Kitabı oku: «Die Seele des Zauberlehrlings», sayfa 6
Ich zwinge meine Augen auf. Die Dunkelheit wirkt nicht mehr so undurchdringbar wie gerade noch. Ein Glimmen, dessen Ursprung nicht auszumachen ist, weil es von überall gleichzeitig zu kommen scheint, erhellt die Finsternis. Die Schatten erwachen zum Leben, kriechen langsam auf mich zu. Das, was ich als Wind empfunden habe, entpuppt sich als dichte Nebelmasse, die einer Schlange gleich vor mir aufragt. Zwei rotglühende Lichtpunkte erscheinen in diesem durchsichtigen Nebelkopf. Die Augen von Umock. Sein Nebelkörper setzt sich ganz langsam in Bewegung, beginnt, sich um mich zu winden. Sein Schweif wird immer länger, während der Kopfteil auf Höhe meines Gesichts bleibt. Dann schwingt auch er herum und kommt auf der anderen Seite wieder an mir vorbei. Das Spiel wiederholt sich noch einmal.
Aus den Augenwinkeln beobachte ich, wie er verschwindet und wieder erscheint, während er mich umkreist. »Entschuldigt«, murmle ich. »Seid Ihr der König der Nebelseelen?«
Die körperlose Ansammlung von Energie hält inne. Der Wind erstirbt. Es herrscht wieder Totenstille. Zum Glück glüht die geheimnisvolle Macht immer noch, sodass ich das aus Nebel geformte Wesen vor mir erkennen kann.
»Ich bin Umock«, verkündet die Stimme um ein Vielfaches lauter als zuvor. Das Echo wiederholt diesen Satz, diesmal doppelt so dröhnend.
Das Geräusch schwillt weiter an. Mein Kopf droht zu platzen. Ich lasse die Lampe fallen, die ohnehin nutzlos für mich geworden ist. Unter Schmerzen hebe ich meine Hände an meine Ohren und drücke mit aller Macht dagegen. Doch die Worte hallen in meinem Verstand. Sie vibrieren in meinem Schädel. Sie vervielfältigen sich, bis es nicht mehr zu ertragen ist.
Die Stimme erfüllt meinen ganzen Körper. Jede einzelne Zelle in mir spürt die Macht, die darin liegt. Ich bin durchdrungen von der Kraft dieses Wesens, das aus dem Reich der Geister stammt. Tatsächlich habe ich den Eindruck, als wäre Umock in meine Haut geschlüpft.
Mein Mund ist weit geöffnet. Ich kann nicht hören, ob ich schreie. Aber diese Demonstration von Macht ist so peinvoll, dass ich nicht mehr weiß, was ich tun soll. Ich kann keinen vernünftigen Gedanken fassen.
Es muss enden.
Sofort.
Soll ich flehen?
Soll ich bitten?
Schwindel.
So viel Schmerz!
»Stopp!«
Ganz plötzlich ist es vorbei. Der Satz, der sich endlos wiederholt hat, verstummt. Angenehme Stille breitet sich aus, obwohl das Echo noch in mir nachhallt. Mein Schädel scheint von den Nachwirkungen des Lärms zu vibrieren. Als wäre ich eine Klangschale, die den letzten Ton einfach nicht freigeben will. Die Kraft des Königs hat meinen Körper allerdings bereits verlassen.
Mein Gleichgewichtssinn will versagen. Ich schwanke, zwinge mich jedoch, aufrecht stehen zu bleiben. Nach einem tiefen Atemzug senke ich meine Arme, um das Wesen zu betrachten, das mich gerade noch gefoltert hat.
Ich bin allein. Die Dunkelheit fühlt sich beunruhigend intensiv an. Nebelschwaden ziehen an der Grenze meines Sichtbereiches vorbei. Noch einmal wiederhole ich den Zauber, der es meinen Augen ermöglicht, in der Finsternis besser sehen zu können. Obwohl ich daraufhin den Umriss eines Baumes erkennen kann, dessen Äste wie unzählige Finger in die Luft zeigen, gibt Umock sich nicht zu erkennen. Was habe ich auch erwartet? Niemand kann diese machtvollen Wesen sehen.
Der Nebel wird dichter. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass er zum Leben erwacht. Die Worte meines Großvaters kommen mir in den Sinn. Er hat während unserer Unterrichtsstunden erwähnt, dass körperlose Wesen wie Umock Materie dazu nutzen können, um Menschen zu erschrecken. Versucht das der König der Seelenlosen gerade bei mir?
