Kitabı oku: «Dies Buch gehört dem König», sayfa 3
Bei mir ist ein Grund eine Verschiedenheit von einer Ursach. Zum Beispiel: Ein Grund wär bei mir, daß ich durchaus nicht leiden kann, etwas als gewiß wahr anzunehmen, was nur aus menschlichem Urteil hervorgegangen ist, denn warum hat der Mensch sichs einfallen lassen, etwas als Wahrheit festzustellen? — Etwa weil er nicht mehr aus und ein weiß über seine viele Vorder- und Nachsätz, die er all hat aufgebunden kriegt, und weil er es eben nicht besser sich vorstellen könnt? Das ist aber noch gar keine Beweisführung, daß ich mir nichts Bessers denken könnt! — Und warum hätten wir die vielen Spekulationen im Kopf, wenn alles schon ausgedacht und nichts mehr zu besinnen wär? — Da wären also die ganzen Denkfähigkeiten umsonst uns im Kopf wie eine grüne Saat aufgegangen, und der Weizen, den sie trägt, der wär für die Feldmäus allein? — Ich frage? —
Nun mag’s sich einer überlegen, für mich gibt’s nichts zu überlegen; ich bin davon überzeugt, daß man seinen Verstand brauchen soll wie ein gutes starkes Pferd von einer feurigen Rasse und über Stock und Stein dahinrennen und vor so einem Schlagbaum von Glaubensartikel nicht umwende. — Nein? — Die Sporn eingesetzt und — drüber hinaus als fort in eim Feuer mit deinem Geist dem himmlischen Erzeuger in die Arme. — Und wenn ich nun bei dem allwissende Schöpfer herangeprallt käm, und es wär allenfalls doch wahr, daß Gott die Welt in sieben Tag gemacht hätt, was meint ihr dann, daß Gott mich dafür strafen würde, daß ich das nicht im Leben hätt glauben wollen? — Wenn er in meinem Herzen herausforscht, daß ich aus bloßer Lieb zur Weisheit diese Nachgedanken über die Schöpfung gehabt hätt? — Er würde lächeln und sagen: Du närrisch Menschlein bist auf einem Holzweg, denn ich hab wirklich die Welt in sieben Tag gemacht. Und so könnt er vielleicht fragen um die Ursach, daß ich bei Lebzeiten mich wehrte gegen den allgemeinen Glauben. Nun, eine Ursach ist, wie gesagt, schon ganz anders als ein Grund, der kommt aus einem natürlichen Trieb her, der in der Seele ihrer eigenschaftlichen Natur liegt und an allem Leben und Weben derselben teilhat; und der soll heilig gehalten und gepflegt werden, und da soll ein jeder immer Kind bleiben und sich diesem Seelengrund hinopfern. — Und all das Pädagogenwesen ist nichts, der Emil vom Rousseau bis auf den Herrn Haberlein, der in unserm Haus Präzeptor war und manch pädagogisch Vorlesung gehalten hat und hat als gemeint, ich sollt mich mit meiner Erziehung danach richten. — Aber die unwiderstehliche Gründe der menschlichen Natur waren in meiner Seele zu stark, die haben mich einen andern Weg einschlagen lehren. — Man muß das Kind leiten! Man muß es leiten und ihm im Glauben und Religion eine Stütze bilden, daß es nicht falle.
Nun frag ich einen Kriegsfürsten zum Beispiel, wenn er sich ein gut Regiment heranziehen will, wird es ihm angenehm sein, wenn dies Regiment in schönster glänzender Uniform vor ihm steht, mit einem Hakenstock, um sich festzuhalten, mit Krücken, um nicht auszurutschen, mit einem Ruhesessel für den heiligen Sonntag, mit einem Weihwasserkessel, um sich die bösen Geister aus dem Weg zu spritzen, ja mit einem Kasten, um sich drin einzuschließen, damit sie ihm über Nacht nicht gestohlen werden, und, mit Respekt zu melden, mit einem geheimen transportablen Örtchen für die Bequemlichkeit und den Anstand? —
Nun, ein jeder gesunde Menschenverstand wird sagen: Ein solch Regiment wird den Feind nicht aus dem Sattel heben, und der gute Kriegsfürst kann sich heimgeigen lassen mit seinen Eroberungen. Warum soll das aber für den Allgeist grad recht sein, für den großen Herrscher in und über allen Seelen? —
Ei, können wir denn wissen, ob unser Gott nicht ein Kriegsgott ist, der die Menschheit beherrscht, um eine kriegerische Nation aus ihr zu bilden? — Und soll der mit einer Bildung sich zufrieden stellen lassen, die die menschliche Afterweisheit für gut findet und keiner auch zum geringsten irdischen Geschäft brauchbar machen kann? — Dann denk sich einer so einen zusammengestülpten Krückenkerl in der gewöhnlichen Welt, ei, kein Zimmermann könnt einen Balken von ihm lassen richten, viel weniger, daß er eine Kanon lösen könnt, er fiel ja um!
