Kitabı oku: «Elisabeth», sayfa 4
Es war noch die Zeit der Krinolinen, von denen Sisi drei besaß. Zu den weitausladenden Krinolinen gehörte eine schlanke Taille, die selbst bei so zarten Mädchen wie der kleinen Sisi durch festes Schnüren und Korsetts betont wurde (Sisi besaß vier Korsetts, außerdem drei Spezial-Reitkorsetts, denn selbst beim Sport mußte sich eine Dame schnüren lassen).
Die Kleider wurden durch passende »Putz-Gegenstände« ergänzt, so zwölf »Coiffuren« aus Federn, Rosenblättern, Apfelblüten, Spitzen, Bändern und Perlen, aber auch Blumengarnituren und Blumenkränzen, die die Damen als Aufputz und Ergänzung ihrer Kleider in der Hand trugen. Es gab sechzehn Hüte: weiße und rosa Federhüte, mehrere Spitzen- und Strohhüte, sogar einen Gartenhut mit einer Feldblumengirlande. Es war jener Hut, den Sisi zum großen Entzücken des Kaisers in Ischl getragen hatte.
Auch die Unterwäsche ist genau verzeichnet: Zwölf Dutzend (also 144 Stück) Hemden, meist aus Batist mit Spitzen, drei Dutzend Nachthemden. Die vierzehn Dutzend Strümpfe waren aus Seide, aber auch aus Baumwolle. Es gab zehn Nachtjäckchen aus Musselin und Seide, zwölf gestickte Nachthauben, drei Negligé-Häubchen aus gesticktem Musselin, 24 Nachthalstücher und sechs Dutzend Unterröcke aus Piqué, Seide und Flanell, fünf Dutzend »Beinkleider«, 24 Frisiermäntel und drei Badehemden.
Die Anzahl der Schuhe war beträchtlich. Es gab aber nur sechs Paar Lederstiefelchen, alle anderen Schuhe (insgesamt 113 Paar) waren aus Samt, Atlas oder Seide oder »Zeug«, also nur wenige Male zu tragen. Es scheint, daß Sisi gerade mit Schuhen nicht gut ausgestattet war. Denn kaum war sie in Wien, mußten schon neue Schuhe gekauft werden – für den ungewöhnlich hohen Betrag von 700 Gulden. Die Kaiserin von Österreich durfte Schuhe nur einen Tag lang tragen. Sie wurden dann verschenkt – eine Sitte, mit der sich die junge Elisabeth gar nicht anfreunden konnte und die sie später abschaffte.
Die letzte Gruppe des Inventars bildeten »Andere Gegenstände«. Darunter befanden sich zwei Fächer, zwei Regenschirme, drei große und drei kleine Sonnenschirme, drei Paar Gummigaloschen. Sogar Kämme aus Schildkröt, Kleider-, Haar-, Nagel-, Zahnbürsten und Schuhanzieher sind verzeichnet und ein Karton mit Steck- und Haarnadeln, Bändern und Knöpfen.
Unschwer ist dieser Aufstellung anzumerken, in welcher Eile, ja in welcher Aufregung dieser »Trousseau« zusammengetragen wurde. Für die erhoffte große »Partie« Helenes hatte Ludovika ja schon lange vorgesorgt und geplant. Für die kleine Sisi mußte improvisiert werden. Da konnte man auf nichts schon Vorhandenes zurückgreifen, mußte sich auf das Nötigste konzentrieren, und das waren eben die »Putzkleider« für die festlichen Anlässe.
Für die 16jährige stellte diese Ausstattung einen bisher unbekannten Luxus dar. Sie mußte sich, nach den bescheidenen Maßstäben, die sie gewöhnt war, mit den vielen neuen Kleidern außerordentlich reich vorkommen und ahnte nicht, daß das alles für Wiener Verhältnisse nichts war und man sie nur zu bald wegen dieser Bescheidenheit bespötteln sollte. Selbst der verliebte Kaiser hatte im Oktober aus München an seine Mutter geschrieben: »Mit dem Trousseau geht es, scheint mir, nicht recht vorwärts und ich kann mir nicht recht denken, daß es hübsch wird.«64
Daß die kluge Ludovika, die ihre Kinder liebte, Angst vor Sisis Zukunft hatte, war nur zu verständlich. Sie kannte ihre Tochter und deren Flucht in die Innerlichkeit, und sie kannte den Wiener Hof, der vornehmlich auf Äußerlichkeiten, Rangfragen, aber auch Geldfragen achtete.
