Kitabı oku: «Dies Buch gehört dem König», sayfa 2

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Ja! so auf die Probe gesetzt zu werde, wo man sich selber rate soll, ohne daß einem irgendeiner widerspricht, das ist unangenehm; denn im Widerspruch, wenn er einem auch in die Quer kommt, liegt doch eine Entscheidung, man besinnt sich und weiß am End, was man tun soll, aber der Nachttau, von dem mein stolzer Lockenbau einsank, und alle Steifigkeit aus der Florgarnierung war zum Teufel gangen, und nun gar noch haus zu stehn vor dem Tanzsaal mit ringende Hände, nit wisse, wie mer enein solle komme! Dazu geigen die Violinen ein fürchterliche Krätzer ins Ohr. Nun der gute Rat war einmal nit geharnischt und beritten heunt; sogar kein Lust, Tabak zu schnuppe, hatt ich mehr, was mir immer nur in dene verwirrteste Gelegenheite widerfahren ist.

Aber jetzt paßt einmal auf und gebt mir recht, denn obschon meine Erzählung nur die auswendige Welt berührt, so hat sie doch Saiten, die klingen mit großen Weltgedanken zusammen, und fast jedes Lebensereignis gibt uns einen Anlaß, daß wir uns auf eine innere Macht besinne solle und mit der den Lebensweg getrost vorwärts schreiten. Was hilft mich’s, den Nachbar zu fragen, wie er an meiner Stelle denken oder handien würde. Ei wann der sich drauf besinne soll, so könnt auch das Schicksal es ihm passieren lassen; also mit meinen eigentümliche Anlagen muß ich die meinige Begebnisse durchfechte, denn sonst verzettel ich mein Lebenslauf, denn warum? es ist kein Halt drin. Und ein Landesherr stirbt, und es kommt ein anderer, und der fragt, wie hat’s mein Papa gemacht, und der hat’s wie der Großpapa gemacht, und der wie der Urgroßpapa, und wann stößt man da endlich auf einen, der’s aus eignem Gutdünken gemacht hat, und ein solcher war allemal ein großer Mann! ganz neue Anlage mußten dabei in ihm aufwachen. Denn Halt zu machen, dazu ist der Mensch nicht da im Leben, fertig werde kann keiner, jeden Augenblick, und wann es der letzte wär, kann noch was Wichtiges vorgehn in ihm. Was heißt das, ich bin schon zu alt, ich mag nichts mehr lerne! — Ei bist du nicht zu alt zum Atemhole, zum Essen, Trinken und Schlafen, so sei’s auch nicht zum Denken. — Wer hat dir dann das weisgemacht, du wärst zu alt? — Was ist alt? — Das ist eine Fabel, oder einer müßt dann Verzicht auf die Ewigkeit tun, wozu ich aber nicht Lust hab, Widerspruch gibt’s nicht in der Natur, sie ist konsequent in alle Dinge, so wird sie’s auch im Geist sein. Nun, wenn ein Baum blüht, so möge vielleicht noch andere Gründe vorhande sein, die wir jetzt nicht erörtern wollen, aber gewiß ist, daß ein ganz in die Augen fallender Grund der ist, daß aus der Blüt schönes erfrischendes Obst wird; der Natur ihr Ziel ist also das Leben, sie strebt immer nach dem Lebendigen, — so schön und luftig die Blütezeit ist, so muß man doch die Zeit, wo das Obst reift, am meisten respektieren! Denke doch einmal, sie steigt herauf, die Natur, in alle Baumzweigelcher, und so schön ihr die Blütezeit läßt, und so verliebt sie auch in ihre eigne Jugendschönheit ist, sie schüttelt sie sich ab, und nun arbeit sie eifrig in der heißen Sommerzeit, alles sammelt sie, den Regen, den Sonnenbrand, bis sie ihre Kirsche zustand gebracht hat, nun gibt sie’s dem Menschen hin; ist das nicht eine große Lehr, die sie gibt? — Heunt noch übersät mit den schönsten roten Korallen, schüttelt sie alle herab dem durstigen Mund; ist das nicht eine zweite gute Lehr, die sie gibt, daß wir alles andern schuldig sind und sollen gar nichts veruntreue den allgemeine Bedürfnisse, und wär aber das dem Wille der Natur nach gehandelt, wenn der Baum mit seim Ältervater seim Backobst sich behängen wollt, statt erst zu blühe zum Ergötzen der Menschheit und dann gesunde Früchte zu tragen zu ihrem Gedeihen? — Ei frag doch so ein närrische Kerl, warum er doch er selber ist? — Denn originaliter zu sein, das ist erst wirklich sein, und das macht erst die Zeit zum Gepräg!

