Kitabı oku: «Elisabeth», sayfa 2
Der künftige Brautvater, Herzog Max in Bayern, war schon gar nicht nach Sophies Geschmack. Er war zwar der populärste Wittelsbacher dieser Zeit. Aber Volkstümlichkeit war nicht gerade ein Mittel, um die Achtung der streng dynastisch denkenden Sophie zu erringen. Max war ein weitgereister und sehr belesener Mann. Seine Bibliothek umfaßte etwa 27000 Bände, vor allem historischen Inhaltes. Er hatte eine völlig un-aristokratische Ausbildung hinter sich: Denn er besuchte sieben Jahre lang ein Erziehungsinstitut in München, lernte also im Kreis Gleichaltriger – und nicht allein mit einem Hofmeister, wie es für Aristokraten üblich war. An der Universität München hörte er dann Vorlesungen, vor allem in Geschichte und Naturgeschichte.
Seinen Vorlieben aus der Studentenzeit blieb Max zeitlebens treu: Er hielt gar nichts von Etikette, umgab sich vielmehr mit einem Kreis bürgerlicher Gelehrter und Künstler, seiner berühmten »Artusrunde«. Bei Max wurde viel getrunken, gedichtet, gesungen und komponiert, aber auch auf hohem Niveau diskutiert. Es ging ähnlich zu wie bei den berühmten »Symposien« des bayrischen Königs Max II. Dieser hielt sich freilich vor allem an Gelehrte aus dem Norden, die »Nordlichter«, während Herzog Max eine urbayrische Runde um sich versammelte.10
Das neue Palais Max an der Ludwigstraße, in dem die kleine Elisabeth am 24. Dezember 1837 geboren wurde, hatte als Attraktion ein »Café chantant« nach Pariser Vorbild und einen Tanzsaal mit einem überdimensionalen, 44 Meter langen, sehr freizügigen »Bacchusfries« von Schwanthaler. Im Hof des Palais war ein Zirkus eingerichtet mit Logen und Sperrsitzen, von denen aus die Münchener Gesellschaft den Herzog Max bei seinen Reiterkunststücken bewunderte, die er voll Stolz vorführte, umgeben von Pantomimen, wüsten Clownszenen und Soldatenspektakeln.
Ein weiteres Hobby war das Zitherspiel. Sogar auf seine Reisen nahm Max die Zither mit und ließ es sich auch auf der Cheops-Pyramide nicht nehmen, seine Lieblingsweisen, bayrische Schnadahüpfl, zu spielen – zum Erstaunen seiner ägyptischen Begleiter. 1846 gab Herzog Max seine »Sammlung oberbayerischer Volksweisen und Lieder« heraus.
Wie so viele Wittelsbacher – und später auch seine Kinder, einschließlich Elisabeth – hatte Herzog Max Anflüge von Weltflucht und Menschenverachtung. Zum Beispiel dichtete er über »Meine Zither« ganz ähnlich wie Elisabeth dreißig Jahre später:
Drum ist mir wohl bei ihr allein
weil sie, die einzge, mich versteht.
Ich laß die Menschen Menschen sein
Und spiel auf ihr von früh bis spät.
Die Menschen treiben auch ein Spiel
Doch ists ein ander Instrument
Sie spielen auf dem Menschen viel
Der ihre Falschheit noch nicht kennt.
Herzog Max war in keiner Hinsicht ein Kostverächter und hielt nicht viel von Familienleben. Nur an einer Zeiteinteilung hielt er strikt fest: Mittags war er niemals zu sprechen, schon gar nicht für seine Frau oder seine acht ehelichen Kinder. Denn da speiste er in seinen Gemächern mit seinen beiden unehelichen Töchtern, die er innig liebte.11
Max trug offen demokratische Ansichten zur Schau, schon um seine Umgebung zu reizen. »Aber wenn er gemeint hat, daß ihm jemand auf die Hühneraugen tritt, dann war der Teufel los«, bemerkte dazu einer seiner Verwandten.
