Kitabı oku: «Die Seele des Zauberlehrlings», sayfa 4
»Ich muss als Mittelsmann fungieren, damit wir für den großen Krieg einen Verbündeten an unserer Seite haben. Nur dessen Macht wird uns siegen lassen.«
Mein Großvater nickt. »In meinen Visionen war dieses Detail ganz deutlich zu erkennen. Umock ist der Schlüssel zu unserem Erfolg. Ohne ihn sind wir verloren.«
Ein Schauer läuft mir über den Rücken. »Und wenn es mir nicht gelingt, ihn dazu zu bewegen, sich uns anzuschließen?«
»Dann Gnade uns die Magie.« Oremazz’ Stimme klingt dunkel.
Der strenge Blick, den er mir zuwirft, lässt mich den Kopf senken. Die Verantwortung, die auf meinen Schultern liegt, wiegt schwer. Die Verhandlungen mit unseren potenziellen Bündnispartnern führt normalerweise unser Fürst selbst. Doch mit Umock kann er sich nicht von Angesicht zu Angesicht unterhalten. Dafür ist meine Hilfe notwendig. Als Zauberer ist es mir möglich, den König der Nebelseelen zu rufen. Nur ich kann den Geist, der zurückgezogen in den Sümpfen von Anouk lebt, um eine Audienz bitten. Niemand außer einem Zauberer ist in der Lage, die körperlose Aura zu verstehen. Da mein Großvater sich dafür entschieden hat, mich an seiner Stelle in den Krieg ziehen zu lassen, werde ich die Verhandlungsposition des Fürsten übernehmen müssen.
Meine Nackenhaare stellen sich auf. Ich weiß nicht, was mich erwartet, wenn ich Umock gegenüberstehe. Möglicherweise lacht er mich aus. Unter Umständen glaubt er mir nicht. Vielleicht hält er unsere Bitte für einen Scherz. Egal, wie viel Zuversicht der Große Zaubermeister empfindet, ich fürchte, dass er sich in diesem Punkt irrt. Niemand kann voraussagen, was ein Wesen wie Umock antreibt.
»Wenn ich den Ausdruck auf deinem Gesicht betrachte, beginne ich an meiner Vision zu zweifeln«, brummt Oremazz. »Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass du deine Rolle in dieser Zeit der Gefahr zufriedenstellend spielen kannst.«
»Dann wirst du uns begleiten?«, frage ich und verachte mich für die Hoffnung in meiner Stimme, in dieser Sache nicht allein zu sein.
»Du weißt, dass das nicht möglich ist. Lass uns noch einmal wiederholen, was ich dir über die Nebelseelen beigebracht habe. Nimm dich vor ihnen in Acht. Besonders Umock wird versuchen, dich zu manipulieren. Selbst nachdem er zugestimmt hat, uns zu helfen, darfst du ihm nicht den Rücken zuwenden.«
Ich nicke. Das ist das Erste gewesen, das mein Großvater mir klargemacht hat.
»Glaub ihm nichts, was du nicht überprüft hast. Dieses Wesen der Dunkelheit spricht mit gespaltener Zunge. Sei vorsichtig, wenn du ihm das erste Mal gegenüberstehst. Die Macht, die es besitzt, wird Auswirkungen auf deine Sinneswahrnehmungen haben, wenn du dich nicht davor schützt. Vergiss nicht, den Zauber zu sprechen, den ich dir beigebracht habe. Der wird dafür sorgen, dass Umock dich nicht manipulieren kann. Benutze ihn, bevor die du Sümpfe von Anouk betrittst. Dieses Moor ist gefährlich. Du kennst die Geschichten darüber.«
Wieder spüre ich, wie ein kalter Schauer über meine Wirbelsäule huscht.
Oremazz nickt zufrieden. »Es schadet nicht, gesunden Respekt vor Umock zu haben. Auch wenn er von den Großen Zaubermeistern und den Lichtwesen vor vielen Jahrhunderten in die Sümpfe verbannt worden ist, besitzt er Macht. Durch mich bist du vor ihm in Sicherheit. Schließlich bindet ihn die Magie, die mich zum Großen Zaubermeister gemacht hat. Solange es ihm nicht gelingt, die Fesseln der Zauber abzuwerfen, durch die er zum Schoßhündchen gemacht worden ist, kann er lediglich als unsere Marionette fungieren.«
Ganz ähnlich fühlt sich auch meine Rolle an. Doch ich darf kein Mitgefühl mit Umock empfinden. Er hat es verdient, aus der Reihe der Zaubermeister verstoßen worden zu sein. Ich kenne vage Geschichten der dunklen Zauber, die er gewirkt hat, bevor man ihn in seine Schranken gewiesen hat.
