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2. Kapitel Materielles Arbeitsstrafrecht › A. Beitragsvorenthaltung nach § 266a StGB › I. Geschütztes Rechtsgut
I. Geschütztes Rechtsgut
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Die Absätze 1 u. 2 des § 266a StGB schützen das Interesse der Solidargemeinschaft an der Sicherstellung des Aufkommens der Mittel für die Sozialversicherung.[1] Geschütztes Rechtsgut sind also die Vermögensinteressen der Sozialversicherungsträger[2] und somit letztlich die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung insgesamt.[3]
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Mit der herrschenden Auffassung dienen diese Vorschriften dagegen nicht dem Schutz der Vermögensinteressen einzelner Arbeitnehmer.[4] Der Gegenauffassung[5] ist neben der Entstehungsgeschichte des § 266a Abs. 1 StGB und einer eindeutigen Stellungnahme des Rechtsausschusses des Bundestages zur Schutzrichtung der Norm[6] insbesondere entgegenzuhalten, dass der betroffene Arbeitnehmer durch die Nichtabführung der Beiträge grundsätzlich keine Nachteile in seinem Versicherungsschutz erleidet.[7] Zudem belegt die Einführung des Abs. 2, der die Nichtabführung der Arbeitgeberanteile nur unter besonderen Umständen unter Strafe stellt, die monistische Zielrichtung (auch) des Abs. 1.[8]
§ 266a Abs. 3 StGB dient hingegen ausschließlich dem Schutz der Arbeitnehmer.[9]
Anmerkungen
[1]
BT-Drucks. 10/5058, S. 31; BVerfG NJW 2003, 961; BGH NJW 2014, 1244, 1245; NStZ 2010, 216; wistra 2005, 458, 459; LG Bochum GmbHR 2014, 1041, 1042; Fischer § 266a Rn. 2; a.A. Matt/Renzikowski § 266a Rn. 1, der diese abstrakte Beschreibung des Rechtsguts im Hinblick auf die restriktiven Vorgaben des Ultima-Ratio-Prinzips für unzureichend erachtet und ausschließlich das Vermögen des Sozialversicherungsträgers als geschützt ansieht.
[2]
Vgl. SK-StGB/Hoyer § 266a Rn. 3; LK/Möhrenschlager § 266a Rn. 8.
[3]
Graf/Jäger/Wittig/Wiedner § 266a Rn. 3.
[4]
BT-Drucks. 15/2573, S. 28; BGH wistra 2005, 458; OLG Celle NJW 1992, 190; Fischer § 266a Rn. 2a; MK-StGB/Radtke § 266a Rn. 4; Schönke/Schröder/Perron § 266a Rn. 2; Matt/Renzikowski § 266a Rn. 2; Brüssow/Petri C Rn. 1; Bittmann DStR 2001, 855, 858; Steinberg wistra 2009, 55, 56; Brenner S. 102.
[5]
Vgl. BSGE 78, 20, 23 f; LK/Gribbohm, 11. Aufl., § 266a Rn. 5; NK-StGB/Tag § 266a Rn. 8; Ranft DStR 2001, 132, 134.
[6]
BT-Drucks. 10/5058, S. 31: Während Abs. 3 (Abs. 2 a.F.) „ein untreueähnliches Verhalten des Arbeitgebers […] zum Nachteil des Arbeitnehmers erfassen will, handelt es sich bei Abs. 1 […] um den Schutz der Solidargemeinschaft. Das Aufkommen der Sozialversicherungsträger und der Bundesanstalt für Arbeit soll dadurch strafrechtlich gewährleistet werden […]“.
[7]
Vgl. zu den Einzelheiten die überzeugenden Ausführungen von MK-StGB/Radtke § 266a Rn. 4.
[8]
Vgl. MK-StGB/Radtke § 266a Rn. 4.
[9]
Fischer § 266a Rn. 2; Schönke/Schröder/Perron § 266a Rn. 2; Brüssow/Petri C Rn. 1.
