Kitabı oku: «Europarecht», sayfa 26
I. Organe, Institutionen, Einrichtungen und sonstige Stellen der EU
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Unterhalb der Ebene der Organe (→ Organe und Einrichtungen), deren Aufzählung in Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 EUV abschließend ist, existiert eine Reihe weiterer wichtiger Institutionen der EU, die teilweise auf → Primärrecht beruhen, überwiegend aber durch die Organe geschaffen wurden. So können in den Verträgen selbst vorgesehene Institutionen wie der → Wirtschafts- und Sozialausschuss mit Sitz in Brüssel (Art. 300 AEUV), der → Ausschuss der Regionen ebenfalls mit Sitz in Brüssel (Art. 300 AEUV) und die → Europäische Investitionsbank (EIB) mit Sitz in Luxemburg (Art. 308 f. AEUV) als zweite administrative Ebene der EU angesehen werden. Darüber hinaus können die Organe der Union i.R. ihrer Organisationsgewalt durch → Sekundärrecht in bestimmten Grenzen weitere Einrichtungen und sonstige Stellen schaffen, die z.T. eigenständige Aufgaben übernehmen oder aber die Organe bei ihrer Arbeit unterstützen und so die dritte Ebene im Verwaltungssystem der EU bilden. Verfügen diese Einrichtungen über Rechtspersönlichkeit, wird von Agenturen gesprochen. Deren stetig zunehmende Zahl spielt in den Verwaltungsstrukturen der EU inzwischen eine hervorgehobene Rolle.
E › Einrichtungen und sonstige Stellen (Martin Will) › II. Agenturen
II. Agenturen
1. Allgemeines, Grundlagen, Zweck und Entwicklung
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Mit den Agenturen hat sich seit den 1970er Jahren und verstärkt seit den 1990er Jahren eine spezielle Ebene relativ verselbständigter Verwaltungseinrichtungen unterhalb der Organebene der EU herausgebildet. Vorbild war das US-amerikanische Verwaltungsrecht, auf dessen Grundlage der US-Kongress unabhängige Verwaltungseinheiten zur Erledigung bestimmter Aufgaben geschaffen hat. EU-Agenturen werden inzwischen vereinzelt auch unmittelbar durch das Primärrecht, ganz überwiegend hingegen nach wie vor sekundärrechtlich auf der Grundlage verschiedener vertraglicher Regelungen durch die Organe der EU geschaffen. Die große Mehrzahl der Agenturen beruht daher unmittelbar auf Sekundärrechtsakten, insbesondere → Verordnungen oder auch → Beschlüssen. Der einzelnen Agentur werden durch den betreffenden Sekundärrechtsakt bestimmte und damit auch begrenzte Befugnisse übertragen. Aufgrund ihres fachlich zugeschnittenen Aufgabenbereichs können Agenturen auch als verselbständigte Fachbehörden der einzelnen Organe angesehen werden.
