Kitabı oku: «Wirtschaftsethik und Menschenrechte», sayfa 4

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VIII. Was von der Ökonomischen Ethik bleibt

Nach dieser ausführlichen Kritik soll gesichtet werden, welche Errungenschaften die ökonomische Ethik erzielt hat, denn es lässt sich einiges von ihr lernen. Ganz Recht haben ihre Verteidiger mit der These, dass letztlich zählt, welche Folgen der Ethik sich in der Welt ergeben. Das heißt, Moral muss so gut wie irgend möglich umgesetzt werden. Einige Normen lassen sich nur umsetzen, wenn sie vom gesetzlichen Rahmen ermöglicht werden. Dazu auf die Rolle der Institutionen zu verweisen, ist ein guter, wenngleich hier oft verabsolutiert auftretender Ansatzpunkt: Letztlich können nur Individuen Institutionen verändern, wenn man den von der ökonomischen Ethik wohl – wie von fast der gesamten nichtmarxistischen Ökonomie – akzeptierten „methodologischen Individualismus“ (Hollis 1995, 148, Homann und Blome-Drees 1992, 95, Homann und Pies 1994, 11) voraussetzt. Diese Lehre besagt, dass Gesellschaften und ihr Handeln allein aus dem Handeln der einzelnen Individuen erklärbar sind, welche die Gesellschaft bilden. Nur wenn sich die Überzeugungen der Individuen in ihrer Rolle als Wähler ändern, wird eine neue Politik zustande kommen. Alles andere wäre Zauberei, zum Besten gegeben von einem imposanten Magier mit langem grauem Bart und funkelnden Augen, der beschwörende Worte wie „Unterbau“ und „Überbau“ raunt, bevor er mit Pathos zum „Simsalabim“ kommt. Man sollte einzelne Menschen mit moralischen Argumenten animieren, den Marsch durch die Institutionen anzutreten und dabei auch in diesen aktiv zu werden. Politisches Engagement und der Versuch, eigene Interessen zu organisieren, sind unabdingbar. Explizit greife ich den institutionenethischen Ansatz auf, in dem ich die Einführung einer neuen Institution (Anwalt für die Rechte zukünftiger |32|Generationen) als wesentlichen Schritt zur Lösung unserer globalen Probleme vorschlage (vgl. Kpt. 4.).

Der HO-Test kann helfen, Institutionen leistungsfähig zu halten. Selbst wenn sich durch den „Zwang zur Gegenausbeutung“ motiviert nicht alle, sondern nur viele Menschen wie konsequente HOs verhalten, stellt der Test bedenkenswerte Herausforderungen an die Architektur von Institutionen. Zudem ist die Unterstellung eines HO-Verhaltens besonders prognosestark, insbesondere für den Umgang mit Unternehmen: Man weiß, dass Menschen, die gewohnheitsmäßig mit diesem Modell operieren, seine Logik übernehmen (Frank et al. 1993, 167). Allerdings ist es möglich, das im Alltag weit verbreitete HO-Verhalten ein Stück weit zu überwinden, insbesondere wenn die Menschen von einem höheren Ziel begeistert sind. Darauf beruhen viele Hoffnungen und für diese lässt die ökonomische Ethik keinen Platz.

Es ist eine wichtige Aufgabe für Unternehmen, Politiker und Ethiker, nach echten Win-win-Situationen zu suchen. „Echt“ sind diese dann, wenn moralische Verbesserungen mit monetärem Gewinn umgesetzt werden und nicht nur Imagepflege betrieben wird. Den Blick von Theoretikern, Politikern und Unternehmern dafür zu schärfen, wie man solche Situationen aktiv schafft, indem man langfristige Vorteilsüberlegungen mobilisiert, ist ein echtes Verdienst der ökonomischen Ethik. An Unternehmen so heranzutreten, dass man ihnen Moral als Gewinnfaktor plausibel macht, ist psychologisch geschickt und hilft Ethik umzusetzen, solange man die Ethik eben nicht auf einen Produktionsfaktor zurechtstutzt.[27] Für die ethischen Belange, die nicht über Win-win-Kalkulationen durchsetzbar sind, sind dann eben andere Umsetzungsstrategien zu suchen. Ein besonders wirksames Mittel sind nicht Moralappelle, sondern anschauliche moralische Argumentationen. Das eigene Verhalten kritisch zu reflektieren, verändert etwas, was durch psychologische Versuche bestätigt wird (Duval et. al. 2001). Zudem kann Moral durch öffentliche Kampagnen, Produkt- oder Unternehmensboykotte, kritische Konsumenten, kritische Aktionäre, ethisches Investment usw. umgesetzt werden. Da informierte Individuen eben auch unter Konkurrenz nicht nur HO-Präferenzen haben, ist es nicht unrealistisch, auf ein Zustandekommen dieser nicht egoistisch motivierten Durchsetzungswege zu setzen.

