Kitabı oku: «Wirtschaftsethik und Menschenrechte», sayfa 2

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II. Rezepte gegen „Appellitis“

Die ökonomische Ethik versucht, eine in der Ethik immer wiederkehrende Grundkonstellation aufzulösen: Hier gebietet die Ethik die Norm N und dort scheitert N an der Umsetzung. Ethik wird damit nach Auffassung der ökonomischen Ethik zur Moralpredigt, d.h. zur wirkungslosen „Appellitis“ (vgl. Homann und Blome-Drees 1992, 36). Diese Problemkonstellation versuchen Homann und seine Schüler zu vermeiden: Der Grund für das Problem ist demnach ein normativistischer Fehlschluss, in dem von normativen Idealen direkt auf Handlungsnormen geschlossen wird, ohne die realen Umsetzungsbedingungen zu beachten. Diese gibt die Empirie vor (Suchanek 2007, 31, 43–46). Die Fakten, an denen Ethiker mit normativistischen Fehlschlüssen meist vorbeigehen, bestehen demnach darin: Unter scharfem Konkurrenzdruck können selbst altruistisch motivierte Menschen nicht anders, als im Extremfall sogar ihre eigenen moralischen Überzeugungen zu verraten (Homann und Blome-Drees 1992, 26). Es besteht ein Zwang, dass letztlich alle Individuen unter Konkurrenz wie ein HO handeln (Suchanek 2005, 99; vgl. Homann und Blome-Drees 1992, 26). Damit sind empirische Annahmen derart gemacht, dass „auch moralisch motivierte Menschen nicht bereit sein werden, dauerhaft gegen ihre (sonstigen) eigenen Interessen zu verstoßen“ (Suchanek 2005, 99). Und: Wenn „moralisches Verhalten (…) systematisch und dauerhaft mit ökonomischen Nachteilen ‚bestraft‘ wird, dann wird die Moral (…) |10|sehr schnell erodieren; sie kann keinen Bestand haben.“ (Homann und Blome-Drees 1992, 94).

Wirkungslose Moralpredigten sollen vermieden werden, indem betont wird, dass das Individuum nicht die primär zuständige Instanz für moralische Veränderungen ist, sondern die Ordnungspolitik. Die Institutionen sind gefordert. Diese setzen in wesentlichen Teilen den Rahmen, also beispielsweise die gesetzlichen Spielregeln. Gegeben ein perfektes Regulierungssystems wäre somit allein der Rahmen der systematische Ort der Moral (Homann und Blome-Drees 1992, 35–47). Die Anreize, d.h. die Vorteilserwartungen für die Individuen, müssen durch die Institutionen verändert werden[4], damit so viel Kooperation möglich wird, wie in der eigentlich wettbewerbsorientierten Marktwirtschaft erwünscht ist. Ansonsten sind die Individuen, selbst bei guten Absichten, nicht fähig zu moralischer Kooperation, wie mit dem Gefangenen-Dilemma (zur Darstellung: Homann und Blome-Drees 1992, 29–34) demonstriert wird. Erst wenn eine ursprünglich wirkungslose Norm N den Vorteil der Individuen vergrößert, wird sie umsetzbar, denn Individuen werden nicht dauerhaft gegen ihren Vorteil handeln (Suchanek 2007, 49f.). In einem perfekten Regulierungssystem sind die einzelnen Handlungen der Firmen und Kunden (Spielzüge) auf einer ersten, die Absichten der Akteure betreffenden Ebene „moralfrei“. Die Moral oder besser die Anreize für moralisches Handeln werden durch den Rahmen hergestellt. Dies ist nicht Aufgabe der Individuen, wenn der Rahmen perfekt ist. Diese sollen sich allein darum sorgen, den Gewinn zu maximieren, während sie die bestehenden Gesetze achten. Diese Gestaltung der Spielzüge wird auf einer zweiten Ebene begründet, denn dort soll dieses individuell „moralfreie“ (d.h. insbesondere von moralischen Motiven befreite) Verhalten moralisch fruchtbar sein. So wird nämlich das für alle nützliche marktwirtschaftliche System in Gang gehalten (eine Mischung aus unsichtbarer Hand und prästabilierter Harmonie). Daher wird sogar eine moralische Pflicht für Unternehmen darin gesehen, den Gewinn konform mit dem Rahmen zu maximieren (Homann und Blome-Drees 1992, 38).