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Erstes Beispiel der Schaffung einer agenturartigen Einrichtung – und damit Vorläufer der heutigen Agenturen – war die Gründung einer Schrottausgleichskasse durch die Hohe Behörde der → Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) im Jahr 1954 (Entscheidungen der Hohen Behörde 22/54, ABl. EG 1954 A4, S. 286 und 14/55, ABl. EG 1955 A6, S. 685). Die Rechtmäßigkeit der Einrichtung dieser Kasse war implizit zentraler Gegenstand der beiden berühmten Meroni-Urteile des → Europäischen Gerichtshofs (EuGH), in denen dieser im Jahr 1958 Grundsätze für die Schaffung von Einrichtungen durch die Organe aufgestellt hat, die prinzipiell bis heute Gültigkeit beanspruchen (EuGH, Urt. v. 13.6.1958, 9/56 – Meroni I –; EuGH, Urt. v. 13.6.1958, 10/56 – Meroni II –). Der EuGH billigte den Organen hier im Grundsatz die Befugnis zu, zur Erledigung ihrer Aufgaben weitere, nicht im Primärrecht vorgesehene Verwaltungseinheiten zu schaffen. Gleichzeitig formulierte der EuGH dafür aber verschiedene Grenzen, die sich bei näherem Hinsehen überwiegend aus Grundprinzipien des EU-Rechts wie dem → Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung ergeben. So muss insgesamt das von den Verträgen geschaffene institutionelle Gleichgewicht gewahrt werden (→ Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts). Neu geschaffenen Einrichtungen dürfen keine weitreichenden Ermessensbefugnisse übertragen werden und ihre Maßnahmen müssen vollumfänglich der Kontrolle des Gerichtshofs der EU unterliegen. Entsprechend dem Postulat des EuGH ist eine gerichtliche Kontrolle der rechtserheblichen Maßnahmen der Agenturen heute grds. möglich (vgl. Art. 263 UAbs. 1 S. 2, Art. 265 UAbs. 1 S. 2 AEUV). Diese Überprüfungsmöglichkeit steht dabei prinzipiell auch natürlichen und juristischen Personen offen (Art. 263 UAbs. 4 und 5 AEUV). Der EuGH hat auch später immer wieder auf seine Meroni-Grundsätze verwiesen, die daher im Grundsatz auch heute noch Geltung beanspruchen (z.B. EuGH, Urt. v. 26.5.2005, C-301/02 – Carmine Salvatore Tralli –, Rn. 43).
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Agenturen dienen primär der Umsetzung übergeordneter politischer Entscheidungen der verschiedenen Unionsorgane. Dementsprechend werden ihnen v.a. technische, wissenschaftliche, verwaltungsrechtliche und regulatorische Tätigkeiten übertragen. Ihre Einrichtung ist primär auf den gestiegenen Bedarf an neutralem Expertenwissen in Zeiten zügigen technologischen Wandels zurückzuführen. Zudem kann eine Dezentralisierung der Verwaltung in Facheinrichtungen auch in gewissem Maße zur Entpolitisierung der Aufgabenerfüllung beitragen, was bei den EU-Organen selbst nicht zuletzt aufgrund des Einflusses der Mitgliedstaaten häufig sehr viel schwerer zu erreichen ist. Hinzu kommt, dass der Aufgabenbestand der EU aufgrund neuer Herausforderungen rapide wächst. Die fachgerechte und zügige Bewältigung der entsprechenden Aufgaben führt u.a. zu einem erhöhten Bedarf an spezialisiertem Personal, das sich in relativ selbständigen spezialisierten Verwaltungseinheiten wie den Agenturen häufig vergleichsweise effizient organisieren lässt.
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Als erste Agenturen im engeren Sinne wurden 1975 die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound) mit Sitz in Dublin und das Europäische Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (CEDEFOP) gegründet, das seinen Sitz zunächst in Berlin, heute aber in Thessaloniki hat. Wie diese beiden Beispiele zeigen, trugen (und tragen) Agenturen eine Fülle unterschiedlicher Bezeichnungen wie z.B. Stiftung, Zentrum, Amt oder Behörde. Infolge der Beschleunigung des Integrationsprozesses seit den großen Reformverträgen der 1980er und 90er Jahre (Einheitliche Europäische Akte, Maastrichtvertrag) wurde v.a. in den 1990er und 2000er Jahren eine Fülle neuer Agenturen gegründet, um den umfangreichen neuen Aufgaben, welche die Mitgliedstaaten der EU überantworteten, organisatorisch gerecht werden zu können. Wichtige Tätigkeitsfelder waren etwa die Umweltpolitik (→ Regulative Politiken), die → Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), die → Polizeiliche Zusammenarbeit (PZ) und die → Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (JZS), z.B. → Europäisches Polizeiamt (Europol).
