Kitabı oku: «Arbeitsstrafrecht», sayfa 22
c) Nichtzahlung trotz Fälligkeit (unabhängig von der Lohnauszahlung)
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Das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen i.S.v. § 266a Abs. 1 StGB ist die Unterlassung der Zahlung der Beiträge spätestens am Fälligkeitstag.[64] Das Merkmal des Vorenthaltens enthält kein über die Nicht-Zahlung hinausgehendes Unrechtselement, setzt also keine Täuschungs- oder Verschleierungsaktivitäten voraus.[65]
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Die Strafbarkeit tritt auch in den (in der Praxis häufigen) Fällen ein, in denen es nicht zu einer (zumindest teilweisen) Lohnauszahlung an die Arbeitnehmer kommt.[66] Diese lange Zeit umstrittene Frage, die in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits bejaht worden war (sog. Lohnpflichttheorie[67], in Anlehnung an das sog. Entstehungsprinzip des Sozialversicherungsrechts[68]), hat der Gesetzgeber durch die Neufassung des Abs. 1 im Jahre 2002 (s.o.) ausdrücklich entschieden.[69]
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Gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 SGB IV werden die Beiträge zur Sozialversicherung – abgesehen von den Sonderregelungen in den Sätzen 3 u. 4 – in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig.[70] Eine (vorhergehende) Stundung durch die Einziehungsstelle – die allerdings nur unter den engen Voraussetzungen des § 76 SGB IV möglich ist – schiebt die Fälligkeit auf,[71] wobei ein gewisser Beurteilungsspielraum des Versicherungsträgers anzunehmen sein dürfte.[72] Ob sich auch die Stundung des Lohnanspruchs des Arbeitnehmers auf die Fälligkeit auswirkt, ist umstritten.[73] Eine bloße stillschweigende Duldung der nicht fristgerechten Zahlung oder eine erst im Nachhinein vereinbarte Stundung heben jedenfalls die bereits eingetretene Strafbarkeit nicht auf.[74] Ebenso wenig berührt die verspätete Zahlung den Tatbestand der Beitragsvorenthaltung;[75] sie ist aber als Schadenswiedergutmachung bei der Strafzumessung regelmäßig mildernd zu berücksichtigen.[76] Darüber hinaus kann sie sich auf die Einziehungsentscheidung gem. §§ 73d f. StGB auswirken, als Argument für eine Verfahrenseinstellung nach §§ 153 ff. StPO herangezogen werden oder im Rahmen der strafbefreienden Selbstanzeige, § 266a Abs. 6 StGB, Bedeutung erlangen.[77]
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Hinweis
Im Rahmen der Überlegungen zum Umgang mit auftretenden Liquiditätsengpässen ist neben den vorgenannten Grundsätzen stets zu berücksichtigen, dass das Ersuchen um eine Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen zumindest als kriminalistisches Indiz für das Vorliegen ernster wirtschaftlicher Schwierigkeiten oder sogar bereits der Zahlungsunfähigkeit gewertet werden kann.[78] Auch kann die Krankenkasse als Einzugsstelle selbst einen (Fremd-)Insolvenzantrag stellen, und unter Umständen nicht nur aussichtsreiche Sanierungsbemühungen vereiteln, sondern möglicherweise auch Auslöser für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sein.