Die Schwaden ziehen sich zwei Fuß von mir entfernt zu einer Kugel zusammen. Die Form wächst in die Höhe, wird eine Säule, die über mich hinausragt. Langsam bewegt sich der Kopfteil der Säule auf mich zu. Schließlich lösen sich Züge aus der Masse, sodass die Ausbuchtungen mich an einen Schädel erinnern.
»Sprich!«, befiehlt die Stimme.
Zu meiner Erleichterung dröhnt sie nun nicht mehr direkt im Zentrum meines Verstandes. Außerdem ist sie nicht mehr so laut wie zuvor.
Ich sinke auf die Knie, senke meinen Blick, wie ich es auch bei der ersten Begegnung mit dem Fürsten gehandhabt habe. Unser Anführer würde diese Geste nicht befürworten. Selbst mein Großvater, dem ich genug Wissen über Umock verdanke, würde sie nicht gutheißen. Schließlich wollen die beiden den König der Nebelseelen nur für sich benutzen. Ich empfinde den Kniefall allerdings als richtig. Er ist die einzig logische Konsequenz, nachdem ich die Macht, die Umock ausstrahlt, in jeder einzelnen Zelle meines Körpers gespürt habe.
»Edler Herr, Euer Diener begrüßt Euch voller Ehrfurcht.«
Die dunkle Wut, die von Umock ausgeht, vibriert. »Du siehst dich als meinen Diener?«
»Meine Treue gehört meinem Fürsten. Als Teil seines Volkes der Maëlle muss ich seinen Befehlen gehorchen. Doch Eurer Stärke unterwerfe ich mich. Noch niemals bin ich einem so mächtigen Wesen begegnet. Ich bin es nicht wert, in Euer Antlitz zu blicken.«
»Eine interessante Behauptung«, murmelt die tiefe Stimme und schickt mir einen Schauer über den Rücken. »Besonders, wenn man bedenkt, dass ich keine menschliche Gestalt annehmen kann, damit das überhaupt möglich wäre.«
Klingt er verärgert? Habe ich ihn mit meinen Worten beleidigt? Zögernd hebe ich den Kopf und blicke zum rätselhaften Nebelwesen. »Es tut mir leid. Ich wollte Euch damit nicht zu nahetreten. Es war nicht meine Absicht, Euch an etwas zu erinnern, das außerhalb Eurer Entscheidungsmacht liegt.«
Die Energiestruktur vor mir verändert sich, wird für mich spürbar zu einer kompakteren Masse, die auf mich zurast und direkt vor mir anhält. »Du verstehst es, mich vor den Kopf zu stoßen.«
»Entschuldigt, ich … Als Abgesandter meines Herrn versage ich kläglich. Offensichtlich fehlt es mir an Übung, um Euch mit angemessener Unterwürfigkeit entgegenzutreten.«
»Dann frage ich mich, weshalb man ausgerechnet dich zu mir geschickt hat.« Umocks körperlose Gegenwart löst sich vom Boden und umkreist mich einmal.
»Unter den Männern meines Fürsten bin ich die einzige Person, die in der Lage ist, Euch zu rufen.«
»Das erklärt nicht, weshalb dein vornehmer Fürst nicht mitgekommen ist, um mit mir zu sprechen. Ich nehme an, dass er etwas von mir will. Jeder, der mich an diesem elenden Ort besucht, hat nur seinen eigenen Vorteil im Sinn. Warum bittet er mich nicht selbst darum? Wieso schickt er einen kleinen Jungen vor?«
Widerspruch regt sich in mir. Obwohl ich mich zurückhalten sollte, kann ich meinen Ärger nicht kontrollieren. Zu lange schon werde ich von allen behandelt, als wäre ich ein Nichts. Dieses Wesen aus dem Schattenreich misst mir vielleicht zurecht keinerlei Bedeutung zu. Mein junges Alter bedeutet allerdings nicht, dass ich so naiv bin, wie er denkt. Ich habe meine Kindheit schon vor vielen Jahren hinter mir gelassen.
Ich hebe den Kopf. »Im Vergleich zu Eurer Weisheit und Eurer langen Existenz muss ich wie ein Junge wirken. Seid Euch jedoch versichert, dass ich durchaus in der Lage bin, für meinen Fürsten zu sprechen.«
Die Energiemasse vor mir verliert etwas von ihrer Intensität. Es wirkt wie ein Zögern, ein Augenblick der Irritation. Einen Moment lang befürchte ich, zu weit gegangen zu sein. Dann fühle ich die Magie wieder auf meiner Haut kribbeln.