Nun, geistig wird’s nicht änderst sein. Ein Verstand, der die Füß in einem Sack stecken hat von Vorurteilen, der kann nicht nach dem Ziel laufen. — Oder auch nur, wenn er seine Füße, wie es der Anstand lehrt, nach der ersten, zweiten und dritten Position setzen will, der kommt nicht vorwärts!
Freiheit in alle Glieder ist die Hauptbedingung von einem tüchtigen ausgebildeten Soldaten, ein tapferer Schütze, ein Held muß in alle Knochen seine Kraft spüren; ebenso ist’s auch mit dem Geist, wie soll der Gelenkigkeit kriegen, wenn er seine Glieder nicht regen kann.
Jetzt also ist auch schon eine Ursach da, warum ich nicht an die sieben Tag der Schöpfung glauben will, nämlich weil es eine Fessel wär für meine Geistesfreiheit, mir etwas anders zu denken, was mich vielleicht näher mit meinem und der ganzen Welt Schöpfer zusammenbrächt. — Und warum ich’s dann grad gegen die sieben Schöpfungstage hab, könnt einer fragen und könnte mir da einwerfen, daß es doch auf die Geistesfreiheit keinen so gewaltigen Einfluß hätt, ob die Schöpfung tagweis oder in kurze Momente oder wie es auch sei, hervorgekommen wär, genug daß sie da ist und daß wir in ihr leben. — Aber darauf hab ich zwei Dinge zu antworten, erstens: Daß es ganz einerlei ist, welche Geistesfessel man zuerst abstreifelt, und weil es grad das erste war, was in der Bibel mir aufgefallen war, weil es doch gar zu lächerlich ist, etwas glauben zu sollen, wovon kein Mensch Rechenschaft kann geben, weil niemand dabei war und auch keiner behaupten will, es wär ihm offenbart worden. Wenn jetzt einer kommt und sagt, ich bin da oder dorther, was er doch wissen kann, mein ich, da heißt’s gleich: Ich glaub dir’s nicht, du mußt erst Leib und Seel verschwören, daß es wahr ist, und einstweilen wirst du in Prison gesteckt, bis wir heraushaben, ob du gelogen hast.
Nun, das ist doch eine Kleinigkeit gegen die große Wahrheiten, welche nicht das Zeitliche, sondern das Überirdische betreffen, und die natürlich hinter jeder Lüge verborgen sein müssen. Denn was ist eine Lüg? — Ein Vorhang vor der Wahrheit. — Geh hin, heb den Vorhang auf, er ist nicht von Gottesgeist, er ist von Menschenvorurteil zusammengewebt. Also nur keck drauflos! — es ist keine Sünd, nach der Wahrheit mit ernstem Willen zu forschen. — Oder war das Ingenium des Menschen vielleicht der Apfel vom verbotnen Baum? — Mag’s wie’s will, in dem Stück bin ich von den Freigeister und freß meinetwegen alle Äpfel auf, denn sie schmecken köstlich und erquicken, wie es dann natürlich sich einbilden läßt, daß eine Paradiesesfrucht schmecken muß!
Nun, darum eben hab ich mit den Schöpfungstagen den ersten Versuch gemacht, weil sie in ihrer ganzen Verkehrtheit weniger in groben Prätensionen sich einem aufdringen, und weil es einerlei ist, bei welcher Gelegenheit man den Geist lehrt, auf seine eignen Füß stehen. Und vielleicht auch, weil ich mit der Beleuchtung von einer andern Bezweiflung nicht so leicht die Maut passiert wär vom Seelenskrupel, aber an denen sieben Schöpfungstag läßt man eher die Mäus und Ratten ein bißchen herumnagen, man hält’s für so ein alt Castrum doloris der Geschichte; alles ist dran vergilbt und veraltet, ein Wust von Staub und Spinneweb hängt drauf, es wird so nicht oft mehr im lebendigen Glauben in Anwendung gebracht. Was soll man weiter mit, wenn’s auch wackelig wird, die Erschaffung wird darum doch bleiben. Aber wär ich nun wider einen andern alten Zopf widergerennt und wär der auch gleich in Scherben zusammengefallen, daß es augenscheinlich sich ergab, es war nichts dran zu halten.