Andererseits vertraute die Familie auf Elisabeths »guten Stern«. Sie war als Glückskind geboren: Zu Weihnachten, an einem Sonntag, und außerdem hatte sie bei der Geburt schon einen Zahn, einen »Glückszahn«, wie man in Bayern sagte. Viele Jahre später noch erinnerte sich Elisabeth:
Ich bin ein Sonntagskind, ein Kind der Sonne;
Die goldnen Strahlen wand sie mir zum Throne,
Mit ihrem Glanze flocht sie meine Krone,
In ihrem Lichte ist es, dass ich wohne.65
2. Kapitel
Hochzeit in Wien
Für Österreich herrschte akute Kriegsgefahr im Krimkrieg. 1853 war eine große Mißernte gewesen, mit folgender Hungersnot und Arbeitslosigkeit, Armut von heute nicht mehr vorstellbarem Ausmaß. Es gab politische Unfreiheit. Der Glanz einer Kaiserhochzeit sollte all dieses Elend für kurze Zeit vergessen machen und die Hoffnung auf ein milderes Regiment nähren. Der Appell an die junge Kaiserin, zwischen Volk und Herrscher zu vermitteln, ist in vielen Festschriften unübersehbar, wie zum Beispiel in jener, wo es in deutlicher Anspielung auf 1848 hieß: »Dir ist’s vom Himmel bestimmt, zu krönen die Versöhnung zwischen Fürst und Volk und die entzweiten Liebenden für immer aneinander zu ketten. Was dem Manne, der das Schwert der Gerechtigkeit handhabt, nicht gelingen kann, das gelingt dem Weibe, welches den Palmzweig der Gnade trägt.« und: »In einer zerfahrenen, stürmischen Zeit sollst Du und Dein Haus der Leuchtturm werden, der den Schiffbrüchigen vor Verzweiflung rettet, der Altar, an dem wir gläubig knien, von dem wir Hilfe hoffen.«66 Das durch Not und Armut gepeinigte Volk von Österreich in allen seinen nationalen Stämmen hoffte auf eine gerechtigkeitsliebende, mildtätige Herrscherin: »Wir glauben, daß Du die Vermittlerin werden wirst zwischen ihm und uns, daß Du, was wir scheu nicht zu gestehen wagen, für uns ihm sagen wirst, daß Manches durch Deine zarte Hand zum Guten gelenkt werden wird.«67
Die kleine Sisi hatte in den letzten Monaten »viel und verschiedenes« gelernt, die Sprache der vornehmen Gesellschaft, Protokollprobleme, ein wenig österreichische Geschichte. Sie hatte gelernt, sich vorschriftsmäßig zu kleiden und besser zu tanzen. Sie putzte ihre Zähne gründlicher als vorher. Aber sie hatte keine Ahnung, wie es den Menschen in Österreich außerhalb des Hofes ging, ob sie Arbeit hatten oder nicht, ob Kinder in ihrem neuen Kaiserreich genug zu essen hatten oder nicht. Sie wußte kaum etwas vom drohenden Krieg im Osten.
Elisabeth war ihrer Natur nach warmherzig und gerechtigkeitsliebend. Sie war wie ihre Geschwister von klein auf dazu angehalten worden, sich um Arme und Kranke zu kümmern. Sie hatte keinen aristokratischen Stolz, kannte die Häuser der Armen in der Umgebung von Possenhofen. Vor allem war sie nicht oberflächlich im Denken, ganz im Gegenteil: Sie hatte schon früh den Hang zum Grübeln, gab sich nicht mit Formalitäten ab, sondern versuchte das »Natürliche«, die »Wahrheit« der Dinge zu ergründen, kindlich noch, aber immerhin war das ein Charakterzug, der sich schon früh ausbildete und den sie sich immer bewahrte.
All diese guten Eigenschaften waren nun nichts wert, ja störend. Keinen aristokratischen Stolz zu haben, galt in Wien nicht als Vorzug, sondern als Makel. Die Formalitäten zu mißachten, ebenfalls. Denn der Wiener Hof, ja die Majestät des Kaisers und die hohe Stellung der Kaiserfamilie beruhten zum großen Teil auf Protokoll und Zeremonie. Um Wahrheit und Echtheit ging es hier nicht. Diese von Sisi als reine Formalitäten aufgefaßten Dinge hatten in der Zeit nach 1848 große politische Bedeutung: sie hoben die Herrscherfamilie weit über alle »gewöhnlichen« Menschen hinaus, machten sie unnahbar, unangreifbar, waren ein sichtbarer Ausdruck des Gottesgnadentums.