2. Exekutivagenturen
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Von den allgemeinen Agenturen sind die sog. Exekutivagenturen deutlich zu unterscheiden, die ausschließlich von der → Europäischen Kommission für einen jeweils begrenzten Zeitraum gegründet werden, um bestimmte Programme der Union zu verwalten und umzusetzen. Anders als bei den allgemeinen Agenturen geht es bei Exekutivagenturen daher weniger um die fachliche Expertise für einzelne Entscheidungen, sondern vielmehr um die schlichte Umsetzung bereits konkretisierter Kommissionsprogramme, ohne dass der Exekutivagentur dabei ein wesentlicher eigener Entscheidungsspielraum eingeräumt würde. Letztlich steht also die organisatorisch konzentrierte Erfüllung von Aufgaben, die ansonsten von der Kommission selbst wahrgenommen werden müssten, im Mittelpunkt. Mit dem Ziel, ihre eigene Arbeitsfähigkeit als zentrales politisches Initiativorgan der EU zu erhalten, delegiert die Kommission bestimmte wichtige exekutive Aufgaben an speziell dafür eingerichtete Exekutivagenturen. Diese stehen im Rang neben den Generaldirektionen und haben anders als die allgemeinen Agenturen, die geographisch über die gesamte EU verstreut sind, ihren Sitz stets bei der Kommission in Brüssel oder aber in Luxemburg. Durch die Verordnung zur Festlegung des Statuts der Exekutivagenturen (VO [EG] Nr. 58/2003) hat die EU einen einheitlichen Rechtsrahmen für Exekutivagenturen geschaffen, was dazu beigetragen hat, dass diese deutlich homogener strukturiert sind als die vielgestaltigen sonstigen Agenturen.
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Derzeit bestehen folgende sechs Exekutivagenturen: die Exekutivagentur Bildung, Audiovisuelles und Kultur (EACEA) mit Sitz in Brüssel, die Exekutivagentur für kleine und mittlere Unternehmen (EASME) mit Sitz in Brüssel, die Exekutivagentur des Europäischen Forschungsrates (ERCEA) mit Sitz in Brüssel, die Exekutivagentur für Verbraucher, Gesundheit, Landwirtschaft und Lebensmittel (CHAFEA) mit Sitz in Luxemburg, die Exekutivagentur für die Forschung (REA) mit Sitz in Brüssel und die Exekutivagentur für Innovation und Netze (INEA) mit Sitz in Brüssel.
3. Rechtsgrundlagen
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Die Verträge enthalten inzwischen einzelne spezielle Rechtsgrundlagen für die Gründung bestimmter allgemeiner Agenturen, so dass die entsprechenden Agenturen auch als primärrechtliche Agenturen bezeichnet werden können. Dies sind i.R.d. GASP und speziell der → Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) (Art. 42 Abs. 3 UAbs. 2 EUV), die 2004 mit Sitz in Ixelles bei Brüssel gegründet wurde, und i.R.d. → Raums der Freiheit, derSicherheit und des Rechts (Art. 67 ff. AEUV) die → Einheit für justizielle Zusammenarbeit der EU (Eurojust) (Art. 85 AEUV), die 2002 mit Sitz in Den Haag gegründet wurde, sowie das → Europäische Polizeiamt (Europol) (Art. 88 AEUV), das 1999 ebenfalls in Den Haag gegründet wurde. Im Übrigen kommen als Rechtsgrundlage für die sekundärrechtliche Gründung von Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU einschließlich sekundärrechtlicher Agenturen Art. 352 und Art. 114 AEUV sowie thematisch einschlägige spezielle materiell-rechtliche Kompetenznormen der Verträge in Betracht. Die Kompetenzergänzungsklausel (heute Art. 352 AEUV) ist einschlägig, wenn die Verträge bestimmte Befugnisse nicht der EU ausdrücklich zuweisen, ihre Inanspruchnahme aber erforderlich ist, um die vertraglichen Ziele der Union zu erreichen. Erscheint daher ein Tätigwerden der EU i.R. ihrer in den Verträgen festgelegten Politikbereiche erforderlich, um eines der Ziele der Verträge zu verwirklichen, können gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren die geeigneten Vorschriften erlassen werden (Art. 352 Abs. 1 S. 1 AEUV). Auf der Grundlage der Vorläufernorm von Art. 352 AEUV wurde z.B. die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) mit Sitz in Wien gegründet.