»Wiederholen wir die Details«, fordert Oremazz. »Womit wirst du ihm drohen, damit er uns in unserem Krieg gegen den unbekannten Feind unterstützt?«
»Damit, dass er seine Magie völlig verlieren wird, wenn er sich nicht unserem Willen beugt.«
»Du wirst ihm zeigen, dass es uns damit ernst ist. Während du mit ihm sprichst, kann ich dir nicht beistehen. Der Zauber, der verhindert, dass du zu einem Sklaven seiner Willkür wirst, sperrt auch mich aus deinem Kopf. Du musst deine Sinne beisammenhalten, Junge. Diesen einen Zauber, der Umock zeigt, dass er nicht Herr über dich ist, musst du allein anwenden. Ich habe dir befohlen, ihn zu lernen, bis du ihn im Schlaf beherrschst. Genauso wichtig ist der Spruch, mit dem du ein anderes Wesen unter deinen Bann stellen kannst. Bist du bereit, ihn auszusprechen?«
Erschrocken reiße ich die Augen auf. »Aussprechen?«
»Wie sonst, denkst du, wird er seine Wirkung zeigen?« Oremazz’ Stimme verhöhnt mich.
»Wenn ich ihn anwende, muss ich ihn auf jemanden lenken. Wer sollte die Macht dieses Zaubers zu spüren bekommen?«
Ein grimmiges Lächeln hebt die Mundwinkel meines Großvaters. »Such dir jemanden aus.«
Vehement schüttle ich den Kopf.
»Dir wird nichts anderes übrigbleiben. Du musst sicherstellen, dass du dazu in der Lage bist.«
»Ich habe dir bereits gesagt, dass ich dazu nicht bereit bin.«
»Tu, was ich dir sage!«, befiehlt Oremazz mit einem Knurren. »Du machst dich lächerlich. Einmal hast du bereits versagt. Versuch wenigstens, die Blamage von vorhin auszumerzen.«
Unter seinem Ärger ziehe ich die Schultern ein. Dennoch bewege ich den Kopf langsam von links nach rechts.
Der Große Zaubermeister hebt die Hand und ohrfeigt mich.
Mein Kopf wird zur Seite geschleudert. Diese Brutalität kommt so überraschend, dass es einen Moment dauert, bevor ich begreife, was gerade passiert ist. Noch niemals hat Oremazz Gewalt angewandt, um mich dazu zu bringen, etwas zu tun, was ich nicht wollte. Noch niemals hat er dermaßen die Beherrschung verloren. Noch niemals habe ich mich so gedemütigt gefühlt.
»Du denkst, du hast eine Wahl. Doch da irrst du dich.« Mein Großvater macht einen Schritt auf mich zu und fixiert mich mit finsterem Blick. »Wenn du dich weigerst, meine Forderung zu erfüllen, werde ich dich dazu zwingen.«
»Es ist nicht gerecht, Magie an jemandem anzuwenden, der sich nicht wehren kann.« Weder an mir noch an der Person, die ich mit meinem Zauber verletzen soll. »Große Macht darf nicht für das Böse genutzt werden.«
Oremazz lacht auf. »Soll das unsere Feinde davon abhalten, gegen uns zu kämpfen? Tu, was notwendig ist. Unsere Gegner werden nicht zögern, uns zu vernichten, wenn wir uns nicht angemessen verteidigen.«
Diese Argumentation kann ich nachvollziehen. Doch die Schlussfolgerung, die der Große Zaubermeister daraus zieht, ist falsch. »Einen Unschuldigen werde ich in diese Versuche nicht mit einbeziehen, wenn er oder sie dadurch zu Schaden kommen könnte.«
Eine Augenbraue meines Großvaters schnellt in die Höhe. Seine Lippen bewegen sich zu Worten, die ich nicht verstehe, deren Wirkung ich jedoch sofort zu spüren bekomme.
Ich bin nicht mehr Herr meines Körpers. Obwohl ich all meine Kraft ansetze, um mich gegen den Überfall der Magie zu wehren, bin ich nicht in der Lage, mich zu bewegen. Grauen erfasst mich, als meine Beine sich in Bewegung setzen und mich zum Fenster tragen, das den Blick auf das umliegende Gelände freigibt. Ich will meine Lieder schließen, als könnte ich dadurch das Schlimmste verhindern, doch meine Augen werden durch den Zauber von Oremazz gelenkt. Sie fixieren einen Mann, der auf das Schloss zugeht und eine Kuh am Strick führt.