»Was? Sie wollen unsern Teufel angreifen, Frau Rat? — ohne den doch kein Halt in der Religion sein kann, nein, den können wir uns nicht nehmen lassen, er fehlt uns in allen Ecken.«
Ei, ihr seht ja doch an den Scherben, wie zerbrechlich der alte Topf war.
»Gott bewahr! ein alter Topf! — Wie ich nach Haus kam und über die Wendeltrepp ging, da war mir’s ordentlich ängstlich, daß ich mich nicht mehr vor ihm fürchten könnt,« würden die sagen, die sich von dem Begriff der Wahrheit hätten überwinden lassen, »und es ist einem gar nicht heimlich mehr in der Religion. Vor was soll man zu Gott beten, wenn man sich vor dem Teufel nicht mehr fürchten darf?« Und ich möcht wollen oder nicht, ich müßt ihn am End wieder restaurieren, und doch riskierte ich wie der Sokrates, daß ich den Schierlingsbecher trinken müßt, und es ist noch die Frag, ob irgendein Jünger die beßre Erkenntnis aufgefaßt hätt und hätt nach meinem Untergang über mich getrauert und den Samen meiner Einsichten aufbewahrt, daß er in der Nachwelt sollt in Blüte kommen.
Nun also auf eignen Füßen stehen soll der Geist. Das ist bei mir eine unumstößliche Wahrheit, an der manches zerschellen muß, was dagegen anstößt. Woher hab ich sie mir als junge Mutter von einem großen Sohn denn so fest einbilden können, daß ich dem Herrn Haberlein nicht gefolgt hab, wenn er sagte: »Man muß das Kind führen und es stützen«, und was weiß ich als! Ich aber dachte, man muß das Kind locken und nicht führen, und muß ihm alles wegnehmen, woran es sich’s lernt, nicht auf den eignen Beinen zu stehn. Und wie nun das Kind auf einmal ohne alle Hilf mit einer großen Courage auf freiem Fuß dem Vater zwischen die Bein gelaufen ist, mit einem freudigen schallenden Gelächter, da hat sein Vater auch gelacht, obschon es ihm an’s Herz gegriffen hat. — Und die Mutter aber ward ganz rot und ging beiseit, um keinen nicht in ihr Gesicht gucken zu lassen, denn sie schämte sich über die Gefühle, die sie bei der kleinen Naturbegebenheit bestürmten. Und als ob’s heut noch wär, besinn ich mich auf alles, was ich da im heimlichen Gebet meinem Schöpfer gelobte. Denn ich hatte als junges Mädchen, wie ich letzt auch schon in der Erzählung von jenem christlichen Verein dargetan hab, allerlei Versuche gemacht mit meinem Seelenheil, der Trieb stak in mir, ich wollt heraus ans Licht, aus der Dunkelheit — und reflektierende Gedanken, das war bei allem, was vorfiel, mein Tagewerk.
Nun, dacht ich — macht’s dem Vater so eine große Freud, sein Kind ohne Leitseil auf freien Füßen daher laufen zu sehen, warum soll es den himmlischen Vater nicht freuen, den Menschengeist aus freien Stücken ihm zulaufen zu sehen. Und hier muß ich noch eine wichtige Bemerkung machen, die mir eben jetzt einfällt — nämlich, der freie Geist rennt immer der Gottheit in die Arme und zwar aus eignem Instinkt, ja er kann gar nicht änderst, denn er sucht seine Mutter, die Weisheit, und die ist beim Vater, der Gott ist — und das Kind beweist es ja, das aus freien Stücken auch der Mutter in die Arme lauft. — Und ob man da auch einwerfen könnt: aber der Mensch macht oft verkehrte Wege, und wenn er da kein Gesetz hätt, an dem er sich festhalten müßt oder nach dem er gericht wird, dann wär zu befürchten, daß er die Welt aus den Angeln hebt! —
Ei, das lautet auf den ersten Moment, als ob’s ein unumstößliches Argument wär. — Warum sollen aber die Philister keine Verschanzung haben, in der sie sich sicher wissen gegen den freien Geist? — Die ganze zivilische Einrichtung ist so eine Verschanzung gegen den Geist, denn der braucht sie, und weil die Weisheit überall ist.