Vom Tag der Verlobung an wurde aus einem warmherzigen Wesen, das sich die Völker Österreichs erhofften, eine Repräsentationsfigur für den Wiener Hof gemacht. Alle Konflikte der späteren Zeit waren schon vorgezeichnet. Sie alle entsprangen der Diskrepanz zwischen einem aufrichtig denkenden, sensiblen Menschen und dessen ausschließlicher Verwendung als höfischer Figur.
Am 20. April 1854 verließ Herzogin Elisabeth in Bayern ihre Vaterstadt München. Daß gerade an diesem Tag eine wichtige Entscheidung im Krimkrieg fiel, erfuhr sie nicht. Österreich und Preußen schlossen einen Bund, um den Abzug der Russen aus den Donaufürstentümern zu erzwingen. Franz Joseph ging damit auf antirussischen Kurs, schloß sich aber nicht den Westmächten an und machte sich damit beide Parteien zu Feinden. Österreichische Truppen wurden an die russische Grenze verlegt.
Nach einer Messe in der herzoglichen Hauskapelle im Münchener Palais nahm Sisi zunächst Abschied vom Personal. Für jeden einzelnen hatte sie ein Abschiedsgeschenk, jedem einzelnen reichte sie zum Abschied die Hand. Als Kaiserin von Österreich sollte ihr so etwas nicht mehr erlaubt sein. Diesen familiären Umgang mit allen Menschen ihrer Umgebung, auch den Bauern und den Dienstmädchen, sollte sie in der dünnen höfischen Luft des Wiener Hofes schon bald vermissen. Denn dort durfte sie ja nur ganz bestimmten, ausgewählten und privilegierten Angehörigen der Aristokratie »die Hand zum Kusse reichen« und nicht einfach jedem Menschen, der ihr gefiel, die Hand geben, wie sie es gewöhnt war. Schon bei diesem Abschied flossen viele Tränen – auf beiden Seiten.
Darauf erschienen der regierende König von Bayern, Max II., und sein Vorgänger Ludwig I. (der 1848 wegen des Lola-Montez-Skandals abdanken mußte) in der Uniform österreichischer Regimenter, mit ihren Gattinnen und der Verwandtschaft aus dem königlichen Zweig der Wittelsbacher. Auf der Ludwigstraße vor dem herzoglichen Palais hatte sich eine riesige Menschenmenge zum Abschied eingefunden. Gerührt über die tosenden Jubelrufe der Münchner stellte sich Sisi im Wagen auf, ihr Gesicht tränenüberströmt, und winkte mit ihrem Taschentuch der Menge zu. Die Reise dauerte drei volle Tage (mit zwei Übernachtungen). Es ging zunächst mit Kutschen von München bis Straubing. In Straubing erwarteten sie ein Donaudampfschiff und der erste Empfang durch die Behörden, Musikkapellen, weißgekleidete Mädchen. Glückwünsche und Festreden, Fahnenschwenken, Blumensträuße. Diese Szene sollte sich nun bei jeder Station wiederholen.
Am 21. April gegen 14 Uhr erreichte der Dampfer Passau – und damit die bayrisch-österreichische Grenze, wo eine Triumphpforte errichtet war. Eine kaiserliche Deputation begrüßte die künftige Kaiserin. Zwei festlich geschmückte Dampfschiffe gaben der Braut von der Grenze an das Geleit durch Oberösterreich. Um 18 Uhr abends trafen die Schiffe in Linz ein, der ersten Station auf österreichischem Boden. Statthalter, Bürgermeister, Militärs, die Zünfte und die Schuljugend, die Geistlichkeit und der Adel, ein Musikchor hatten einen prächtigen Empfang vorbereitet. Unvorhergesehen war, daß der Kaiser persönlich seine Braut schon in Linz begrüßte. Er war in aller Frühe mit dem Dampfboot von Wien nach Linz gefahren, um seine Braut zu überraschen – außerhalb des Protokolls.
Am Abend gab es eine Festvorstellung im Linzer Schauspielhaus: »Die Rosen der Elisabeth«, dann eine Beleuchtung der Stadt, einen Fackelzug und Chorgesang. Der Kaiser verließ Linz um 4 Uhr 30 früh am 22. April, um der Braut voranzueilen und sie beim offiziellen Empfang in Wien neuerlich zu begrüßen.