Was hilft’s, daß so ein Gesicht von einem Landesherrn auf die Batzen geprägt ist, wenn er der Zeit seinen lebendigen Geist nicht einschmelzen kann, wann er ihrer harmonischen Stimmung fürs große Ganze immer mit der alt Leier den Garaus macht und jeden musikalischen Gedanken durchkreuzt und ein Scharivari draus macht? So geht’s aber, wenn einer von dene alte Hutzel und Schnitzel nicht lasse will und durchaus kein frische Äpfel will zulasse zu speise, aus Furcht, es möcht vom Baum der Erkenntnis sein! — Ach welche dumme Weisheit hat doch der Mensch! welche Streiche spielt ihm der Teufel! — Du sollst nicht vom Baum der Erkenntnis essen. Das spielt ihm der Teufel in einer kleine Komödie als ersten Akt der Weltgeschichte vor. Der Mensch muß selbst eine Rolle drin übernehme und sich dabei mit Schimpf und Schand aus dem Paradies hinausjage lasse, und noch heunt hunzen einem die Prediger auf öffentlicher Kanzel aus davor, und doch war’s nur ein Schabernack vom Teufel und nicht Schuld vom Menschen!

Ei, Gott wird einem ein Baum vor die Nas stelle mit wohlschmeckende Früchte und die größt Lust einem dazu erwecken und dabei auf Tod und Leben verbiete, sie anzurühren! Ei, wär das nicht Ja und Nein von dem Herrgott gesagt?

Wenn Gott den Baum wachse läßt, und du hast Appetit auf sein Obst, so speise vom Baum der Erkenntnis, so würde zum Beispiel die Sachsenhäuser urteilen und zwar mit Recht, denn alles, was du genießt, muß zur Erkenntnis werden in dir, sonst hast du nicht moralisch verdaut, und alle Früchte, die du aus dir selber reifst im Verstand und im Herzen, die sollen aus dieser Erkenntnis hervorgehen und sollen wieder Früchte der Erkenntnis reifen in den andern, und die ganze Menschennatur soll ein blütevoller und schwer mit Früchte beladener Erkenntnisbaum sein, und so ein Landesvater soll wie ein guter Wirt vom Apfelwein, wenn er die Apfelbaumallee nach Oberrath und Offebach zu gepacht hat, alle schleifende Baumzweig unterstütze und acht gebe, wann der Sturmwind in der Geschichtswelt daher gesaust kommt, daß diese mit Erkenntnisfrüchte beladne Baumzweig nicht knacke und breche von ihrer Wucht oder ihre schöne Früchte müsse fallen lassen, eh sie reif sind, wo sie dann Futter werde vor die Schwein, aber kein seelenerquickende Genuß geben: ja wer weiß, ob wir nicht selbst eine Gattung Gedankenbäum sind, die ihre Früchte tragen für andre Wesen, die in einem Element wohne, was wir nicht gewahr werde, so wie das Kirschenwäldche seine Herzkirsche für die Frankfurter Bürgerschaft trägt und auch nicht den Menschen gewahr wird, der da kommt und seine Frucht abbricht und genießt. Doch kann man das nicht genau wissen, es kann leicht sein, daß der Baum sein Gärtner kennt, der ihn großgezogen hat. Daß ein Baum dem eine Gärtner lieber folgt wie dem andern, davon hat man die deutlichste Beweise, einem Gärtner vor dem andern gedeiht alles, da mag sich einer spät oder früh plagen, hat er die gesegnet Hand nicht, die dem Sträuchelchen die Blume herauslockt, so ist seine Bemühung umsonst.