|11|Das Allgemeinwohl[5] und damit das Wohl jedes Einzelnen wird ohne Marktwirtschaft gemindert, denn von ihr profitiert jedermann; das zumindest in der Rolle des Konsumenten, die jedes Wirtschaftssubjekt einnimmt (Homann und Blome-Drees 1992, 26; vgl. Suchanek 2007, 77). Durch die Marktwirtschaft fallen die Preise und erhöht sich die Qualität der Produkte für die Konsumenten. Das vermehrt deren Freiheitsspielräume, denn mit gleichem Geld lassen sich mehr Präferenzen realisieren (Homann 2003, 123). Also gilt: Je billiger und besser die Produkte, desto höher die Freiheitsspielräume der Konsumenten und desto größer ihre Freiheit. Und individuelle Freiheit ist für Homann der höchste ethische Wert, der realisiert werden kann (Homann 2003, 125). Neben dem Konsumentenwohl werden auch andere Errungenschaften der Marktwirtschaft für das Wohl jedes Einzelnen hervorgehoben, etwa der stetige Innovationsprozess, der z.B. medizinische Erfolge für alle hervorruft. Wir leben alle länger dank der Marktwirtschaft (Lin-Hi 2011, 10).

Weiterhin wird von Homann auch mehr Solidarität als Ziel des Wirtschaftens und als vorteilhafte Wirkung der Marktwirtschaft ausgewiesen (Homann und Blome-Drees 1992, 26, 45). Aber diese Solidarität zu gewähren, heißt in modernen Massengesellschaften, Mittel für einen sozialen Ausgleich bereitzustellen. Diese müssen erwirtschaftet werden, eine arme Gesellschaft kann nicht solidarisch sein. Da die nötigen Mittel nur auf den Märkten und damit unter Konkurrenz erwirtschaftet werden können, gilt für die ökonomische Ethik: Wettbewerb ist solidarischer als Teilen (Homann und Blome-Drees 1992, 26). Sankt Martin hätte demnach nicht seinen Mantel teilen, sondern eine Fabrik für Mäntel bauen und dann Mäntel verkaufen sollen, das wäre marktwirtschaftliche Solidarität. (Man denke an all die Sankt-Martins-Aufführungen, für die dementsprechend ein neues Drehbuch geschrieben werden müsste.) So kommt Homann zu dem Fazit, dass „das Streben nach individueller Besserstellung – unter einer geeigneten Rahmenordnung – auch den anderen, allen anderen, Vorteile bringt“ (Homann 2003, 171).[6]

|12|All das begründet einen Perspektivwechsel: „Habgier“ von Unternehmern sei nicht schuld an moralischen Problemen, sondern sei moralisch erwünscht, sofern sie auf dem Boden der Rahmenordnung verbleibe. Es sei niemandem damit gedient, wenn ein „guter“ Unternehmer, der Moralappellen folge, vom Markt verschwinde. Der Bankrott würde sich zwangsläufig bei einem Unternehmen einstellen, wenn es Moralvorstellungen gegen die bestehenden Anreize durchsetze und zulasten seiner Gewinne handele (Homann und Blome-Drees 1992, 34). Der Wettbewerb wird als scharf aufgefasst (es gebe keine „Schlafmützenkonkurrenz“ und es solle sie auch nicht geben) und es wird behauptet, Unternehmen könnten sich seinem Zwang nicht entziehen und trotzdem fortbestehen. Wenn moralisches Handeln dauerhafte Gewinneinbußen bewirken würde, könne dies vom Individuum bzw. Unternehmen nicht gefordert sein (zur vertragstheoretischen Begründung dessen, s.u.). Alles andere wäre eine „Hypermoralisierung“ (Homann und Blome-Drees 1992, 36), eine Überdehnung der Individualethik (Pies 2010, 254). Eine Ethik des Opferns und Teilens stamme aus vergangenen Zeiten, in denen es keine modernen Massengesellschaften gab.