|33|Fazit: Man muss das für die ökonomische Ethik spezifische Wechselspiel von Vertragstheorie und HO-Annahmen kritisieren, das eine vertragstheoretische Legitimation der Marktwirtschaft erzeugen soll. Zudem muss man Unstimmigkeiten bei der Verwendung des HO-Konzepts aufdecken und klären, weshalb Kritiken der empirischen Ökonomik dieses Konzept sehr wohl treffen, gleichgültig, ob man einen engen oder weiten Gebrauch zugrunde legt. Man kann von der durch die ökonomische Ethik empfohlenen Orientierung an Anreizen und der institutionenethischen Ausrichtung Gebrauch machen. So können mehr Forderungen umgesetzt werden, sofern diese Orientierung nicht als einzig erfolgreiches Instrument verstanden wird, um Moral durchzusetzen. Letzteres kann gerade dazu führen, Moral zu verhindern.

Damit ist eine Theorie, die auf dem egozentrischen Wirtschaftszweck aufbaut, mitsamt der häufig hinter diesem und dem nationalen Zweck stehenden Vertragstheorie zurückgewiesen worden. Andere Rechtfertigungen dieser Zwecke sind denkbar, aber können hier nicht alle untersucht werden. Im nächsten Kapitel wird einer Kritik des utilitaristischen Wirtschaftszwecks nachgegangen, deren Scheitern gemeinsam mit den gerade vorgebrachten Argumenten plausibilisieren soll, weshalb ich vom utilitaristischen Zweck ausgehe.

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|34|2. Kapitel: Pareto-Optimalität, weil mehr nicht geht?
I. Utilitarismus – Was ist das?

Bevor wir weiter die Zwecke des Wirtschaftens analysieren, muss noch ein anderer Punkt geklärt werden. Jede Bewertung geht von einem ethischen Fundament aus, auf dem sie beruht. Wie genau sieht der Utilitarismus aus, auf den ich mich in der Einleitung festgelegt habe? Ein geradezu „natürlich“ anmutendes Verfahren, um Handlungen moralisch zu bewerten, besteht darin, zuerst die Folgen einer Handlung für die von ihr Betroffenen abzuwägen. Das Verfahren wenden wir im Alltag unentwegt an. Ethische Entscheidungen werden also fast überall auch durch Zuhilfenahme einer Analyse der Konsequenzen dieser Entscheidungen getroffen. Meint man, diese Analyse allein reiche aus, um die ethische Bewertung durchzuführen, dann ist man Konsequenzialist. Aber schnell drängt sich die Frage auf, nach welchem Maßstab man denn die Konsequenzen einer fraglichen Handlung bewerten soll. Es ist keine Lösung, immer nur auf die Folgen „auszuweichen“, es muss einen Wert geben, demzufolge „gute“ Konsequenzen gut sind. Die prominenteste Antwort auf die Frage nach einem Maßstab lautet: Die Menge des Nutzens, den eine Handlung hervorbringt, soll ihr Maßstab sein. Aber diese Antwort ist unterbestimmt. Nutzen für wen? Und was genau ist Nutzen? Die bekannteste konsequenzialistische Ethik, der Utilitarismus, beantwortet diese Fragen genauer: Nutzen ist nicht nur der individuelle Nutzen des Akteurs, sondern der „Gesamtnutzen“, also der Nutzen, der insgesamt für alle von der Handlung betroffenen Individuen durch diese Handlung entsteht. Auf die Frage, was Nutzen aber genau bedeutet, kann man antworten: Glück! Aber was ist Glück? Für „klassische Utilitaristen“ bemisst sich die Größe des Glücks an der Bilanz lustvoller und schmerzvoller Gefühle. Dabei fordert dieser Utilitarist, Lust zu maximieren und Schmerz zu minimieren. Und letztlich wird dann dieses Glückskriterium zum einzigen Maßstab der moralischen Qualität von Handlungen erklärt. All die komplizierten ethischen Probleme sollen also allein durch einen Vergleich von Lust und Schmerz der Betroffenen entscheidbar sein.