2. Kapitel Materielles Arbeitsstrafrecht › A. Beitragsvorenthaltung nach § 266a StGB › II. Entstehungsgeschichte und Bedeutung
II. Entstehungsgeschichte und Bedeutung
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Seinen Ursprung hat der Gedanke des strafrechtlichen Schutzes der Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung bereits in der Gesetzgebung des späten 19. Jahrhunderts; erstmalig wurde im Jahre 1892 in § 82b KVG (Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter) der Verstoß gegen die Pflicht zur Entrichtung von Arbeitnehmeranteilen unter Strafe gestellt.[1] In der Weimarer Republik wurden in der Reichsversicherungsordnung und dem Angestelltenversicherungsgesetz Strafvorschriften implementiert, um die Durchführung der Sozialversicherung zu sichern.[2]
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Der Tatbestand des § 266a StGB wurde durch das 2. WiKG mit Wirkung zum 1.8.1986 in das Strafgesetzbuch eingefügt.[3] Damit wurde zum einen eine Konzentration der zuvor in verschiedenen sozialrechtlichen Gesetzen verstreuten Vorgängervorschriften im Kernstrafrecht vorgenommen; zum anderen wurde der heute in Abs. 3 enthaltene Tatbestand des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt neu eingeführt, welcher nicht auf die Hinterziehung von Beiträgen zur Sozialversicherung abstellt.
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Mit Wirkung zum 1.8.2002[4] wurde die Strafandrohung für besonders schwere Fälle (nunmehr geregelt in Abs. 4) auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren erhöht. Zudem wurde in Abs. 1 zur Klarstellung[5] der Zusatz „unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird“ eingefügt. Im Jahre 2004 wurde durch Art. 2 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes[6] der Tatbestand des § 266a Abs. 2 StGB eingeführt, um Strafbarkeitslücken im Bereich der Vorenthaltung von Arbeitgeberanteilen zu schließen. Durch Art. 1 des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.8.2017 wurde schließlich § 266a Abs. 4 StGB um zwei neue Regelbeispiele für besonders schwere Fälle ergänzt (vgl. Nr. 3 und Nr. 4), die bisherige Nr. 3 wurde Nr. 5.[7]
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Die strafrechtliche Sanktionierung des Verstoßes gegen die Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen trägt neben der existenziellen Bedeutung des Sozialversicherungssystems insbesondere auch den verfahrensrechtlichen Besonderheiten der Beitragserhebung Rechnung.[8] Denn die Berechnung, Erklärung und Abführung der Beiträge obliegt bei Bestehen eines Arbeitsverhältnisses allein dem Arbeitgeber; ein besonderes Prüfungs- oder Feststellungsverfahren ist – zunächst[9] – nicht vorgesehen.[10] Damit werden dem Arbeitgeber nicht nur erhebliche Mitwirkungspflichten auferlegt, sondern auch Missbrauchsmöglichkeiten eröffnet, denen die strafrechtliche Sanktionierung in § 266a StGB entgegenwirken soll.[11]
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Die praktische Relevanz der Vorschrift lässt sich anhand statistischer Werte leicht vor Augen führen: Im Jahr 2019 wurden 9.884 neu bekannt gewordene Fälle nach § 266a StGB in die polizeiliche Kriminalstatistik aufgenommen (2018: 10.948); 2017 waren es 10.964 und 2016 sogar 11.370 Fälle.[12] Die Aufklärungsquote bei den bekannt gewordenen Fällen lag jeweils über 99 %.[13] Im Jahr 2019 belief sich der registrierte Gesamtschaden auf rund 220,5 Mio. € (2018: 70,9 Mio. €).[14]
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Die große praktische Bedeutung kommt der Norm u.a. auch deshalb zu, weil § 266a StGB als typisches Begleitdelikt[15] in der (Vor-)Phase einer Insolvenz wegen seiner wenigen und klaren Tatbestandsmerkmale häufig als eine Art „Auffangtatbestand“ herangezogen wird, wenn sich der Tatnachweis für Bankrottstraftaten (§§ 283 ff. StGB oder eine Insolvenzverschleppung gem. § 15a InsO) nicht oder nur sehr schwer führen lässt[16] sowie wegen ihrer Relevanz für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen natürliche Personen über § 823 Abs. 2 BGB.[17]
Anmerkungen
[1]
Vgl. Bittmann wistra 1999, 441, 442 m.w.N.