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Daneben können Einrichtungen und sonstige Stellen der EU und damit auch Agenturen auf Grundlage der Rechtsangleichungskompetenz gem. Art. 114 AEUV eingerichtet werden. Danach können das → Europäische Parlament und der → Rat (Ministerrat) gemäß einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (Art. 294 AEUV) die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten (→ Rechtsangleichung [Harmonisierung]) erlassen, welche die Errichtung und das Funktionieren des → Binnenmarktes zum Gegenstand haben. Auf der Grundlage von Art. 114 AEUV wurden etwa die einzelnen Elemente des Europäischen Systems für Finanzaufsicht (European System of Financial Supervision/ESFS) geschaffen (dazu Rn. 617 ff.), die teilweise Rechtspersönlichkeit besitzen und daher zu den Agenturen der EU gerechnet werden können. Agenturen werden im Übrigen auch auf Grundlage spezieller materiell-rechtlicher Kompetenzartikel der Verträge gegründet, die den jeweiligen Politikbereich betreffen, so z.B. für den Bereich Verkehr gem. Art. 100 AEUV.
4. Organisation
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Die Organisationsstruktur der einzelnen Agentur wird in dem jeweiligen Sekundärrechtsakt festgelegt, durch den die Agentur gegründet wird. Obwohl es keine verbindlichen einheitlichen Vorgaben für die innere Organisation allgemeiner Agenturen gibt, ähneln sich deren Strukturen. In Anknüpfung an die erwähnte, nur für Exekutivagenturen geltende Verordnung zur Festlegung des Statuts der Exekutivagenturen haben Parlament, Rat und → Europäische Kommission 2012 mit der knappen Gemeinsamen Erklärung („Joint Statement“) zu den „dezentralen Agenturen“ und dem dieser beigefügten ausführlicheren Gemeinsamen Konzept („Common Approach“) Grundsätze für Einrichtung, Struktur und Arbeitsweise, Verwaltung, Finanzierung und Überwachung von Regulierungsagenturen (mit Ausnahme der i.R.d. GASP geschaffenen Agenturen) aufgestellt (abrufbar unter https://europa.eu/european-union/about-eu/agencies/overhaul_de). Obwohl diese Grundsätze lediglich empfehlenden Charakter haben, werden sie in der Praxis weithin befolgt.
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An der Spitze einer Agentur steht regelmäßig ein Verwaltungsrat, der aus Vertretern der Mitgliedstaaten und der Kommission gebildet wird. In besonderen Fällen können ihm auch Vertreter des Europäischen Parlaments oder anderer inhaltlich betroffener Institutionen angehören. Zu den Aufgaben des Verwaltungsrates gehören die Formulierung von Zielen, welche die Agentur erreichen will, die Aufstellung eines Jahresprogramms und des jeweiligen Jahresberichts. Auch beschließt er das Budget der Agentur. Den Entwurf für das Budget, das Jahresprogramm und den Jahresbericht stellt hingegen der jeweilige Direktor auf, der insgesamt für die Leitung des täglichen Geschäfts zuständig ist und die Agentur nach außen repräsentiert. Auch die Personalverantwortung liegt beim Direktor, der vom Verwaltungsrat auf Vorschlag der Kommission ernannt wird. Die eigentliche inhaltliche Arbeit der Agenturen übernehmen primär die Ausschüsse. Diesen gehören die jeweiligen Experten an, die vom Verwaltungsrat berufen werden und Empfehlungen sowie Berichte erarbeiten.
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Finanziert werden die Agenturen durch den Haushalt der EU sowie mittels freiwilliger Förderung durch Mitgliedstaaten und Internationale Organisationen. Einzelne Agenturen finanzieren sich zudem durch die Erhebung von Gebühren zumindest teilweise selbst. Kontrolliert wird der Etat der Agenturen durch die Kommission und den Rechnungshof. Über den Sitzort einer Agentur entscheiden die Mitgliedstaaten in der Praxis nach Art. 341 AEUV, obwohl dieser seinem Wortlaut nach auf den Sitz von Organen beschränkt ist. Im Ergebnis wird die regelmäßig hochpolitische Entscheidung über den Sitz einer Agentur daher im Einvernehmen zwischen den Regierungen der Mitgliedstaaten getroffen.