|35|II. Die Grundpfeiler des Utilitarismus

Um den Utilitarismus genauer zu darzustellen (eine Begründung habe ich in Gesang 2011 Kpt. 3 versucht), kann man vier „Grundpfeiler“ der Theorie unterscheiden:

1. Universelle Glücksmaximierung: Es ist ein an sich wertvolles Gut, dass Lebewesen Lust, Freude oder Befriedigung empfinden. Dieses an sich oder intrinsisch wertvolle Gut, nennen wir es vorerst undifferenziert Glück, möchte der Utilitarist maximieren, d.h. er möchte, dass die Gesamtsumme des Glücks in der Welt so groß wie möglich wird. Damit setzt der Utilitarist dem Egoisten ein universelles Prinzip entgegen, anhand dessen er Handlungen als moralisch richtig oder falsch beurteilt. Dieser Gedanke ist intuitiv einleuchtend und sehr einfach. Man will, dass es den Lebewesen gut geht, und zwar so gut wie möglich. Mehr Glück ist besser als weniger Glück. Es würde irrational und falsch anmuten, wenn man sich darauf beschränken wollte, dort einen kleineren Betrag an Glück zu produzieren, wo man auch einen größeren produzieren könnte.

Nach J. Bentham ist Nutzen (utility) das, was das Glück (happiness) einer Interessenpartei befördert (Bentham, 1789/1970, I.2). Happiness, das Ziel allen Handelns, lässt sich in den Maßeinheiten von pleasure und pain messen und über deren Gesamtbilanz definieren (Bentham, 1789/1970, IV.5). Pleasure und pain sind Gefühle, die in unterschiedlichen Intensitäten auftreten. Gefühle kann man als bestimmte mentale Zustände beschreiben. Bentham macht das Nutzenprinzip zum Maßstab der Begriffe „richtig“, „sollen“ usw. Versteht man diese Begriffe losgelöst davon, so Bentham, dann werden sie sinnlos (Bentham, 1789/1970, I.10). Die Größe des erzielten Glückszustands ist also das Maß für die moralische Qualität unserer Taten. Bentham gebraucht die Begriffe pleasure und pain, die in der Umgangssprache primär im Zusammenhang mit körperlichen Lüsten und Schmerzen verwendet werden. Aber die erwähnten mentalen Zustände beziehen sich natürlich auch auf Freude am Wohlergehen anderer oder auf ästhetische oder intellektuelle Freuden (Bentham, 1789/1970 V. Mehr zu den verschiedenen Glückkonzepten: Gesang, 2010a).

2. Wertmonismus: Der Utilitarismus basiert auf der Vorstellung, dass es ein und nur ein an sich wertvolles Gut gibt und dass man daher alle moralisch relevanten Güter in die eine „Währung“ Glück umrechnen kann. Glück wird als die Quelle verstanden, der alle anderen moralischen Werte entspringen. Gerechtigkeit hat nur dann einen |36|Wert, wenn sie etwas zur Glücksvermehrung beiträgt. Hingegen findet sich in unserem Alltag oft eine wertpluralistische Grundeinstellung, der zufolge es verschiedene gleichberechtigte Werte, nämlich z.B. Glück, Gerechtigkeit, Freiheit oder Würde gibt. Der monistische Ansatz ist schwer zu verstehen, wenngleich auf der Hand liegt, dass er die Ethik enorm vereinfacht, ja ein Stück weit operationalisierbar macht.

Ich möchte eine Begründung dieses intuitiv schwierigen Punktes wenigstens andiskutieren: Was spricht für den Monismus? Betrachten wir das Beispiel der Gerechtigkeit. Ist diese wertvoll, wenn sich durch ihre Realisierung niemandes Wünsche erfüllen, wenn sie niemandes Glück vergrößert? Wäre es nicht völlig gleichgültig, ob eine solche „glücksleere“ Gerechtigkeit existieren würde, da sich niemand durch sie besser fühlt? Wäre der, der diese Gerechtigkeit oder parallel eine „glücksleere“ Würde durchsetzen will, nicht jemand, der die Menschen zugunsten eines abstrakten Ideals aus den Augen verliert?