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Der Tatbestand des Vorenthaltens ist auch bei (nur) teilweisem Unterlassen der fälligen Zahlungen erfüllt.[79] Teilzahlungen sind allerdings derart zu berücksichtigen, dass eine Strafbarkeit so weitgehend wie möglich ausgeschlossen wird. Sofern keine sozialversicherungsrechtlichen Erklärungspflichten i.S.d. § 266a Abs. 2 StGB verletzt wurden, sind nach vorzugswürdiger Ansicht Teilzahlungen des Arbeitgebers daher – selbst ohne ausdrückliche Bestimmung – vorrangig auf die fälligen Arbeitnehmeranteile zu verrechnen.[80] Dies ergab sich nach früherem Recht aus § 366 Abs. 2 BGB, wonach die „lästigere“ Schuld getilgt wurde. Auch nach Inkrafttreten von § 2 BeitrZV (heute § 4 BVV)[81] – der § 366 Abs. 2 BGB verdrängte – hat sich insoweit nichts verändert, da die dort festgelegte Tilgungsreihenfolge korrigiert werden darf, wenn sie dem vermuteten vernünftigen Schuldnerwillen offensichtlich widerspricht; dieser kann aber nur auf eine Verrechnung gerichtet sein, welche eine Strafbarkeit ausschließt oder zumindest begrenzt.[82]
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Hinweis
Der 2. Zivilsenat des BGH hat in einer jüngeren Entscheidung[83] eine Vermutung dafür, dass der Arbeitgeber allein auf fällige/rückständige Arbeitnehmeranteile zahle, abgelehnt. Daher empfiehlt sich für die Praxis – ungeachtet der hier vertretenen Rechtsauffassung – stets eine ausdrückliche Tilgungsbestimmung.[84]
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Ein Recht zur Tilgungsbestimmung räumt dem Schuldner seit dem 1.7.2006 der neue § 4 der Beitragsverfahrensordnung (BVV) ein, welche die BeitrZV ersetzt hat.
Zahlen Dritte – z.B. Subunternehmer – in Absprache mit dem Arbeitgeber die fälligen Arbeitnehmerbeiträge, so kommen diese Zahlungen dem Arbeitgeber zugute und verhindern eine Schädigung der Einzugsstelle.[85]
d) Möglichkeit und Zumutbarkeit der Erfolgsabwendung
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§ 266a Abs. 1 StGB zählt zu den echten Unterlassungsdelikten, deren tatbestandsmäßige Erfüllung voraussetzt, dass der Handlungspflichtige die Möglichkeit zur Verhinderung des Erfolgs hat.[86] Eine unmögliche Leistung darf dem Verpflichteten nicht abverlangt werden. Daher ist ein strafbares Unterlassen nur dann gegeben, wenn der verpflichtete Arbeitgeber die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Verbindlichkeit hatte.[87]
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Eine Handlungsunfähigkeit kann sich aus rechtlichen Gründen ergeben, wenn der Arbeitgeber – insbesondere im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren – nicht wirksam über sein Vermögen verfügen kann.[88] An der tatsächlichen Möglichkeit kann es fehlen, wenn zum Fälligkeitszeitpunkt Zahlungsunfähigkeit vorliegt.[89] Eine ehemals vom OLG Celle[90] angenommene verschuldensunabhängige Einstandspflicht für die finanzielle Leistungsfähigkeit, orientiert an zivilrechtlichen Haftungsprinzipien, ist mit strafrechtlichen Grundsätzen nicht in Einklang zu bringen[91]; auch das OLG Celle hat diese Rechtsprechung inzwischen wieder aufgegeben.[92] Nicht ausreichend ist es aber, dass der Arbeitgeber überschuldet oder nur partiell zahlungsunfähig ist.[93] Denn die Sozialversicherungsbeiträge sind vorrangig zu entrichten; finanzielles Unvermögen führt also erst dann zum Tatbestandsausschluss, wenn dem Arbeitgeber die konkret benötigten Mittel zur Abführung (nur) der Arbeitnehmeranteile nicht zur Verfügung stehen.[94]
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Allerdings ist auch bei tatsächlicher Zahlungsunfähigkeit zum Fälligkeitszeitpunkt eine Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB nicht per se ausgeschlossen. Den Tatbestand erfüllt auch derjenige, der zwar bei Fälligkeit nicht leistungsfähig ist, es im Vorfeld aber bei Anzeichen von Liquiditätsproblemen pflichtwidrig und vorwerfbar unterlassen hat, Sicherungsvorkehrungen für die Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge zu treffen.[95] Überwiegend wird insoweit nach den Grundsätzen der omissio libera in causa von einer Vorverlagerung der Tatbestandsverwirklichung ausgegangen[96]; nach anderer Ansicht ist dieses Ergebnis über einen Ausschluss der Berufung auf die Unmöglichkeit der Handlungspflichterfüllung zu erreichen.[97]