Nun machen wir den Schluß so weit, nämlich daß, wann die Natur immer einen Zweck hat, auf den sie lossteuert, der Mensch auch einen hat, und wenn ich das Klaglied hör, — ich bin schon zu alt, so muß ich mich betrüben über den Unverstand, bis zum letzte Augenblick, als Gott einem die Geistessonn auf den Gedankenbaum scheine läßt, solle die Gedanke auch sich dran sonne und reifen, und daß es nicht umsonst ist, das beweist uns schon, daß es dem Menschen keine Ruh läßt, alles wissen und fühlen zu wollen, alle Arte von Erfahrung machen zu wollen. Ei, unser Herzog Karl von Weimar hat als so ein junger Fürst, als er war, immer die größt Begierd gehabt, alles zu verstehn. Wie oft hat er zu meinem Sohn gesagt, nur eine vierundzwanzig Stund möcht er in der Holl sein, um alle Erfindungen zu sehen, die von dem Teufel gemacht werden, um sich zu frischieren in ihrem Backofen, und wie sonst ihre Zeit sie zubringen, denn von den Himmelsbewohner wissen wir, daß sie mit Musik sich die Zeit vertreibe, mit Hosiannasinge und Halleluja, was nicht besonders lauten müßt, wenn sie nicht so perfekt wären in ihrem Gesang, wie das vorauszusetze ist, weil sie ewig dasselbige aufspiele, daß sie’s vielleicht durch Verfeinerung dahin gebracht haben, daß man sich daran gewöhne kann. Gottlob, die Gewohnheit macht manches erträglich, hab ich mich doch an die verflucht Plump gewöhnt, die in eim fort da vor der Tür greint, wo alle Nachbarsleut Wasser dran hole, so daß, wenn sie an so einem Tag, wo ein Volksfest ist, wo alle Leut aus der Stadt laufe nach der Pfingstweid am Kringelbrunne oder auf den Schneidwall oder ans Stallburgsbrünnche, still steht, so denk ich, was fehlt mir dann heut? — und dann wird mir’s als so trocken in der Kehl, als ob ich für alle Leut Durst haben müßt, ich schick herunter und laß eine Bouteille Wasser nach der andern hole, damit ich die Plump gehen hör, so wird Gott sich auch daran gewöhnt haben, daß es ihm ordentlich ungewohnt sein mag, wenn die Lobsänger eine Pause zu machen manchmal genötigt sind. Ob sie sich selber dabei amüsieren, das ist gar keine Frag, denn wir wissen, daß ihnen die Zeit gar schnell vergeht, denn die Heilige und Prophete, die in den Himmel verzückt waren, die haben oft hundert Jahr und länger damit zugebracht, und als sie wieder aus ihrem Himmelsversatz herauskamen, da waren die hundert Jahr herumgelaufen wie ein Augenblick; solche Streich spielen einem die himmlische Freude, aber auf die war der Herzog nicht lüstern zu machen, denn so kurz das war, so war es ihm doch viel zu langweilig, nur nach denen höllische Unterhaltungen hat er gelungert, und da könnt ich ihm hundertmal mein Beispiel mit der Plump vorhalte und mahne, die Gottseligkeit nicht ganz zu beseitigen, damit hat er mich ablaufen lassen. Warum erfinde sich die Engel nichts Gescheuteres, hat er gesagt, damit könne sie kein Hund aus dem Ofen locken, aber wohl hineinjagen, und nun gar der Weihrauch, da will ich lieber dem schlechteste Bauer sein schlechte Kneller riechen.

Der Herzog konnte nun überhaupt kein Weihrauch leide, er liebt die Schmeichelei nicht, er meint, man könne nie mehr wie seine Schuldigkeit tun, er hing an dem merkwürdige biblische Satz: »Und wenn du alles getan hast, so bist du doch nur ein unnützer Knecht.« Und er sagt, er wär bloß neugierig, um der Menschheit durch das, was er lernt, nützlich zu werden, und so möcht er nichts lieber, als nur einmal ins Kindbett komme, damit er wüßt, wie das tät, ich sagt, das Pläsier würde wohl mit dene Hölleunterhaltungen akkordieren.

Sehn Sie, so ein neugieriger Landesherr ist unser Herzog von Sachseweimar in seine junge Jahre gewesen, und er ist es noch, und ich stehe dafür, daß er gar manches erfahren und sich zu eigen gemacht wird haben, was kein anderer ahnt. Dafür könnt ihm aber auch kein anderer was weismachen, meint er. Ja, Gefahr und Not und Angst wär einem am End noch der best Lebensgenuß, wenn man’s überstände hätt; ein Soldat freut sich über die Feldzüge, die er gemacht hat, ein Seemann freut sich über den Sturm, den er erlebt hat, und genug, es ist kein Ereignis und Schicksal, was sich nicht auch in eine Nahrung der Seele reifte.

