte des Kindes, sowie zur strikten Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der Charta der Vereinten Nationen. Die Europäische Union versteht sich als Teil der internationalen Gemeinschaft; sie will eine Weltordnung fördern, die auf einer verstärkten multilateralen Zusammenarbeit und einer verantwortungsvollen Weltordnungspolitik beruht (Art. 21 Abs. 2 Buchst. h) EUV).

299

Diese Ziele sind für das auswärtige Handeln der Union verbindlich. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Achtung der Menschenrechte Voraussetzung dafür, dass das Handeln der Union rechtmäßig ist. Völkerrechtliche Verpflichtungen entbinden die Union nicht von der Achtung ihrer fundamentalen Grundsätze (EuGH, Urt. v. 3.9.2008, C-402/05 P u.a. – Kadi –). Gem. Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 EUV hat die Union zudem auf die Kohärenz zwischen den einzelnen Bereichen ihres auswärtigen Handelns sowie zwischen ihrem auswärtigen Handeln und ihren übrigen Politikbereichen zu achten (→ Kohärenzgebot). Das auswärtige Handeln der Europäischen Union ist damit an die Werte und Ziele der Verträge gebunden sowie der Kohärenz verpflichtet. Es ist auf internationale Kooperationen ausgerichtet und völkerrechtsfreundlich.

B Inhaltsverzeichnis

Beihilfenrecht

Beistandsfall

Beitritt (zur EU)

Beschluss

Binnenmarkt

Bürgerinitiative

B › Beihilfenrecht (Ulrich Ehricke)

Beihilfenrecht (Ulrich Ehricke)

I.Grundlagen300 – 306

1.Rechtsquellen300 – 302

2.Systematische Stellung des Beihilfenverbots und Anwendungsbereich des EU-Beihilfenrechts303, 304

3.Praktische Bedeutung305, 306

II.Verbotstatbestand307 – 318

1.Beihilfenbegriff308

2.Begünstigtes Unternehmen309 – 311

3.Selektivität312, 313

4.Staatlich oder aus staatlichen Mitteln gewährt314 – 316

5.Wettbewerbsverfälschung317

6.Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels318

III.Ausnahmen319 – 334

1.Legalausnahmen319

2.Ausnahmen nach Ermessen der Kommission320 – 329

a)Allgemeines320 – 322

b)Regionale Beihilfen323

c)Sonstige ermessenbasierte Ausnahmetatbestände324 – 326

d)De-Minimis-Verordnung327

e)Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO)328, 329

3.Ausnahmen nach Art. 106 Abs. 2 AEUV330 – 334

a)Allgemeines330

b)Voraussetzungen331

c)DAWI-Beschluss und DAWI-De-Minimis-Verordnung332 – 334

IV.Beihilfenverfahren335 – 355

1.Grundsätze des Verfahrens335 – 341

a)Überblick über die Verfahrensregelungen und die Verfahrensschritte335 – 338

b)Notifizierungspflicht und Genehmigungsmonopol339

c)Stillhalteverpflichtung der Mitgliedstaaten340

d)Rechte im Verfahren341

2.Verpflichtungen der Mitgliedstaaten nach nationalem Recht342 – 355

a)Allgemeines342

b)Rückforderungsgrund für EU-rechtswidrige Beihilfen343, 344

c)Rückforderungsdurchsetzung nach nationalem Recht345 – 353

d)Grenzen der Rückforderung354, 355

Lit.:

A. Bartosch, (Neu-)Entwicklungen in der materiellen Selektivität, EuZW 28 (2017), 756; M. Bungenberg/M. Motzkus, Die Praxis des Subventions- und Beihilfenrechts in Deutschland, WiVerw 59 (2013), 76; J. K. Dorn, Private und administrative Rechtsdurchsetzung im europäischen Beihilfenrecht – Vom indirekten Vollzug zum Kooperationsprinzip, 2017; D. Hesse/V. Sacher, Referendarexamensklausur – Öffentliches Recht: Europarecht und Verwaltungsrecht – Die Beihilfe als blinder Passagier, JuS 57 (2017), 1015; D. Jouve, Recovering Unlawful and Incompatible Aids by National Courts: CELF and Scott/Kimberly Clark Cases, EStAL 16 (2017), 367; S. R. Siebert, More Economic Approach in der europäischen Beihilfenaufsicht, 2012; U. Soltész, Wichtige Entwicklungen im Europäischen Beihilferecht im Jahre 2017, EuZW 29 (2018), 60; P. v. Carnap-Bornheim, Einführung in das Europäische Beihilfenrecht, JuS 53 (2013), 215; G. Wagner, Die zivilrechtliche Durchsetzung des Europäischen Beihilferechts – Enforcement außer Rand und Band?, FS für W.-H. Roth, 2015, 665; B. Zelger, The „Effect on Trade“ Criterion in European Union State Aid Law: A Critical Approach, EStAL 17 (2018), 28.