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Weitgehend unstreitig ist der Tatbestand des § 266a StGB dann erfüllt, wenn trotz sich abzeichnender Liquiditätsprobleme Gelder beiseite geschafft werden, eine mögliche Kreditaufnahme unterbleibt oder andere Gläubiger inkongruent befriedigt werden.[98] Denn in einer derartigen Reduktion der verfügbaren Mittel liegt ein Verstoß gegen die Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft. Die Aufnahme eines Kredites oder die Ausschöpfung einer bestehenden Kreditlinie[99] kann allerdings dann nicht verlangt werden, wenn die Rückzahlung nicht gewährleistet werden kann;[100] denn eine irreversible Verschuldung kann bei vernünftigen kaufmännischen Erwägungen nicht im Interesse eines Unternehmens liegen. Auch muss in den Fällen des § 14 StGB ein verantwortlicher „Dritter“ – der nicht selbst Arbeitgeber ist – keine eigenen Mittel einsetzen.[101]
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Hinweis
Der BGH hat in einer Fallkonstellation, in welcher der Arbeitgeber darauf vertraute, die Hausbank werde wie bisher Kredit gewähren, und den Scheck zur Bezahlung der Arbeitnehmerbeiträge trotz Überschreitens der Kreditlinie einlösen, den Vorsatz zur Beitragshinterziehung verneint.[102]
Gleichwohl empfiehlt es sich aus Gründen der Vorsicht stets, sich von der Bank eine verbindliche Zusage hinsichtlich der Abführung der Sozialversicherungsbeiträge zum Fälligkeitstag geben zu lassen, wenn in einer finanziell angespannten Situation die Gehälter aus einem Bankkredit gezahlt werden.[103]
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Umstritten ist, ob der Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung ein – auf die Strafbewehrung des § 266a StGB zurückzuführender – absoluter Vorrang vor anderen (zivilrechtlichen) Verbindlichkeiten zukommt.[104] Unter Zugrundelegung dieser Annahme soll jede anderweitige Verwendung von Geldern als pflichtwidrig anzusehen und eine Strafbarkeit nach § 266a StGB auch dann gegeben sein, wenn der Arbeitgeber vor Fälligkeit der Beiträge Ansprüche andere Gläubiger (kongruent) befriedigt, und so (sehenden Auges) seine Zahlungsunfähigkeit herbeiführt.[105] Nach dieser strengen Auffassung ist der Arbeitgeber also dazu verpflichtet, im Falle erkennbarer Bedenken hinsichtlich der Liquidität des Unternehmens seine Zahlungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Fälligkeit durch Bildung ausreichender Rücklagen sicherzustellen – unter Zurückstellung anderweitiger Zahlungen, und notfalls sogar durch Kürzung der zu zahlenden Löhne.[106] Dieser Auffassung wird zu Recht entgegengehalten, dass es sich bei dem Verweis auf die Strafbewehrung zur Begründung eines Vorrangs um einen Zirkelschluss handelt, da erst diese angebliche Rangfolge die Strafbarkeit wieder begründen soll.[107] Zudem kann ein solcher Vorrang den Zusammenbruch eines kriselnden Unternehmens überhaupt erst herbeiführen, weil dadurch für die Sanierung benötigte Mittel gebunden werden.[108] Schließlich lässt sich eine solche Rangfolge auch nicht in das in §§ 283, 283c, 288 StGB verankerte allgemeine Gläubigerschutzsystem des StGB einordnen, das grundsätzlich erst „bei inkongruenter Deckung“ strafrechtliche Sanktionen vorsieht.[109] Die strafrechtliche Verhaltensnorm des § 266a StGB ist daher richtigerweise akzessorisch auszulegen, da sie kein genuin strafrechtliches Verbot aufstellt, sondern einen Lebensbereich betrifft, der durch Sozial-, Gesellschafts- und Insolvenzrecht bereits differenziert geregelt ist.[110] Gleichwohl die besseren Argumente also gegen einen absoluten Vorrang der Verpflichtung zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge sprechen, so ist in der Praxis doch die gegenteilige Auffassung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu beachten.