[2]
Vgl. hierzu Alsberg S. 208 ff.; Graf/Jäger/Wittig/Wiedner § 266a Rn. 1.
[3]
Art. 1 Nr. 11, BGBl. I 1986, S. 721.
[4]
Art. 8 BillErlG, BGBl. I 2002, S. 2787.
[5]
S.u. 2. Kap. Rn. 42 ff.; vgl. auch BT-Drucks. 14/8221, S. 8 f., 18.
[6]
BGBl. I 2004, S. 1842; vgl. im Einzelnen hierzu Achenbach/Ransiek/Rönnau/Gercke 12. Teil 2. Kap. Rn. 4.
[7]
BGBl. I 2017, S. 3202; BT-Drucks. 18/11272; BT-Drucks. 18/11277; BT-Drucks. 18/12785.
[8]
Vgl. Ignor/Mosbacher/Pananis § 6 Rn. 4.
[9]
§ 28p Abs. 1 S. 1 SGB IV sieht eine Betriebsprüfung mindestens alle vier Jahre vor.
[10]
Vgl. Ignor/Mosbacher/Pananis § 6 Rn. 4; Gercke/Leimenstoll WiJ 2012, 246, 252.
[11]
Ignor/Mosbacher/Pananis § 6 Rn. 4.
[12]
PKS 2019 – Jahrbuch Bd. 4 – Einzelne Straftaten, S. 116; PKS 2018 – Jahrbuch Bd. 4 – Einzelne Straftaten, S. 115; PKS 2017 – Jahrbuch Bd. 4 – Einzelne Straftaten, S. 108; PKS 2016 – Jahrbuch Bd. 4 – Einzelne Straftaten, S. 102.
[13]
Vgl. zuletzt PKS 2019 – Jahrbuch Bd. 4 – Einzelne Straftaten, S. 116.
[14]
PKS 2019 – Jahrbuch Bd. 4 – Einzelne Straftaten, S. 121; PKS 2018 – Jahrbuch Bd. 4 – Einzelne Straftaten, S. 120; vgl. allgemein zu den Schäden der „Schattenwirtschaft“ auch den dreizehnten Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung v. 9.6.2017, BT-Drucks. 18/12755, S. 4 f.
[15]
Böttger/Verjans Kap. 4 Rn. 183; Wabnitz/Janovsky/Schmitt/Pelz Kap. 9 Rn. 292; vgl. auch Bittmann § 21 Rn. 4.
[16]
Böttger/Verjans Kap. 4 Rn. 183.
[17]
Vgl. dazu Esser/Keuten wistra 2010, 161 ff.; s. auch Achenbach/Ransiek/Rönnau/Gercke 12. Teil 2. Kap. Rn. 8, insbes. Fn. 32 und Wabnitz/Janovsky/Schmitt/Riediger/Schilling Kap. 20 Rn. 47.