Der Geist des Hauses offenbarte sich im Revolutionsjahr 1848: Vor den Unruhen und Straßentumulten in München flüchtete die königliche Familie in das Palais des Herzogs Max, weil hier wegen der Popularität des Hausherrn am wenigstens mit Übergriffen zu rechnen war. Die kleine, damals 14jährige Helene soll während der Wirren einen vielbelachten Versuch gemacht haben, die Aufständischen zu beruhigen, und zwar mit dem Zuruf: »Brüder gegen Brüder!«, ein Satz, der sie als würdige Tochter ihres Vaters Max auswies.12
Auch in seinen zahlreichen historischen Artikeln, die anonym in Zeitschriften erschienen, erwies sich Max als freiheitlich. In seinem Buch »Wanderungen nach dem Orient« (München 1839) zeigte er auch seinen Humor: er ließ zuweilen einige Zeilen frei und deklarierte sie als »Censur-Lücken«. Solche Späße waren nicht dazu angetan, ihn bei seiner Schwägerin Sophie beliebt zu machen. Die Existenz des Herzogs Max wurde in der Anfangsphase des Heiratsplans so gut wie verleugnet. Er hätte zu leicht mit seinen grotesken Einfällen, seiner antihöfischen Einstellung die Familie der Braut kompromittieren und das ganze Projekt zu Fall bringen können.
Das zukünftige Paar – also Franz Joseph und Helene – sollte sich in der kaiserlichen Sommerfrische Ischl kennenlernen und verloben, so wollten es die beiden Mütter. Denn die zwanglose, eher familiäre Atmosphäre Ischls würde das Unternehmen erleichtern. Auf die bedeutsame Reise ins Salzkammergut nahm Ludovika auch ihre zweite Tochter Elisabeth mit, die gerade viel Sorgen machte. Denn sie hatte sich in einen indiskutablen Mann verliebt, einen Grafen Richard S., der in herzoglichen Diensten stand. Der Idylle wurde ein rasches Ende gemacht, der junge Mann mit irgendeinem Auftrag fortgeschickt. Er kehrte zwar noch einmal zurück, war aber krank und starb kurze Zeit später. Sisi war untröstlich und ihr Kummer wuchs sich zur Melancholie aus. Sie schloß sich stundenlang in ihrem Zimmer ein, um zu weinen und zu dichten. (Das kleine Buch mit Liebesgedichten aus dem Winter 1852/53 ist im Familienbesitz erhalten.)
Die Würfel sind gefallen,
Ach, Richard ist nicht mehr!
Die Trauerglocken schallen –
Oh, hab Erbarmen, Herr!
Es steht am kleinen Fenster
Die blondgelockte Maid.
Es rührt selbst die Gespenster
Ihr banges Herzeleid.13
Herzogin Ludovika wollte mit dieser Reise nach Ischl die 15jährige aus ihrer Melancholie reißen. Außerdem hoffte sie, Sisi dem jüngeren Bruder Franz Josephs, Erzherzog Karl Ludwig, nahezubringen. Diese Hoffnung war nicht unbegründet. Denn die beiden jungen Leute wechselten schon seit Jahren Briefe, Geschenke, ja sogar kleine Ringe. Ludovika rechnete sich Chancen aus.
Die politische Lage im August 1853 war allerdings romantischen Verlobungsplänen nicht hold: Der Krimkrieg war ausgebrochen, die internationale Lage verworren. Es ging um handfeste politische und wirtschaftliche Interessen der europäischen Großmächte in der sich der Auflösung nähernden Türkei. Im Juli 1853 besetzten russische Truppen die Donaufürstentümer, das Kerngebiet des späteren Rumänien. Zar Nikolaus rechnete mit österreichischer Unterstützung und bot als Lohn die türkischen Provinzen Bosnien und die Herzegowina an, außerdem seinen Schutz bei einer eventuellen neuerlichen Revolution in Österreich, also eine russische militärische Intervention zugunsten der Monarchie wie 1849 in Ungarn.
Die Ratgeber des jungen Kaisers waren nicht einig: Der alte Radetzky wollte auf russischer Seite kämpfen, hatte aber auch nichts gegen eine strenge österreichische Neutralität. Der Außenminister Buol und manche Wirtschaftskreise wollten sich auf der Seite Englands und Frankreichs gegen Rußland stark machen. Der junge Kaiser war unentschlossen und der schwierigen Situation nicht gewachsen. Er klagte gegenüber Sophie »ob der immer komplizierterwerdenden orientalischen Komplikationen«,14 informierte sich noch während der Fahrt nach Ischl über die Lage, ließ sich dann aber kaum mehr von der hohen Politik stören. Das monatelange Zögern des unerfahrenen und durch seine Verlobung abgelenkten Kaisers wirkte sich für Österreich verhängnisvoll aus.
Herzogin Ludovika hatte andere Sorgen, als sie am 16. August 1853 mit ihren Töchtern in Ischl anreiste. Sie hatte wegen einer Migräne die Reise unterbrechen müssen, kam verspätet in Ischl an und brachte Sophies Pläne für den ersten Tag ziemlich durcheinander. Zudem kam sie zwar mit ihren Töchtern, aber ohne Gepäck und ohne Kammerfrauen an. Alle drei Damen waren in Trauerkleidern, weil eine Tante gestorben war. Da der Wagen mit der hellen Garderobe noch nicht eingetroffen war, konnten sie sich vor der entscheidenden Begegnung nicht umziehen. Erzherzogin Sophie schickte ihnen eine Kammerfrau ins Hotel.