Der große Raddampfer »Franz Joseph« mit der Hochzeitsgesellschaft legte um 8 Uhr morgens in Linz ab. Er war wohl das prächtigste Schiff, das jemals die Donau befuhr. Seine 140 Pferdestärken starken Maschinen waren in London gefertigt und eine Sensation, die in den zeitgenössischen Zeitungen gebührend gewürdigt wurde. Die Ausstattung des Schiffes war kaiserlich: die Kajüte der Braut mit Purpursamt verkleidet, das Deck in einen lebenden Blumengarten verwandelt mit einer Rosenlaube, in die Sisi sich zurückziehen konnte. Die Schiffswände waren mit Rosengirlanden überzogen, die bis zum Wasserspiegel reichten. Blau-weiße bayrische Flaggen wehten neben den rotweißroten österreichischen und den schwarzgelben habsburgischen. Jeder andere Schiffsverkehr war an diesem Festtag untersagt. (Die für heutige Verhältnisse sehr schnell anmutende Fahrt ist damit zu erklären, daß es 1854 noch keine Kraftwerks-Schleusen gab, die heute die Dampferfahrten verzögern.)
Das Barockstift Melk, die Burg Dürnstein, die Wachaustädte Stein, Krems, Tulln, schließlich Klosterneuburg – eine idyllische, geschichtsträchtige Landschaft war festlich für die junge »Rose aus Baiernland« geschmückt. Die Arbeit ruhte überall. Schulkinder, Bauern, Arbeiter, Frauen säumten die Ufer. Bei jeder Anlegestelle waren die Honoratioren versammelt, die Bürgermeister, die Lehrer, die Geistlichen. Die Kaiserhymne wurde allerorten von Böllerschüssen übertönt.
Jeder von diesen Zehntausenden, die die Ufer säumten, wollte die Braut sehen. Es war der dritte Reisetag. Sisi war von all den neuen Eindrücken erschöpft. Doch harrte sie tapfer aus, winkte mit ihrem Spitzentaschentuch, lächelte. Noch hatte sie ja ihre Mutter bei sich, ihre Stütze und Zuflucht. Noch waren die Geschwister an ihrer Seite, die manchmal einen Spaß machten, um ihre Nervosität zu lindern. Aber Sisi war sehr blaß, sehr still, sehr ängstlich.
Vor der Ankunft in Nußdorf bei Wien kleidete sich die Hochzeitsgesellschaft für den festlichen Empfang um. Sisi trug nun eines ihrer »Putzkleider« – ein duftiges, rosafarbenes Seidenkleid mit weitausladender Krinoline, dazu eine weiße Spitzenmantille und ein kleines weißes Hütchen.
Kanonendonner und das Glockengeläute aller Wiener Kirchen kündeten die Ankunft der Kaiserbraut am 22. April gegen 16 Uhr in Nußdorf an. Kaiser Franz Joseph sprang, noch bevor das Schiff richtig anlegte, mit einem Satz vom Ufer auf das Schiff, um seine Braut zu begrüßen. Er sah in seiner Marschallsuniform mit dem großen Band des bayrischen Hubertus-Ordens sehr gut aus. Zehntausende sahen zu, wie der junge Kaiser seine Braut in die Arme nahm und herzhaft küßte.
Nie früher und nie später wurde eine Habsburgerbraut derart herzlich empfangen. Bei dieser Liebesszene dachte mancher an die so sprichwörtlich gute Ehe Maria Theresias und ihres »Franzl«. Chronisten vergaßen jedenfalls nicht zu erwähnen, daß es ihnen so vorkam, »als ob diesmal der milde Geist Maria Theresias über ihrem erlauchten Enkel schwebte«.68 Die Freude darüber war offen und ehrlich – ebenso das Entzücken über die mädchenhafte, wenn auch blasse Erscheinung der Braut, auf die sich viele Hoffnungen richteten.
Im Vorjahr hatte Napoleon III. die schöne Eugénie geheiratet und Paris zum Zentrum der europäischen Eleganz gemacht. Nun würde Wien den Pariser Vorsprung endlich aufholen, so hoffte man. Eine junge schöne Kaiserin würde das gesellschaftliche Leben in Wien, das so lange gestockt hatte, neu beleben und internationale Anziehungskraft ausüben. Vielleicht würde Wien dadurch zu einem zweiten gesellschaftlichen Zentrum – neben Paris – werden. Das hieß vor allem Hoffnung auf einen Aufschwung des darniederliegenden Handels und der Gewerbe, und auf zusätzliche Arbeitsplätze.
Die künftige Kaiserin konnte sich nicht darüber beschweren, vom »Volk« kühl empfangen worden zu sein. Die einfachen Leute, die die Donauufer säumten und bis zu den Höhen des Leopoldsberges standen, um die Herzogin in Bayern zu sehen, kamen ihr vertrauensvoll entgegen. Die Verliebtheit des Kaisers bestärkte sie in der Hoffnung auf bessere Zeiten und auf einen gütigeren Herrn, wohl auch darauf, daß der »reaktionäre« Einfluß der Erzherzogin Sophie von der jungen Kaiserin zurückgedämmt werden und einer liberaleren politischen Strömung weichen möge.
