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II. Verbotstatbestand
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Art. 107 Abs. 1 AEUV beinhaltet einen Verbotstatbestand mit Ausnahmevorbehalt für neue staatliche Beihilfen. Darunter wird verstanden, dass staatliche Beihilfen i.d.R. vor ihrer Gewährung bei der Kommission angemeldet und von dieser auf ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt überprüft werden müssen. Zweck einer solchen Regelung ist die Gewährleistung einer Ex-ante-Kontrolle der mit staatlichen Beihilfen einhergehenden Beeinträchtigungen des Wettbewerbs und des unionsweiten Handels durch die Kommission. Ausgenommen von dem Verbot sind (1) Maßnahmen, welche deshalb keine Beihilfen darstellen, weil sie nicht sämtliche Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllen, (2) durch → Rechtsakte der Kommission von der Anmeldung freigestellte Beihilfen sowie (3) bereits bestehende (und nicht verbotene) Beihilfen (Altbeihilfen). Unter Altbeihilfen versteht man solche staatlichen Beihilfen, die entweder (1) aus der Zeit vor dem → Beitritt (zur EU) des betreffenden Mitgliedstaates stammen oder die (2) bereits genehmigt sind oder als genehmigt gelten, und (3) solche staatlichen Zuwendungen, die zur Zeit ihrer Gewährung noch keine Beihilfen darstellten.
1. Beihilfenbegriff
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Der Begriff der „Beihilfe“ i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV ist nicht legal definiert. Dem → Europäischen Gerichtshof (EuGH) kommt deshalb ein weiter Ermessensspielraum bei der Auslegung des Beihilfenbegriffs zu (→ Auslegung des EU-Rechts). Dies ergibt sich insbesondere aus der Formulierung „Beihilfen gleich welcher Art“ in Art. 107 Abs. 1 AEUV. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 21.3.1990, C-142/87 – Belgien/Kommission –, Rn. 25) setzt Art. 107 Abs. 1 AEUV für das Vorliegen einer (verbotenen) staatlichen Beihilfe kumulativ voraus, dass (1) begünstigten Unternehmen (2) ein wirtschaftlicher Vorteil verschafft wird, welcher (3) selektiv wirkt, (4) einem staatlich veranlassten Mitteltransfer zuzurechnen ist und (5) Auswirkungen auf den Wettbewerb sowie den zwischenstaatlichen Handel hat.
2. Begünstigtes Unternehmen
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Das Verbot staatlicher Beihilfen setzt voraus, dass Unternehmen oder Produktionszweige von staatlichen Maßnahmen betroffen sind. Das EU-Beihilfenrecht folgt dabei dem für das gesamte EU-Wettbewerbsrecht geltenden funktionalen Unternehmensbegriff. Als Unternehmen wird demnach jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung verstanden. Der Begriff der Produktionszweige wird ebenfalls weit ausgelegt. Er umfasst neben der Produktion von Gütern auch Wirtschaftszweige im Dienstleistungssektor und im Handel. Die betreffenden Unternehmen oder Produktionszweige müssen begünstigt worden sein. Eine Begünstigung i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV ist gegeben, wenn das die staatliche Leistung empfangende Unternehmen oder der Produktionszweig einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat, den es oder er unter normalen Marktbedingungen nicht erlangt hätte, ohne dafür eine angemessene Gegenleistung erbracht zu haben.
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Ob ein wirtschaftlicher Vorteil vorliegt, ist ebenfalls einer funktionalen Betrachtungsweise unterworfen. Ausschlaggebend für dessen Bestehen ist eine tatsächliche wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit der staatlichen Leistung, selbst wenn diese staatlicherseits nicht intendiert war. Damit können z.B. auch Quersubventionierungen von Unternehmen oder von Produktionszweigen Begünstigungen darstellen. Neben klassischen Beihilfen in Form von Subventionen führen aufgrund der funktionalen Betrachtungsweise auch sog. Verschonungssubventionen, welche etwa zur Verminderung einer Belastung eines Unternehmens oder eines Produktionszweiges durch Steuern oder sonstige öffentliche Abgaben führen, zu einen wirtschaftlichen Vorteil. Eine staatliche Zuwendung muss jedoch keineswegs monetär sein, um einen wirtschaftlichen Vorteil darzustellen. Sie kann vielmehr in jeglichem, die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens oder des Produktionszweiges verbessernden Vorteil bestehen, den das Unternehmen oder der Produktionszweig aus staatlichen Leistungen erlangt.