Während sich alle Sorgfalt darauf richtete, die vorgesehene Braut Helene wenigstens erstklassig zu kämmen, wenn sie schon im staubigen schwarzen Reisekleid vor dem Kaiser erscheinen mußte, richtete sich die kleine Sisi selbst die Haare – einfache lange Zöpfe. Sie merkte gar nicht, daß Erzherzogin Sophie ein wachsames Auge nicht nur für Helene, sondern auch für sie hatte. Sophie jedenfalls beschrieb diese Frisierszene später ausführlich ihrer Schwester Marie von Sachsen, betonte, welche »Anmut und Grazie« die Kleine in all ihren Bewegungen hatte, »desto mehr, da sie sich so gar nicht bewußt war, einen so angenehmen Eindruck hervorgebracht zu haben. Trotz der Trauer … war Sissy reizend in ihrem ganz einfachen, hohen, schwarzen Kleid.«15 Neben dieser völlig unbefangenen, kindlichen Schwester wirkte Helene nun auf einmal sehr streng. Das schwarze Kleid war für sie unvorteilhaft – und entschied vielleicht wirklich ihr Leben, wie manche später wissen wollten.
Beim Nachmittagstee trafen sie den Kaiser. Auch Königin Elise von Preußen war bei diesem ersten Treffen anwesend, zwei jüngere Brüder des Kaisers und andere Verwandte. Niemand der Anwesenden hatte die Gabe zu zwangloser Unterhaltung. Es herrschte steife, verlegene Stimmung, denn jeder wußte, um was es ging.
Es war Liebe auf den ersten Blick, jedenfalls was Franz Joseph betraf. Der jüngere Bruder Erzherzog Karl Ludwig beobachtete scharf und eifersüchtig und sagte seiner Mutter Sophie, »daß in dem Augenblick, als der Kaiser Sisi erblickte, ein Ausdruck so großer Befriedigung in seinem Gesicht erschien, daß man nicht mehr zweifeln konnte, auf wen seine Wahl fallen würde«.
Sophie an Marie von Sachsen: »Er strahlte und Du weißt, wie sein Gesicht strahlt, wenn er sich freut. Die liebe Kleine ahnte nichts von dem tiefen Eindruck, den sie auf Franzi gemacht hatte. Bis zum Augenblick, da ihre Mutter ihr davon sprach, war sie nur von Scheu und Schüchternheit erfüllt, die ihr die vielen sie umringenden Menschen einflößten.« Sisi aß vor Aufregung nichts und erklärte der Kammerfrau. »Die Néné [also Helene] hat es gut, denn sie hat schon so viele Menschen gesehen, aber ich nicht. Mir ist so bang, daß ich gar nicht essen kann.« In ihrer Verwirrung merkte sie noch nicht einmal, wie intensiv sich der Kaiser mit ihr, und nicht mit Helene beschäftigte.
Am nächsten Morgen, dem 17. August, erschien in aller Frühe der Kaiser bei seiner Mutter, die gerade erst aufgestanden war. Sophie an Marie von Sachsen: »Er sagte mir mit strahlender Miene, daß er Sisi reizend fände. Ich bat ihn, die Sache nicht zu überstürzen, es genau zu überlegen, aber er meinte, man dürfe es auch nicht in die Länge ziehen.«
In ihrem Tagebuch schilderte Erzherzogin Sophie diesen Morgen noch ausführlicher. Der Kaiser schwärmte: »Nein, wie süß Sisi ist, sie ist frisch wie eine aufspringende Mandel und welch herrliche Haarkrone umrahmt ihr Gesicht! Was hat sie für liebe, sanfte Augen und Lippen wie Erdbeeren.« Die Mutter versuchte, ihn auf die von ihr gewünschte Braut hinzuweisen: »Findest Du nicht, daß Helene klug ist, daß sie eine schöne, schlanke Gestalt besitzt?« – »Nun ja, etwas ernst und schweigsam, gewiß nett und lieb, ja aber Sisi – Sisi – dieser Liebreiz, diese kleinmädchenhafte und doch so süße Ausgelassenheit!«16 Es war nichts mehr zu ändern. Franz Joseph lehnte es an diesem Tag sogar ab, auf die Jagd zu gehen, ein Vergnügen, das er sich sonst nie entgehen ließ. Elise von Preußen, die das hörte, machte gleich ihrer Schwester Sophie ein Zeichen, das hieß: »der hat Feuer gefangen.«17 Königin Elise war mit der Entwicklung der Dinge durchaus zufrieden. Denn die kleine Elisabeth war ihr Patenkind. Es herrschte allgemeine Verwirrung. Die beiden Mädchen waren verstört. Nur der Kaiser strahlte.