Fazit: Moral wird umgesetzt, indem von Institutionen dafür Sorge getragen wird, dass sie sich langfristig lohnt. Es muss gewährleistet sein, dass Moral eine langfristige Investition zur Steigerung der Gewinne eines Unternehmens ist. I. Pies nennt eines seiner Bücher sogar „Moral als Produktionsfaktor“ (Pies 2009; vgl. Suchanek 2007, 51). So werden Win-win-Situationen aufgezeigt und erzeugt, um den wechselseitigen Vorteil zu mehren. Wenn das gelingt, wird Moral schnell umsetzbar, weil sie keine Revolution des menschlichen Denkens erfordert, sondern an die bestehenden, egoistischen Motivationsmuster der Mehrheit anschlussfähig ist. (Zwischenzeitlich mag man an die beste aller möglichen Welten von Leibniz erinnert werden, in der jedes „Übel“ in einen Vorteil umgemünzt wird – es gab allerdings schon Religionsphilosophen, die hier leichte Zweifel hatten …). Win-win-Situationen werden erzeugt, indem Institutionen geschaffen werden, die Moral möglich machen. Das heißt, es müssen Regeln eingeführt werden, die nicht von Trittbrettfahrern ausnutzbar sind, denn dauerhaft ausgenutzt zu werden, tötet die Motivation jedes moralischen Akteurs. Daher müssen die Institutionen und Regeln so konzipiert werden, dass sie den sogenannten HO-Test bestehen. Das heißt, dass sie es für einen HO-Akteur nicht attraktiv machen, sie auszunutzen, denn das kann eine Erosion auslösen: „Ein Anbieter, der legal die Umwelt |13|verschmutzt, zwingt die moralischer gesinnten Konkurrenten, ihre freiwillige Zurückhaltung aufzugeben.“ (Homann und Blome-Drees 1992, 42)[7]

III. Der Rahmen und seine Krankheiten

Soweit das Grundmodell der ökonomischen Ethik. Nun kümmern sich deren Vertreter aber auch um die tiefergehende Rechtfertigung und um einige Probleme des Grundmodells. Auch an die Rahmenordnung selbst, die sich vorrangig aus Gesetzen und weit verbreiteten Moralvorstellungen in der Gesellschaft zusammensetzt (Homann und Blome-Drees 1992, 23), sind moralische Anforderungen zu stellen, gerade damit sie jedermann nützlich sein kann. Wann ist der Rahmen moralisch? Homann bettet seine Konzeption in eine Hobbessche Vertragstheorie ein.[8] Diese besagt, wenn man sie auf die Moral überträgt, dass moralische Regeln (oder „Verträge“) nur zustande kommen, wenn sie dem Eigeninteresse jedes Menschen dienen. Beim Urahn dieses Theorietyps, bei T. Hobbes (Hobbes 1970/2002, Kpt. 13–14), gebe ich mein „Recht“ jemanden zu töten oder zu berauben nur dann auf, wenn ich mir davon selbst einen Nutzen versprechen kann (auch ich werde von den anderen nicht getötet und beraubt). Moral wird völlig auf Eigennutzen zurückgeführt. Mithilfe eines Cartoons lässt sich das wunderbar veranschaulichen. In diesem geben sich zwei Herren im Anzug die Hand und jeder hält hinter seinem Rücken eine steinzeitliche Keule versteckt: Der Vertrag ist nur eine besondere Form der Gewalt. Homann wählt diese Ethik aufgrund des gesellschaftlichen Wertpluralismus. Das heißt, die Menschen sind sich über Werte heutzutage nicht mehr einig. Daher kann man Homann folgend nur auf einem von allen geteilten, nicht strittigen und nicht moralischen Fundament aufbauen, dem Eigeninteresse (Homann und Blome-Drees 1992, 22, 167ff.; Homann 2005, 205).[9] Homann geht davon aus, dass der Rahmen in einem bestimmten Sinne moralisch sein muss, um |14|eine optimale Verwirklichung des je eigenen Vorteils zu garantieren: „Der Mensch erlegt sich autonom per kollektiver Selbstbindung die moralischen Regeln auf – um größerer Vorteile willen und aus keinem anderen Grund.“ (Homann 2003, 174) Nur wenn die Rahmenordnung zum wechselseitigen Vorteil aller (d.h. „moralisch“ im Sinne der ökonomischen Ethik) ist, werden der individuelle Vorteil und der soziale Friede als Bedingung für bessere Geschäfte gewahrt (Homann und Blome-Drees 1992, 85; Homann 2003, 176).[10] Um die Moralität des Rahmens und des gesamten Wirtschaftssystems zu sichern, wenden Homann und Blome-Drees ein scharfes Konsenskriterium an: Jedes Mitglied der Gesellschaft und genau genommen jeder Vertragspartner des Welt-Gesellschaftsvertrags (Homann 2003, 176) müssen der durch den Rahmen vorgegebenen Wirtschaftsordnung im Prinzip zustimmen können (Homann und Blome-Drees 1992, 54ff.). Sonst ist das Wirtschaftssystem eben keines zum wechselseitigen Vorteil aller (Homann 2003, 171). Jeder nicht berücksichtigte Akteur droht das gesamte System der Kooperation zu beenden, indem er bei geeigneten Dilemmastrukturen alle anderen zwingen kann, die Kooperation aufzugeben und Gegenausbeutung zu betreiben (Homann und Suchanek 2000, 425).