B › Beihilfenrecht (Ulrich Ehricke) › I. Grundlagen

I. Grundlagen

1. Rechtsquellen

300

Art. 107–Art. 109 AEUV bilden den Kern des EU-Beihilfenrechts auf der Ebene des → Primärrechts. In Art. 107 Abs. 1 AEUV sind das grundsätzliche Beihilfenverbot und in den Abs. 2 und 3 die Ausnahmen von diesem Verbot geregelt. Art. 108 AEUV behandelt wesentliche Verfahrensregeln. Art. 109 AEUV ermächtigt den → Rat (Ministerrat), zweckdienliche Durchführungsverordnungen (→ Verordnung) zu erlassen und insbesondere die Bedingungen für die Anwendung des Art. 108 Abs. 3 AEUV sowie diejenigen Arten von Beihilfen festzulegen, die von diesem Verfahren ausgenommen sind.

301

Im → Sekundärrecht ist v.a. die Beihilfenverfahrensverordnung (BeihVerfVO, VO [EU] 2015/1589) von großer Bedeutung. Sie regelt Einzelheiten des beihilfenrechtlichen Prüfverfahrens bei der → Europäischen Kommission. Daneben sind auch die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO, VO [EU] Nr. 651/2014), die De-Minimis-Verordnung (De-Minimis-VO, VO [EU] Nr. 1407/2013) sowie der Beschluss der Kommission über Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI-Beschluss, B 2012/21/EU) und die DAWI-De-Minimis-Verordnung (DAWI-De-Minimis-VO, VO [EU] Nr. 360/2012) von großer Bedeutung, weil in ihnen diejenigen Voraussetzungen benannt werden, bei deren Vorliegen staatliche Beihilfen von dem grundsätzlichen Anmeldeerfordernis des Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV (Notifizierungsprinzip) ausgenommen sind.

302

Zu den Rechtsquellen des EU-Beihilfenrechts gehören ferner auch Akte des sog. tertiären EU-Rechts (→ Rechtsakte). Auf dieser Ebene hat sich mittlerweile ein umfassendes soft law herausgebildet, das den wesentlichen Rahmen im praktischen Umgang mit staatlichen Beihilfen bildet. Hierbei handelt es sich u.a. um unverbindliche Mitteilungen, Leitlinien oder Unionsrahmen der Kommission. Diese Akte konkretisieren entweder das Ermessen der Kommission i.R.d. Vereinbarkeitsprüfung einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt (so z.B. die Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 20142020 [LL 2014/C 200/01], die Leitlinien für Regionalbeihilfen 20142020 [LL 2013/C 209/01] und der Unionsrahmen für DAWI [R 2012/C 8/03]) oder sie legen die Praxis der Kommission bei ihrer Auslegung von Tatbestandsmerkmalen des Art. 107 Abs. 1 AEUV fest (z.B. die Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe [Bek. 2016/C 262/01] und die DAWI-Mitteilung [MT 2012/C 8/02]).

2. Systematische Stellung des Beihilfenverbots und Anwendungsbereich des EU-Beihilfenrechts

303

Die beihilfenrechtlichen Regelungen befinden sich im 2. Abschnitt des 1. Kapitels des Titels VII des AEU-Vertrages und gehören damit zu den EU-Wettbewerbsregelungen. Anders als die unternehmensadressierten Bestimmungen der Art. 101–Art. 106 AEUV sind Adressaten der Beihilferegelungen die Mitgliedstaaten. Neben den EU-rechtlichen Vorschriften zur Gewährleistung der Grundfreiheiten (→ Grundfreiheiten: Allgemeine Lehren) und dem daraus abgeleiteten EU-Vergaberecht stellt das EU-Beihilfenrecht eine der zentralen Säulen zur Schaffung und Erhaltung eines funktionierenden → Binnenmarktes, auf dem ein System unverfälschten Wettbewerbs herrscht, dar. Ziel der Beihilfenkontrolle ist die Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen durch die Bevorteilung bestimmter Unternehmen aufgrund staatlicher Unterstützungsmaßnahmen und der Ausschluss von Subventionswettläufen zwischen den Mitgliedstaaten (EuGH, Urt. v. 17.9.1980, 730/79 – Philip Morris –, Rn. 25 f.).