Nein! Nein, das darf nicht passieren!
Die Worte sind in mir gefangen und finden keinen Weg nach draußen. Wut und Scham brodeln in mir, weil es mir nicht gelingt, mich dem Bann meines Großvaters zu entziehen. Hilflos bin ich gezwungen, meine Arme zu heben. Meine Finger zeigen in die Richtung des Mannes. Ich will schreien, toben, mich an einen anderen Ort transportieren. Ein Teil von mir möchte sogar den Großen Zaubermeister schlagen, obwohl er alles ist, was mir an Familie noch geblieben ist.
Magie erfüllt mich vom Scheitel bis zu den Zehenspitzen. Die Kraft ist so überwältigend, dass es meinen Verstand berauscht. Mein Widerstand gegen ihn beginnt aufgrund der Gewalt seines Zaubers zu bröckeln, während das Feuer der Magie, das in mir entzündet worden ist, überhandnimmt. Einen Augenblick lang empfinde ich ein Hochgefühl, das mich alles vergessen lässt. Selbstbewusstsein und Macht in nie gekanntem Ausmaß. Endlich lerne ich eine Kraft kennen, die meine Seele strahlen lässt. Ich habe mir immer gewünscht, so viel Wärme zu spüren.
Die Energie, die sich in meinem Körper gesammelt hat, sucht einen Weg über meinen Arm ins Freie. Meine Hand vollführt eine Bewegung, die ich ihr nicht befohlen habe. Oh, bei allen Göttern! Es beginnt! Gleich wird es passieren! Ich werde Schuld auf mich laden. Das Entsetzen schnürt mir die Kehle zu. Tränen, die ich aufgrund des Zaubers meines Großvaters nicht weinen kann, brennen in meinen Augen.
Aus meinen zitternden Händen schießt die Energie in Richtung des Mannes vor dem Schloss, der nichts von der Gefahr ahnt, in der er sich befindet. Er wird von der Macht erfasst, mit der der Zauber von Oremazz durch mich strömt. Ganz plötzlich reißt ihn die Magie zurück. Er hebt vom Boden ab und fliegt mehrere Armlängen weit, bis er an den Stamm eines Baumes geschleudert wird.
Sein Schrei reißt plötzlich ab. Einen Augenblick lang scheint es, als würde der Fremde in zehn Armlängen Höhe am Stamm festgenagelt sein. Dann löst er sich von der Rinde und fällt schlaff zu Boden, wo er reglos liegen bleibt. Die Kuh, die er geführt hat, trottet langsam davon.
Meine Unfähigkeit, ihn zu warnen, oder das Unheil von ihm abzuwenden, erschüttert mich bis ins Innerste. Es ist nicht meine Entscheidung gewesen, den Fremden zu verletzen. Trotzdem trage ich Schuld daran. Was ist mit dem Mann passiert? Ist er tot? Bin ich jetzt ein Mörder? Noch weigern sich meine Beine, sich in Bewegung zu setzen, um nach ihm zu sehen. Ich muss sichergehen, dass er noch lebt. Auch wenn ich mich gegen die Inbesitznahme meines Körpers gewehrt habe, wäre es ohne mich niemals so weit gekommen. Und das alles nur, weil der Große Zaubermeister meinen Willen brechen wollte. Ich werde Oremazz niemals verzeihen, was er mir angetan hat.
3. Kapitel
Die Schritte der zehn Schritte langen Reittiere erzeugen ein gleichmäßiges Geräusch, wenn sie auf dem Boden aufkommen. Es könnte beruhigend sein, würde es sich nicht um so viele handeln, dass die Töne ein Vibrieren in meiner Brust erzeugen. Das Getrappel von ungefähr fünfzig dunkelgrünen Reitechsen mit unterschiedlichen Farbabstufungen klingt wie das erste Donnergrollen vor dem Gewitter. Eine unterschwellige Drohung von Gefahr.
Ich drehe mich im Sattel um und werfe einen Blick hinter mich. Um am Hinterteil der Reitechse vorbeisehen zu können, muss ich mich weit zur Seite lehnen. Der mit schwarzen Zackenmustern geschuppte Schwanz des Tieres bewegt sich bei jedem Schritt hin und her und verstellt mir dadurch immer wieder die Sicht. Trotzdem ist der Anblick, der sich mir bietet, beeindruckend.