Aber jetzt antwort ich auf den früheren Einwurf: »Grad weil der Geist die Welt aus den Angeln zu heben vermag«, grad darum muß er’s auch versuchen lernen, und müssen ihm nicht Händ und Füß gebunden sein, daß er’s nicht probieren kann.
O wart nur! — und schneidet keine so spottende Gesichter, ich kann nicht alles auf einmal sagen, obschon ich jetzt in einer Feuersglut bin, als ob ich aus Eisen sollt zu Stahl umgelöscht werden, so muß ich mich doch besinnen und zusammennehmen, wenn ich alle tiefe Wahrheit aussprechen soll und so recht faßlich darlegen. Innerlich erleuchtet einem so ein Gedanken wie der Blitz, und er reißt einem wie der Sturmwind mit, aber äußerlich da passiert’s langsam die Barriere.
Also fürs erste behaupte ich, der Geist soll alles stiften, was er vermag. — Und ein noch viel größerer Gedanke ist der, daß, wenn das so geschah, so könnte die Welt endlich sündenlos werden, und daß wir so lang in der Sünd verharren werden und die auf keinerlei Weise abwäschen mit allen Bußpsalmen, nicht als nur wenn dem Geist diese Freiheit gegeben wird, und wird ihm nicht mehr mit Ketten seine Freiheit geraubt, daß er nur darniederliegt und schmachtet und seufzet, aber nicht tätig sein kann!
Zu sehr in die Augen springend sind alle diese Wahrheiten, als daß man noch Beweise herbeiholen dürfte. Ein jeder muß die bei sich selber finden oder er ist zur Einsicht noch zu sehr verpelzt. Aber ein Glück ist, daß das Licht keinen Platz unerfüllt läßt, so ist zu hoffen, daß es noch alles durchdringen werde, und daß die Gemeinplätze, die auf Vorurteilen sich gründen, weichen müssen vor dem harmonischen Einklang zwischen Geist und Seele, wie die Nachtschatten vor dem Morgenlicht. Doch muß ich hier noch etwas anführen, um recht auf die Spuren meiner Behauptungen vorwärts zu leiten. Nämlich es heißt: in der Sünde sind wir empfangen, und deswegen sind wir sündige Menschen. Das ist ein mir ganz begreiflicher Schluß. In der Sünde wird gleich der Menschengeist empfangen, daß seine Freiheit gleich widerrechtlich in Gefangenschaft kommt, und wird ihm eine kalte, auftrocknende, erstarrende Philosophie als Nahrung vorgesetzt. Da krümmt und räuspert sich denn der Geist und will nicht dran, und schluckt an dem wunderliche Schwall von Wortfügungen, wo man den Verstand davon umsonst zu fangen sich bemüht, wie die kleine Kinder, die mit einem Pfötchen voll Salz ganz ernsthaft dastehen und lauschen auf so ein Vögelche, als zum Beispiel ein Bachstelzche, das immer mit dem Schwänzchen wippt, und bemühe sich umsonst, dem Salz auf den Schwanz zu streuen, damit sie’s Vögelchen haschen können, ja wie ist das möglich? das Salz bleibt ja nicht liegen auf dem Schwänzchen, so kannst du auch das Vögelchen nicht fangen. Ja ihr arme Studentenbürschercher, der Begriff bleibt ja an dem Wortschwall nicht hängen von Gott und Seel und Gebot und Verbot, wie wollt ihr ihn erfassen und auf alles anwenden. Ja, was ist aber dagegen die Kenntnis der Natur, die nicht euch hochtrabende Lehrbriefe gibt und sich unterschreibt X. U., die euch in ihren warmen Busen einhüllt, wenn ihr von jener erstarrende Nahrung endlich ganz unkräftig geworden seid, die euch anhaucht mit so süßem Atem, daß da nicht die Red mehr davon ist, ob sie euch verführt! Ihr gehört ihr schon ganz an. Da weicht nur zurück, ihr Großprahler der Philosophie, ihr Philister der Dogmatik, ihr Pedanten der Gesetzanmaßung, die Weisheit, die im schönsten bescheidensten Gewand aus allem uns anspricht, die führt aus eurem Wahn uns auf uns selbst zurück. Was sind eure Gesetze und Systeme gegen einen Vogel, der sein Nest zu bauen versteht und die lauwarme Sommernächte mit Gesang erfüllt? — oder gegen eine Blume, oder gegen die Welt, die in und um einen blühenden Baum sich bildet? und der Schall von Worten — wenn der euch trösten kann, mit dem ihr möchtet das Geheimnis der Unsterblichkeit einfangen — was ist der gegen den Genuß, dem die Natur in ihren schönsten Geheimnissen sich hingibt? — Jeder Gegenstand in ihrem erhabnen Lehrbuch deutet auf die Gesetze der Harmonie, in welchen der freie Geist sich bewegt. — Aber das ist die erste große Kapitalsünd, daß wir den widerrechtlich gefangenhalten. Seine Fähigkeiten, von denen wissen wir nicht, wohin sie ihn leiten würden, ob die Sünde nicht würde verschwinden, wenn die sich ganz frei entwicklen. Denn alle Menschen würden erleuchtet werden. Die Gelüsten, weswegen wir jetzt ein Zuchthaus, eine Polizei, einen Rabenstein, Henker und Beil haben, diesen Krankheiten würde die Menschheit dann wahrscheinlich entwachsen sein, es würden Kinderkrankheiten gewesen sein, denen man bei entwickelten Geisteskräften nicht mehr ausgesetzt wär.