5. Kritik
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Die Entwicklung eines stetig größer werdenden Netzes relativ selbständiger Agenturen im institutionellen Gefüge der EU hat immer wieder auch Kritik hervorgerufen. Im Fokus stehen hierbei meist mangelnde Transparenz und parlamentarische Kontrolle der Agenturen. Diese Probleme beruhen nicht zuletzt darauf, dass es für den Großteil der Agenturen keine vertraglichen Regeln gibt, die primärrechtliche Vorgaben für eine passgenaue Inkorporierung in das bestehende institutionelle Gefüge enthalten könnten.
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Daneben stehen – ganz anders gerichtet – Zweifel an der tatsächlichen Unabhängigkeit der Agenturen. Zum einen wird oft kritisiert, dass die Mitgliedstaaten die Zusammensetzung des Verwaltungsrates zu stark beeinflussen könnten. Zum anderen wird auch der Kommission vorgeworfen, ihren Einfluss auf die Arbeit der Agenturen zunehmend auszuweiten, um die Kontrolle in den entsprechenden Bereichen zu behalten.
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Des Weiteren wird auch immer wieder bezweifelt, ob die starke Zunahme an Agenturen noch mit dem → Grundsatz der Subsidiarität gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 EUV vereinbar sei. Angesichts der Vielzahl von Agenturen kommt es zu thematischen Überschneidungen, die dann wiederum Zuständigkeitsprobleme hervorrufen können. Daraus resultiert dann auch der Vorwurf der Ressourcenverschwendung – gerade wenn mit Blick auf die Verteilung der Agenturen auf die einzelnen Mitgliedstaaten die schwierigen Verhandlungen um den Sitz und die Personalauswahl immer weiter in den Vordergrund rücken.
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Schließlich ist die Einbeziehung von Stakeholdern als Experten in die Arbeit der einzelnen Agenturen Gegenstand von Kritik. Zwar kann die Integration von Stakeholdern für die von der Arbeit der Agentur Betroffenen zu besseren und v.a. passgenaueren Ergebnissen und letztlich auch zu mehr Transparenz führen. Jedoch besteht schon mit Blick auf die Auswahl der Stakeholder die Gefahr, dass bestimmte Partikularinteressen mehr Einfluss auf die Arbeit der Agentur entfalten können als andere.
E › Einrichtungen und sonstige Stellen (Martin Will) › III. Das Europäische Finanzaufsichtssystem (ESFS)
III. Das Europäische Finanzaufsichtssystem (ESFS)
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Das Europäische Finanzaufsichtssystem (ESFS) ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie eine konkrete, dringende Herausforderung institutionell maßgeblich durch die Gründung eines Systems neuer bzw. weiterentwickelter EU-Einrichtungen bewältigt werden soll, die eng mit den entsprechenden mitgliedstaatlichen Behörden zusammenarbeiten. Nach den Turbulenzen der großen Finanzkrise, die sich seit der Lehman-Insolvenz 2008 entwickelt hat und bis heute strukturell nicht überwunden ist, empfahl der De-Larosière-Bericht im Februar 2009 die Schaffung eines dezentralen europäischen Netzwerks zur Überwachung der Finanzmärkte. Zentrales Ziel dieses Überwachungssystems, das aus einem Verbund europäischer und nationaler Aufsichtsbehörden besteht, ist es, einer Verschärfung der Krise und weiteren Krisen im Finanzsektor durch eine verbesserte und harmonisierte Finanzaufsicht im Europäischen Binnenmarkt vorzubeugen.