Zweihundert Soldaten folgen uns in Viererreihen den Weg zwischen den Hügeln hindurch. Sie tragen schwere Lederrüstungen, die eng an ihrem Oberkörper anlegen. Den Rest seiner Streitkräfte hat der Fürst direkt durch das Land geschickt. Alle Männer, die in der Lage sind, eine Waffe zu führen, wurden eingezogen, um die Invasion unserer Feinde zu verhindern. Irgendwo in der Nähe der Küste werden sie vielleicht auf die Krieger stoßen, die in den Schiffen übers Meer getragen wurden, die man in Nialling gesehen hat. Sie werden die erste Schlacht schlagen, bevor wir wieder zu ihnen stoßen.
Wir anderen haben eine Aufgabe zu erledigen, von der unser Erfolg in diesem Krieg abhängt. So viele Männer, die den Fürsten beschützen, der ein paar Reihen vor mir reitet. So viele Männer, die in Wahrheit mir folgen, weil nur ich dafür sorgen kann, dass wir Hilfe von Umocks Seite erhalten.
Niemals hätte ich mich freiwillig dafür entschieden, die Verantwortung für den Verlauf dieser Verhandlungen auf meine Schultern zu laden. Ob die Soldaten, die sich hinter mir den Berg hinaufquälen, freiwillig hier sind? Hat man sie gefragt, ob sie diese Mission begleiten wollen, statt sich direkt in die Schlacht zu werfen und unser Land zu verteidigen? Ist ihnen bewusst, wie wichtig unser Auftrag ist?
Zumindest gibt es eine Person, die fünf Armlängen hinter mir marschiert, weil er in meiner Nähe sein wollte. Elevander hat natürlich dafür gesorgt, dass wir in diesem Krieg nicht getrennt werden, während wir alles in unserer Macht Stehende tun, um unser Volk zu beschützen. Ich muss nicht zu ihm sehen, um zu wissen, dass er mich beobachtet. Ich kann seinen Blick auf mir spüren wie eine Stütze, die mich aufrecht hält.
Als ich mich wieder umwende, bemerke ich überrascht, dass sich der Fürst hat zurückfallen lassen und nun auf meiner Höhe reitet. Er mustert mich aufmerksam, während sein weiter Mantel sich hinter ihm bauscht. Sofort verbeuge ich mich, was auf dem Rücken meines Reittieres gar nicht so einfach ist. Zum Glück trage ich nur ein helles, langes Hemd und weite Hosen und muss deshalb nicht befürchten, dass eines der Tiere auf meine Kleidung steigt.
»Ihr wirkt besorgt. Gibt es dafür einen bestimmten Grund?« Seine tiefe Stimme erzwingt Respekt. Seine Frage verlangt nach einer ehrlichen Antwort.
»Wer in Zeiten wie diesen nicht von Sorge gequält wird, besitzt kein Herz.« Das entspricht der Wahrheit. Wenigstens jetzt kann ich ehrlich sein. Es gibt so viel, was ich vor ihm verheimlichen und ihm vorspielen muss. Täuschungen liegen mir nicht. Aber für die Rettung der Welt bleibt mir keine andere Wahl.
»Hattet Ihr ebenfalls Visionen der Bedrohung wie Oremazz?«
Ich schüttle den Kopf. Vielleicht zu schnell. Misstrauen zeigt sich auf dem Gesicht des Fürsten. »Soweit ich weiß, wurden lediglich die Großen Zaubermeister der unterschiedlichen Völker mit Offenbarungen gesegnet«, erkläre ich schnell. »Die Magie wendet sich immer an den höchsten Zauberer einer Familie.«
»Aber Ihr könnt in die Zukunft sehen, nicht wahr? Oremazz hat mir versichert, dass Ihr ihn in diesem Krieg würdig vertreten werdet.«
»Ich kann alles, was mein Großvater kann.«
Der Fürst nickt. Eine unerwartete Seitenbewegung des Reittiers lässt seinen Mantel flattern, bevor er wieder auf das mannbreite Hinterteil der dunkelgrünen Echse niedersinkt. »Die Verantwortung, die es mit sich bringt, in eine bedeutende Familie hineingeboren worden zu sein, kenne ich gut. Manchmal ist der Druck, Erfolg haben zu müssen, unglaublich belastend.«
Er hat ja keine Ahnung.