Ja, das sind so Anschauungen und Prinzipien, die könne nur allein aus einem edlen vollkommen feurigen Gemüt hervorgehen, aus einem, der’s verdient, ein Fürst zu sein, weil er’s nicht scheut, sich und sein Volk dem Welleschlag des Zeitenstroms preiszugeben, wovor die andern all wie die Hasen ausreißen, aber das ist allemal verspielt, und der Herr wie der Untertan sind da beide die elende Sklaven des Zufalls und werden gewöhnlich zermalmt, wenn der reißende Strom einmal plötzlich den Damm durchbricht und mit einer viel gewaltigere Wut auf solche unbewaffnete, im Vorurteil versunkne geistlose Naturen eindringt, als daß sie sich besinnen könnten, wenn sie auch Erfahrung hätten. Die haben sie aber ohnedem nicht, so geht denn Zeit und Ereignis und alles an ihne verloren und zum Henker, bloß weil sie sich fürchte, was Absonderliches zu erleben.

»Aber!« sagte der Herzog, »nur das Absonderliche ist Erlebnis für die feurige lebendige Gemüter. Todigen Menschen aber macht’s Leibschneiden, und da sitzt so ein toter Furchthas und hält sich als den Bauch und krümmt sich, bis die Zeit wieder ruhig ist, und schwitzt seinen Kamilletee darzu, während ein Erlebter und Durchlebter wie ein Fisch im Wasser drin herumschnalzt.«

Man könnt das Schicksal mit einem Baum vergleichen, der lauter Früchte reift, um die Seel mit zu nähren. Denn einer, der diese Kost der Drangsale nicht scheut, der wird auch seinem Schicksal gewachsen sein, es zu verdauen.

Aber einer, der kleinlich genug ist, sich vor allem zu fürchte, was hilft es dem, wenn das Meer erbraust in Geburtswehen, und wenn da plötzlich die Inslen der Freiheit neu geboren, und die also gewiß auch keinen Herrn haben, vor seine Augen aus dem Meeresschoß hervorkommen, er wird sich ja fürchte, sich frei zu fühle, und wenn ihm das Herz auch zittert vor heißem Verlangen. Und er wird über den Erdboden auch nicht sich erheben, denn er fürchtet sich vor dem Aufrauschen seiner Flügel, und wird endlich erstarren im Gefühl des Unvermögens, und die Inslen und Meere und blühende Gärten, ja die Welten alle der Geisteskraft, die gehen wieder unter, und das prächtige, aufgeklärte, mit volkreichen Städten prangende Europa, was soll das ihm, und was soll einem solche die Unsterblichkeit, denn er fürcht sich ja vor ihr, er fürchtet sich vor ihrem schimmernden Licht, und seine Gedanken, sie werden nicht am Wolkenfußschemel des Allgeistes anklingen. Was kann er da für sein Volk tun, das so laut, so kräftig und so aufrichtig zu ihm gerufen hat; ja es gehört Mut zur Unsterblichkeit. Alert muß einer sein, denn sie ist kein Schlafmütz, sie ist Allebendigkeit. Aber die Eier, die der Osterhas am Auferstehungstag ins Gras legt, davon kann sie sich nicht erhalten. Bequemlichkeit, Selbstzufriedenheit, Genügsamkeit und wie die überflüssige Bausteine des Glücks all heißen, von denen der Mensch meint, daß sie ein Beweis wären für seine moralische Gesinnungen und ein Lohn dafür, daß er auf dem Weg des Herrn wandle. Ja dergleichen ist für den nicht mehr brauchbar, der der Unsterblichkeit sich hingibt und dem großen Genius vertraut, der ihn mit sich erheben soll, ein solcher sieht wohl ein, daß Glück, was den Menschen seßhaft und preßhaft macht und an der Scholle fesselt, ihn durchaus nicht weiter fördern kann. Und drum kommt mir’s auch immer lächerlich vor, wenn man einem Fürsten seine Regententugenden danach abwägt, wie er seinem Volk hat irdische Glücksgüter und Vorteile zugewendt. Laß erst einmal ein Fürsten sein, der diese Schneiderkünsten, sich Lappen und Flicken anderer Länder anzunähen, verachtet, der bloß durch seinen Geist die Oberhand behält, durchgreift durch alle politische Künste dieser fürstlichenAllmeine, indem er die verlornen Rechte der Menschheit wieder einsetzt; und für ihre Würde kämpft. Nun was ist denn Menschenwürde? Daß er allem irdischen Glückswechsel gewachsen sei, also daraufkommt’s nicht an, daß man vollauf besitze, was die Not einem entbehren lehrt, sondern auf die freudige Ausdauer im Wechsel der Geschicke, und wenn ich erst den Fürsten sehe, der sein Volk mit sich zusamt erzogen hat auf die freudige Ausdauer im Mißgeschick, dann will ich ihn loben; denn warum, er hat den Geist verstanden, daß dem das irdische Glück überlästig ist, und daß der erstickt im Daunebett des Wohllebens, das ihm über dem Haupt zusammenschlägt, daß er vor lauter Glücksunrat nichts mehr hören und sehen kann.