Erzherzogin Sophie, die »heimliche Kaiserin«, betrat gleich nach dem Kaiser das Schiff. Der offizielle Teil des Empfanges begann. Handkuß der Braut für die Schwiegermutter und Tante. Begrüßung der übrigen Familie – die Brüder des Kaisers, unzählige neue Tanten und Onkel, Vettern und Cousinen. Dann das Verlassen des Schiffes am Arm des Bräutigams. Tosende Jubelrufe, Böllerschüsse, Musik, Fahnenschwenken. Kurzer Aufenthalt in der für diesen Anlaß gebauten goldverzierten Triumphhalle, die im Innern mit »Spiegelwänden, Blumen, Draperien gleich einem Zaubertempel herrlich verziert« war. Ein Ruheplatz zwischen Blumen für die durchlauchtigste Kaiserbraut, an den Seiten die Tribünenplätze der Würdenträger, rechts die Vertreter der ausländischen Staaten mit ihren Damen, links der Wiener Gemeinderat, dann die hohe Geistlichkeit, der Adel, Militärs, die Minister und Statthalter der Provinzen.
Fürsterzbischof Kardinal Rauscher hielt die Begrüßungsrede. Der Kaiser stellte dann »die übrigen in Function begriffenen Herren« einzeln seiner Braut vor.
Dann formierte sich der Wagenzug von Nußdorf nach Schönbrunn: zuerst der Kaiser mit Herzog Max, im zweiten Wagen Sisi mit Sophie, im dritten Ludovika mit Erzherzog Franz Carl, dem Vater des Kaisers. Anschließend die übrigen »durchlauchtigsten Familienmitglieder«. Durch mehrere Triumphbögen hindurch fuhr die Kolonne durch Döbling, Währing, Hernals und über die Schmelz und die Mariahilferstraße nach Schönbrunn. Franz Joseph öffnete seiner Braut persönlich den Wagenschlag und führte sie in seine Sommerresidenz, dieses prächtige Barockschloß aus Maria Theresias Zeiten – mit über 1400 Räumen in prunkvollster Ausstattung.
Im Großen Salon begann eine ziemlich komplizierte Zeremonie: zuerst stellte Sophie der kleinen Sisi die Erzherzoginnen vor, anschließend der Kaiser die männlichen Mitglieder des Hauses Habsburg. Sophie vermerkte in ihrem Tagebuch nicht ohne Stolz, daß es außer ihren drei jüngeren Söhnen und ihrem Gatten noch fünfzehn Erzherzöge waren. Erzherzog Ferdinand Max, der jüngere Bruder des Kaisers, übernahm die gegenseitige Bekanntmachung der Wittelsbacher und Habsburger Verwandtschaft. Dann kam die Vorstellung der hohen Hofbeamten. Das alles nahm geraume Zeit in Anspruch.
Mit großer Feierlichkeit überreichte der Kaiser dann die Hochzeitsgeschenke, zuerst sein Brautgeschenk, eine Diamantenkrone mit passender Diamanten-Corsage. Es war eine prächtige alte Goldschmiedearbeit mit Smaragden, und die moderne Umarbeitung hatte allein 100 000 Gulden, fast 17 Millionen Schilling, gekostet.69 Diese Krone war einige Tage vor Sisis Ankunft durch eine Ungeschicklichkeit auf den Boden gefallen, was manche als böses Omen ansahen, und noch in aller Eile repariert worden. Ein weiteres Diamantendiadem kam von Exkaiser Ferdinand aus Prag. Auch die Witwe von Kaiser Franz, ebenfalls eine Tante von Braut und Bräutigam, schenkte standesgemäß Diamanten.
Die beiden bayrischen »Damen« Sisis, die nun in Wien nicht mehr gebraucht wurden, erhielten Abschiedsgeschenke. An ihre Stelle trat nun ein eigener Hofstaat: Obersthofmeisterin war Gräfin Sophie Esterházy, geborene Fürstin Liechtenstein, eine enge Vertraute Sophies. Sie war damals 56 Jahre alt, also sechs Jahre älter als Sophie, eine sittenstrenge, zeremoniöse Frau, die bei der jungen Kaiserin praktisch die Aufgabe einer Gouvernante hatte. Sisi faßte vom ersten Augenblick an eine tiefe Abneigung gegen Gräfin Esterházy, die auch von anderen Zeitgenossen, wie zum Beispiel vom kaiserlichen Flügeladjutanten Weckbecker, kritisiert wurde: »denn auf der einen Seite behandelte sie die junge Kaiserin ein bißchen zu gouvernantengemäß, auf der anderen erblickte sie eine ihrer Hauptaufgaben darin, die angehende Herrscherin in allen möglichen Familienklatsch der Hocharistokratie einzuweihen, wofür die bayrische Prinzessin natürlich nur geringes Interesse aufbrachte«.70
Zu ihrem Obersthofmeister, dem Fürsten Lobkowitz, faßte Elisabeth mehr Vertrauen. Auch die beiden jungen Hofdamen, die Gräfinnen Bellegarde und Lamberg, waren ihr nicht unsympathisch. Sophie machte ihr aber gleich anfangs klar, daß sie als Kaiserin mit diesen jungen Frauen keine persönlichen Bande knüpfen dürfe.