Stellen wir uns das Beispiel „Sadomasochiens“ vor. Das ist eine Welt, die aus Sadisten und Masochisten besteht. Die einen quälen gerne Menschen, selbst wenn diese Masochisten sind, die anderen werden gerne gequält. Beide Gruppen sind maximal befriedigt in ihrer Welt die Glückssumme ist groß. Wir haben es mit einem Glücksfall einer Koevolution zu tun. Nun tritt unser irdischer, deontologisch angehauchter Alltagsethiker auf und moniert, dass diese Welt zutiefst ungerecht und menschenunwürdig sei. Die Sadisten beuteten die Masochisten aus (unabhängig davon, ob eine Zustimmung der Masochisten vorliege oder nicht, man könne sich ja auch nicht freiwillig versklaven) und die Menschenwürde letztlich beider Gruppen sei nicht gewahrt. Dann ändert der irdische Moralapostel diese Welt, die danach gerechter und menschenwürdiger ist. Denn Gerechtigkeit (und Würde) gibt es nur eine, die von der Perspektive der Menschen und ihrem Glück unabhängig ist, zumindest frei nach I. Kant, der vertritt: „Wenn die Gerechtigkeit untergeht, so hat es keinen Wert mehr, daß Menschen auf Erden leben (…) die Gerechtigkeit hört auf, eine zu sein, wenn sie sich für irgend einen Preis weggibt.“ (Kant, MdS A 197) Zudem versucht der Moralapostel, die Bewohner Sadomasochiens für die Werte sensibel zu machen, die sie seiner Meinung nach „übersehen“ haben. Aber vergebens: Die unglücklichen Sadisten und Masochisten träumen an ihren Lagerfeuern von der schönen Vergangenheit. Ist die Intervention zu rechtfertigen? Zeigt das Beispiel nicht, dass Gerechtigkeit und Menschenwürde nur abgeleitete Werte zweiter Ordnung sind, die nur normativen Gehalt haben, wenn sie sich in Interessenbefriedigung |37|widerspiegeln? Das Beispiel könnte dazu zwingen, einige Intuitionen auf den Prüfstand zu stellen, selbst wenn man meint, „Sadomasochien“ sei eine traurige Welt, in der man sich keinen Platz im Neubaugebiet suchen würde.

3. Konsequenzialismus: Alle moralischen Fragen sind mit Blick auf ihre Konsequenzen in Hinsicht auf die Maximierung des an sich wertvollen Gutes Glück zu bewerten und zu entscheiden. Gibt es nur ein an sich wertvolles, also intrinsisches Gut, dann müssen alle weiteren Güter extrinsisch sein, also von ihren Konsequenzen für die Vermehrung des einzig intrinsischen Gutes abgeleitet werden.

4. Aggregierbarkeit: Ein weiterer Pfeiler des Utilitarismus besteht darin, dass Nutzen messbar, interpersonal vergleichbar und anhäufbar sein soll. Man geht davon aus, dass der Nutzen jeder Einzelperson messbar und mit dem Nutzen jeder anderen Person verrechenbar ist, so dass durch das Aufaddieren des Individualnutzens aller Personen eine Summe des Gesamtnutzens erstellt werden kann. Die Güte eines Zustands kann demnach durch die Größe dieser Gesamtsumme (oder entsprechend selteneren Spielarten in Bezug auf den Durchschnittsnutzen pro Kopf) bestimmt werden. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem Nutzenkalkül, in dem solche Berechnungen vollzogen werden sollen. Sieht sich ein Handelnder einer Handlungsalternative gegenüber, sollte er berechnen, wie viel Glück durch die verschiedenen Handlungen wohin fließen wird. Im Anschluss sollte er jene Alternative wählen, die den größten Betrag an Glück für alle Betroffenen produziert. Dieses Kalkül wird in der Regel kardinal[28] verstanden, aber es könnte auch untersucht werden, wie die Chancen für einen ordinalen Utilitarismus stehen. Immerhin scheint es nur ordinaler Angaben zu bedürfen, um zu entscheiden, ob Partei a oder b mehr nutzen aus dem Gut G zieht. Das Prinzip vom abnehmenden Grenznutzen auf die Nord-Süd Problematik anzuwenden, wäre so möglich. Es reicht zu wissen, dass der Nutzen von zusätzlichen Gütern für sehr arme Menschen den von Gütern für reiche Menschen deutlich übersteigt. Um wie viel er das tut, ist erst einmal nicht relevant. Jedes Nutzenkalkül wird jedoch von einer Vagheit der Nutzeneinschätzungen überlagert, worauf wir gegen Ende dieses Kapitels ausführlich zu sprechen kommen werden.