Am Vorabend des kaiserlichen Geburtstages fand ein Ball statt, der alles entscheiden sollte. Helene erschien in einem prachtvollen Kleid aus weißer Seide. Sie trug Efeuranken über der Stirn, was ihrer hohen Erscheinung einen Hauch biedermeierlicher Romantik gab. Die kleine Sisi war in einem einfachen weißrosa Kleidchen und wirkte neben der schönen Gestalt ihrer Schwester sehr kindlich.
Der Kaiser nahm am ersten Tanz nicht teil, ebenso wie die bayrischen Prinzessinnen. Beim zweiten Tanz, einer Polka, bat Erzherzogin Sophie Franz Josephs Flügeladjutanten, Hugo von Weckbecker, er »möge mit Prinzessin Elisabeth tanzen, die bisher nur beim Tanzmeister gelernt hatte und für ihr erstes Debüt eines sicheren Führers bedürfe«. Weckbecker: »Sie stellte mich der in äußerster Verlegenheit befangenen, liebreizenden Prinzessin vor, die mir schüchtern sagte, sie wisse gar nicht, ob und wie es ohne Tanzmeister gehen werde.« Weckbecker beruhigte die Kleine, war aber doch »etwas ängstlich, denn ich wußte, daß im allgemeinen – trotz Tanzmeister – bayrische Prinzessinnen nicht gut tanzten … Zum Glück war Prinzessin Elisabeth musikalisch und hielt daher wenigstens gut Takt.« Erstaunt beobachtete Weckbecker allerdings den Kaiser, der gegen seine sonstige Gewohnheit auch diesmal wieder nicht tanzte und statt dessen nur Sisi beim Tanz beobachtete, die »sylphengleich an meinem Arme vorüberschwebte«. Nach dem Tanz flüsterte Weckbecker einem Freund zu: »Mir scheint, ich habe jetzt mit unserer künftigen Kaiserin getanzt.«18
Den Kotillon tanzte der Kaiser mit seiner Cousine und überreichte ihr nachher sein Bukett – ein traditionelles Zeichen dafür, daß sie seine Auserwählte war. Dieses Zeichen verstanden alle Augenzeugen – nur Sisi nicht. Auf die Frage, ob ihr denn diese Aufmerksamkeit nicht aufgefallen sei, sagte sie: »Nein, es hat mich nur geniert.«
Sophie beschrieb Sisis Aussehen ausführlich ihrer Schwester Marie: »In ihren schönen Haaren hatte sie einen großen Kamm stecken, der die Zöpfe rückwärts zurückhielt, sie trägt die Haare nach der Mode aus dem Gesicht gestrichen. Die Haltung der Kleinen ist so anmutsvoll, so bescheiden, so untadelig, so graziös ja beinahe demutsvoll, wenn sie mit dem Kaiser tanzt. Sie war wie eine Rosenknospe, die sich unter den Strahlen der Sonne entfaltet, als sie neben dem Kaiser beim Kotillon saß. Sie erschien mir so anziehend, so kindlich bescheiden und doch ihm gegenüber ganz unbefangen. Es waren nur die vielen Menschen, die sie einschüchterten.«
Am 18. August wurde Franz Josephs Geburtstag im großen Familienkreis gefeiert. Erzherzogin Sophie schrieb an Marie von Sachsen: »Beim Familiendiner war der Kaiser so stolz, daß Sisi, die neben ihm sitzen durfte, mit sehr gutem Appetit gegessen hatte! Nachmittags machten wir einen Ausflug nach Wolfgang. Wir gingen auch ein Stückerl zu Fuß. Ich war in meiner Kalesche mit den zwei Kleinen und dem Kaiser. Er muß sie wohl sehr gern haben, daß er es so lange in der geschlossenen Kalesche ausgehalten hat! Helene erzählte sehr viel und unterhaltend, das Mädchen hat einen großen Charme für mich …«
Nach der Promenade bat der Kaiser seine Mutter, bei Sisis Mutter vorzufühlen, »ob sie ihn haben wolle«, sagte aber auch, die beiden Mütter sollten keinen Druck ausüben. »Meine Lage ist so schwer, daß es, weiß Gott, keine Freude ist, sie mit mir zu teilen.« Darauf Sophie: »Aber liebes Kind, wie kannst Du glauben, daß eine Frau nicht zu glücklich ist, durch Anmut und Heiterkeit Dir Deine Lage zu erleichtern?«