»Du bist ein interessantes Wesen«, sagt die Stimme. Belustigung klingt darin mit. »Warum bist du hier?«
Nun gilt es, Umocks Gunst zu gewinnen. Wir benötigen ihn für unseren Kampf. Die diesbezüglichen Visionen meines Großvaters waren sehr deutlich. Doch wie soll ich ihm meine Bitte so verkaufen, dass er ihr zustimmt? Oremazz ist der Meinung, es würde ausreichen, vor dem König auf dem Boden zu rutschen. Unser Fürst denkt, mit Erpressung würde man Umock dazu zwingen können. Nach unserem kurzen Gespräch bin ich allerdings der Meinung, dass ich ihn genauso manipulieren muss, wie er es bei mir versucht. Seine Versuche, mich aus dem Konzept zu bringen, zeigen mir deutlich, dass er das alles nur als Spiel sieht. Doch zuerst will ich ihn mit Schmeicheleien von mir überzeugen.
»Ich danke Euch, dass Ihr vor mir erscheint. Mein Fürst weiß Euer Entgegenkommen zu schätzen. Ihm ist bewusst, dass Euer Einverständnis, sich mit mir als seinem Vertreter zu treffen, nicht selbstverständlich ist. Euer Ruhm reicht weit über die Grenzen dieses Kontinents hinaus.«
Der kühle Nebel dreht sich um mich in enger werdenden Kreisen. Ein Geräusch erklingt, das mich an ein Lachen erinnert, doch das ist unmöglich. Nebelseelen besitzen keinen Humor. Das hat mein Großvater mir eingebläut. Er hat mich auf das Zusammentreffen mit den Bewohnern der anderen Seite vorbereitet. Ich weiß alles über diese Wesen. Dennoch überrascht Umock mich. Mein Verstand spielt mir offensichtlich einen Streich, oder der König der Nebelseelen versucht mich auszutricksen.
»Du bist ein beeindruckender Lügner«, sagt Umock.
Angst durchzuckt mich. »Ich weiß nicht, was Ihr damit sagen wollt.«
»Dein Fürst hat nicht so schmeichelhafte Worte verwendet, als er über mich gesprochen hat. Also warum tust du es?«
»Das … Er hat nicht … Ich wollte … Woher wisst Ihr davon?«
Seine Gegenwart hält hinter meiner Schulter an. Die Stimme erklingt direkt an meinem Ohr. »Sobald jemand meinen Namen ausspricht, kann ich hören, was über mich gesagt wird. Niemand kann Lügen über mich verbreiten, ohne dass ich es erfahre. Schon bevor du hergekommen bist, wusste ich von deinem Begehr.«
Meine Kehle ist wie zugeschnürt. Ich denke an alles, was mein Großvater über Umock erzählt hat. Die Worte, die der Fürst benutzt hat, um den König der Nebelseelen zu beleidigen, kommen mir in den Sinn. Wie überaus peinlich.
»Wieso habt Ihr dann überhaupt auf meinen Ruf reagiert?«
»Ich war neugierig, auf welche Art du versuchen würdest, mich um Hilfe zu bitten. Die Ewigkeit ist langweilig. In diesem Sumpf – so sehr ich ihn auch liebe – wird der Verstand nicht gefordert. Ich sehne mich nach Abwechslung. Nachdem ich dich bei deinem Training beobachtet habe, war ich sicher, dass du sie mir bieten kannst.«
Umocks Präsenz windet sich wieder um mich herum. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass er immer näherkommt. Seine Worte haben eine geheime Bedeutung, die ich nicht entschlüsseln kann. Obwohl ich Angst vor ihm haben sollte, obwohl ich ihn nicht in meine Gedanken blicken und in seiner Nähe Vorsicht walten lassen sollte, will ich mehr von ihm erfahren. Die Macht, die er ausstrahlt, ist um so vieles größer als die Energiewellen meines Großvaters. Oremazz ist der mächtigste Zauberer, den ich jemals getroffen habe. Ich bin mir sicher gewesen, dass es niemand mit ihm würde aufnehmen können. Und jetzt muss ich feststellen, dass ich überhaupt nichts über die wahre Magie weiß.
Zuerst muss ich mich auf meine Aufgabe konzentrieren. Wenn es mir gelingt, Umock dazu zu überreden, uns zu helfen, werde ich zwangsläufig Zeit mit ihm verbringen müssen. Ich werde ihn studieren können. Ich werde herausfinden, was ihn besonders macht. Und ich werde von ihm lernen können.