|38|III. Eine heilige Kuh der Ökonomie: Pareto-Optimalität

Nachdem ich das normative Fundament dieser Arbeit erläutert und mich somit zum utilitaristischen Wirtschaftszweck und dem Postulat der Glücksmaximierung bekannt habe, müssen wir beachten, dass sich in den Wirtschaftswissenschaften eine andere häufig vertretene Auffassung von Optimierung findet: Die Pareto-Optimalität. Dieses Denkmodell will ich in diesem Kapitel erläutern und kritisieren. Zwar gibt es viele Ökonomen, die es nicht mehr als hinreichendes wohlfahrtsökonomisches Modell verstehen, aber es findet z.B. in den Lehrbüchern der Ökonomie regelmäßig Verwendung (Varian 2009, Kpt. 1.9; Pindyck und Rubinfeld 2009, 763–792) und zwar auch in Zusammenhang mit der These, dass interpersonale Nutzenvergleiche nicht möglich seien (z.B. Wiese 2014, 267, Endres und Martiensen 2007, 67). Viele konzipieren die Wohlfahrtsökonomie weiterhin so, dass Wohlfahrtsveränderungskriterien nicht hinter die Einsichten Paretos, z.B. in puncto Nutzenvergleiche zurückgehen dürfen (Kleinewefers 2008, 45f.). Ich setze mich vor allem deshalb mit dem Pareto-Weltbild auseinander, weil es den Utilitarismus in puncto Nutzenvergleiche in Frage stellt, was geklärt werden muss, will man den Utilitarismus vertreten. Viele Paretianer gingen ursprünglich vom utilitaristischen Wirtschaftszweck, von der Maximierung des Wohls insgesamt aus, hielten aber Messung und Vergleich des Nutzens bei verschiedenen Personen für unmöglich. Der vierte Pfeiler des Utilitarismus, der sogenannte Aggregationismus, wird abgelehnt. Damit scheiden auch egalitaristische und viele andere „Wohlfahrtsfunktionen“ aus, für die man auch interpersonale Vergleiche braucht (Hammond 1991, 201). Dann bleibt zur Vermehrung des Wohlergehens nur noch übrig, pareto-optimale Zustände zu erzielen: Pareto-superiore Zustände sind Zustände, in denen wenigstens eine Person ökonomisch bessergestellt werden kann, ohne dass eine andere schlechtergestellt wird. Ein pareto-optimaler Zustand s liegt vor, wenn kein anderer Zustand erzielbar ist, der pareto-superior zu s ist.[29] Diese Zielvision hat sich im Laufe der Zeit zur Hochburg der Effizienz bei den Ökonomen entwickelt: Die Zustände in einer Gesellschaft können dann und nur dann effizienter gemacht werden, wenn es möglich ist, |39|die Situation von mindestens einer Person zu verbessern, ohne die einer anderen zu verschlechtern.

Der Übergang von der utilitaristischen Wohfahrtsökonomie zum Pareto-Weltbild resultiert meist aus messtheoretischen Problemen. Die interpersonale ordinale oder kardinale Messung von Nutzen wird von vielen Ökonomen als gescheitert angesehen; es wird ein „empirischer Kollaps“ der klassischen Wohlfahrtsökonomie diagnostiziert (Kleinewefers 2008, 277). Woher soll man wissen, dass zehn Nutzeneinheiten für dich dasselbe bedeuten wie zehn Nutzeneinheiten für mich? Insbesondere dann, wenn wir verschiedenen Kulturkreisen angehören? Wie sind interpersonelle Nutzenmessungen möglich, wenn kein gemeinsamer Nutzennullpunkt und kein gemeinsames Ende der Nutzenskala bekannt sind? Das sind die Gründe, aus denen heraus der Aggregationismus abgelehnt wird. Damit ist der Weg zu einem vertragstheoretischen Verständnis des Pareto-Weltbilds geebnet:

Wenn jeder nur seinen eigenen Nutzen (…) kennt (…), dann ist der einzige operationalisierbare Test, ob eine bestimmte Handlung den Gesamtnutzen der Menschen erhöht, (…) die Zustimmung der Betroffenen. Menschen äußern ihre Zustimmung, indem sie freiwillige Verträge abschließen. (…) Wenn alle zustimmen, erwarten alle für sich Vorteile, ist der Erwartungswert (…) positiv. (Vaubel 2007, 111)