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Eine Ausnahme vom Vorrang soll allerdings auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung während des Laufs der dreiwöchigen Insolvenzantragsfrist (§ 15a Abs. 1 InsO) gelten; § 64 S. 1 u. 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 AktG rechtfertige im Interesse der Massesicherung die Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge innerhalb dieses Zeitraums.[111] Nach Ablauf dieser Frist gelte der Vorrang der Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen i.S.v. § 266a Abs. 1 StGB aber selbst dann, wenn die Zahlung im Insolvenzverfahren später möglicherweise angefochten werden könne.[112] Denn der Arbeitgeber könne durch rechtzeitige Antragstellung eine Pflichtenkollision vermeiden.[113] Der 2. Zivilsenat des BGH, der unter Hinweis auf eine Kollision zweier gleichwertiger Pflichten – aus § 64 S. 1 u. 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 AktG einerseits und § 823 Abs. 2 BGB, § 266a Abs. 1 StGB andererseits – lange Zeit einen Vorrang auch nach Ablauf der Insolvenzantragsfrist abgelehnt hatte, hat sich nunmehr unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung[114] der gefestigten Rechtsprechung des 5. Strafsenats angeschlossen[115], und so unter dem Aspekt der Einheit der Rechtsordnung bestehende Unsicherheiten für die Praxis vorerst beseitigt.[116]
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Aus dem Wandel der Rechtsprechung des 2. Zivilsenats ist teilweise gefolgert worden, dass mangels Pflichtenkollision nunmehr selbst während der dreiwöchigen Insolvenzantragsfrist eine Strafbarkeit nach § 266a StGB drohe.[117] Allerdings verkennt diese Auffassung, dass die Rechtsprechung des 2. Zivilsenats die Suspendierung der Schadensersatzpflicht maßgeblich mit den aus der Rechtsprechung des 5. Strafsenats resultierenden drohenden strafrechtlichen Konsequenzen begründet hat.[118] Auch in der strafrechtlichen Rechtsprechung ist aber anerkannt, dass während der Insolvenzantragsfrist eine Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge im Interesse der Massesicherung straflos bleibt.[119] Damit muss es bei den vorgenannten Grundsätzen verbleiben.
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Nach allgemeinen Grundsätzen entfällt die Strafbarkeit schließlich, wenn dem Arbeitgeber die Abführung der Arbeitnehmerbeiträge nicht zumutbar ist. Unzumutbarkeit liegt insbesondere dann vor, wenn es infolge der Zahlung zu einer Gefahr für die höchstpersönlichen Rechtsgüter des Beitragspflichtigen oder ihm nahestehender Personen käme, wie beispielsweise im Fall der Gefährdung des notwendigen Lebensbedarfs.[120] Die durch das Unterlassen gewahrten billigenswerten Interessen sind insoweit gegen den drohenden Taterfolg abzuwägen; sie müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen.[121] Bei nur geringen Handlungsrisiken, etwa bei rein abstrakten Gefährdungen, ist das Tätigwerden jedenfalls in aller Regel zumutbar.[122] Zudem ist zu beachten, dass hinsichtlich „nur“ materieller Opfer von einer relativ hohen Schwelle für die Annahme einer Unzumutbarkeit auszugehen ist.[123]
2. Vorenthalten von Arbeitgeberanteilen (§ 266a Abs. 2 StGB)
a) Allgemeines
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Der Tatbestand des § 266a Abs. 2 StGB stellt das Nichtabführen von Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung unter Strafe[124] und umfasst – an § 370 AO angelehnte[125] – betrugsähnliche Verhaltensweisen.[126] Erfasst sind auch solche Beiträge, die vom Arbeitgeber allein zu tragen sind, wie beispielsweise die Unfallversicherung, § 150 Abs. 1 SGB VII.[127] Ausgenommen durch Sonderregelungen in den OWi-Tatbeständen wurden die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung geringfügig Beschäftigter in Privathaushalten i.S.v. § 8a SGB IV;[128] insoweit kann aber eine Ordnungswidrigkeit nach § 111 Abs. 1 Nr. 2a SGB IV, § 209 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII in Betracht kommen.[129]