304

Der Anwendungsbereich des EU-Beihilfenrechts erstreckt sich sachlich auf jede Maßnahme eines Mitgliedstaates der EU, die ein bestimmtes Unternehmen oder einen bestimmten Produktionszweig gegenüber anderen bevorteilt, unabhängig davon, in welchem Sektor das begünstigte Unternehmen oder der begünstigte Produktionszweig tätig ist. Ausnahmen davon finden sich allerdings z.B. in Art. 42 f. AEUV für die Landwirtschaft und in Art. 93 AEUV für den Verkehr. Keine Anwendung findet das EU-Beihilfenrecht auf Beihilfen, die von der EU selbst gewährt werden (z.B. im Zusammenhang mit Infrastrukturmaßnahmen nach Art. 170 AEUV). Der räumliche Anwendungsbereich des EU-Beihilfenrechts umfasst sämtliche Mitgliedstaaten gem. Art. 52 EUV sowie die Gebiete gem. Art. 349 UAbs. 1 S. 1 AEUV.

3. Praktische Bedeutung

305

Das EU-Beihilfenrecht ist von überragender praktischer Bedeutung. Staatliche Beihilfen stellen eines der zentralen Instrumente der Mitgliedstaaten dar, um durch Eingriffe in Märkte bestimmte (nicht notwendigerweise wirtschaftliche) politische Ziele zu verfolgen. So wurden im Jahr 2015 EU-weit 98 Mrd. EUR (das entspricht 0,67 % des Bruttoinlandsprodukts der EU) für staatliche Beihilfen an Unternehmen aufgewendet. Die Vielzahl der staatlichen Beihilfen führt zu einer spürbaren Belastung der Kommission mit Prüfverfahren und Entscheidungen. Im Zeitraum von 2000 bis Juni 2012 wurden insgesamt rechtswidrige Beihilfen i.H. v. ca. 13,5 Mrd. EUR zurückgefordert und bereits zurückgezahlt, während 2,3 Mrd. EUR an rückzuzahlenden Beihilfen zu diesem Zeitpunkt noch ausstanden. Im Mai 2016 hatte die Kommission bereits in 276 Verfahren Rückforderungsbeschlüsse erlassen.

306

Aufgrund der mit der Anzahl an Verfahren einhergehenden Arbeitsbelastung der Kommission hat mittlerweile de facto ein Paradigmenwechel im EU-Beihilfenrecht stattgefunden. Der ursprüngliche Ansatz, wonach alle staatlichen Beihilfen zunächst bei der Kommission angemeldet werden mussten, damit ihr die Möglichkeit zur Überprüfung eröffnet wird, bleibt formal unangetastet. Jedoch werden aufgrund der im Frühjahr 2017 zuletzt ergänzten AGVO in der Praxis rund 95 % aller staatlichen Beihilfen von der Notifizierungspflicht ausgenommen, so dass der Sache nach jetzt auch im EU-Beihilfenrecht ein System der Legalausnahme besteht. Unterstrichen wird dies durch die gleichzeitige Förderung eines sog. private enforcement des EU-Beihilfenrechts. Die dadurch frei werdenden Kapazitäten der Kommission sollen zur Kontrolle von staatlichen Beihilfen mit schwerwiegenden Auswirkungen auf den unionsweiten Handel genutzt werden (Grundsatz des big on big and small on smaller). Der Bedeutungszuwachs des EU-Beihilfenrechts macht sich nicht nur in der europäischen Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis bemerkbar, sondern auch in einer signifikant ansteigenden Zahl an Entscheidungen deutscher Gerichte. Damit gehen allerdings vielschichtige und noch nicht endgültig gelöste Probleme der Kompetenzabgrenzungen einher.

B › Beihilfenrecht (Ulrich Ehricke) › II. Verbotstatbestand

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