Freilich muß eine Polizei sein, — aus göttlicher Vermittlung, — nicht ein Leitseil gedreht aus noch strafbareren Gesetzen als die Verbrechen selbst, nicht Gründe der Strafbarkeit, die der Vernunft, welcher doch der moralische Instinkt eingeboren ist, Schauder erregen. Nicht solche, vor denen der Geist flüchtet und sich bekümmert, nicht solche, wobei der Gesetzgeber, wie der nach ihm urteilt, gleich elend dastehn, und der, an dem das Urteil vollzogen wird, am End noch wie ein unschuldig Lamm gegen ihnen übersteht.
Das Geld macht jetzt eine hauptsächliche Versuchungsgelegenheit zur strafbare Sünd unter den Menschen; denn warum? Der Eigennutz, der auch gar keine lobenswerte Eigenschaft ist, der hat es so gewollt, daß dies soll am meisten bestraft werden. Wer’s einmal hat, dem soll’s nicht geraubt werden. Wie einer da zum Gelde kommt, das wird nicht beleucht. Die Nürnberger haben das Dukatenmünzen zu einer Sach gemacht, die man nur am geheimen Örtchen tut, es steckt eine Moral dadrin. —
Die sündhaftige Anlagen im Menschen machen hier Strafgesetze gegen das, was sie im sündigen Genuß stören könnt. Wie? wenn der Räuber eine von denen hochgepriesne evangelischen Tugenden dir zuwenden will, so hängst du ihn davor an den Galgen? So ist denn der Grund der Strafe und Gesetze gegen die Sünde oft strafwürdiger oder verdammlicher als die Sünd selber. Wie soll da Heil aus der Straf erwachsen? — laßt erst den Grund der Strafe ein strafloser sein, eh ihr sie anwendet, so wird’s ganz anders herauskommen. Und dann! — Ach es stehn mir die Gedanken still vor Verwundrung, was da vor Wahrheiten mir vor Augen stehn, und ich hab’s nicht so im Griff, sie in ihrer Kraft zu erhaschen, ich hinke auch von den Geistesbanden, die in den jungen Jahren schon einem die Kraft brechen.
Aber genug, der Teufel ist nichts anders als das Abwenden von der Wahrheit; die Furcht vor ihr, die aus irgendeinem bösen Grund sich ins menschliche Gemüt festgesetzt hat, denn was ist da zu fürchten, wenn es nicht ist, daß wir heimlich am Bösen hängen und fürchten, wir könnten durch die offenbare Wahrheit, wenn die sich geltend macht, derselben beraubt werden. So ein Staatsdiener, der seinem Landesherrn Leib und Seel verschwört, seiner unverbrüchlichen Treue: seht emal, wie stolz der von seinem hohen Posten herunterguckt auf die Menschheit. Aus welchem Grund nur? Ei, weil er das Wohl des Landes bezwecken will. Nun, was das wieder vor ein Jammer ist! Wird der arm Teufel zum Narren am großen Gedanken des Menschenwohls, und von einem ganz kaputten Narren hängt das nun ab; ei, wär er doch lieber gleich zur Salzsäule geworden mit seine süße Versprechungen, so könnt das arme Volk immer seinen Rettig, mit dem es seine hungrige Mahlzeit hält, an ihm reiben, und so müßt er seinen Eid doch wahr machen und fürs allgemeine Beste sich verbrauche lasse, trotzdem daß er ein Narr ist, den man nicht zur Verantwortung ziehen kann.