Wer nicht an die Unsterblichkeit glaubt — wie ich denn weiß, daß die superkluge Menschen als so was denken, dem sag ich, sie will errungen sein, und das ist die Faulheit im Menschen, die das leugnet. Die Unsterblichkeit erringen bei den vielen andren Versäumnissen, die man schon machen muß, wo kommt die Zeit her? fragt ihr — und doch ist’s nur Unsterblichkeitsdrang, der den Menschen ins Leben fördert. Eine Seele würde sich dem neunmonatlichen Gefängnis im Mutterleib nicht unterwerfen, wenn sie nicht sich gedrungen fühlte, in diesem menschengebornen Leib ihre Unsterblichkeitsbefähigung zu entfalten. Aber die wahre Unsterblichkeit, das ist der reine große furchtlose Menschensinn, der nicht am Irdischen hängt. — Und ich geb’s zu bedenken, daß es kein Rätsel, sondern eine große Dummheit wär, zu glauben, all die Einrichtungen der Natur, die dem guten und gerechten Menschen seine Seel reifen, so daß, der als kleines unverständiges Kind auf die Welt kommt, jetzt als großer Held an den Pforten der Ewigkeit steht! Daß diese Laufbahn umsonst wär? — Hat Gott so ein jung Leben genährt und geschützt, und zwar, damit der Geist soll in ihm Wurzel fassen und blühen und Früchte tragen, so ist das nicht, daß er am End die Menschheit wie eine Mücke totschlägt, die ihn inkommodiert. — Man sagt zwar, Gott hätt die Welt in sechs Tag gemacht und am siebenten Tag geruht, da wär also die Versäumnis nicht zu rechne, zumal die Ewigkeit ohne End sieben Tag liefert, wenn er aus Schöpfungsdrang die ganz Menschheit als wieder einmal in Lehmepatzen zusammendrückt, um nach einem so langweiligen siebenten Ruhetag in den Lehme hineinfahren zu könne und drin herum zu kneten bis über die Ellenbogen, was ich aber für Narrheit halte, und aus mehreren Gründen, denn einmal ist keiner dabei gewesen, der’s gesehen hat, daß der Gott sich eine Woch lang mit der Schöpfung abgeäschert hätt, — zweitens hat sich’s also einer unterstände, das zu behaupten, was er doch nicht von unserm Herrgott hat vertraut kriegt. — Ein solcher hat es also der Menschheit weisgemacht, und die hat’s fest geglaubt und wird’s noch glauben. Aber auch das hat sein Nutzen, nämlich daß die Menschheit endlich gewahr werde muß, wie sie sich alles weismachen läßt und fest und steif dran hält, als ob der Gott ihr nicht selbst den Verstand ins Herz gelegt hätt, zu denken? — als ob der Geist nicht dadurch allein, daß er die kühnste Dinge voraussetzt, endlich auf die einzig wahrheitdurchdrungne Position komme sollt, nämlich auf den Begriff, der bloß durch dem Geist seine Freiheit kann geboren werden.

Ich will gern glauben, daß, was Menschen sich einbilden oder erfinden, eine Basis der Wahrheit muß haben, denn warum? — sie sind dazu geführt worden dadurch, daß ihre Unbewußtheit nach Bedürfnis sich in ihrer Anschauung hat ausgestreckt. Da sind denn endlich die Fabeln ihnen auch Wahrheiten geworden. Und was den Aberglauben betrifft, der eigentlich der Garderobemeister ist von diesem Mummeschanz des menschlichen Geistes, so wird den die allgewaltig Zeit schon unter seinem Plunder ganz sanft zu Grab bestatten. Aber zu lang muß es auch nicht dauern, daß man den gute alte Hans über der Erd läßt, um seine Furcht zu respektieren vor dem Lebendigbegrabenwerden. Wann’s anfängt in die Luft zu steigen wie Verwesung, was soll man da noch lang Bedenken tragen? Wissen wir nicht, daß dies der Gesundheit unerträglich ist? Also fort mit dir, wie vergnügt sind wir! — Nein, der Glaube soll kein stehender Sumpf werden für die Denkfähigkeiten, daß die am End drin verwesen und verdumpfen.