Zustimmung aller zu einer Ordnung, die dem Einzelnen auch Opfer auferlegt, wenn er arbeitslos wird, kann nur die Ausweitung der Marktwirtschaft zur sozialen Marktwirtschaft garantieren (Buchanan 1975/1984, 91). Durch Sozialleistungen wird die Zustimmung zum System „erkauft“, denn in der sozialen Marktwirtschaft wird es den Schlechtestgestellten – frei nach Adam Smith (Smith 1989/2009, 58) – immer noch bessergehen als den Schlechtestgestellten in anderen Wirtschaftssystemen (Homann und Blome-Drees 1992, 58f.). Daher gibt es ein Recht auf Sozialleistungen. Nur so wird das System als eines ausweisbar, das den wechselseitigen Vorteil vermehrt, d.h. nur so wird das Grundsystem ein moralisch gerechtfertigtes. Anders formuliert, darf die Wirtschaft nicht zu (unkompensierten) Lasten Dritter gehen (wie etwa im Falle der Korruption) (Suchanek 2007, 43), denn dann würden diese „Dritten“ den Konsens zu Recht aufkündigen. Allerdings darf auch nicht gefordert werden, das Eigeninteresse irgendeines Akteurs zu opfern, um die Interessen Dritter zu wahren. Auch dann ist der Kon|15|sens mit diesem Akteur bzw. die Vertragsgrundlage des wechselseitigen Vorteils hinfällig.[11]

Weiterhin wird anerkannt, dass Rahmenordnungen nie perfekt sind (Homann und Blome-Drees 1992, 114f.). Allgemeine Regeln können individuellen Fällen nie ganz gerecht werden, Gesetze laufen den zu regulierenden Fehlentwicklungen zeitlich immer hinterher. Viele Rahmenordnungen sind zudem, selbst gemessen an den Maßstäben der Vertragstheorie, nicht immer moralisch. In manchen Teilen der Welt existiert z.B. nur ein auf „Vetternwirtschaft“ basierender gesetzlicher Ordnungsrahmen zum alleinigen Vorteil von Eliten. In solchen globalisierten Kontexten bleibt nur das positive Image des Unternehmens[12] als Instanz bestehen, die das Unternehmen zügeln kann. Während die Unternehmen unter einem hypothetisch unterstellten, perfekten Rahmen nur die Pflicht haben, Gewinne zu maximieren, ist dies in der Realität nicht mehr ihre alleinige Aufgabe. Es wird eine eigene Unternehmensethik notwendig, die im Idealzustand gar nicht gebraucht würde.

Die ethischen Aufgaben von Unternehmen sind unterschiedlich. Zuerst müssen ethische Ansprüche aus der Gesellschaft auf ihre ethische Berechtigung geprüft werden, wozu sehr wenig gesagt wird (Homann und Blome-Drees 1992, 128). Unternehmen können auf der Ebene der Spielzüge, d.h. auf einer Wettbewerbsebene, durch individuelle Selbstbindung oder innovative Produkte, Verbesserungen bewirken (d.i. die Wettbewerbsstrategie) (Homann und Blome-Drees 1992, 136f.). Eine Forderung aber, welche zu dauerhaften Nachteilen führt, brächte das Vertragskalkül zum Einsturz und ist daher innerhalb der ökonomischen Ethik unmöglich: „Es kann keine ethische Begründung für Normen geben, die ständige wirtschaftliche Benachteiligungen nach sich ziehen.“ (Homann und Blome-Drees 1992, 146)

Moral ist einem Unternehmen nur zumutbar, wenn sie langfristig seine Gewinne vergrößert, sie ist eine langfristige Investition (Homann und Blome-Drees 1992, 145).