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Über die tatsächliche Nichtabführung der Beiträge hinaus ist zusätzliche Voraussetzung des § 266a Abs. 2 StGB – der anders als Abs. 1 kein untreueähnliches Element aufweist[130] – die Verletzung sozialversicherungsrechtlicher Erklärungspflichten.[131] Durch den 2004 eingeführten Tatbestand werden auch betrugsähnliche Konstellationen unter Strafe gestellt, in denen mangels konkreter diesbezüglicher (Fehl-)Vorstellungen seitens der Sozialversicherungsträger (also Fehlen eines Irrtums)[132] eine Strafbarkeit gem. § 263 StGB regelmäßig nicht in Betracht kommt.[133]
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Zwischen dem Vorenthalten der Beiträge und der Verletzung der Erklärungspflichten muss schließlich ein ursächlicher Zusammenhang bestehen.[134] Daran wird es in Fällen der Zahlungsunfähigkeit – in denen Forderungen der Sozialversicherungsträger auch im Wege der Zwangsvollstreckung nicht zu realisieren wären – oftmals fehlen.[135]
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Von einem Vorrang gegenüber anderen zivilrechtlichen Verbindlichkeiten des Arbeitgebers ist nicht auszugehen; damit bleibt im Bereich des Abs. 2 kein Raum für eine Verpflichtung zur vorsorglichen Rücklagenbildung, wie sie im Anwendungsbereich des Abs. 1 (s.o.) nach herrschender Auffassung besteht.[136]
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Bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen, die den Tatbestand des § 266a Abs. 2 StGB erfüllen, soll die Unmöglichkeit der Beitragsentrichtung nach Meinung des BGH regelmäßig nicht tatbestandsausschließend wirken.[137]
b) § 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB: unrichtige oder unvollständige Angaben
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§ 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB stellt das Vorenthalten von Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung unter Strafe, wenn dieses darauf beruht, dass der Arbeitgeber gegenüber der zuständigen Einzugsstelle unrichtige oder unvollständige Angaben über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen macht.
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Tatsachen i.S.d. § 266a Abs. 2 StGB sind solche Umstände, die Einfluss auf Grund und/oder Höhe der Sozialversicherungsbeiträge haben können.[138] Diese sind unrichtig, wenn sie nicht den objektiven Gegebenheiten entsprechen; sie sind dann unvollständig, wenn sie entgegen dem Anschein der Vollständigkeit in wesentlichen Punkten lückenhaft sind.[139]
c) § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB: pflichtwidriges Unterlassen von Angaben
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Nach § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB ist das Unterlassen verbindlich vorgeschriebener Angaben gegenüber den Sozialversicherungsträgern der Übermittlung unrichtiger oder unvollständiger Angaben gleichgestellt. Es handelt sich wie bei § 266a Abs. 1 um ein echtes Unterlassensdelikt.[140]
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Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Erklärungspflichten gegenüber den zuständigen Einzugsstellen ergeben sich aus den §§ 28a, 28d SGB IV (ggf. i.V.m. §§ 10 DEÜV, 28f Abs. 3 SGB IV).[141] Danach hat der Arbeitgeber gegenüber der zuständigen Einzugsstelle bezüglich jedes kraft Gesetzes in der Kranken, Pflege- und Rentenversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherten Arbeitnehmers Mitteilung über Beginn und Ende der versicherungspflichtigen Tätigkeit zu machen, sowie entsprechende Beitragsnachweise einzureichen.