»Mit Sicherheit habt Ihr es nicht notwendig, Euch einem Volk Menschen anzuschließen, das Ihr zuvor noch niemals getroffen habt. Ich verstehe, wenn Ihr Euch in Vorsicht übt und meinen Worten keinen Glauben schenkt. Dennoch muss ich um eine Gelegenheit bitten, Euch zu überzeugen, dass Eure Hilfe dringend vonnöten ist.«
Umock lacht leise. »Nun, daran hege ich keinen Zweifel. Ohne die Unterstützung meiner Armee werdet ihr kläglich scheitern.«
Überraschung macht sich in mir breit. »Hattet Ihr ebenfalls Visionen von der Zukunft? Seid Ihr bereit, der Bedrohung an der Seite unserer Armee entgegenzutreten?«
»Nein. Nein, ich halte das für eine schlechte Idee.«
»Das verstehe ich nicht. Gerade habt Ihr mir zugestimmt, dass wir allein gegen diesen übermächtigen Feind keine Chance haben.«
»Hinter diesen Worten stehe ich. Und weiter?«
Ich rapple mich hoch, als mir klar wird, dass Umock egal ist, wenn unser Volk untergeht. Diese Seelenlosigkeit sollte mich nicht überraschen. Dennoch will ich die Wahrheit nicht akzeptieren. Versteht er denn nicht, dass die Gefahr auch nicht vor seiner Heimat haltmachen wird?
Die Energie, die Umock ausmacht, hält vor mir an. Ich meine, den Atem vom König der Nebelseelen auf meinem Gesicht zu spüren. Angst vor diesem mächtigen Wesen, das mich vernichten könnte, lähmt mich. Doch ich darf nicht aufgeben. Zu viel hängt davon ab.
»Ihr habt erwähnt, dass Euch Eure Heimat sehr viel bedeutet. Wenn die Visionen unseres Großen Zaubermeisters der Wahrheit entsprechen – und es gibt keinen Grund, warum sie das nicht sollten – werdet Ihr alles verlieren.«
Ein heiseres Lachen erklingt. »Ich besitze nichts. Ich bin lediglich ein Geist.«
Das könnte man glauben, wenn man noch naiver wäre als ich. »Ihr seid mächtiger, als die meisten Menschen auch nur ahnen können. Nur wenige Zauberer sind in der Lage, Magie so perfekt zu beherrschen wie Ihr. Noch dazu steht Euch ein ganzes Heer zur Verfügung. Dieser Sumpf ist Euer Zuhause. Hier ist Eure Macht am stärksten. Bestimmt wollt Ihr nicht darauf verzichten.«
»Sehr schmeichelhafte Worte, deren Wert ich allerdings anzweifle. Hattest du selbst eine Vision von der drohenden Gefahr?«
»Nein.« Der schnelle Themenwechsel lässt mich dieses Geständnis machen. Dass ich Umock nicht belügen sollte, gehört allerdings ohnehin zu den wenigen Dingen, derer ich mir sicher bin. »Der Große Zaubermeister unseres Volkes wurde von den Vorahnungen heimgesucht. Er ist damit allerdings nicht allein. Im ganzen Land haben Zauberer ihre Stimmen erhoben, um die Menschheit vor dem kommenden Unheil zu warnen. Überall machen sich Soldaten bereit, gegen den neuen, mächtigen Feind anzukämpfen. Unser Fürst hat sich mit den Führern anderer Völker zusammengetan. Seit wir von der Gefahr wissen, sind Verhandlungen geführt worden, damit wir gemeinsam gegen unsere Gegner ankämpfen können.«
»Und wenn ich dir nicht glaube? Wenn ich das alles für ausgemachten Schwachsinn halte?«
Panik erfasst mich. Wie kann er daran zweifeln? »Ihr habt uns doch belauscht. Ihr kennt unsere Überlegungen, unsere Ängste. Ihr habt den gleichen Wissensstand wie wir. Diese Bedrohung ist echt. Nicht nur Oremazz hat Visionen empfangen. Alle Welt weiß davon!«
»Das bedeutet nicht, dass dieser Schwachsinn der Wahrheit entspricht. Möglicherweise versucht man euch alle nur von etwas abzulenken, was in eurer Heimat passiert, während ihr hier draußen in der Wildnis herumstreift.«
Ein beunruhigender Gedanke, den ich weit von mir schiebe. »Es wäre zu einfach, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen. Die Verlockung, die Visionen meines Großvaters für unecht zu halten …« Zu spät unterbreche ich mich.
Der Wirbel um mich herum wird unangenehm kalt. »Interessant.«
Ich habe nicht verraten wollen, dass ein Teil von mir nicht an Oremazz’ Eingebung glauben will. Es geht Umock nichts an. Natürlich wird er versuchen, das auf irgendeine Art und Weise gegen mich zu verwenden. Innerlich mache ich mich auf das Schlimmste gefasst.