2. Kapitel Materielles Arbeitsstrafrecht › A. Beitragsvorenthaltung nach § 266a StGB › III. Täterkreis
III. Täterkreis
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Für die ordnungsgemäße Anmeldung[1] und Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen ist gem. §§ 252 Abs. 1, 253 SGB V, § 60 Abs. 1 S. 2 SGB XI, § 174 SGB VI, § 348 Abs. 2 SGB III, 28d ff. SGB IV (allein) der Arbeitgeber verantwortlich, ebenso wie gem. § 28f Abs. 3 SGB IV für die Berechnung und die erforderlichen Erklärungen.[2] Bei § 266a StGB handelt es sich daher um ein echtes Sonderdelikt;[3] Täter kann nur der Arbeitgeber oder eine ihm gleichgestellte Person sein. Ein Arbeitnehmer kann allenfalls Anstifter oder Gehilfe sein, was insbesondere in Fällen der einvernehmlichen Schwarzlohnabrede in Betracht kommt.[4] Allerdings bleiben die strafrechtlichen Verfehlungen des Arbeitnehmers bei den Ermittlungen meist unberücksichtigt.[5]
1. Bestimmung des (strafrechtlichen) Arbeitgeberbegriffs[6]
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Eine eigenständige strafrechtliche Bestimmung des Arbeitgeberbegriffs existiert nicht.[7] Im Hinblick auf § 266a StGB ist nach einer Ansicht unter Anknüpfung an arbeitsrechtliche Grundsätze derjenige als Arbeitgeber i.S.d. Norm anzusehen, dem der Arbeitnehmer gem. §§ 611 ff. BGB Dienste leistet.[8] Da § 266a StGB an die sozialversicherungsrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers anknüpft,[9] ist nach überwiegender Auffassung in erster Linie auf den sozialversicherungsrechtlichen Arbeitgeberbegriff abzustellen.[10] Daraus ergeben sich allerdings, da der in § 7 Abs. 1 SGB IV geregelte Begriff des (sozialversicherungsrechtlichen) „Beschäftigungsverhältnisses“ im Wesentlichen dem des „Arbeitsverhältnisses“ entspricht, gegenüber der primär arbeitsrechtlichen Anknüpfung keine relevanten Unterschiede.[11]
So heißt es auch in einer jüngeren Entscheidung des BGH vom 16.4.2014:[12]
„Wer Arbeitgeber i.S.v. § 266a StGB ist, richtet sich nach dem Sozialversicherungsrecht, das seinerseits diesbezüglich auf das Dienstvertragsrecht der §§ 611 ff. BGB abstellt. Arbeitgeber ist danach derjenige, dem gegenüber der Arbeitnehmer zur Erbringung von Arbeitsleistungen verpflichtet ist und zu dem er in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis steht, das sich vor allem durch die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb des Arbeitgebers ausdrückt. Das Bestehen eines solchen Beschäftigungsverhältnisses zum Arbeitgeber bestimmt sich dabei nach den tatsächlichen Gegebenheiten, die einer wertenden Gesamtbetrachtung zu unterziehen sind. In diese Gesamtbetrachtung sind vor allem das Vorliegen eines umfassenden arbeitsrechtlichen Weisungsrechts, die Gestaltung des Entgelts und seiner Berechnung (etwa Entlohnung nach festen Stundensätzen), Art und Ausmaß der Einbindung in den Betriebsablauf des Arbeitgeberbetriebes sowie die Festlegung des täglichen Beginns und des Endes der konrekten Tätigkeit einzustellen. Die Vertragsparteien können aus einem nach den tatsächlichen Verhältnissen bestehenden Beschäftigungsverhältnis resultierende sozialversicherungsrechtliche Abführungspflichten nicht durch eine abweichende Vertragsgestaltung beseitigen.“
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§ 266a StGB knüpft allein an die Tatsache der Anstellung sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer an, die in persönlicher Abhängigkeit Dienste gegen Lohnzahlung[13] leisten; daher ist es für die grundsätzliche Tätertauglichkeit irrelevant, ob der Arbeitgeber Gewinn erzielt oder dies beabsichtigt.[14] Ausreichend ist auch ein faktisches Arbeitsverhältnis, unabhängig vom Bestehen eines wirksamen (zivilrechtlichen) Arbeitsvertrags.[15] Es kommt schließlich auf die „tatsächlichen Gegebenheiten [der] ‚gelebten‚ Beziehung“[16] an, nicht auf die vertragliche Bezeichnung oder Ausgestaltung.[17]
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Auch in Fällen der sog. Scheinselbstständigkeit, in denen aufgrund weisungsgebundener, abhängiger Beschäftigung de facto ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis besteht, ist daher die Arbeitgebereigenschaft i.S.d. § 266a StGB zu bejahen.[18]
Gleichwohl bereitet die Subsumtion eines konkreten Falls unter die geltenden Maßstäbe oftmals Schwierigkeiten, was zu einer immensen Zahl an gerichtlichen Entscheidungen[19] und erheblicher Rechtsunsicherheit geführt hat.[20] Diese Rechtsunsicherheit hält der 5. Strafsenat jedoch in einer jüngeren Entscheidung[21] ausdrücklich für zumutbar und sieht kein Bedürfnis für eine autonome strafrechtliche Definition des Arbeitgeberbegriffs.[22] Er begründet dies mit dem Hinweis, der Betroffene habe schließlich keine eigene rechtliche Beurteilung vorzunehmen. Er habe es in der Hand, „einen (kostenlosen) Antrag nach § 7a SGB IV bei der Deutschen Rentenversicherung Bund zu stellen und auf diesem Wege, gegebenenfalls durch weitere – die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrages hinausschiebende (§ 7a Abs. 6 S. 2 SGB IV) – Anrufung der Sozialgerichte, klären zu lassen, ob eine Beschäftigung im Sinne des § 7 SGB IV vorliegt“.