Also nennt das nicht Aberwitz, daß ich an die sieben Schöpfungstag nicht glauben will. — Denn wer über eine Sach nachdenkt, der hat allemal ein größeres Recht an die Wahrheit, als wer sich von einem Glaubensartikel aufs Maul schlagen läßt. — Ich möcht wissen, ob die Wahrheit nicht eher dem sich hingibt, der mit Eifer um sie wirbt, als dem, der ihr den Rücken dreht und sagt: »Nun ja! es ist schon gut, alles ist abgemacht im Glaubensartikel; belästige mich nicht mit deine Wahrnehmungen, die du mir aufdrängen willst; — ich hab schon Müh genug, an den ewigen Wahrheiten festzuhalten, käme mir nun gar noch Zweifel, so hätt ich kein Brett, ja kein Strohhalm, um mich in dem schwankenden Meer festzuhalten!« — Ei Narr, warum willst du dich festhalten? laß los, du kannst allein schwimmen, aber lern deine Glieder bewegen, und helf dir, und seh, was das für eine Selbstheit erwirbt, wenn man alles lernt berühren und um-und umdrehen von allen Seiten. Ei, die Natur gibt auch nicht alles von selbst hin, nur das Notdürftige — das andre muß man alles erwerben. — Die große Chemiker haben ihr gar sehr müssen unter die Augen sehen, ehe sie ihren Blick verstanden haben. »Schelm!« haben sie als gesagt, »du hast uns wolle was weismachen, aber wart, wir wollen dich schon fassen.« Nun, und da haben sie immer mit neuem Eifer und mit ewige Zweifel über das schon Festgestellte wieder von vorne angefangen, und grad diese Zweifel sind ihr Ruhm geworden. — Also sollt man beinah glauben — alles, was als Glaube festgestellt ist, das wär da, um seine Zweifel dran auszubilden und zum Selbstdenker sich umzuschaffen. Ich bin in meiner Jugend in einem Verein gewesen von einer christlichen, die biblische Wahrheiten in ihrem Lebensumgang verwirklichende Sekte. Es war der Erfahrung wert, zu sehen, von welchem beschränkten Gesichtspunkt wir unserm Schöpfer Himmels und der Erden da haben zugesetzt, was wir da all um des ewigen Heils wille uns zugemut haben, zu tun und zu lassen. Man mußt ein Pinsel oder ein Narr sein dazu. Und ich will’s mit Stillschweigen übergehen. Aber wahrhaftig, hörte einer einen Hund bellen in der Nacht, ohne daß sich ein Lärm sonst spüren ließ, so käme einem die wunderlichste Gedanken, als ob es nicht allenfalls der heilig Geist könnt gewesen sein, der in der Mitternacht über den Hof wär kommen und hätt einen Besuch wolle abstatten und die Hund (unserer war noch derzu ein schwarzer Spitz) hätten in der Luft ihn gewittert und verscheucht. Solche Träumereien kamen vor in unsern Konventikeln, alle Augenblick hatte eins ein solch Fabelchen halb erfahren, halb erdacht und eingebildt, das bracht er vor, um die andern mit zu erbauen. Und glaubt man’s oder nicht, es geht von Mund zu Mund, und man kreuzt und segnet sich dabei und denkt an die gottlose Zeiten, wo der heilig Geist nicht einmal unberufen ein Viertelstündchen bei einem brüten kann. So geht’s aber mit all dergleichen; man behaupt’s, aber man glaubt’s nicht.