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Für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) hat der EuGH im Urt. v. 24.7.2003, C-280/00 – Altmark Trans –, Rn. 89–93 allerdings besondere Kriterien für die Prüfung des Vorliegens einer Begünstigung aufgestellt. Danach stellen staatliche Ausgleichsleistungen an Unternehmen für die Erbringung von DAWI keine Begünstigung und damit keine Beihilfen dar, wenn (1) das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung von DAWI betraut ist und diese Verpflichtungen klar definiert sind. (2) Es müssen die Parameter, anhand derer der staatlicherseits gewährte Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und transparent aufgestellt sein. (3) Der Ausgleich darf nicht über das erforderliche Maß hinausgehen und (4) das ausgewählte Unternehmen muss effizient sein, d.h. es muss die DAWI mit den geringsten möglichen Kosten bei effektiver Leistungserbringung durchführen. Einzelheiten zur Auslegung der einzelnen Kriterien werden in der DAWI-Mitteilung der Kommission erläutert. Als Beitrag zur Vorhersehbarkeit der Prüfungspraxis der Kommission hat diese einen Unionsrahmen für DAWI erlassen, anhand dessen sie die Voraussetzungen prüft, die sich aus der Altmark-Trans-Rechtsprechung ergeben.
3. Selektivität
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Staatliche Beihilfen sind nur dann nach Art. 107 Abs. 1 AEUV verboten, wenn sie nicht alle, lediglich eine Reihe von Unternehmen oder wenn sie nur bestimmte Produktionszweige begünstigen (Selektivität einer staatlichen Maßnahme). Dieses Merkmal grenzt eine (verbotene) staatliche Beihilfe von erlaubten, allgemein geltenden wirtschaftspolitischen Regelungen oder Maßnahmen eines Staates ab. Vom Beihilfenverbot sollen also nur Sonderunterstützungen des Staates erfasst sein, weil nur diese (potentiell) wettbewerbsverzerrende Wirkung entfalten. Selektivität kann sowohl in materieller als auch in territorialer oder zeitlicher Form vorliegen. Materielle Selektivität bezieht sich auf die Art der wirtschaftlichen Tätigkeit, die Unternehmenstypen oder auch die Größe von begünstigten Unternehmen. Territoriale Selektivität bezieht sich auf die geförderte Region. Sie kann z.B. vorliegen, wenn innerhalb eines Mitgliedstaates nur Unternehmen einer bestimmten Region begünstigt werden. In zeitlicher Hinsicht kann Selektivität bestehen, wenn bestimmte Unternehmen aufgrund einer Regelung früher begünstigt werden als die Gesamtheit der Unternehmen des Mitgliedstaates.
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Die Kommission prüft die Voraussetzungen für das Vorliegen der Selektivität einer staatlichen Maßnahme typischerweise in einem Dreischritt: Zunächst wird eine Referenzregelung identifiziert, die den Bezugsrahmen bildet, innerhalb dessen eine Ungleichbehandlung von Unternehmen oder Produktionszweigen untersucht wird. Wenn eine Ungleichbehandlung in dem unterstellten Fall bejaht wird, so ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob sich die Unternehmen bezogen auf das Ziel der Referenzregelung in einer vergleichbaren faktischen und rechtlichen Situation befinden. Kann auch dies bejaht werden, wird drittens untersucht, ob für die festgestellte Ungleichbehandlung eine Rechtfertigung besteht. Kann eine solche festgestellt werden, liegt eine tatbestandsmäßige Selektivität der staatlichen Maßnahme nicht vor. Eine derartige Rechtfertigung kann sich v.a. daraus ergeben, dass die gewährte Beihilfe mit der Natur oder mit der allgemeinen Struktur der Referenzregelung in Einklang steht.
4. Staatlich oder aus staatlichen Mitteln gewährt
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Gem. Art. 107 Abs. 1 AEUV ist eine begünstigende Maßnahme nur dann tatbestandlich, wenn sie eine „staatliche“ ist oder „aus staatlichen Mitteln gewährt“ wurde. Der insoweit nicht ganz eindeutige Wortlaut der Norm könnte zwar nahelegen, dass eine Beihilfe bereits immer dann vorliegt, wenn sie entweder staatlich veranlasst ist oder aus staatlichen Mitteln gewährt wird. Tatsächlich hat die im Wortlaut vorgenommene Differenzierung aber die Funktion, Umgehungen des Beihilfenverbots durch die Zwischenschaltung staatlicher oder auch privater Einrichtungen zu vermeiden (st. Rspr., EuGH, Urt. v. 24.1.1978, 82/77 – Van Tiggele –, Rn. 23 ff.).