Sisis »Haushalt« bestand aus einem Sekretär, einer Kammerfrau, zwei Kammerdienerinnen, zwei Kammermädchen, einem Kammerdiener, einem Kammertürhüter, vier Leiblakaien, einem Hausknecht und einem Kammerweib. Dieses Personal war wohlgemerkt nur für die Kaiserin zuständig. Der Kaiser hatte seinen eigenen weit größeren und streng von dem der Kaiserin getrennten »Haushalt«.
Die Chronisten berichten, daß sich noch an diesem Abend »die holdselige Prinzessin dem hoch aufjubelnden Publikum in anmutiger Herablassung und Freundlichkeit zu zeigen geruhte« – und zwar vom großen Balkon des Schlosses Schönbrunn. Am Abend fand ein großes Hof-Gala-Diner statt mit allem Prunk des alten Kaiserreiches.
Von ihrer Ankunft am Nachmittag bis in die späte Nacht war die von der Reise erschöpfte 16jährige in ständiger Beobachtung wildfremder Menschen. Die Zuneigung, die ihr von den vielen am Ufer Winkenden entgegenschlug, war hier – im Kreis der höfischen Aristokratie – einer eher skeptischen Neugier gewichen. Sisi hatte ja noch nicht die Schönheit ihrer späteren Jahre; sie war ungelenk, verängstigt, war so gar nicht das, was sich der Wiener Hof unter einer künftigen »Kaiserin« vorgestellt haben mochte. Die Strapazen dieses Ankunftstages waren aber nur der Anfang!
Denn schon am nächsten Tag, dem 23. April, fand der traditionelle feierliche Einzug der Kaiserbraut in Wien statt. Dieser Einzug ging aber nicht vom Schloß Schönbrunn aus, sondern nach altem Brauch vom ehemaligen Stadtschloß Maria Theresias, der ansonsten von der Kaiserfamilie kaum noch benützten »Favorita«, dem heutigen Theresianum. Die feierliche Toilette für dieses Ereignis dauerte Stunden. Viele Wagen mit der Verwandtschaft, den hohen Hofchargen fuhren morgens von Schönbrunn zum Theresianum und sammelten sich dort zum feierlichen Einzug, für den ein höchst kompliziertes Zeremoniell galt.
Als es am späten Nachmittag endlich so weit war und die Braut mit ihrer Mutter in die von acht Lipizzanern gezogene Prunkkarosse stieg – wieder in einem ihrer »Putzkleider«: silberdurchwirktes Rosa mit Schleppe, Rosengirlanden, das neue Diamantendiadem auf dem Kopf –, war ihre Erschöpfung für jedermann sichtbar. In ihrer gläsernen Kutsche weinte sie unaufhörlich. Und statt einer strahlenden Kaiserbraut begrüßten die Spalier stehenden Wiener ein schluchzendes junges Mädchen neben einer ebenfalls verängstigten Brautmutter Ludovika.
Die Schimmel hatten geflochtene Mähnen mit roten und goldenen Quasten, weiße Federbüsche am Kopf und goldgesticktes Geschirr. An jedem Wagenschlag und zu seiten der Pferde gingen je zwei Leiblakaien in voller Gala und mit weißen Perücken.
Dem Brautwagen folgten die sechsspännigen Hofwagen der Obersthofmeister, der diensthabenden Kämmerer und Palastdamen, der Geheimen Räte – alle jeweils mit ihrer vor und neben dem Wagen gehenden Dienerschaft und alles nach dem Hofrang geordnet. Sechs »k. k. Hoftrompeter zu Pferde«, Hoffouriere und Edelknaben, die Garde-Gendarmerie, die Trabanten-Leibgarde »mit der Fahne und klingendem Spiele«, Grenadiere, Kürassiere und Hofbüchsenspanner begleiteten die allerhöchste Braut, die die Herrlichkeiten ringsum kaum zu schätzen wußte.