»Mein Vater hat Großes für unser Volk geleistet«, fährt der Fürst fort. Sein attraktives Gesicht ist auf den Weg vor uns gerichtet. »Ich habe versucht, ihm ein würdiger Nachfolger zu sein. Seine Fußstapfen sind riesig. Es wäre leicht, ihnen einfach nur zu folgen, doch ich habe versucht, seine Arbeit fortzusetzen.«
»Das tut Ihr mit großer Weisheit und Güte«, versichere ich.
»Als mein Vater mich zu seinen Lebzeiten auf meine Aufgabe vorbereitet hat, wusste ich noch nicht, wozu ich fähig bin. Mir war klar, welche Erwartungen in mich gesetzt werden. Ob ich diese würde erfüllen können, konnte allerdings niemand voraussagen. Mein Vater hat vor seinen Ratgebern voller Lob von mir gesprochen. Ich hatte jedoch die ganze Zeit das Gefühl, ich wäre ein Betrüger.«
Mein Herz setzt einen Schlag aus. Hat er mich durchschaut? Bin ich enttarnt? Weiß unser Fürst, dass ich ihn belüge? Ich werde die Scharade so lange wie möglich weiterspielen. Möglicherweise hatten seine Worte einen anderen Hintergedanken.
Er wirft mir einen kurzen Seitenblick zu. »Manchmal scheint es, als wäret Ihr von der Größe der ersten Aufgabe, die Euch in Eurem Erwachsenendasein erwartet, eingeschüchtert.«
Ich bin überfordert. Die Angst, zu scheitern, quält mich, seit wir von zu Hause aufgebrochen sind. Seit fast zwei Wochen sitze ich auf dieser unbequemen Reitechse, während nicht nur mein Körper, sondern auch mein Selbstbewusstsein ordentlich durchgerüttelt wird. Nein, ich bin nicht eingeschüchtert. Ich bin starr vor Panik.
Die Verabschiedung von meinem Großvater hat nicht viel Zeit in Anspruch genommen. Der Fürst hat unseren Aufbruch vorgezogen, als weitere bedrohliche Nachrichten von anderen Küstenländern eingelangt sind. Nur vier Tage nach dem entsetzlichen Versuch, gegen meinen Willen meine Fähigkeiten zu testen, haben wir unsere Reise begonnen. Die Verachtung, die Oremazz während dieser Spanne mir gegenüber gezeigt hat, hat sich in meine Seele eingebrannt. Die klitzekleine Flamme der Hoffnung, dass ich nicht versagen werde, ist vom Großen Zaubermeister erstickt worden. Dennoch kann ich ihm nicht die Schuld an meinem möglichen Scheitern geben. Ich allein trage die Verantwortung für mein Unvermögen.
Der Mann, an dem wir damals unsere Versuche durchgeführt haben, ist noch am Leben. Allerdings wird er für immer auf die Pflege durch andere Menschen angewiesen sein. Die Angst auf seinem Gesicht verfolgt mich in meinen Träumen. Ich habe seiner Familie heimlich Geld zukommen lassen. Doch das wird niemals meine Schuld ausgleichen.
»Meine Erfahrungen als Euer Berater mögen gering sein«, presse ich hervor. »Die Mission, für die die Verantwortung auf meinen Schultern lastet, entscheidet über das Schicksal unseres Volkes. Möglicherweise wirke ich auf einen außenstehenden Beobachter nicht wie jemand, der dem gewachsen ist. Ich bin mir der Bedeutung jedoch bewusst und versichere Euch, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um diese Verhandlung erfolgreich abzuschließen.«
»Haltet Ihr mich für einen außenstehenden Beobachter?«, fragt der Fürst und schickt mir einen intensiven Blick.
Warum verbeißt er sich in diese Formulierung? Will er damit sagen, dass er ebenfalls meinen Fähigkeiten misstraut? Noch ein Hinweis darauf, dass er Zweifel an mir hegt. Mein Magen fühlt sich plötzlich an, als hätte ich zu lange nichts gegessen.
Ratlos blinzle ich, bevor ich mich abwende. Egal, was ich antworte, es kann nur falsch sein. »Nein, so würde ich Euch nicht bezeichnen.«
»Nun, denn. Wir werden bald herausfinden, ob Ihr ein würdiger Nachfolger Eures Großvaters seid. Der Weg ist nicht mehr lang.« Der Fürst nickt mir zu und gibt mit einem Druck seiner Schenkel den Befehl an seine Reitechse, das Tempo zu erhöhen, bis er wieder zu seinen Ratgebern aufgeschlossen hat.