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Daraus folgt, dass die Zurechenbarkeit der Beihilfe zum Staat in doppelter Hinsicht vorliegen muss. Zum einen ist es erforderlich, dass die Gewährung unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln erfolgt und zu einer Belastung des Staatshaushalts (Haushaltswirksamkeit) führt, und zum anderen müssen die Mittel für die Zuwendung an das Unternehmen oder den Produktionszweig selbst dem Staat zurechenbar sein (Staatlichkeit). Von einer Haushaltswirksamkeit der Mittel wird dann ausgegangen, wenn es sich um unmittelbar aus staatlichen Geldern finanzierte Beihilfen handelt oder wenn die Beihilfen aus Geldmitteln stammen, die staatlicher Kontrolle unterstehen. Eine Beihilfengewährung kann deshalb auch durch → Öffentliche Unternehmen vorgenommen werden, und selbst Beihilfen aus privaten Geldmitteln können zu einer Haushaltswirksamkeit führen, nämlich dann, wenn der Staat diese privaten Mittel kontrolliert und deshalb über sie verfügt wie über Haushaltsmittel und sie so faktisch in die staatlichen Haushaltsmittel einbezieht. Staatlichkeit der Mittel liegt also immer dann vor, wenn der Staat unmittelbar aufgrund gesetzlicher Regelung oder durch Verwaltungsakt mittels seiner Behörden handelt. Sie kann aber auch dann zu bejahen sein, wenn die Gewährung mittelbar durch zwischengeschaltete, öffentliche oder private Einrichtungen erfolgt und diese Einrichtungen entweder im Auftrag oder sogar auch nur auf staatliche Veranlassung hin handeln.
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Dem Kriterium der Zurechenbarkeit der Beihilfe zum Staat kommt insbesondere bei mittelbarem staatlichem Handeln durch öffentliche oder durch private Unternehmen eine große praktische Bedeutung zu. Um festzustellen, ob die Zuwendungen an ein Unternehmen einen hinreichend engen Konnex zum Staat haben, wenn sie von öffentlichen Unternehmen gewährt worden sind, nimmt der EuGH immer eine Gesamtwürdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls vor (EuGH, Urt. v. 16.5.2002, C-482/99 – Stardust Marine –, Rn. 57). Wichtiges Indiz zur Beurteilung der Zurechenbarkeit bei Gewährung von Beihilfen durch öffentliche Unternehmen ist dabei der Grad der Entscheidungsautonomie des öffentlichen Unternehmens. Um Umgehungsmöglichkeiten zu beschränken, ist es in besonders gelagerten Konstellationen auch möglich, die Zuwendungen, die ein Unternehmen von einem anderen privaten Unternehmen erhält, als Beihilfen anzusehen, die dem Staat als dessen Zuwendung zugerechnet werden können. So wurden z.B. die Umlagen zur Förderung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen nach dem deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2012 als staatliche Beihilfen eingestuft. Zwar waren die die Umlage verwaltenden Übertragungsnetzbetreiber privat organisiert, aber gleichzeitig waren sie mit öffentlichen Aufgaben betraut, unterlagen damit einer umfassenden staatlichen Kontrolle und hatten bezüglich der Verwaltung, der Verwendung und der Zuweisung ihrer Mittel keinen eigenen Entscheidungsspielraum (EuG, Urt. v. 10.5.2016, T-47/15 – Deutschland/Kommission –, Rn. 91 ff.).