»Du bist also der Enkel des Großen Zaubermeisters.«
»Genau. Seine Vorhersagen darf man nicht einfach abtun. Wäre er allein mit dieser Vision, könnte man in Betracht ziehen, dass es sich um eine Fantasie handelt, die niemals Realität wird. Ich verstehe, dass manch einer zweifelt. Dennoch …«
»Der Enkel des Großen Zaubermeisters«, unterbricht Umock mich, immer noch auf dieses eigentlich unwichtige Detail fixiert. »Hast du seine Fähigkeiten geerbt?«
Hitze kriecht von meinem Hals hoch. Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. Umock hat doch unsere Gespräche mitangehört. Er kennt das Geheimnis, das mein Großvater und ich hüten. Möglicherweise hat das Verhalten von Oremazz nicht dem eines liebenden Verwandten entsprochen, weshalb Umock unser Familienverhältnis verborgen geblieben ist. Dass ich nicht sonderlich talentiert bin, hat er allerdings mit Sicherheit mitangehört.
Das Schweigen dehnt sich aus. Die Schwingungen, die Umock ausstrahlt, verändern sich. Neugierde scheint seine Stimmung zu ändern. Er durchleuchtet mich, als wolle er herausfinden, was in mir vorgeht. Riecht er die Scham, die ich empfinde und deren Bitterkeit ich ausdünsten muss?
»Du bist ein Betrüger. Mach dir nichts draus. Jeder von uns verbirgt einen Großteil seiner Seele vor dem Rest der Welt. Niemand kann dir vorwerfen, wenn dir die Magie die Fähigkeiten deiner Familie verwehrt hat.«
»Ich werde ein großer Zauberer werden«, korrigiere ich ihn. »Im Augenblick mögen mir nicht die gleichen Dinge gelingen wie meinem Großvater. Doch ich werde in seine Fußstapfen treten. Die Magie ist stark in mir, auch wenn sie noch nicht an das heranreicht, wozu der Rest meiner Familie in der Lage war.«
Umock lacht nur.
Wut wallt in mir hoch. Mir ist bewusst, dass er mich provozieren will. Auf dieses Spiel werde ich mich nicht einlassen. Ich weiß, wozu ich fähig bin. Noch mag mir nicht jeder Zauber gelingen. Doch irgendwann werde ich über mich selbst hinauswachsen. Elevander ist sich dessen sicher. Und so sehr ich auch an mir selbst zweifle, er hat sich noch niemals geirrt.
»Es spielt keine Rolle, was Ihr von mir denkt. Wichtig ist lediglich, dass wir zu einer Einigung kommen. Helft uns, dann werde ich meinen Fürsten darum bitten, Euch Eure Freiheit zu schenken.« Dieser Vorschlag ist gewagt. Ich weiß nicht, ob der Fürst es nicht rundweg ablehnen wird. Allerdings habe ich den Eindruck, nicht anders zu Umock durchdringen zu können.
»Diese selbstherrliche, selbstüberschätzende Imitation eines großen Anführers wird niemals darauf eingehen. Ich bezweifle sogar, dass er mächtig genug ist, um die Entscheidung darüber zu treffen. Also warum beleidigst du meine Intelligenz?«
Wieder habe ich einen Fehler begangen. »Es tut mir leid. Ich wollte Euch damit nur darauf aufmerksam machen, wie wichtig Eure Hilfe ist.«
Enttäuschung geht in Wellen von ihm aus. Seine Stimme klingt kühl, als er nach ein paar Sekunden des Schweigens das Wort ergreift. »Nun, ich habe es verstanden. Wie viel wäre dir meine Unterstützung wert?«
»Was meint Ihr?« Meine Nackenhaare stellen sich auf.
»Was wärst du bereit zu tun, damit ich mich dieser sinnlosen Mission anschließe?«
»Ich … ich weiß nicht, worauf Ihr hinauswollt.«
Umock umkreist mich langsamer. »Würdest du mir deine Seele versprechen?«
Ein eisiger Schauer, der nicht von dem mächtigen Wesen ausgeht, jagt meinen Rücken hinunter. »Meine Seele?«
Er sagt kein Wort, was Antwort genug ist.
»Warum verlangt Ihr ausgerechnet meine Seele?« Ich will die Ewigkeit nicht der Dunkelheit widmen. Ich widme mein Leben dem Licht, versuche immer nur Gutes zu tun. Weshalb sollte ich mich auf diese Verrücktheit einlassen, deren Ende nicht absehbar ist?