Nur Wahrheiten kann man glauben; aber die kann man auch nicht leugnen, man sitzt mitten drin, als wär man hineingeboren, da wirft der Geist den alten durchlöcherten schmutzigen Madensack des Aberglaubens ab und bewegt sich frei im Geniusgewand der Wahrheit, dieses aber besteht nicht aus einem wollnen Unterrock und Holzpantoffeln der Demut, nicht aus einem Kapereinchen ohne Garnierung, und auch nicht aus West und Hosen und Überrock ohne Knöpf und einer rundlockigten Perück. Nehmt’s nicht übel, Hose trägt der Genius nicht und kein grobwollne Unterrock. Seine Montur besteht lediglich in ein Paar ungeheuere mächtige Flügel, mit vollen warmen Daunen der Menschenlieb, mit denen er zu den Bergen sich aufschwingt, wo er die allbelebende Sonn kann heraufkommen sehn, und kann sich satt trinken in ihrem Licht zum Morgengruß, und dann sich erheben und nicht scheuen, hinauf über die gewittertürmenden Wolken sich empor zu tragen. Ha! was kann den starken Fittich brechen dem Luftschiffer, der’s verachtet, etwas ins Aug zu fassen, was unter ihm ist, der einer himmlischen Küste zusteuert. »Aufwärts, aufwärts, zu dir, alliebender Vater!« — Da müßte man doch berechnen, daß es Himmelskräfte gäb, die ihn wieder niederdonnern. Aber was hat er denn verbrochen, daß Gott sollt Alarm blasen lassen gegen ihn? — Denkt ihr euch den Gott nicht besser wie euch selber, die ihr alle Augenblick einen Prozeß habt um einen Grenzstein? — Ach nein! Alles Mein und Dein ist eigentlich nur Täuschung, in der die irdische Menschheit und vorab die Fürsten befangen sind. Die, sag ich, vorab, weil ihre geistige Anschauungen über das Wohl der Menschheit immer eine so allgemeine sein muß, daß Grenzen von Mein und Dein dabei gar nichts bedeuten. Ihr versteht mich nicht? — He! — Laßt euch sagen: — Der Mensch hat einen Leib! — Der Fürst im geistigen Sinn genommen hat auch einen Leib. Das ist sein Volk. Wie käm’s euch vor, wenn der Nachbar von euch wollt das Terrain seines Leibes ausdehne und wollt euch ausmerglen, um sich selber fett zu machen? — Nicht besonders schön und edel, und zu riskieren wär, daß er durch diesen unverschämten Unverstand seine Gesundheit, all seine leibliche und geistige Fähigkeiten, verliert. Seht ihr nun, im höhern geistigen Sinn gilt nichts von Mein und Dein. Wie sollte also Gott den Menschengeist zurückdrängen wollen, der im Geniusgewand, also im bräutlichen Gewand an sein Gastmahl tritt?

Aber wo versteig ich mich hin? Von meiner Enttäuschung über meine Sekte, die gar nicht durch ein himmlisch Donnerwetter, sondern durch eine Nachtmütze ist bewirkt worden, und woraus man schließen kann, daß selbst das Geschick ökonomisch mit denen Werkzeuge seiner Macht umgeht, und daß, wann es einen Floh will knicken, es nicht den Berg Ossa auf ihn fallen läßt. Die Sekte, die hier in meiner liebe Stadt Frankfurt wie die Gretel im Busch aufgeblüht war, mitten im Luxus von den Reifröcken, Paniers, Andrieng, cu de Paris, Fontangen, Merluchen und wie die bizarre Modenamen all zu nennen beliebt werden. Die war nach Art der Quäker; man durfte keine Schminke tragen und nichts von titulierten Kleidung s stücken.

Zusammenkünfte wurden gehalten, darin wurd gesungen und gebetet in einer schläfrig näselnde Weis, worüber ich meine Ungeduld kaum bezwingen könnt, auch Inspirationen, vorab gingen die immer darauf aus, wie das Verhältnis vom Himmelsregiment wär. — Mir wollt darüber nichts einleuchten, ich mußt schweigen, wenn die andern ihr ungereimt Zeug vorbrachten, das war mir unangenehm.

Einmal waren wir über Land gefahren, um in einem Landwirtshaus eine Zusammenkunft zu haben, es war im Frühjahr; bis wir all uns versammelt hatten und in einer Reih dem Tor hinaus gefahren, hatte sich die Zeit verlaufen. Wir rechneten auf den Mondschein, der kam sehr bald und beleuchtet uns das Ziel unserer Reise. Das war eine lange eiserne Stang, die sich ausstreckte vom erste Stock am Wirtshaus, woran das Schild hing. Wenn der Wind ging, so bambelt das Schild hin und her. Wir fahren über einen großen Anger im Abendwind, wir sehen in dem im Mondschein verscheidenden Tagslicht etwas Weißes schweben, was sich von dem schwankenden Schild durchaus nicht entfernen will. Die Wagen halten still, um ihre Bemerkungen zu machen, wer rät nicht auf den heiligen Geist. Voller Verwundrung, daß wir endlich einmal mit leiblichen Augen etwas sehen könne, was der Einbildungskraft zu Hilf kommt, fahren wir auf besagten heiligen Geist los, den wir da um das Wirtshausschild herum schwindlen sehn. Wir fahren in einem Bogen um das große Wiesegeländ herum auf eine Brück zu, so daß wir den heilige Geist am Schild immer im Aug behalte.