5. Wettbewerbsverfälschung
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Weitere Voraussetzung des Art. 107 Abs. 1 AEUV ist, dass die Gewährung der Beihilfe zu einer Verfälschung des Wettbewerbs führt oder sie jedenfalls dazu geeignet ist, den Wettbewerb zu verfälschen. Davon ist dann auszugehen, wenn der staatlicherseits gewährte Vorteil die Stellung des Unternehmens im Vergleich zu anderen Wettbewerbern im gemeinschaftlichen Handel verstärkt (EuGH, Urt. v. 17.9.1980, 730/79 – Philip Morris –, Rn. 11). Das Beihilfenverbot greift grundsätzlich bei allen Wettbewerbsbeeinträchtigungen ungeachtet ihrer Intensität ein. Zudem wird das Merkmal der Wettbewerbsverfälschung weit ausgelegt und die Anforderungen an die Darlegungen i.R. von Kommissionsbeschlüssen sind eher gering. So ist die Kommission z.B. nicht verpflichtet, eine quantitative Wettbewerbsverfälschung darzulegen. Eine qualitative Analyse der Auswirkungen der Maßnahme auf den Wettbewerb reicht aus, die ihrerseits aber nicht auf einer Marktabgrenzung basieren muss. Nicht ausreichend ist hingegen, wenn eine bloß abstrakte Möglichkeit der Verfälschung des Wettbewerbs aufgezeigt wird. Nach der De-Minimis-VO sind zudem geringfügige Beihilfen von der Ex-ante-Kontrolle des Art. 107 Abs. 1 AEUV freigestellt.
6. Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels
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Vom Verbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfasst sind Beihilfen schließlich auch nur dann, wenn sie eine den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigende Wirkung haben (Zwischenstaatlichkeit). Eine lediglich drohende Beeinträchtigung reicht bereits aus. Das Erfordernis der Zwischenstaatlichkeit hat die Funktion, die Zuständigkeit der EU für die rechtliche Kontrolle mitgliedstaatlicher Beihilfen zu begründen. Grundsätzlich wird eine Zwischenstaatlichkeit bereits dann angenommen, wenn sich anhand der Gesamtheit objektiver Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass die Beihilfe mittelbar oder unmittelbar, tatsächlich oder der Möglichkeit nach den Wirtschaftsverkehr zwischen Mitgliedstaaten beeinflussen wird. Dies ist selbst dann möglich, wenn der Beihilfeempfänger selbst nicht im grenzüberschreitenden Handel tätig ist, die Beihilfe aber anderen Unternehmen den Zugang auf den Markt, in welchem der Beihilfeempfänger tätig ist, erschwert. Nur rein lokale Maßnahmen, welche keine Marktzutrittserschwernisse für andere Unternehmen mit sich bringen, beeinträchtigen den zwischenstaatlichen Handel in der Regel nicht.
B › Beihilfenrecht (Ulrich Ehricke) › III. Ausnahmen
III. Ausnahmen
1. Legalausnahmen
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Art. 107 Abs. 2 Buchst. a)–c) AEUV sieht Ausnahmen vom Beihilfenverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV für bestimmte staatliche Beihilfen in einem eng umgrenzten Bereich vor. So sind nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. a) AEUV Beihilfen sozialer Art für Verbraucher, nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. b) AEUV Beihilfen zur Schadensbeseitigung infolge von Natur- oder sonstigen Katastrophen sowie nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. c) AEUV Beihilfen für aufgrund der Teilung Deutschlands benachteiligte Gebiete von dem Beihilfenverbot ausgenommen und ipso iure mit dem Binnenmarkt vereinbar. Als Ausnahmen vom Grundsatz des Verbots staatlicher Beihilfen sind die Tatbestände des Art. 107 Abs. 2 Buchst. a)–c) AEUV immer eng auszulegen, wobei der Kommission in diesen Fällen ohnehin nur ein Beurteilungsspielraum auf der Tatbestandsseite zukommt. Die tatsächliche Bedeutung der Ausnahmevorschriften in Art. 107 Abs. 2 AEUV ist gering, insbesondere kommt die sog. Deutschlandklausel des Art. 107 Abs. 2 Buchst. c) AEUV heute praktisch nicht mehr zur Anwendung.
2. Ausnahmen nach Ermessen der Kommission
a) Allgemeines
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Weitere Ausnahmen vom Grundsatz des Beihilfenverbots in Art. 107 Abs. 1 AEUV werden in Art. 107 Abs. 3 Buchst. a)–e) AEUV geregelt. Anders als bei den Ausnahmen des Art. 107 Abs. 2 AEUV kommt der Kommission bei diesen Ausnahmen auch ein weites Ermessen auf der Rechtsfolgenseite zu, welches nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist. Während die Ausübung des Ermessens der Kommission über viele Jahre hin eher uneinheitlich erfolgte, wurden i.R. zweier Initiativen zum Beihilfenrecht, dem more economic approach aus dem Jahr 2005 (State Aid Action Plan, COM[2005]107 final) und der state aid modernisation (SAM) aus dem Jahr 2012 (MT COM[2012]209 final), detaillierte Prüfkriterien zur Vereinbarkeit von Beihilfen mit dem Binnenmarkt erarbeitet, um eine einheitliche und effiziente Beihilfenkontrolle zu gewährleisten.