Sophie setzte ihre Schwester Ludovika daraufhin ganz offiziell von Franz Josephs Wunsch in Kenntnis: Ludovika »drückte mir bewegt die Hand, denn sie hatte in ihrer großen Bescheidenheit immer gezweifelt, daß der Kaiser wirklich an eine ihrer Töchter denken würde«. Sisi habe ihrer Mutter auf die Frage, ob sie den Kaiser lieben könne, geantwortet (laut Aussage der Erzherzogin Sophie): »Wie soll man den Mann nicht lieben können?« Dann sei sie in Tränen ausgebrochen und habe versichert, sie würde alles tun, um den Kaiser glücklich zu machen und für die Tante Sophie »das zärtlichste Kind zu sein«. »Aber«, sagte sie, »wie kann er nur an mich denken? Ich bin ja so unbedeutend!« Und kurze Zeit später: »Ich habe den Kaiser so lieb! Wenn er nur kein Kaiser wäre!«
Sophies Kommentar: »Das ist es, was sie scheu macht, diese künftige Stellung. Der Kaiser war buchstäblich entzückt, als ich ihm diesen rührenden Ausspruch von seiner Braut erzählte, da er so viel tiefes und anspruchsloses Verständnis für ihn enthält.«
Wie die Unterredung zwischen Mutter und Tochter wirklich verlief, ob Ludovikas und Sophies Erzählungen zu glauben ist, bleibe dahingestellt. Wenn man Ludovika später fragte, ob man denn bei dieser Entscheidung nach den Gefühlen des Mädchens gefragt habe, antwortete sie stets nur das eine: »Dem Kaiser von Österreich gibt man keinen Korb.«19
Jede der neun bayrischen Schwestern hatte ihre Herzenstragödie hinter sich. Jede von ihnen wußte, daß sie als heiratsfähige Prinzessin ein Objekt der Politik war und den Mann nehmen mußte, den man ihr gab. Um die jungen Mädchen nicht zu verwirren, sie nicht in Konflikte zu stürzen, war im bayrischen Königshaus das Lesen von Liebesgeschichten streng verboten. Sogar die deutschen Klassiker waren deswegen verpönt.
Sie selber, Ludovika, war in ihrer Jugend eine außergewöhnliche Schönheit. Manche sagten sogar, sie sei schöner gewesen als jede ihrer Töchter, einschließlich Elisabeth. Sie hatte eine Romanze mit Prinz Miguel von Braganza, dem späteren König von Portugal, durchlitten, den sie aus politischen Gründen nicht heiraten durfte. Statt dessen arrangierte die Familie die Ehe mit dem Vetter Max. Dieser erklärte ihr offen, er liebe sie nicht und heirate sie nur aus Angst vor seinem energischen Großvater. Max liebte dagegen eine Bürgerliche, die er aus Standesrücksichten nicht heiraten durfte.
Die Ehe der beiden war vom ersten Tag an unglücklich. Ludovika erzählte ihren Kindern später, daß sie den ersten Jahrestag ihrer Ehe von morgens bis abends in Tränen zugebracht habe. Erst allmählich lernte sie es, die Unruhe und die vielen Affären ihres Mannes zu tolerieren und mit der wachsenden Kinderschar allein zu bleiben. Als Witwe erzählte sie ihren Enkelkindern, von der goldenen Hochzeit an sei Max gut zu ihr gewesen. Fünfzig bittere Jahre lagen dazwischen. Auch die kleine Elisabeth war mit den Klagen ihrer Mutter über die unglückliche Ehe aufgewachsen, und hatte immer wieder Ludovikas bitteren Satz gehört: »Wenn man verheiratet ist, fühlt man sich so verlassen.«
Erzherzogin Sophie hatte kaum mehr Glück. Sie mußte den »an Körper und Geist schwachen« Erzherzog Franz Carl, den Bruder des schwerkranken Kaisers Ferdinand, heiraten. In Bayern erzählte man sich, Sophie habe aus Verzweiflung und Angst vor dieser Heirat Nächte durch geweint. Als ihre Erzieherin dies ihrer Mutter erzählte, sagte diese ungerührt: »Was wollen Sie? Die Sache ist beim Wiener Kongreß entschieden worden!«
Als Sophie sah, daß ihr Schicksal unabänderlich besiegelt war, erklärte sie tapfer, nun wolle und werde sie auch mit dem Erzherzog glücklich werden. Kaiser Franz sagte ihr, »sie müsse bei dem Zustand seines Sohnes alles selbst in die Hand nehmen«. Das tat sie auch und wurde eine selbständige, energische Frau. Sie liebte ihren gutmütigen Mann »wie ein Kind, das man verpflegt« und erzog ihre vier Söhne gut. Als junge Frau erlebte sie die innige Freundschaft mit Napoleons Sohn, dem Herzog von Reichstadt, den sie während seiner Todeskrankheit rührend pflegte. Der Wiener Tratsch machte den Jüngling zum Vater ihres zweiten Sohnes, Erzherzog Ferdinand Max. Dies stimmt aller Wahrscheinlichkeit nach nicht, zeigt aber, daß man dieser hübschen Erzherzogin durchaus eine Romanze zutraute.