»Deine ist genauso gut wie jede andere. Dein Großvater mag es nicht erkennen, aber ich sehe die Magie in dir. Du besitzt Potenzial. Dich auf meiner Seite zu haben, wird für mich von Vorteil sein.«
»Wir verhandeln nicht über meine Seele.« Vehement schüttle ich den Kopf. »Stellt eine andere Forderung!«
»Und wenn es das Einzige ist, was ich begehre?« Umock klingt lauernd, während er vor mir anhält. Will er meine Überzeugungen prüfen?
Es gibt vieles, an dem ich zweifle. Meine Fähigkeiten und meine Eignung für diese Mission stelle ich am meisten infrage. Doch ich weiß, dass ich diese Vereinbarung nicht mit ihm treffen werde. »Mit Sicherheit gibt es andere Dinge, die Ihr gerne verlangen würdet.«
»Nun, dem will ich nicht widersprechen. Auf meiner Liste mit Dingen, die ich gerne tun würde, stehen viele Punkte. Diese wären allerdings nur möglich, wenn ich einen menschlichen Körper hätte. Ich würde mich betrinken, alles essen, was ich früher gemocht habe. Ich würde mit all meinen Sinnen, die ich jetzt nicht mehr besitze, genießen. Wäre ich in der Lage, dich zu berühren, würde ich zum Beispiel nicht zögern.«
In seiner Stimme schwingt etwas mit, das ich nicht zuordnen kann. Ich verstehe nicht, worauf er hinauswill. Möchte er mich von hier vertreiben? Deutet er damit an, dass er uns nicht helfen kann, weil er keine Hände besitzt, dass er keine Waffe führen kann, weil er sie nicht mit menschlichen Fingern umfassen kann?
Diese Angst kann ich ihm nehmen. Uns verlangt nach seiner Macht, nach dem Hauch der Dunkelheit, den er und seine Soldaten ausstoßen und der jeden Menschen in die Knie zwingt. Er muss für unsere Feinde nicht sichtbar sein, um sie vernichten oder zumindest außer Gefecht setzen zu können. Warum ist ihm das nicht bewusst?
»Ihr seid in der Lage, ganz ohne menschlichen Körper Unheil zu verbreiten. Wenn unser Fürst Euch erst einmal von dem Zauber befreien lässt, der Eure Magie in Schach hält, könnt Ihr wieder über Euren Hauch der Dunkelheit bestimmen.«
»Das war nicht, was mir durch den Kopf gegangen ist.«
Dieses Gespräch ist zu verwirrend. Ich will nicht rätseln, was in ihm vorgeht. Wenn er keine deutlichen Worte benutzt, werde ich ihn nicht darum bitten. Es ist nur seine Art, um mich in meine Schranken zu verweisen, um klarzustellen, dass er die Kontrolle über die Situation hat. Soll er daran ersticken.
»Die Gefahr verschwindet nicht von allein«, setze ich neuerlich an. »Davor könnt Ihr Eure Augen … Ich meine, Ihr könnt Euch davon nicht abwenden. Die Bedrohung hat auch Auswirkungen auf Eure Macht.«
»Nein, sie schenkt mir nur weitere Seelen für meine Armee«, erinnert er mich.
Ist er tatsächlich so kaltherzig? Ist er das Monster, für das mein Großvater und die ganze Welt ihn halten? Warum kann dann ich in ihm etwas anderes erkennen? Weshalb fühlt es sich für mich an, als würde er etwas empfinden können? Habe ich nicht vorhin aus seinen Worten gehört, dass er sich doch nach etwas sehnt? Will er mich glauben machen, keine großen Wünsche mehr zu hegen, damit ich ihm gegenüber Nachsicht walten lasse?