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Die Kommission prüft seither, ob eine staatliche Beihilfe (1) einem genau definierten Ziel von gemeinsamem Interesse dient, ob sie (2) erforderlich ist, also eine wesentliche Verbesserung bezogen auf das verfolgte Ziel herbeiführt, welche der Markt nicht herbeiführen könnte, ob (3) die Beihilfe angemessen ist, also der Beihilfenbetrag auf das erforderliche Minimum beschränkt ist, ob (4) das gewählte Beihilfeninstrument in seiner konkreten Ausformung (z.B. Darlehen, Steuererleichterungen) geeignet ist, das angestrebte Ziel zu erreichen, ob (5) die Beihilfe einen Anreizeffekt dergestalt besitzt, den Beihilfeempfänger zu einer Verhaltensänderung und zur Aufnahme zusätzlicher Tätigkeiten zu veranlassen, welche dieser ohne die Beihilfe nicht oder nicht so vornähme, und ob (6) die Gewährung der Beihilfe transparent erfolgt, indem der interessierten Öffentlichkeit einfacher Zugang zu Informationen über die gewährte Beihilfe ermöglicht wird. Liegen all diese Voraussetzungen kumulativ vor, so prüft die Kommission abschließend, ob (7) die positiven Folgen der geplanten Beihilfe die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb und Handel überwiegen.
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In vielen Bereichen hat die Kommission ihre Ermessensausübung mittlerweile durch Leitlinien und Empfehlungen konkretisiert. Sie haben zwar keinen verbindlichen Charakter, jedoch binden sie das Ermessen der Kommission und entfalten faktisch eine Normativakten gleichkommende Bindungswirkung. Die Praxis der Leitlinien und Empfehlungen hat für Mitgliedstaaten und Beihilfeempfänger den Vorteil, dass mit der dadurch geschaffenen Ermessenskonkretisierung eine erhöhte Rechtssicherheit einhergeht. Zugleich ist sie aber auch nachteilig, weil in den Bereichen, in denen solche Rechtsakte bestehen, keine direkte Vereinbarkeitsprüfung anhand der Ausnahmetatbestände des Art. 107 Abs. 3 AEUV vorgenommen werden kann und der Rechtsschutz verkürzt wird.
b) Regionale Beihilfen
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Gem. Art. 107 Abs. 3 Buchst. a) AEUV können Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht, sowie der in Art. 349 AEUV genannten Gebiete unter Berücksichtigung ihrer strukturellen, wirtschaftlichen und sozialen Lage als mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden. Zudem gestattet Art. 107 Abs. 3 Buchst. c) AEUV Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Die Beihilfenkontrolle bei Regionalbeihilfen soll die Gewährung von Beihilfen zur Förderung der regionalen Entwicklung ermöglichen und sicherstellen, dass in den Mitgliedstaaten gleiche Rahmenbedingungen bestehen. Die Prüfung der Vereinbarkeit von Regionalbeihilfen mit dem Binnenmarkt erfolgt anhand der Leitlinien für Regionalbeihilfen 2014–2020. Die Mitgliedstaaten reichen hierzu bei der Kommission Fördergebietskarten ein, welche diejenigen Gebiete nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. a) und Buchst. c) AEUV auszeichnen, welche der jeweilige Mitgliedstaat als Fördergebiete einstuft. Auf Grundlage der von der Kommission genehmigten Fördergebietskarten kann sodann eine Anmeldung geplanter Regionalbeihilfen erfolgen. Ein solches Verfahren ist jedoch nicht für sämtliche Regionalbeihilfen zwingend erforderlich. Die AGVO stellt vielmehr bestimmte Regionalbeihilfen von der Notifizierungspflicht frei, wenn neben den allgemeinen Voraussetzungen der AGVO die besonderen Voraussetzungen für Regionalbeihilfen der Art. 13 und 15 AGVO vorliegen. Die Genehmigung der Fördergebietskarten muss allerdings in jedem Fall beantragt werden.