Solche ungeheure Wahrzeichen stehn am Betrachtungshimmel, daß alles was geschehen soll zum Heil des Staats, aufs politische Sündenregister zu stehn kommt. Ja der beste Wille des Weisesten, Erfahrensten geht zugrund an diesem seinsollenden Heil oder er muß auch der Versuchung erliegen. Mäßigung, Bescheidenheit, Erkenntnis geht zum Teufel, und er steht da und schlägt sein eignes Gewissen in die Flucht. Hätt aber ein solcher sich nicht vor der Wahrheit gefürchtet, so hätt die ihm zugeflüstert, die Menschheit leiten kannst du nicht mit deinen aberwitzigen Einbildungen auf dich selbst. Treu bist du deinem Landesherrn nicht mit deim Hoffart auf dich selbst, mit deim Neid, mit deiner Gier, zu herrschen. Das erste, was du treuer Fürstenknecht in der Heimlichkeit beschließt, das ist: Der Herr Landesvater dürfen sich nicht dreinmischen. Drohen tust du: sonst nehm ich mein Abschied. — Ei, was ist dran gelegen? Ja, wann er sich das fragte? — Aber er braucht sich’s gar nicht zu fragen, denn er hat gar kein Lust dazu. Was aus dem freien Geist vor Wohltaten für die Menschheit entsprießen würden, das ist ein Rätsel, was unsre Neugier doch endlich reizen sollte. Wir versuchen nun schon so lebens- und vorlebenslang, jenen Teufel zu bekämpfen, der ohne Unterlaß von Stufe zu Stufe uns durchs Leben begleitet, wo könnt der sich unterstehn, neben dem freien Geist herzulaufen und den zu extern mit Gelüsten aller Art, wie ers dem armen gebundnen Geistessklaven macht, der im Schwindel seiner gebundnen Willkür einzugreifen meint in die Macht des Zeitenstroms wie so ein kleiner Schiffspommer, der mit seinem Gebell das Schiff aufhalten will, dem aber strömen die Winde zu und füllen mit Lust ihm die Segel, daß es majestätisch hervorrudert aus dem engen Port auf den hohen Ozean, kommen aber widrige Winde, so referiert der klein Pommer unters Verdeck.
Gebt jenen armen Menschen nicht allein die Schuld, auch ihr Geist war von Jugend auf gebunden, sie hatten nicht Titanenkraft, einen Funken des freien Geistes wieder anzufachen, er ist in ihnen erstorben, sie können nicht in jener Treue in jenen Tugenden bestehen, die sie gelobt haben ihrem Landesherrn, sie können nicht, denn ihnen fehlt die Willenskraft, die ist der freie Geist, aus dem allein alle Tugenden hervorgehen. Und deutlich sieht man, daß der Teufel nur der in Verwesung übergegangne Geist ist, der nicht Luft hatte und göttlichen Wachstum.
Also wohin der freie lebendige Geist führt, das ist was wir noch nicht wissen, und darum sollen wir’s erfahren wollen.
Jetzt wollen wir einmal Halt machen und besinnen, was ich im Anfang sagen wollt, und wovon ich ab und vom Hundertsten ins Tausendste bin kommen. Das war nämlich von den sieben Schöpfungstagen, daß ich an die nicht glauben wollt, einen Grund hab ich nämlich angegeben, weil mein Seeleninstinkt mich zur Spekulation leitet und ich eine so göttliche Gab nicht mit Füßen zu treten Anlaß hab, wenn ich nicht ganz ein Ochs bin.