Die Mütter des Brautpaares hatten also, wie die meisten Prinzessinnen ihrer Zeit, der Liebe entsagen müssen. Sie waren ihrer Pflicht selbstverständlich gefolgt, wenn auch mit Tränen. Sie mußten die Ischler Verlobung als großes, seltenes Glück ansehen: Franz Joseph liebte seine Braut, wie jeder sehen konnte. Er war jung und gut aussehend, nicht geistesschwach wie sein Vater und Onkel. Er war der Kaiser von Österreich. Die Kleine würde sich schon in ihre Situation finden, die, verglichen mit dem Schicksal beider Mütter, beneidenswert war. Nein wirklich, »einem Kaiser von Österreich gibt man keinen Korb«.
Erzherzogin Sophie war noch ganz im Denken des 18. Jahrhunderts befangen. Von Individualismus, schon gar Gefühlen in der höfischen Politik hielt sie nichts – im Gegensatz zu ihrer neuen Schwiegertochter. Sophie schrieb einmal der Fürstin Metternich, man solle nie glauben, »daß die Individualitäten irgendeine Bedeutung hätten. Sie habe immer gesehen, daß man einen Menschen durch den anderen ersetzte, ohne daß das den geringsten Unterschied in der Welt machte.«20 Ob nun die künftige Kaiserin Helene oder Elisabeth hieß, machte nach dieser Auffassung nicht viel aus. Beide kamen aus derselben Familie, waren ebenbürtig, katholisch und Nichten Sophies – nur darauf kam es letztlich an.
Ludovika gab ihrer Schwester Sophie schriftlich Sisis Zustimmung. Am 19. August morgens um acht Uhr erschien der glückstrahlende Kaiser bei seiner Braut im Ischler Hotel. Ludovika schrieb darüber an eine Verwandte: »Ich ließ ihn mit Sisi allein, denn er wollte selbst mit ihr reden, und als er wieder zu mir hereintrat, sah er recht zufrieden, recht heiter aus, und sie auch – wie es einer glücklichen Braut ziemt.«21
Ludovikas Aufregung war ebenso groß wie ihre Dankbarkeit für Sophie: »Es ist ein so ungeheures Glück und doch eine so wichtige und schwere Stellung, daß ich in jeder Beziehung sehr bewegt bin. Sie ist so jung, so unerfahren, ich hoffe aber, man hat Nachsicht mit dieser großen Jugend! … Tante Sophie ist gar so gut und lieb für sie, und welch ein Trost für mich, sie einer so lieben Schwester als zweyte Mutter übergeben zu können.«
Elisabeth allerdings kam später stets voll Bitterkeit auf diese Situation zurück und sagte: »Die Ehe ist eine widersinnige Einrichtung. Als fünfzehnjähriges Kind wird man verkauft und tut einen Schwur, den man nicht versteht und dann 30 Jahre oder länger bereut und nicht mehr lösen kann.«22
Im August 1853 freilich empfanden die Augenzeugen die kaiserliche Verlobung, wie Graf Hübner schrieb, als »eine einfache, liebliche und edle Idylle«.23
Arm in Arm verließ das junge Paar das Hotel, um bei der Erzherzogin zu frühstücken, selbstverständlich im Kreis der ganzen Familie, die das Paar neugierig und wohlgefällig beobachtete. Franz Joseph stellte der 15jährigen nun auch seine Adjutanten vor, vor allem den Grafen Grünne, auf dessen Urteil er sehr viel gab – auch was Frauen betraf.