»Natürlich würde Eure Macht anwachsen, wenn die Menschen dieses Kontinents ihr Leben verlieren«, gebe ich zu. »Mit jedem weiteren Toten steigt die Möglichkeit, dass Eure Armee anwächst. Dieser Krieg wird die Menschen verändern. Das Böse wird ihnen nicht mehr fremd sein. Es wäre nur noch ein kleiner Schritt notwendig, um sich Euch anzuschließen.«
»Deine Verhandlungsfähigkeiten lassen zu wünschen übrig«, höhnt er. »Wenn du mir zustimmst, hast du nichts in der Hand, um mich davon überzeugen, euch doch noch zu helfen.«
»Diesbezüglich irrt Ihr Euch. Ich möchte Euch nämlich auf einen Fehler in Eurer Vision der Zukunft aufmerksam machen. Auch wenn Unschuldige abgeschlachtet werden und Soldaten durch das Grauen, das sie mitansehen mussten, entscheiden, sich auf Eure Seite zu stellen, wird gleichzeitig die Menschheit ausgerottet. Das Böse, das in unser Land einfällt, wird nicht aufgeben, bis sie das letzte Gute, die letzte Menschlichkeit, das letzte Leben ausgelöscht hat. Eure Freiheit würde wieder Euch gehören. Ihr wärt vielleicht immer noch König. Eure Armee wäre groß wie nie. Ihr hättet keine Konkurrenz zu fürchten. Aber Ihr hättet auch keine Untertanen, über die Ihr herrschen könnt. All die Magie, der Zauber, die Energie, die Ihr dann allein innehättet … Ihr könntet sie nicht genießen, weil Ihr Euch mit niemandem messen könnt. Eure Macht wäre nichts wert, weil Ihr sie niemanden spüren lassen könntet.«
Von einer Sekunde auf die nächste zieht Umock einen engen Kreis um mich. Er wird so dunkel, dass ich den besonderen Nebel erkennen kann, aus dem er gemacht ist. Ich meine, seinen Schädel auf mich zukommen zu sehen. Er besteht nicht aus Knochen oder Haut. Es ist nur eine Andeutung von etwas Menschlichem. Das Gebilde kommt so nahe, dass es mich beinahe berührt.
»Keine Untertanen?«, wiederholt er mit donnernder Stimme. Anscheinend lässt ihn diese Vorstellung nicht kalt.
»Diese unbekannte Gefahr will unsere Welt zerstören. Sie wird nicht aufgeben, bis sie uns alle vernichtet hat. Das ist aus den Visionen meines Großvaters deutlich hervorgegangen. Es mag dauern, bis unser Feind damit Erfolg hat. Möglicherweise gelingt es nach dem Verlust in der entscheidenden Schlacht einigen Menschen, sich vor der Bedrohung zu verstecken. Ein Teil der Tierwelt kann sich vielleicht retten. Irgendwann werden auch sie verschwinden. Unter Umständen könnt Ihr ein paar Wochen, Monate, Jahre über diese dann gebrandschatzte, unbewohnbar gemachte Erde herrschen. Es wird niemanden geben, den Ihr befehligen könnt. Mit etwas Glück könnt Ihr weiterhin als Geist durch die Lande ziehen. Doch dann wird die Gefahr einen Weg finden, auch Euch zu beherrschen und Eure Männer in alle Winde zu zerstreuen. Eure Soldaten werden sich in Nichts auflösen wie der Nebel, der sie sind. Ihr werdet nicht verhindern können, dass Ihr sie verliert. Ihr werdet einsam sein, bis auch Eure Macht abrupt erlischt wie eine Flamme im wütenden Sturm.«
»Wie kannst du es wagen, solche Unverschämtheiten anzudeuten? Wie kannst du mir solche abenteuerlichen Bilder der Zukunft malen?«
Es fällt mir schwer, nicht vor ihm zurückzuweichen. Seine Präsenz ist jetzt von solcher Intensität, dass ich mich noch kleiner und unwichtiger fühle, als ich es bin. Er rückt weiter auf. Obwohl er nur aus Nebel besteht, der mir nichts anhaben kann, spüre ich die eisige Umarmung. Ein eisiger Knoten entsteht in meiner Brust, die eng wird. Irgendetwas stellt er mit mir an. Irgendwie ist es ihm gelungen, einen Funken seiner Magie in meinen Brustkorb zu verpflanzen. Jetzt dehnt er sich in mir aus, nimmt mir die Luft zu atmen, während er gleichzeitig meinen Körper im Klammergriff hält. Er versucht mich zu zerquetschen! Er wird mich töten!
Hungrig ringe ich um Luft. Mit weit aufgerissenen Augen versuche ich, ihn um Gnade zu bitten, doch kein Wort verlässt meine Lippen. Ich habe keinen Atem mehr übrig, der Verständliches formulieren könnte. Lediglich in meinen Blick kann ich all mein Flehen legen.
Ganz plötzlich endet die tödliche Umarmung. Der Druck auf meine Brust lässt nach. Der Knoten, den Magie darin gebildet zu haben scheint, verschwindet von einer Sekunde auf die nächste. Umock umkreist mich wieder in knapper Entfernung. Lediglich meine schwer arbeitenden Lungen machen klar, dass ich diese beängstigende Erfahrung nicht geträumt habe.