Die drei Männer reiten links und rechts von ihm. Soldaten bewachen diese wichtigen Männer. Ich bin das Schlusslicht dieser seltsamen Truppe. An meiner Seite achten ebenfalls Soldaten darauf, dass mir nichts passiert. Man braucht mich für eine einzige wichtige Aufgabe. Danach habe ich meine Schuldigkeit getan und bin nicht mehr als einer dieser Wahrsager, die in die Sterne blicken, um vage Angaben über das zu erwartende Geschehen in den nächsten Tagen zu geben. Während unserer Reise hat man mich lediglich darum gebeten, meine Meinung zu Entscheidungen unsere Route oder unser Lager betreffend abzugeben. Man hat mich nicht in die Zukunft blicken lassen. Man hat nicht einmal den genauen Ablauf dieser Mission mit mir besprochen. Es fühlt sich an, als würde ich seit fast zwei Wochen tagtäglich Prüfungen ablegen. Ich weiß nicht, ob ich sie bestehe. Ich weiß nur, dass meine Worte unablässig auf die Goldwaage gelegt werden.
Frustration wallt in mir auf. Die Anspannung der letzten Tage will sich entladen. Die Wut auf meinen Großvater, weil er mich in diese Situation gebracht hat, wächst immer weiter an. Warum ist er nicht hier und sorgt dafür, dass wir die Hilfe bekommen, die wir brauchen? Wenn auch er nicht an mich glaubt, weshalb drückt er sich vor der Verantwortung? Wieso glaubt er an diese verdammte Vision, von der ich ein Teil gewesen bin? Er weiß ja nicht einmal, ob meine Anwesenheit bei der Schlacht einen Unterschied gemacht hat. Möglicherweise hätte es gereicht, wenn ich ihn begleitet hätte. Warum ist er so fest davon überzeugt, dass sein Verbleiben auf dem Schloss so wichtig ist? Wieso wird er so ärgerlich, wenn ich ihm diesbezüglich Fragen stelle?
Der nächste Teil des Weges fordert meine ganze Aufmerksamkeit, weshalb ich die immer gleichen Gedanken zur Seite schiebe. Ist der Anstieg des Pfades schon beschwerlich gewesen, so wird er nun zu einer Herausforderung. Besorgt ziehe ich die Zügel fester an und klammere mich an den Knauf meines Sattels.
Die Krallen der Reitechsen graben sich in die Erde. Sie haben keine Schwierigkeiten, den steilen Anstieg zu überwinden. Die Soldaten hinter uns fallen allerdings zurück. Ich blicke über meine Schulter, erhalte durch die Neigung freie Sicht auf sie. Ich muss aufpassen, das Gleichgewicht in meinem Sattel nicht zu verlieren, und beobachte, wie die Abstände zwischen den Reihen sich vergrößern. Nach und nach dehnt sich die Kolonne hinter uns auf die doppelte Länge. Die Anstrengung ist den Soldaten deutlich anzusehen.
Vielleicht hat die Zeit des Friedens zu lange gedauert. Möglicherweise haben wir uns zu sehr auf unsere Götter verlassen. Es ist mehrere Jahrzehnte her, seit wir das letzte Mal von einem verfeindeten Volk angegriffen wurden. Dieser Krieg trifft uns unvorbereitet. Ich bete, dass das unseren Sieg nicht unmöglich macht.
Mit schwerem Herzen wende ich mich nach vorne. Der Wald, der uns am Rand des Weges begleitet, drängt immer näher. Der Durchgang wird schmaler, doch noch können wir die Viererreihe aufrechterhalten. Hoffentlich ändert sich daran nichts, denn das würde einen Angriff auf uns erleichtern. Diese Reise ist bislang ohne große Zwischenfälle verlaufen. So kurz vor dem ersten Ziel darf sich daran nichts ändern.
Ganz unerwartet öffnen sich die Reihen der Bäume. Beim Weiterreiten müssen wir einen letzten Anstieg überwinden. Dann liegt uns die Welt zu Füßen. Wir befinden uns auf dem höchsten Punkt des Berges, der in einem Halbbogen links und rechts von uns weiterwächst. Das ermöglicht uns einen Blick über das, was vor uns wartet.
Ein schmaler Pfad schlängelt sich in die Tiefe, die von den Flanken des Berges umarmt wird. Nach ein paar Hundert Armlängen beginnt erneut ein Wald, der sich allerdings von dem unterscheidet, den wir bereits durchquert haben. Bäume ragen aus dem Nebel, der den Boden in eine trübe Suppe verwandelt. Ich weiß, dass wir dort auf jeden unserer Schritte achten müssen. Ein Sumpf, älter als die Menschheit, verschlingt alles, was sich zu nahe an ihm heranwagt.