Um 11 Uhr ging man gemeinsam in die Pfarrkirche. Die Gemeinde beobachtete ehrfürchtig, wie Erzherzogin Sophie vor der Eingangstür zurückblieb und der kleinen Nichte den Vortritt ließ: Sisi war Kaiserbraut und von nun an höher im Rang als die Kaisermutter. Mit dieser noblen Geste erwies Sophie der kaiserlichen Hierarchie ihre Reverenz. Sisi freilich verstand diese Geste kaum. Verlegen und scheu betrat sie die Kirche, unangenehm berührt von der großen Aufmerksamkeit, die sie erregte. Sophie: »Der Pfarrer empfing uns mit dem Weihwasser, die Augen voll Tränen! Im Moment, als wir die Kirche betraten, sang man die Volkshymne.« Nach dem Segen nahm Kaiser Franz Joseph das Mädchen behutsam an der Hand, führte es zum Pfarrer und bat ihn: »Ich bitte, Hochwürden, segnen Sie uns, das ist meine Braut.«
Dem Segen des Geistlichen folgten die Glückwünsche aller jener, die bei diesem historischen Augenblick anwesend waren.24 Graf Grünne hielt dann eine Ansprache an das junge Paar. Weckbecker: »Die Prinzessin war so ergriffen und verlegen, daß sie kaum zu antworten vermochte.«25 Es herrschte allgemeine Rührung. Der Kaiser hatte Mühe, seine Braut dem herzlichen Getümmel zu entziehen.
Herzogin Ludovika allerdings machte sich solche Sorgen um die Zukunft ihrer Tochter, daß sie selbst an diesem Tag einem ihr völlig Fremden, dem Flügeladjutanten Weckbecker, klagte, »wie ängstlich sie die schwere Aufgabe mache, welche ihrer Tochter Elisabeth bevorstehe, da diese den Thron doch förmlich von der Kinderstube weg besteige. Sie hegte auch Besorgnisse wegen des scharfen Urteiles der Damen aus der Wiener Aristokratie.« Daß diese Ängste nur zu berechtigt waren, sollte sich bald zeigen.
Das Diner wurde in Hallstatt eingenommen. Anschließend gab es eine Spazierfahrt. Nach dem Regen der vorigen Tage war die Sicht wunderschön. Berge und Felsen waren von der untergehenden Sonne beleuchtet. Der See schimmerte. Der Kaiser nahm seine Braut an die Hand und erklärte ihr die Umgebung. Königin Elise von Preußen war entzückt: »Es ist so schön, ein so junges Glück in einer so wunderbaren Landschaft.«26 Sophie schrieb ihrer Schwester Marie nach Sachsen, wie fürsorglich der Kaiser seine Braut in seinen Militärmantel hüllte, aus lauter Angst, sie könne sich verkühlen und wie er ihr gestand: »Ich kann dir gar nicht ausdrücken, wie glücklich ich bin!«
Am Abend war Ischl von zehntausenden Kerzen beleuchtet und von Lampen in den österreichischen und bayrischen Farben. Auf dem Siriuskogel war mit vielfarbigen Lampen ein klassischer Tempel in den Himmel gezeichnet mit den Initialen FJ und E, von einem Brautkranz umgeben. Zum erstenmal erlebte die kleine Sisi den Jubel einer wohlwollenden, treuen Bevölkerung, die sich auf den Straßen eingefunden hatte, um ihre zukünftige Kaiserin zu begrüßen. In glückstrahlender, wenn auch noch etwas verwirrter Stimmung ging dieser Tag zu Ende.
Die freudige Reaktion des Kaisers wird in allen Berichten über diese Ischler Tage deutlich. Von den Reaktionen der Braut wissen wir leider sehr wenig, außer daß sie sehr verlegen, sehr still und immer in Tränen war. Sophies Kommentar an ihre Schwester: »Du kannst dir nicht vorstellen, wie reizend Sisi ist, wenn sie weint!«
Ein Fest folgte dem anderen. Die Kleine erhielt Geschenke von allen Seiten. Der Kaiser gab ihr Geschmeide und Juwelen, darunter eine prachtvolle Blütenranke aus Diamanten und Smaragden, die sie ins Haar flechten konnte. Die zusehends eleganter werdende Sisi war der Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens in Ischl. Man staunte sie an und rühmte ihre Anmut.
Fürsorglich, sehr behutsam und großzügig nahm der junge Kaiser Rücksicht auf seine kindliche Braut. Um ihr eine Freude zu machen, ließ er im Garten der Sommervilla sogar eine Schaukel aufstellen, die das Mädchen voll kindlichem Eifer benützte. Da er sah, wie groß Sisis Angst vor immer neuen fremden Gesichtern war, ließ der Kaiser den prächtigen, von fünf Schecken gezogenen Wagen nicht von einem Kutscher lenken, sondern von seinem Generaladjutanten Carl Graf Grünne.27 Er hatte bemerkt, daß sich das Mädchen an diesen seinen engsten Vertrauten bereits gewöhnt hatte und ihn gern mochte.