Mit ihrem Einzug nach Wien weihte Sisi gleich eine neue Brücke ein, die »Elisabethbrücke« über den damals noch nicht regulierten Wienfluß vor der Karlskirche. (Diese Brücke wurde im Todesjahr der Kaiserin 1898 demoliert.)
Als sich der Zug den Stadtwällen näherte, verstummten die Artilleriesalven, und alle Glocken der Stadt begannen zu läuten. Kärntner Straße – Stock im Eisen – Graben – Kohlmarkt – Michaelerplatz: jedes Haus war geschmückt mit Draperien und Blumen. Überall am Weg waren Tribünen für die Schaulustigen aufgebaut.
Im Festzug fiel vor allem die Eleganz der ungarischen Magnaten auf, die ihre von Gold und Edelsteinen strotzenden Nationaltrachten trugen. Selbst die Livree ihrer Diener war von unerreichter Eleganz, ebenso die sechsspännigen Prunkwagen. Der Schweizer Gesandte Tschudi schrieb, daß man eine solch »außerordentliche Pracht mit Ausnahme des Kongresses noch niemals gesehen hat«.71
Noch nicht einmal fünf Jahre waren verstrichen, seit die Revolution ebendort Barrikaden errichtete, wo jetzt die Tribünen für die Schaulustigen standen. »Pressefreiheit«, »Constitution« waren Forderungen, die der junge Kaiser nicht erfüllte. Die Revolutionäre von damals waren hingerichtet, in der Emigration oder im Gefängnis, oder sie hatten sich mit dem absolutistischen Regime arrangiert. An der Hofburg hing längst nicht mehr das drohende Schild »National-Eigentum«. Der Absolutismus feierte mit dem Pomp dieser Kaiserhochzeit Triumphe – und das Volk jubelte.
Allerdings nahm der Kaiser das frohe Ereignis auch zum Anlaß, den Revolutionären des Jahres 1848 versöhnlich entgegenzukommen. In der »Wiener Zeitung« vom 23. April erschien eine amtliche Verlautbarung, nach der über 200 »in Folge politischer Verbrechen der Freiheitsstrafe verfallene Festungssträflinge« begnadigt wurden. Weiteren hundert wurde die Hälfte der Strafe erlassen. Außerdem gab es eine allgemeine Amnestie »für alle Verbrechen der Majestätsbeleidigung und Vergehen gegen die öffentliche Ordnung« und die »hochverräterischen Umtriebe« 1848 in Galizien und des im November 1848 ausgebrochenen Aufstandes in Lemberg. In Ungarn, der Lombardei und Venetien wurde der Belagerungszustand aufgehoben.
Das wertvollste Geschenk des Kaisers für sein verarmtes Land war jedoch die Summe von 200 000 Gulden, fast 34 Millionen Schilling, die er »zur Linderung des bestehenden Notstandes« aus Anlaß seiner Hochzeit ausgab. 25 000 Gulden für Böhmen, speziell für die Bewohner des Erz- und Riesengebirges und die Armen Prags, 6000 Gulden für die mährischen Fabrikbezirke und die Armen Brünns, 4000 für die Armen Schlesiens, 25 000 für die Armen Galiziens. Tirol erhielt 50 000 Gulden zur Erleichterung des Getreide-Ankaufs und für die Geschädigten der Traubenkrankheit in Südtirol, Kroatien 10 000, Dalmatien und das Küstenland je 15 000, »Meine Haupt- und Residenzstadt Wien« zur Unterstützung »der arbeitenden Klasse und der in der gegenwärtigen Theuerung besonders leidenden verschämten Armuth« 50 000. Die unruhigen Kronländer Ungarn und Oberitalien erhielten nichts.
Ein wahrer Ordensregen ging auf verdiente Beamte der Monarchie nieder. Daß alle diese Huldbeweise sich mit der Hochzeit und der Person der neuen Kaiserin verbanden, macht den herzlichen Empfang der Braut verständlicher.
Ob Sisi allerdings dies alles zur Kenntnis nahm, ist mehr als fraglich. Schluchzend kam sie in ihrem neuen Heim, der Wiener Hofburg an. Beim Ausstieg aus der Karosse strauchelte sie, da ihr neues Diadem an der Türfassung des Wagens hängenblieb. Dieses Mißgeschick passierte ihr ausgerechnet angesichts der versammelten kaiserlichen Familie, die sie vor der Hofburg feierlich empfing. Immerhin aber fand Erzherzogin Sophie die kleine Sisi »ravissante« – entzückend, wie sie in ihr Tagebuch schrieb. »Das Benehmen des lieben Kindes war vollendet, voll süßer und graziöser Würde.« Im Amalienhof-Appartement warteten »die k. k. Generalität und das Offizierskorps, dann der männliche Hofstaat und die Damen«, die beim Vorbeigehen der allerhöchsten Herrschaft ihre Aufwartung machten. Damit waren die Feiern dieses Tages beendet, und Sisi mußte sich für den Höhepunkt vorbereiten: die Trauung am nächsten Tag, um sieben Uhr abends in der Augustinerkirche.