Angeblich führt ein Weg durch diese gefährliche, graue Brühe. Noch habe ich allerdings von niemandem gehört, dem es gelungen ist, wieder lebend aus dieser feuchten Dunkelheit zu gelangen. Doch selbst wenn es gelingen sollte, einen Weg aus befestigtem Boden zu entdecken, wird man vom Nebel umhüllt. Der Pfad verschwindet. Ein falscher Schritt, und der Morast zieht einen in die Tiefe. Der Verstand wird von den Schwaden benebelt. Man vergisst, warum man sich überhaupt in dieses Moor gewagt hat. Nein, es ist kein Ort, an den man sich leichtfertig begeben sollte.
Und doch ist es das Zwischenziel unserer Reise.
In der Nähe des Sumpfes existiert keinerlei Leben. Kalt und unwirtlich liegt das mit Nebelschwaden verdeckte Moor inmitten unserer fruchtbaren Heimat. Während unserer Reise haben wir saftige Felder gesehen, deren Früchte man uns geschenkt hat, sobald der Fürst erkannt worden war. Äcker waren mit hohen Getreideähren bestückt, aus denen man die uns überlassenen Brote gebacken hatte. Flüsse hatten uns Nahrung im Überfluss gewährt. Doch das Land dort unten ist scheinbar in einem großen Radius vergiftet.
Mit einer Handbewegung lässt der Fürst seine Männer anhalten. Dann befiehlt er seine Berater zu sich. Irgendwo hier in der Nähe werden wir unser Lager aufschlagen. Ich kenne die Gesichtspunkte nicht, nach denen der geeignete Platz ausgewählt wird. Es ist mir auch egal. Für den Fall, dass man mich nach meiner Meinung fragen sollte, habe ich meinen Großvater bereits informiert. Sollte man sich an mich wenden, muss ich Oremazz lediglich kanalisieren, damit er mir die Worte einflüstert, mit denen ich den richtigen Ratschlag geben kann.
Meine Gedanken beschäftigen sich mit der Aufgabe, die ich allein erfüllen muss. In meinem Magen kribbelt es vor Aufregung. Meine Ausbildung sollte mich auf diesen Moment vorbereiten. Doch einmal mehr habe ich das Gefühl, dass das Misstrauen meines Großvaters in meine Fähigkeiten gerechtfertigt ist. Wie soll ich an mich glauben, wenn er mir eingepflanzt hat, niemals gut genug zu sein?
Der Nebel wabert. Man könnte glauben, dass er seine Finger ausstreckt, dass er sich neugierig hochreckt, um zu überprüfen, was auf dem Hügel über ihm vorgeht. Unter Umständen ist diese Vorstellung nicht einmal so unsinnig, wie sie klingen mag. Dort unten in den Sümpfen befindet sich eine Quelle der Magie. Die Macht, die darin wohnt, ist nicht von dieser Welt. Nein, die Wesen, die dort unten hausen, sind zu weit mehr in der Lage, als ein paar arme Seelen zu verwirren und ins Unheil zu stürzen.
Nebelseelen.
Der Name wird dem Grauen nicht gerecht, das sie verbreiten. Eine Armee aus verlorenen Seelen, die sich nach ihrem Tod dagegen entschieden haben, Teil der Armee der Engel zu werden, oder die als unwürdig befunden wurden, Teil des göttlichen Heeres zu sein.
Ich kann mir nicht vorstellen, was jemanden dazu bewegen sollte, freiwillig zu einer Nebelseele zu werden. Ein Leben in der Dunkelheit in alle Ewigkeit. Der Hunger, die Seelen von Menschen für sich zu vereinnahmen, sich in ihren Verstand einzunisten und von ihnen Besitz zu ergreifen, bis sie dem Wahnsinn anheimfallen. Es ist ein hoffnungsloses, sinnloses Dasein. Doch ich verstehe auch nicht die Menschen, die sich ganz dem Bösen hingeben. Dazu gehören die Nebelseelen ohne Zweifel. Sie sind die Armee der Dunkelheit.
In früheren Jahren sind die Nebelseelen Gerüchten zufolge durch die Lande gezogen und haben ihren giftigen Atem überall verteilt. Wer sich auf ihre Verlockungen eingelassen hat, verlor seine Seele bereits vor dem Tod. Überall existierten Personen, die nur noch eine fleischliche Hülle ohne eigenen Willen waren. Niemand soll vor ihnen sicher gewesen sein.