Alleweil kommt eine Wölk, die den Mond verbirgt, sowie er durchpassiert ist, sehn wir auch den heilige Geist wieder und hören einen gewaltigen Tusch von Pauken und Trompeten blasen, er schwingt sich hinauf aufs Bierschild, als wollt er von dem volle schäumende Becher, der drauf gemalt war, nippen. Wer denkt da nicht an dem Apelles seine gemalte reife Trauben, nach denen die Vögel auch so lüstern waren, daß sie mit ihre krumme Schnäbel ihm habe die gemalte Leinwand durchgepickt? — Doch im Näherrücken will uns die Phantasie nicht mehr so herzlich dienen. Wir wollen gar zweiflen, wir leiden Anfechtung an unserm Glauben, der Teufel spiegelt uns vor als wär’s eine Nachtmütz, keiner mag’s dem andern bekenne.

Ja wie toll, sich einzubilden, eine Nachtmütz könnt da an der lange Stang vorne am Haken hängen und herumschwippe, bald unten, bald oben über dem gemalte Bierglas. Dummer Lügen braucht der Teufel sich nicht zu bedienen, um einem aus dem Port des Glaubens, in den man glücklich eingelaufen war, wieder hinauszustoßen auf das stürmende Meer des Unglaubens! Es war aber doch eine Nachtmütz, ein vor Freude trunkner Bräutigam, der da seine Hochzeit feierte mit einem schöne Bauerndirndel, der hatte im Übermut seine Nachtmütz hinausgeschwungen, und dort blieb sie zum Wahrzeichen hängen einer pläsierlichen Hochzeitsnacht, und die Musikanten haben die ganze Nacht da Schelmeliedercher musiziert, und sooft der Wind die Mütze herumdrehte, so haben sie Tusch geblasen, und der Wirt meint, sie sollt hängen bleiben bei Wind und Wetter bis übers Jahr. Von unserer Vision war die Red nicht mehr, wir wurden wegen unserer schlichten Kleidung gleich recht herzlich eingeladen und tanzten die ganze Nacht durch in einer gemischten Gesellschaft mit den lustigen Hochzeitgästen herum. Unsere Andacht war auseinandergeflogen wie Spreu, und von dem Datum an hat die Brüderschaft ein stillschweigend End genommen. Und wir wollen auch vor heut ein End machen, wir haben uns vergaloppiert in allerlei Nebenerzählungen. Ich wollt eigentlich dartun, warum ich an die sieben Schöpfungstag nicht glaub. — Aber das wollen wir auf ein nächstes Mal versparen, wo ich auch meine Geschieht auserzählen werd, denn für heut hab ich genug geschwätzt.

An einem schönen Sommerabend vor dem Schaumaintor, nicht weit von dem grünen Platz, wo der Kringelbrunnen steht, erzählt die

Frau Rat weiter:

Kann mir einer sagen, wo wir geblieben sind? — »Im Garten im Mondschein.« — Ja, ja, ganz recht, aber was haben wir da verhandelt? — Denn sonst wär meine Geschieht gleich aus, wenn ich wie die große Herrn mit Relaispferd durchsause wollt, ohne die geringste Erfahrung zu machen unterwegs, ohne die geringste Entdeckung oder Bemerkung als bloß, daß es wie der Wind über Stock und Steiner hinausgeht! — Nein, wir fahren mit einem Zauderer — der alle Viertelstund ein Schnäpschen nimmt und alle Anrand Futterung hält. — So bin ich einmal nach Heidelberg gefahren mit siebenzehn Futterungen und einundzwanzig Schnäpse und hab doch Geduld gehabt; so muß man mit der Frau Rat auch Geduld haben, und heut hab ich grad Lust nach einem kleinen Räuschchen; denn von den Wirklichkeiten ist so nicht mehr viel zu erzählen — nur noch von denen Einbildungen.

Aber erst muß ich mich über die sieben Schöpfungstage ausweisen, warum ich an die nicht glaub, denn weil man sich so in der Stadt erzählen wird — denn es haben es zu viele Ohren gehört, als daß es nicht sollte verdreht werden — daß die Frau Rat ein Atheist wär und nicht an jenen unter den Christen ausgemachten Ursprung von Himmel und Erd glaubte, so will ich — ehe ich an unserer Erzählung fortbau (denn die werd ich auch nicht im Stich lassen) — doch auch Gründe und Ursachen darlegen, nach denen man überlegen mag, ob ich vielleicht recht haben könnt.

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