Die Ursach aber war, weil ich durchaus mich nicht auf etwas verlassen kann, was wie ein alter Türpfosten vor meiner Nas hingestellt ist, und ich soll davor stehn wie vor einem Ölgötzen, das paßt nicht zu meim lebendigen Verstand. Vor einem Ölgötzen mag meinetwegen wieder ein Ölgötz stehn, aber der Geist kann und soll da nicht haltmachen. — Aber jetzt will ich noch auf die zweit und viel einleuchtendere Ursach kommen, von der ich sagte, ich werde sie auch publizieren, das ist nämlich, weil ich ein Begriff hab, daß Gott zwar einen siebenten Ruhetag hätte haben können, nämlich wenn er phlegmatischer ist gewesen wie ich, denn ich hab mich meiner Lebtag nicht hinein finden können. Der Sonntag ist bei mir ordentlich aus Widerspruch gegen die Faulheit, die schon am siebenten Tag erschlaffen will, ein wahrer Rebellertag gewesen, alle unkommode Geschäfte hab ich auf den Tag verlegt; einmal lief da alles aus dem Haus spazieren, nun da könnt ich vors erste alles schwarze Gerät zusammensuchen, denn obschon ich am Samstag die reine Wäsch ausgeteilt hatte, so war mir die schmutzig nicht ausgeliefert worden. Dann hatt ich auch Gelegenheit, einmal die Fensterscheiben wieder hell zu putzen in denen Gelehrten- und Studierkabinetter, dann untersucht ich die Stuhlbein, ob die noch ganz wären, denn es wär ein Wunder gewesen; denn meine Kinder machten mit ihren Schulkameraden die tollste halsbrechende Gefährlichkeiten mit denen Tisch und Stühl, sie bauten Türme und spielten Festungsbelagrung und stürzten Hals über Kopf mitsamt so einem unterminierten Turm herunter, und ich kann Gott danken, wenn die Glieder ganz waren, und gern die wackeligen Glieder der Möbel wieder in Leim bringen. Nun ging ich also, während alles in der Kirch war, herum mit dem Wischlappen, dem Besen und der Leimpfanne. — Manchmal ging ich denn auch in die Kirch den Nachbarsleuten zu Gefallen — aber weil ich den Herrn Prediger auswendig könnt, so hielt ich am heiligen Ruhetag während der Predigt immer mein Ruhe Stündchen, aber geruht hab ich eigentlich doch nicht, das liegt mir nicht im Blut, sondern nur wegen meiner Ungeduld, durch dem Prediger seine unendliche Lüneburger Heide zu kommen, überlegte ich: Was wirst du noch alles einrichten heut? Also — erst wann du nach Haus kommst, werden die silberne Leuchter vorgenommen — blank geputzt mit Kreide und Branntwein, — wird derweil ein Bügeleisen ins Feuer gelegt, und die Manschetten aufgebügelt von den Sonntagshemden. Zweitens und drittens wird auf dem Boden untersucht, ob die Mäus sich allenfalls wieder Löcher gebohrt haben in die Schwarzgerätkammer. Drittens werden die Wäschmahne gezählt, denn letzt sind sie verlehnt worden, und ich glaub, ich hab sie noch nicht wieder gekriegt, und dann müsse die Wäschleinen auch gezählt werden. — Dann, in der Bodenkammer, wo die Apfel auf dem Stroh liegen, da müssen die schöne Borsdorfer all umgelegt werden, damit sie nicht anstoßen. Dann wird der Mittag herbeikommen; aber gleich nach Tisch, wenn’s nämlich keine Zeit mehr vor Tisch ist, da werd ich mir alle Bouteillen mit Wein, dritthalbhundert an der Zahl, umlegen, und da werd ich mir Siegellack mit in den Keller nehmen und das große Wappensiegel und werd alle leere Flaschen verpetschieren und unser Wappen drauf drücken, wenn dann der Dieb kommt und trinkt eine Flasche aus und behaupt, die sei leer gewesen, so sag ich: Nein! die leeren Bouteillen werden allemal verpetschiert, und da diese Flasche unversiegelt leer ist, wer hat sie gesoffen? — so steht er da und kann keine drei zählen. Und so kann mir also in Zukunft keiner mehr den Wein austrinken. — Das war nun ein solcher Hauptgedanken, daß ich die größt Ungeduld bekam, die Kirch zu verlassen und alles ins Werk zu richten. — Nun, dann war auch der Herr Pfarrer gewöhnlich fertig mit seiner Red, die nicht weniger unbedeutend war von dem studierten Mann, als was ich derbei überlegt hatte, oder lieber gar zum wenigsten nicht so brauchbar für die Seele, die zu wecken, als mich die meinigen Überlegungen alert machten, mein Hausstand auf den Trab zu bringen. — Nun zog man in Kompagnie aus der Kirch, mit den Sonntagsandrieng und den neuen Enveloppen und den hoche Stelzercher unter den Füßen ging’s klipp klapp nach Haus, und da war dann unterwegs eine Unterhaltung mit den Madamen über die gottselig Red, aber auch über allerlei andre Dinge. — Nun! sagt ich, die Predigt war halt, wie dem Herrn Prediger der Schnabel gewachsen ist, und so haben wir’s uns müssen gefallen lassen. — »Ach!