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Hinweis
In einem gemeinsamen Rundschreiben vom 13.4.2010[23] haben die Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger Verwaltungsvorschriften zur Abgrenzung von selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit erstellt.
Diese bieten eine praxisnahe Orientierungshilfe bei der Bewertung einzelner Tätigkeiten. Gleichwohl sind sie sehr allgemein gehalten; im Einzelfall bedarf es einer konkreten Begutachtung der einzelnen von der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien.[24]
2. Verantwortlichkeit als „Arbeitgeber“ nach § 14 StGB[25]
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Arbeitgeber kann sowohl eine natürliche als auch eine juristische Person sein. Im zweitgenannten Fall haften gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 StGB die Organe (bzw. deren Mitglieder) oder die vertretungsberechtigten Gesellschafter. Ausnahmsweise haftet gem. § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 u. 2 StGB auch ein mit der Betriebsleitung oder eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung Beauftragter.[26] Schließlich kann gem. §§ 14 Abs. 1 Nr. 3 StGB, 80 Abs. 1 InsO auch der Insolvenzverwalter als gesetzlicher Vertreter des Arbeitgebers strafrechtlich haften.[27] Umstritten ist hingegen, ob auch der vorläufige Insolvenzverwalter unter den Arbeitgeberbegriff des § 14 StGB fällt.[28]
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Die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers (einer GmbH) beginnt grds. erst mit seiner Bestellung;[29] sie endet mit seiner Abberufung oder Amtsniederlegung,[30] soweit diese nicht rechtsmissbräuchlich ist.[31] Grundsätzlich reicht die bloß formale Bestellung zum Geschäftsführer auch ohne faktische Tätigkeit aus.[32] Daher steht auch der nur vorgeschobene Scheingeschäftsführer (Strohmann) nach der Rechtsprechung des BGH als Arbeitgeber grundsätzlich (und gegebenenfalls neben dem faktischen Geschäftsführer) in der Verantwortung zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen.[33]
In den Fällen, in denen die Arbeitgebereigenschaft lediglich aus einer formalen Stellung herrührt, kann das tatsächliche Fehlen jeglicher Kompetenzen jedoch nach zutreffender Ansicht unter dem Gesichtspunkt der Unmöglichkeit normgemäßen Verhaltens eine strafrechtliche Verantwortung für die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen entfallen lassen.[34] Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der BGH nunmehr in einem obiter dictum ausdrücklich bestreitet, dass „dem „Strohmann“-Geschäftsführer die gebotene Abführung der Sozialversicherungsbeiträge mangels Kompetenzen tatsächlich unmöglich“ ist. Sollten die tatsächlichen Verhältnisse hinter seinen rechtlichen Befugnissen zurückstehen, so könne und müsse der Geschäftsführer gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, um seinen Einfluss geltend zu machen, anderenfalls sei er gehalten, sein Amt niederzulegen.[35] Im Hinblick auf die kurzen Fälligkeitsfristen ist allerdings fraglich, ob die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe tatsächlich die Unmöglichkeit der Erfüllung der Beitragspflicht ausschließen kann.[36] Da es hier letztlich auf den Einzelfall ankommen wird, sollte der Verteidiger umfassend zur tatsächlichen Unmöglichkeit vortragen.