|16|Lässt sich eine Win-win-Situation durch Veränderung der Spielzüge auf der Wettbewerbsebene langfristig nicht herstellen, bleibt dem Unternehmen nur die ordnungspolitische Strategie (Homann und Blome-Drees 1992, 138; Suchanek 2007, 144ff.). Das heißt, es sollte dann versuchen, Einfluss auf die Politik zu nehmen (Verbände, öffentlicher Druck, Lobbyarbeit etc.), um die moralischen Lücken des Rahmens wettbewerbsneutral für alle Akteure zu schließen. Der Antrieb, für eine solche Moralisierung des Rahmens einzutreten, stammt aus zwei Überlegungen: Einerseits kann ein unmoralischer Rahmen zum Zerbrechen des sozialen Friedens und damit dazu führen, dass der Eigennutzen für jeden Akteur schwerer realisierbar wird. Andererseits kann ein Engagement für eine moralische Gesetzgebung die langfristige Gewinnsteigerung vereinfachen, beispielsweise indem man die Gesetze mit den Moralurteilen der Mehrheit[13] in Übereinstimmung bringt und so Akzeptanz für Gesetzestreue gewinnt (Beispiel: Tierschutz).

IV. Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf – Die Vertragstheorie

In diesem Abschnitt beginne ich mit der Kritik der vertragstheoretischen Ausrichtung der ökonomischen Ethik. Es ist wahr, dass sich die Menschen heute nicht mehr ohne weiteres einig werden, worin das Gute und Richtige besteht. Aufgrund dieses Pluralismus das Eigeninteresse als „kleinsten gemeinsamen Nenner“ zu identifizieren und zu suggerieren, damit wäre der Pluralismus überwindbar, ist aber ein Trugschluss. Viele Menschen sind sich darüber einig, dass die Vertragstheorie mit ihrer Minimalmoral (s.u.) kein befriedigendes Moralmodell ist (Zu einer aktuellen Version der Theorie: Hoerster 2003. Zur Kritik: Ott 2001). Das Faktum, dass gerade die Vertragstheorie nicht von jedermann befürwortet wird[14], obwohl sie sich am vermeintlich kleinsten gemeinsamen Nenner orientiert, übergehen die Vertreter der ökonomischen Ethik allenfalls mit Verweis auf Aufklärungsdefizite. Aufgeklärte Gründe für die breite Ablehnung und den obigen Vor|17|wurf, dass die Vertragstheorie nur eine Minimalmoral sei, sind etwa folgende:

a) Wäre die Vertragstheorie richtig, wären erzwungene Konsense moralisch, die einfach von den faktischen Machtpositionen der Vertragspartner abhängen. Es ist für Sklaven und Herren – gegeben ihre Machtpositionen – eventuell von Vorteil, sich auf eine Beschränkung der Arbeitszeit auf 16 Stunden am Tag zu einigen. Aber moralisch ist dieser Konsens noch lange nicht, da er von den Sklaven nur anerkannt wird, weil diese Beschränkung das Beste ist, was sie mit ihrer geringen Verhandlungsmacht herausholen können. Das lässt die Vertragstheorie aber nicht gelten, denn alle haben zugestimmt und Pareto folgend ihren Vorteil vergrößert. So kann man Sklaverei mit unakzeptablen Gründen als moralisch rechtfertigen (vgl. die Diskussion bei Hoerster 2003, 181–184).

b) In einer solchen Minimalmoral hätten wir keinerlei Verpflichtung zukünftigen Generationen oder Tieren gegenüber. Diese wären schlicht aufgrund ihrer Machtlosigkeit rechtlos, denn sie zu beachten, vergrößert nicht den Eigennutzen der heutigen Menschen. Machtlose Wesen können diesen nicht schaden. Homann gesteht das offen ein: „Noch nicht geborene Generationen sind für vertragstheoretische Begründungsfiguren nicht erreichbar.“ (Homann 2003, 271) Ein solcher Kurzschluss der „natürlichen Gegner“ Macht und Moral ist ein Skandal.