« sagten die Leut, »Sie sind eine böse Frau, Sie sind immer nicht zufrieden, und wann der Herr Pfarrer in noch einem so heftigen Eifer ist.« — Die Frau Rat aber war keine böse Frau, sondern sie meinte: Hätt der Herr Pfarrer von Jugend auf denken gelernt, das heißt laufen ohne Krücken, so würde er wohl als sich hin verlaufen haben, wo’s der Müh wert ist, was Neues davon zu hören, und würde sich jetzt ganz geläufig auch auf andre Wege wagen und würde neue Sachen und Anschauungen vorbringen, die übereinstimmen mit dem Traum, den die Seel in ihrem Dusel fortträumen muß, um nur nicht ganz zu verkommen in der nüchternen, seinsollenden Geistesnahrung, denn was dem Esel Papierschnippel wär statt Distel und Häcksel, das ist der Seel so eine herumgekaute Predigt vom Herrn Pfarrer, der sich mit alle Viere an das Dogma anhält, ei, so mag er noch so sehr kauen und es zu einem Brei verarbeiten, es bleibt halt immer papier mâché, man kann allerlei draus drehen, daß es nach was aussieht, aber es ist nur Tand und keine Seelennahrung und kein Geisteswachstum. Und da war meine Erfindung, die ich machte, derweil er vom Wort Gottes vorgeben muß, zu predigen, wie ich die Spitzbuben wollt hinters Licht führen, die mir meinen Wein austrinken, allemal eine viel gemeinnützigere Haushaltungsregel. —
Das Wort Gottes, nicht wahr? — Das nicht einmal Kraft hat, selbst dem eifrigen Zuhörer einen Eindruck zu machen! — Und doch hat das Wort Gottes Himmel und Erd geschaffen, und hat gesagt: »Es werde.« Und es ward! — Und jetzt badet sich der Pfarrer im Schweiß seines Angesichts da oben auf der Kanzel und gebärdet sich, daß die Eingeweide im Leib sich ihm herumdrehen und daß er am Feiertag immer einen viel größern Hunger kriegt, welchen zu stillen er nicht für eine Sonntagsruhe störende Arbeit hält. Und expliziert das Werde nach bestem Wissen in- und auswendig — und doch wird nichts — als daß immer wieder die Leut in der dumpfe Irr bleiben, wo sie andre für sich denken lassen, und wenn die nur wirklich dächten für sie, so könnten sie nicht anders als den Geist in ihnen wecken, aber die heben das Schild des Glaubens hoch gegen jedes Lebenszeichen des Geistes und wollen’s mit dem Glauben ausrichten. — Was ist aber der Glaube? — Wo nichts ist, kann ich da etwas glauben? — Da wächst mir eine Bomeranze! — Ei, das kann ich nicht glauben. — Ei warum dann nicht, wenn ich dir’s doch versichern tu? — Nun, es ist mir unmöglich, zu glauben, daß dir da auf deiner Nas sollt eine Bomeranz wachse. — Hör, wenn du dich so zum Glauben anstellst, als wie du dich zur Bomeranz anstellst, dann wirst du schwerlich in Himmel kommen! — Ach Gott, ich wollt doch gern selig werden, kannst du mir denn gar nicht den Glauben einprägen an die Bomeranz, vielleicht daß ich dann so sachte glauben lern. — Nun, geh her, ich will mich über dich erbarmen, siehst du, hier steck ich mir das Bomeranzenkörnchen in die Nas, du siehst, es hat schon ein klein Keimchen, und es ist also doch eine Möglichkeit da, daß es Wurzel faßt. — Werst du mir jetzt ehnder glauben? — Ach ja, es ist noch ehnder wahrscheinlich, obschon es doch eine gefährliche Sach ist, an so einem Ort eine Bomeranz wachse zu machen, denn erstlich ist das Klima nicht darnach — und sie müßt doch viel Sonneschein haben, und deine ist noch dazu eine Hakennas, daß dem Keimchen seine Richtung durchaus nicht zum Helle ist, aber ich kann mir’s doch schon als möglich denken!
Nun haben wir den Ungläubigen schon auf gutem Weg, er gibt schon seinen Verstand gefangen. Nun? sagt der Bomeranzenbeweisführer, du mußt auch nicht alle Müh auf mich allein schieben, wo bleibt denn sonst dein Verdienst? Du mußt natürlich dem Glauben entgegenkommen. Wenn’s keine Kunst wär, zu glauben, vor was wär dir dann die ewig Seligkeit geschenkt? — Der Ungläubige will alleweil die Händ in die Wundmale legen, aber selig sind die, welche nicht sehen und doch glauben. — Die Aussicht hast du, daß mir eine Bomeranz wachse wird, hab auch die Hoffnung, daß dein Glauben dich selig machen wird. —