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Umstritten ist, ob auch der faktische Geschäftsführer[37] als Arbeitgeber i.S.v. § 266a StGB zu behandeln ist. Dem ist entgegenzuhalten, dass der GmbH-Geschäftsführer – anders als z.B. in §§ 64, 84 GmbHG – gar nicht Normadressat des § 266a StGB und regelmäßig auch nicht „Arbeitgeber“ ist.[38] Damit kann nur unter den Voraussetzungen des § 14 StGB eine strafrechtliche Verantwortlichkeit gegeben sein. Eine Vertretungsberechtigung i.S.d. §§ 14 Abs. 1 StGB, 35 GmbHG ist beim „faktischen Geschäftsführer“ jedoch gerade nicht gegeben; ebenso wenig kommt eine Haftung nach § 14 Abs. 3 StGB in Betracht, da diese lediglich einen rechtlichen Wirksamkeitsmangel überwinden kann, nicht aber das Fehlen eines die formal wirksame Bestellung intendierenden Aktes selbst.[39] Damit kann allenfalls im Fall einer Beauftragung i.S.v. § 14 Abs. 2 S. 1 StGB (hinsichtlich der Erfüllung der sozialrechtlichen Abführungspflicht) der faktische Geschäftsführer tauglicher Täter sein.[40] Allein die tatsächliche Wahrnehmung gewichtiger Aufgaben kann hingegen angesichts des klaren Wortlauts des § 14 StGB keine Verantwortlichkeit nach § 266a StGB begründen.[41] Gleichwohl ist für die Praxis zu beachten, dass die h.M. die Rechtsfigur des faktischen Geschäftsführers auch auf den Tatbestand des § 266a StGB anwendet, unabhängig von den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 S. 1 StGB.[42] Der BGH verweist insoweit ohne nähere Begründung auf die Grundsätze faktischer Geschäftsführung, ohne sich mit den angesprochenen Besonderheiten des § 266a StGB auseinanderzusetzen.[43]
3. Mehrgliedrige Geschäftsführung; Delegation der Abführungspflicht
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Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so ist jeder von ihnen – wovon auch § 14 Abs. 1 StGB ausgeht – gem. §§ 35 Abs. 1, 37 GmbHG grundsätzlich Normadressat der der Gesellschaft obliegenden Pflichten, wozu auch die in §§ 28a Abs. 1 u. 2, 28f Abs. 3, 28e Abs. 1 SGB IV verankerte Verpflichtung zur Abgabe der sozialversicherungsrechtlichen Erklärungen sowie zur Abführung der entsprechenden Beiträge gehört.[44]
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Allerdings können interne Zuständigkeitsvereinbarungen zu einer Beschränkung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des (einzelnen) Geschäftsführers führen.[45] Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die gegenüber der Gesellschaft bestehenden (Tätigkeits-)Pflichten auch durch organisatorische Maßnahmen erfüllt werden können: Durch eine interne Regelung zur Aufgabenverteilung kann einem ausgewählten Geschäftsführer die Aufgabe der Abführung der Sozialversicherungsbeiträge übertragen werden; die Verantwortlichkeit der anderen (insoweit nunmehr intern unzuständigen) Geschäftsführer wird dadurch beschränkt, da sie sich grundsätzlich auf eine gewissenhafte Aufgabenerfüllung durch den zuständigen Kollegen verlassen dürfen, sofern keine Anhaltspunkte vorliegen, die ein Misstrauen rechtfertigen würden.[46] Auch in einem solchen Fall besteht jedoch jedenfalls die Verpflichtung zur Überwachung der ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung, insbesondere in der Krise können sich daraus (wieder) Handlungspflichten zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Beitragsabführung ergeben.[47]
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Entsprechendes gilt für die Delegation dieser Aufgabe auf eine untere Leitungsebene; auch insoweit treffen den delegierenden Arbeitgeber Überwachungspflichten, die sich in einer wirtschaftlichen Krise deutlich verschärfen.[48]