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Das Europäische Finanzaufsichtssystem, das am 1.1.2011 seine Arbeit aufgenommen hat, besteht im Wesentlichen aus den drei Europäischen Finanzaufsichtsbehörden, nämlich der Europäischen Bankaufsichtsbehörde (EBA, VO [EU] 1093/2010, ABl. EU 2010 L 331, S. 12), deren Sitz wegen des Brexit im Jahr 2019 von London nach Paris verlegt wird, der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge (EIOPA, VO [EU] 1094/2010, ABl. EU 2010 L 331, S. 48) mit Sitz in Frankfurt a. M. und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtbehörde (ESMA, VO [EU] 1095/2010, ABl. EU 2010 L 331, S. 84) mit Sitz in Paris. Diese drei Behörden, die jeweils durch die Hochzonung und Weiterentwicklung von Vorgängereinrichtungen entstanden sind, arbeiten in dem ebenfalls dem ESFS zugehörenden Gemeinsamen Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden (Gemeinsamer Ausschuss, Art. 54 VO [EU] 1093, 1094, 1095/2010) zusammen und koordinieren dort ihre Arbeit.
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Während diese Behörden die Mikroebene des Finanzmarktes betreffen, wurde für die strukturell mindestens ebenso wichtige Makroebene aufgrund des De-Larosière-Berichts der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB, VO [EU] 1092/2010, ABl. EU L 331, S. 1) als Ausschuss der EU bei der → Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt a. M. geschaffen. Der ESRB soll als weiteres Element des ESFS einen Beitrag zur Abwendung oder Eindämmung von Systemrisiken für die Finanzstabilität in der Union leisten (Art. 3 Abs. 1 VO [EU] 1092/2010). Dem Verwaltungsrat des ESRB gehören als stimmberechtigte Mitglieder der Präsident und der Vizepräsident der EZB, die Präsidenten der nationalen Zentralbanken, ein Kommissionsmitglied, die Vorsitzenden der drei Aufsichtsbehörden EBA, EIOPA und ESMA, der Vorsitzende und die stellvertretenden Vorsitzenden des Beratenden Wissenschaftlichen Ausschusses aus 15 Sachverständigen (ASC) und der Vorsitzende des Beratenden Fachausschusses an (Art. 6 Abs. 1 VO [EU] 1092/2010). Bestandteile des ESFS sind schließlich noch die einschlägigen Behörden bzw. Aufsichtsbehörden der verschiedenen Mitgliedstaaten (vgl. Art. 1 Abs. 3 Buchst. f) VO [EU] 1092/2010).
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Die einzelnen Elemente des ESFS wurden auf Grundlage von Art. 114 AEUV (s. Rn. 609) gegründet. Zu den Aufgaben der verschiedenen Einrichtungen zählt insbesondere die Normkonkretisierung durch Mitarbeit an qualitativ hochwertigen gemeinsamen Regulierungs- und Aufsichtsstandards (wozu insbesondere auch technische Regulierungs- und Durchführungsstandards gehören, vgl. etwa Art. 8 Abs. 1 Buchst. a) VO [EU] 1095/2010) und ein Beitrag zur kohärenten Anwendung des einschlägigen EU-Rechts durch die Schaffung einer gemeinsamen Aufsichtskultur (vgl. etwa Art. 8 Abs. 1 Buchst. b) VO [EU] 1095/2010). Um ihre Aufgaben ausführen zu können, wurden den Einrichtungen verschiedene konkrete Befugnisse übertragen, die in bestimmten Einzelfällen auch den Erlass konkreter Beschlüsse gegenüber Behörden und sogar gegenüber einzelnen Finanzmarktteilnehmern umfassen können (vgl. etwa Art. 8 Abs. 2 Buchst. e) und f) VO [EU] 1095/2010). Eine in der Öffentlichkeit viel beachtete konkrete Befugnis etwa der EBA ist, in Abstimmung mit dem ESRB die Durchführung von Stresstests für Finanzinstitute (insbesondere Banken) zu veranlassen und zu koordinieren, um die Widerstandsfähigkeit von Finanzinstituten und die von diesen ausgehenden Systemrisiken gegenüber ungünstigen Marktentwicklungen beurteilen zu können (Art. 32 i.V.m. 23 VO [EU] 1093/2010).