So wird angenommen, dass der Nutzen des Einzelnen nur durch freiwillige Tauschverträge nachweislich erhöht wird. Es gibt nicht ein Pareto-Optimum wie es ein Nutzenmaximum gäbe, sondern die Individuen realisieren verschiedene pareto-optimale Zustände abhängig von ihren Präferenzen und den Ausgangsbedingungen beim Tausch (Pindyck und Rubinfeld 2009, 766f.). Dabei werden nur intrapersonale Präferenzen in ordinaler Ordnung als bekannt vorausgesetzt, die sich durch Tauschhandlungen nach außen hin manifestieren (Kleinewefers 2008, 64). Wie Vaubel oben schon sagte: Jeder kennt nur seinen Nutzen. Aussagen über Präferenzen (stated preferences) werden hingegen als nicht verlässlich eingestuft, da die Subjekte bei Befragungen den Anreiz haben könnten, die Unwahrheit zu sagen, um sich Vorteile zu verschaffen. Es zählen Taten, nicht Worte.

Der paretianische Ansatz fragt nur noch: Holt der Einzelne sein persönliches Maximum an Nutzen aus den Gütern heraus (Kleinewefers 2008, 43)? Aber es kann relativ zu den Grundausstattungen verschiedene Optima geben, das nützlichste oder gerechteste Optimum für alle ist nicht ermittelbar. Umverteilung kommt nur noch zustande, wenn niemand durch sie schlechtergestellt wird. Für jede diese Pareto-|40|Bedingung verletzende Umverteilung wird man die Zustimmung des durch sie schlechtergestellten Individuums nicht erhalten: „Niemand wird freiwillig in einen Tausch einwilligen, wenn er dadurch schlechter gestellt wird.“ (Kleinewefers 2008, 65, vgl. 21) Und: „Da die Marktverträge (…) freiwillig abgeschlossen werden, also die Zustimmung der Beteiligten voraussetzen, ist die Marktwirtschaft ein herrschaftsfreier Koordinationsmechanismus.“ (Vaubel 2007, 113)

Wenn alle Verträge freiwillig eingegangen worden sind, die zu einem Status Quo geführt haben, an dem nicht weiter getauscht wird, kann man diesen Status eben durch diese Eigenschaft moralisch rechtfertigen: Da alle Tauschhandlungen freiwillig zustande kamen und so zu diesem bestimmten Status quo führten, ist dieser Status quo durch den Wert der Freiheit gerechtfertigt. Von diesem Status quo abzuweichen, ist nur im Konsens möglich, sonst kann man nicht ausschließen, dass sich der gute, da von den Tauschpartnern frei hergestellte Status quo verschlechtert. H. Kleinewefers bringt das auf den Punkt: „Würde man normativ verlangen, dass politische Entscheidungen die Wohlfahrt nach dem Pareto-Kriterium erhöhen, so käme dies einem absoluten Schutz der jeweiligen Besitzstände bzw. einem Vetorecht für jeden einzelnen möglicherweise negativ Betroffenen gleich.“ (Kleinewefers 2008, 65) Oder mit H. Wiese gesprochen: „Freie Märkte sind eine wunderbare Sache.“[30] (Wiese 2014, 279)

Also basiert die Attraktivität des Pareto-Prinzips u.a. auf einem Werturteil. Wie Homann schon ausführte, wird Freiheit von ihm und vielen Ökonomen als höchster Wert angesetzt (Homann 2003, 125). Das führt J. Coleman weiter aus: „Individuals engage in transactions until it is no longer in the interest of at least one of them to do so. (…) In the ideal world of noncoercive markets (…) the exercise of liberty leads to Pareto-optimal states of affairs.“ (Coleman 1980, 540f.) Und gerade weil Pareto-Optimalität ein Ausdruck so verstandener (Tausch-)Freiheit ist und diese als Leitwert fungiert, halten viele Ökonomen dieses Prinzip hoch.

Nun wird das Pareto-Prinzip eben nicht auf politische Situationen angewendet, in denen es Gewinner und Verlierer gibt. Daher wurde zum Zweck der Politikberatung eine Debatte darüber begonnen, wie man Kriterien finden könne, die Aufschluss darüber geben, wann eine staatliche Maßnahme die gesellschaftliche Wohlfahrt erhöht. Dabei sollten die Einsichten, die Pareto bezüglich des Allokationsmecha|41|nismus gehabt hatte, möglichst gewahrt werden. Die Debatte um sogenannte Wohlfahrtsveränderungskriterien war eröffnet (Kleinewefers 2008, 45f.). Ein Kandidat war etwa das Kaldor-Hicks-Kriterium. Auf diese Debatte brauchen wir aber nicht eingehen, da wir bereits die eben benannten Voraussetzungen kritisieren werden.

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