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Der Begriff des In-Unkenntnis-Lassens entspricht dem des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO; dieses Merkmal ist dann erfüllt, wenn der Arbeitgeber als Mitteilungspflichtiger Tatsachen gar nicht oder nicht rechtzeitig übermittelt.[142] Eine Täuschung oder eine Irrtumserregung bei der Einzugsstelle ist insoweit – im Unterschied zum Beitragsbetrug gem. § 263 StGB[143] – nicht erforderlich.[144]
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Ein Fall von Nr. 2 wird insbesondere in Fällen der Schwarzarbeit vorliegen, in denen gegenüber der Einzugsstelle keinerlei Angaben erfolgen; werden hingegen Angaben gemacht, wird regelmäßig § 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB einschlägig sein.[145]
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Hinweis
Da § 266a Abs. 2 StGB zwingend die Verletzung sozialversicherungsrechtlicher Mitteilungspflichten voraussetzt, besteht für den Geschäftsführer einer GmbH bei bloßer Nichtzahlung von Arbeitgeberbeiträgen noch kein Strafbarkeitsrisiko. Mithin fehlt es an einer Konfliktlage, welche den Vorwurf masseschmälernder Zahlungen entfallen lassen würde. Leistet der Geschäftsführer bei Insolvenzreife Zahlungen auf fällige/rückständige Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung, so ist dies folglich mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns unvereinbar, der Geschäftsführer mithin gem. § 64 S. 1 u. 2 GmbHG der Gesellschaft zum Ersatz verpflichtet.[146]
Erneut ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass der 2. Zivilsenat des BGH in dieser aktuellen Entscheidung eine Vermutung dafür, dass der Geschäftsführer allein auf fällige/rückständige Arbeitnehmeranteile zahle, abgelehnt hat (s.o.).
3. Nichtabführen sonstiger einbehaltener Teile des Arbeitsentgelts (§ 266a Abs. 3 StGB)
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§ 266a Abs. 3 StGB enthält eine Sonderregelung über das Veruntreuen von Arbeitsentgelt.[147] Im Kern trifft das strafrechtliche Unrecht – im Unterschied zu Abs. 1 und 2 – den Arbeitnehmer, dem der Arbeitgeber das Unterlassen der jeweiligen Zahlung verheimlicht.[148] Strukturell ist diese Tatbestandsvariante zwischen Betrug („heimliches Nichtabführen“) und Untreue („treuewidriges“ Einbehalten von Arbeitsentgelt) angesiedelt.[149] Eine (auch formlose) Unterrichtung des Arbeitnehmers unverzüglich – d.h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 BGB) – nach Fälligkeit reicht daher aus, um die Tatbestandsverwirklichung zu vermeiden.[150]
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Die praktische Bedeutung des § 266a Abs. 3 StGB ist eher gering.[151] Der Anwendungsbereich umfasst Lohnbestandteile, die der Arbeitgeber einbehalten und entgegen einer (auch vertraglichen) Verpflichtung nicht an einen Dritten abgeführt hat und die nicht unter Abs. 1 fallen; dazu zählen beispielsweise Pfändungen, Abtretungen, vermögenswirksame Leistungen, Beiträge zu (Direkt-)Versicherungen oder Pensionskassen.[152] Das Einbehalten setzt die tatsächliche Auszahlung des (entsprechend gekürzten) Arbeitsentgelts voraus.[153]
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Nur Bestandteile des dem Arbeitnehmer zustehenden Entgelts sind geschützt. Hierzu führt der BGH insoweit aus, dass „Zahlungen, die der Arbeitgeber aufgrund einer eigenen, wenn auch im Interesse der Arbeitnehmer bestehenden Beitragsverpflichtung zu erbringen hat“[154] nicht unter Abs. 3 fallen. Die Frage, „ob sich die seitens des Arbeitgebers unterbliebene Erbringung vertraglich vereinbarter Leistungen zur Altersvorsorge als Nichterfüllung einer eigenen Beitragsverpflichtung des Arbeitgebers oder als Nichtabführung einbehaltener Entgeltteile des Arbeitnehmers darstellt, beurteilt sich nach dem – gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnden – Inhalt der für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen einzel- und tarifvertraglich getroffenen Vereinbarungen.“[155]
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Absatz 3 S. 2 stellt klar, dass das Nichtabführen der Lohnsteuer nicht von § 266a StGB erfasst wird. Behält der Arbeitgeber Lohnsteuerabzugsbeträge ein, führt diese aber nicht an das Finanzamt ab, wird dies als Ordnungswidrigkeit nach § 380 AO verfolgt. Unterlässt der Arbeitgeber die Anmeldung von Lohnsteuern, so begeht er eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO; im Falle eines leichtfertigen Handelns greift § 378 AO.[156]