In allen Kirchen der Monarchie wurden feierliche Gottesdienste aus Anlaß der kaiserlichen Vermählung abgehalten. Im Stephansdom fand schon am Morgen des großen Tages ein »solemner« Gottesdienst statt, dem »die Elite aller Stände« beiwohnte. Eine Geldsammlung aus Anlaß der Hochzeit ergab so viel, daß 40 Brautpaare, die am selben Tag wie das Kaiserpaar heirateten, eine Ausstattung von jeweils 500 Gulden erhielten – etwa das zweifache Jahreseinkommen eines Arbeiters. In vielen Städten und Gemeinden wurden an diesem Tag bedürftige Kinder eingekleidet, die Armen gespeist, Brennholz und Brot verteilt. Die österreichische Hymne erhielt eine neue zweite Strophe:
An des Kaisers Seite waltet,
Ihm verwandt durch Stamm und Sinn,
Reich an Reiz, der nie veraltet,
Unsre holde Kaiserin.
Was das Glück zuhöchst gepriesen,
Ström auf sie der Himmel aus!
Heil Franz Joseph, Heil Elisen,
Segen Habsburgs ganzem Haus!
Es gab eine Inflation dichterischer Erzeugnisse über die »Engelsgleichheit« und Schönheit der neuen Kaiserin. Außer Tausenden von Flugblättern kamen 83 Festschriften zu Elisabeths Ehren heraus, davon 61 in deutscher Sprache, elf in italienischer, zwei in magyarischer, vier in tschechischer, zwei in polnischer und je eine in serbokroatischer, lateinischer und englischer Sprache.72 Das k. k. Hofburgtheater gab nach einem langen Huldigungsprolog eine Festvorstellung mit der dramatisierten Fassung von Schillers »Glocke« als Lobpreisung häuslichen Glückes.
Es war ein selten schönes Paar, das in der von 15 000 Kerzen taghell erleuchteten und mit rotem Samt drapierten Augustinerkirche zusammenfand. Die Chronisten überbieten sich in der Schilderung all des Pompes rundum: »Alles was der Luxus auf seinem Höhepunkte, vereint mit dem größten Reichthum und wahrhaft kaiserlichem Pompe zu bieten vermag, blendete hier das Auge. Namentlich was das Geschmeide anbelangt, kann man wohl sagen, daß ein Meer von Edelsteinen und Perlen an dem staunenden Blicke der Versammelten vorüberwogte. Besonders schienen die Diamanten in dem Glanze der reichen Beleuchtung sich zu vertausendfachen, und machten durch ihre Farbenpracht einen magischen Eindruck.«73
Der belgische Gesandte berichtete nach Brüssel etwas süffisant: »In einer Stadt, wo unlängst der revolutionäre Geist so viele Verheerungen angerichtet hat, war es nicht unnütz, die ganze monarchische Herrlichkeit zu entfalten.«74
Der Erzbischof von Wien, Kardinal Rauscher, nahm die Trauung unter der Assistenz von mehr als 70 Bischöfen und Prälaten vor. Im Moment des Ringwechsels gab ein auf der Augustinerbastei aufgestelltes Grenadierbataillon die erste Salve, der ein wahrer Kanonendonner folgte und damit verkündete, daß aus der Herzogin Elisabeth in Bayern die Kaiserin von Österreich geworden war.
Die schier endlose, blumenreiche Trauansprache brachte dem Wiener Kardinal den Spottnamen »Kardinal Plauscher« ein. Die Liebe der Kaiserin solle dem Kaiser »in Mitte der Herrschersorgen gleich einem Eilande sein, welches in Mitte des Wogensturmes, friedlich grünend, daliegt und die lächelnde Rose und das anmuthige Veilchen keimen läßt … Neben Franz Joseph, dem Retter und Helden Österreichs, dem Erneuerer durch gesetzgebende Weisheit, dem Vorkämpfer überall, wo es die Ehre Gottes und das Heil des Menschengeschlechtes gilt, glänze die kaiserliche Gemahlin als die erste der Frauen nicht nur durch die Krone, welche ihre Stirn bekränzt, sondern mehr noch durch Tugenden, welche von den Höhen des Thrones herab ihren milden Schein einladend über die Völker verbreiten.«