Es kommt der Einwand auf, dass die allgemeinen Schwächen der Vertragstheorie nicht auf ihre Anwendung im Sektor Wirtschaft durchschlagen. Es führt jedoch ein direkter Verbindungspfad von der minimalmoralischen Ausrichtung der Vertragstheorie zur Vernachlässigung von Ökologieproblemen durch die ökonomische Ethik. Auch die im nächsten Abschnitt aufgeworfenen Fragen nach moralischem Sein und moralischem Schein in diesem Theoriegebäude, lassen sich als direkte Auswirkungen der vertragstheoretischen Orientierung verstehen. Die ökonomische Ethik ist aufs engste mit der Vertragstheorie verbunden, auch wenn sie sich selten zu dieser Bindung bekennt. Daher findet sich der ganze „Sündenkatalog“ der Vertragstheorie „im Kleingedruckten“ der ökonomischen Ethik wieder.

c) Die Vertragstheorie ist einem gut begründeten Moralverständnis zufolge gar keine Moraltheorie, da Moral inhaltlich so definiert ist, dass der Standpunkt eines jeden Betroffenen unparteilich beachtet werden muss (v. Kutschera 1982, 302). Sklaven, zukünftige Lebewesen, Tiere u.a. gehören unstrittiger Weise zu den von den Handlungen im |18|Wirtschaftssystem Betroffenen, werden aber von der Vertragstheorie ignoriert, weil sie machtlos sind.

Suchanek versucht Punkt b) zu entkräften und zukünftige Generationen in das Modell der Vertragstheorie einzubauen. Dabei soll Nachhaltigkeit als vertragstheoretisch geboten erwiesen werden, wenn sie dem wechselseitigen Vorteil dient, während sie in jedem anderen Fall nicht geboten ist. Die Leitfrage lautet: „Inwiefern lassen sich heutige Maßnahmen zur Erhaltung der Lebensgrundlagen künftiger Generationen als Investition begründen, deren Erträge (auch) der gegenwärtigen Generation zugutekommen?“ (Suchanek 2004, 8) Suchanek nimmt an, dass eine Generation G2 Versorgungsbezüge von der Generation G3 erhalten will, dass G3 diese Bezüge von G4 wünscht usw. In diesem Falle ist es rational für G2, diesen Generationenvertrag aufrecht zu erhalten (also G1 auszuzahlen), insbesondere wenn man ihn als wiederholtes Spiel analysiert.

Wie aber beim Klimawandel mit seinen langfristigen Zeitdimensionen, bei der Artenvielfalt oder bei der Weltarmut überhaupt die Rede von „Versorgungsbezügen zwischen den Generationen“ mit Sinn gefüllt werden kann, wird von Suchanek nicht gezeigt. Versorgungsbezüge sind im Normalfall Rentenbezüge. Für meine Rente sind Bürger meines Staates verantwortlich. Es wäre also zu zeigen, wie genau deutsche Renten in den nächsten ca. 50 Jahren vom Klimawandel und von der Artenvielfalt abhängen, und dass man sie am kostengünstigsten sichern kann, wenn man diese Gefahren bekämpft.

Da das wenig erfolgversprechend ist, ist dieser Weg, Nachhaltigkeit zu sichern, eine Illusion. Hoffnung auf Nachhaltigkeit resultiert eher daraus, dass von einer Idee begeisterte Menschen in der Not doch Verschlechterungen für sich selbst in Kauf nehmen, wenn sie damit die Zukunft retten können. Eine solche Hoffnung hat in der ökonomischen Ethik keinen Raum. Diese Hoffnung kann aber realistisch sein. Auch Phänomene wie der Tierschutz, der Schutz schwer behinderter Menschen, der Schutz machtloser Staaten usw. existieren und wachsen ständig, was Vertragstheoretiker (Harman und Thomson 1996, 25f.) schwer erklären können (vgl. Abschnitt VIII.).

Ob nur die Maximierung des Eigennutzens „vernünftig“ ist, wie im Eingangs aufgestellten Schluss behauptet, muss hinterfragt werden. Was bedeutet der Begriff „vernünftig“ in der ersten Prämisse dieses Schlusses? In rein instrumenteller Bedeutung sagen „x ist vernünftig“ und „x ist ein geeignetes Mittel um gegebene Zwecke zu erfüllen“ das |19|Gleiche aus. Den Inhalt dieser Zwecke kann instrumentelle Vernunft aber nicht mehr vorgeben. Bezogen auf unsere Zwecke bei instrumenteller oder bei nicht nur instrumenteller Vernunft zu meinen, diese legten uns ausschließlich auf Eigennutzen fest, ist also schlicht eine unbelegte Annahme. Dann würden der vernünftige Zweck und die Moral in Opposition zueinander treten, wenn man Moral so versteht wie unter c) oben definiert. Das moralisch erlaubte Handeln dürfte dann nicht mehr in diesem Sinne vernünftig sein.

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