Hat es sich um eine schockierend realistische Vorstellung gehandelt, die der König der Nebelseelen mir eingegeben hat? Wenn ja, was hat ihn zum Aufhören bewegt?
»Schwöre mir, dass du diese Bilder der Zukunftsvision tatsächlich gesehen hast«, fordert er.
»Das meiste davon. Ich weiß nicht, ob tatsächlich alles Leben ausradiert wird. Viel bleibt davon keinesfalls übrig. Unserem Feind verlangt es nach der vollständigen Vernichtung der Menschheit.«
Er knurrt. »Aber meine Macht wird untergehen, wenn die fremde Bedrohung über das Land hereinfällt und ihr sie nicht stoppen könnt.«
Ich nicke. Mein Großvater hat mir die Version des schrecklichsten Ausganges gezeigt. Da war nichts als Dunkelheit und Stille.
»Und du bist nicht bereit, mir schon jetzt deine kleine, interessante Seele zu versprechen?«, fragt Umock.
»Nein.« Wenn er darauf besteht, wenn er das von mir verlangt, damit er sich bereit erklärt, uns zu retten, werde ich es in Betracht ziehen müssen. Ich kann nicht mit einem Misserfolg aus dieser Verhandlung zurück zu meinem Fürsten kehren. Sollte sich Umock von meiner Beschreibung der Zukunft nicht dazu bewegen lassen, mit uns in den Kampf zu ziehen, werde ich selbstverständlich meine Seele gegen die Leben der Menschen eintauschen. Möglicherweise sollte ich nicht zögern, und einfach …
»In Ordnung, Enkel des Großen Zaubermeisters. Dann werden wir dieser geheimnisvollen Macht gemeinsam kräftig in den Arsch treten.«
Mir stockt der Atem. »Gemeinsam?«
»Sag deinem nervigen Anführer, dass ich euch unterstützen werde. Aber nur, wenn ich nach dem Kampf meine Freiheit zurückerhalte.«
»Ich weiß nicht, ob er …«
»Er wird. So wie du früher oder später zustimmen wirst, dich nach deinem Tod meiner Armee anzuschließen.«
Hitze kriecht über mein Gesicht, weil ich beinahe mein Einverständnis erklärt hätte. Mehr als ein Herzschlag hat nicht gefehlt, und ich hätte ihm gegeben, was er verlangt.
Noch einmal umkreist er mich schneller. »Es wird der Moment kommen, in dem ich dir noch einmal diesen Vorschlag unterbreite«, erklärt er mit lockender Stimme. »Ich freue mich darauf. Einen Zauberer hatte ich noch nie. Meiner Armee gehört jetzt schon eine beeindruckende Anzahl von Seelen an. Wenn ich meine Magie erst wieder einsetzen kann, wird die Liste der Anwärter schnell anwachsen. Auch du wirst dich meinem Zauber nicht entziehen können.«
»Ihr wollt mich mit einem Zauber belegen?«
»Ein mit Magie unterlegter Spruch ist nicht notwendig, um dich dazu zu verführen, dich mir anzuschließen. Du wirst schon sehen. Und jetzt kehre zu deinem Fürsten zurück. Unterbreite ihm mein Angebot. Ich bin mir sicher, er hat ein paar Forderungen, die er aufsetzen will.« Er geht auf Abstand.
Verwirrt stolpere ich zurück. »Natürlich. Ganz wie Ihr wollt.«
Ein leises, heiseres Lachen ertönt. »Die Sonne geht bald auf. Ich werde mich weiter in die Dunkelheit zurückziehen, um mich ungestört meiner Fantasie meiner neuen Zukunft hinzugeben. Das gibt dir die Gelegenheit, deinem Herrn die Hand zu küssen und ihn dazu zu bringen, meinen Wunsch zu erfüllen. Ich hoffe, wir treffen uns dann morgen wieder, damit wir die näheren Details besprechen können. Zum Glück kann dein Fürst nicht direkt mit mir verhandeln. Wir werden also viel Zeit miteinander verbringen. Damit du dich bei mir wohlfühlst, werde ich dir einen würdigen Wiedersehensempfang bereiten.«
Das Kribbeln in meinem Nacken ist wieder da. Die Art, wie Umock mit mir spricht, irritiert mich. Es klingt beinahe, als würde er mich umschmeicheln. Vermutlich handelt es sich um einen Trick, um mich in Sicherheit zu wiegen. Es beunruhigt mich, dass meine Seele darauf reagiert. Ein Anflug von Angst flattert in meinem Magen, weil mir die Vorstellung gefällt, dass er sich wirklich darauf freut, mich wiederzusehen.
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