Grünne war damals 45 Jahre alt und eine der einflußreichsten Persönlichkeiten der Monarchie, ein wichtiges Mitglied der vielgeschmähten »Kamarilla« am Wiener Hof. Als Vorstand der Militärkanzlei war er der erste Mann der österreichischen Armee nach dem Kaiser. Grünne begleitete seinen jungen Herrn auf allen Reisen, war sein engster politischer Berater, hatte aber auch wie kein anderer Einblick in das kaiserliche Privatleben. In der Wiener Gesellschaft erzählt man sich noch heute, daß Grünne es war, der für den jungen Kaiser Liebesabenteuer arrangierte. (Franz Joseph war ja keineswegs ein unerfahrener Jüngling, als er sich verlobte.) Daß Sisi auf Anhieb Vertrauen zu Grünne faßte, war für den Kaiser eine Freude, und mit Vergnügen machte er seinen Generaladjutanten bei diesen Wagenfahrten zu dritt in die Ischler Umgebung zum Schutzpatron seiner jungen Liebe.
Noch drei Bälle standen auf dem Ischler Programm. Sisi war laut Sophies Tagebuch weiterhin schüchtern und brav. Als Gräfin Sophie Esterházy, die bald ihre Obersthofmeisterin werden sollte, gratulierte und sagte: »Wir sind Eurer königlichen Hoheit so dankbar, daß Sie den Kaiser so glücklich machen«, antwortete Sisi: »Ich bedarf für den Anfang noch so viel Nachsicht!«28
Die anderen jungen Leute der kaiserlichen Verwandtschaft waren im Gegensatz zur Braut in recht ausgelassener Stimmung. Einmal warfen sie beim Kotillon mit Leucht- und Knallkugeln. Die arme Ludovika, deren Nerven in diesen Tagen arg strapaziert waren, flüchtete voll Schrecken in das Schlafzimmer ihrer Schwester. Ludovika wußte immer noch nicht, ob sie erfreut sein sollte wegen der großen Ehre oder besorgt wegen der seelischen Belastungen, die auf die 15jährige zukamen. Auch um Helene mußte sie sich große Sorgen machen. Das Mädchen war verstört und unglücklich. Sie war schon achtzehn, also für die Vorbereitung einer neuen »Partie« relativ alt. Selbst das prächtige Geschenk Sophies, ein Kreuz in Diamanten und Türkisen, und die Gewißheit, daß Sophie sie nach wie vor außerordentlich reizend fand, konnte Helene nicht trösten. Sie sehnte sich zurück nach Bayern, ebenso wie ihre Mutter Ludovika, die besorgt an ihre bayrischen Verwandten schrieb: »Das hiesige Leben ist äußerst belebt. Sisi besonders ist das noch gar nicht gewohnt, besonders das späte Schlafengehen. Ich bin angenehm überrascht, wie sie sich darein findet, mit den vielen fremden Menschen zu reden und daß sie trotz ihrer Verlegenheit eine so ruhige Haltung hat.«29
Der Brautvater Max wurde telegraphisch von der Verlobung informiert, ebenso der König von Bayern, der als Chef der Wittelsbacher seine offizielle Genehmigung zur Verlobung seiner Cousine geben mußte. Franz Joseph dankte ihm »unter den Regungen eines vollkommen befriedigten Herzens. Ich bin doppelt glücklich, daß ich bei der Wahl meiner zukünftigen Lebensgefährtin zugleich mein eigenes innigstes Gefühl zu Rathe ziehen konnte, und gebe mich vollkommen der freudigen Hoffnung hin, in den vortrefflichen Eigenschaften meiner Braut mein Lebensglück zu finden. Ich brauche Dir wohl nicht hinzuzufügen, daß ich mich um so mehr zu Deinem Hause hingezogen fühle, als das Theuerste, was ich bis jetzt besaß – meine Mutter – und das Theuerste, was ich fortan besitzen werde – meine zukünftige Frau – demselben angehören.«30
Auch Franz Josephs Brief an Zar Nikolaus ist bemerkenswert, offenbart er doch eine große Vertrautheit und Zuneigung zwischen den beiden Souveränen: »Im Überschwang meiner Freude, teuerer, lieber Freund, beeile ich mich Dir von meinem Glück zu sprechen. Ich sage von meinem Glück, denn ich bin überzeugt, daß meine Braut alle Tugenden und alle Eigenschaften des Geistes und des Herzens besitzt, um mich glücklich zu machen.«31