Jetzt allerdings ist ihr König der Schlüssel, der uns siegreich aus dem bevorstehenden Krieg heraustreten lassen soll.
»Mach kein so finsteres Gesicht«, fordert eine Stimme neben mir. »Man könnte annehmen, du wärest wegen irgendetwas beunruhigt. Dabei ist das mit Sicherheit nicht der Fall.«
Ich wende mich Elevander zu und bemühe mich um ein Lächeln. Mein bester Freund ist aus der Reihe seiner Truppe getreten, um mit mir sprechen zu können. »Natürlich nicht. Tut mir leid, wenn meine Gedanken abgeschweift sind. Der heutige Ritt war ziemlich anstrengend. Ich will mir nicht vorstellen, wie erschöpft du sein musst.«
Er zuckt mit den Schultern. »Mein Los habe ich mir selbst ausgesucht, als ich mich für diese Einheit entschieden habe.«
»Wir beide wissen, weshalb du diese Wahl getroffen hast.« Mir ist nichts anderes übriggeblieben, als in direkter Nähe zu unserem Fürsten zu reiten. Das gilt allerdings nicht für meinen besten Freund.
Elevander wollte mich nicht allein lassen. Er besteht darauf, mich im Auge zu behalten. Nicht, weil er mir nicht vertrauen würde. In seinen Augen kann ich nichts falsch machen. Er versucht, auf mich aufpassen, damit ich in meiner Unsicherheit keinen Fehler begehe. Wie immer glaubt er unerschütterlich an mich. Er wird dafür sorgen, dass ich den Respekt der Soldaten oder gar unseres Anführers nicht verliere, wenn sich so wie jetzt meine Anspannung auf meinem Gesicht zeigt.
Womit habe ich einen treuen Freund wie ihn verdient?
»Ich bin froh, dass ich hier vorne marschieren kann«, erklärt Elevander. »Wie viel Staub die Soldaten weiter hinten wohl schlucken müssen? Seit Tagen haben wir uns alle ein vernünftiges Bett gewünscht. Doch die Männer, die am Ende unseres Trupps gehen, haben noch ein härteres Schicksal. Wir brechen in den Morgenstunden als Erstes auf und erreichen den Rastplatz auch wieder vor den anderen. Die Männer hinten müssen mit uns zum Abmarsch bereit sein, stehen dann aber sinnlos herum, bis sie an der Reihe sind. Am Abend sind sie die Letzten, die ihr Lager errichten.«
»Beschwer dich nur nicht zu laut«, warne ich ihn. »Man könnte deine Worte als Tadel verstehen.«
Er wirft einen Blick über seine Schulter. Die Männer, neben denen er diesen Berg bestiegen hat, tragen reglose Masken. Sie haben Erfahrung darin, ihre Gedanken zu verbergen. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie nicht bemerken, was rund um sie herum vorgeht. Dann ist da noch Janifik, der als mein Diener abgestellt worden ist und sich ständig in meiner Nähe aufhält. Wie oft ich erschrocken bin, weil er plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht ist. Unter Umständen berichten die Männer oder Janifik meine Worte und Kritik direkt an den Fürsten, dabei möchte ich, dass er eine gute Meinung von mir hat.
Verfolgungswahn kann ich nicht gebrauchen. Ich sehne mich nach jemandem, dem ich blind vertrauen kann. Zum Glück habe ich Elevander, der mir zur Seite steht. Die Soldaten verstärken meine Unsicherheit noch.
Elevander macht einen Schritt zurück, bis er sich wieder nahtlos in seine Reihe fügt. »Ich weiß zu schätzen, wo ich bin«, sagt er mit einem Tonfall, der seinen Worten eine geheime Bedeutung gibt.
Erleichterung macht sich in mir breit, als er wieder zu einem von vielen wird, als er mit der Masse verschwimmt und dadurch nicht in Gefahr gerät, für ein unbedachtes Wort bestraft zu werden. Elevander will mich nur beschützen. Doch ich will auch auf ihn aufpassen.
Der Fürst brüllt einen Befehl. Sofort setzen sich die Männer wieder in Bewegung. Hastig schließe ich zu meiner Gruppe auf. Wir reiten wieder direkt in einer Reihe, haben aber auf dem jetzt breiteren Pfad genug Platz, um mehr Abstand nebeneinander zu halten. Der Weg schlängelt sich den Berg hinunter. Bis in das Moor, in dem Umock lebt, werden sie mir nicht folgen. Ich bin nicht in der Lage, den Schutzzauber für sie alle zu sprechen.