Kitabı oku: «Elisabeth», sayfa 3
Schließlich mußte auch um päpstliche Dispens für die Eheschließung angesucht werden. Denn die Brautleute waren ja Vetter und Cousine ersten Grades. Aber auch die Eltern Elisabeths waren Vetter und Cousine zweiten Grades. Daß die Kinder aus dieser Kaiserehe, vor allem der erhoffte Kronprinz, einmal durch diese Häufung von Verwandtenehen die ganze Last des Wittelsbacher Erbes tragen müßten – darüber war man sich bei dem damaligen Stand der Medizin nicht im klaren.
Die Wittelsbacher waren kein erbgesundes Geschlecht. Es gab mehrere Fälle von Geisteskrankheiten. Auch der Vater von Herzog Max, Herzog Pius (also Sisis Großvater), war geistesschwach und ein Krüppel. Er führte zeitweise ein wildes Leben, landete einmal nach einer Schlägerei in Polizeigewahrsam und beschloß sein trauriges Leben als Eremit in völliger Einsamkeit.32 Daß auch die beiden Söhne des bayrischen Königs, Kronprinz Ludwig und Otto, geistig nicht gesund waren, wußte man 1853 noch nicht, denn die beiden waren noch Kinder.
Am 24. August war offiziell in der »Wiener Zeitung« zu lesen: »Seine k. k. Apostolische Majestät unser allergnädigster Herr und Kaiser, Franz Joseph I., haben während Allerhöchst Ihres Aufenthaltes zu Ischl Ihre Hand der durchlauchtigsten Prinzessin Elisabeth Amalie Eugenie, Herzogin in Bayern, Tochter Ihrer königlichen Hoheiten des Herzogs Maximilian Josef und der Herzogin Ludovica, geborenen königlichen Prinzessin von Bayern, nach eingeholter Zustimmung Seiner Majestät des Königs Maximilian II. von Bayern, sowie der durchlauchtigsten Eltern der Prinzessin-Braut anverlobt. Der Segen des Allmächtigen möge auf diesem für das Allerhöchste Kaiserhaus und das Kaiserreich beglückenden, freudenvollen Ereignisse ruhen.«
Die Nachricht war eine Sensation. Lange hatte man sich schon, vor allem in der Gesellschaft, den Kopf über die mögliche neue Kaiserin zerbrochen. Viele Prinzessinnen waren im Gespräch gewesen. Elisabeth war niemals in den Heiratsspekulationen vorgekommen. Ungeduldig wartete man auf die ersten Porträts der Kaiserbraut. Bei den langen Sitzungen für Maler und Zeichner leistete der verliebte Bräutigam der kleinen Sisi Gesellschaft. Stundenlang saß er neben ihr und beobachtete sie voller Stolz.
Da in Wien so wenig über die zukünftige Kaiserin bekannt war, blühte der Klatsch. Erste Informationen lieferte ein kritischer Blick in den Gotha. Und hier hielt die Kaiserbraut der Kritik nicht stand: In ihrer Ahnenreihe befand sich nämlich eine Prinzessin Arenberg (die Mutter ihres Vaters Max). Und diese Arenbergs waren zwar ein hochadeliges, aber kein souveränes Haus, also kein Haus, das habsburgische Ehepartner stellen durfte. Diese Großmutter Arenberg war wiederum mit allen möglichen anderen adeligen, aber nicht souveränen Häusern verwandt: den Schwarzenberg, Windischgrätz, Lobkovic, Schönburg, Neipperg, Esterházy. Somit war also die zukünftige Kaiserin nicht über die aristokratische Gesellschaft gestellt, sondern durch ihre Großmutter auch ein Teil von ihr – durch mannigfache verwandtschaftliche Beziehungen mit nicht-souveränen Häusern. Die wichtigste Voraussetzung, um am Wiener Hof unangefochten zu sein, eine lupenreine Ahnenreihe, erfüllte Elisabeth also nicht.
Auch Brautvater Max gab reichlich Anlaß zu Tratschereien. Seine Zirkusreiterei, sein allzu freundschaftlicher Umgang mit Bürgern und Bauern, seine Mißachtung der aristokratischen Welt, seine wenig feinen Herrenfeste in Possenhofen und München wurden reichlich beredet. Man erzählte sich, wie Herzog Max seine Kinder verwildern ließ, daß sie zwar reiten konnten wie kleine Zirkusartisten, aber kaum einen vernünftigen französischen Satz, schon gar keine »Konversation« zustande brachten. Das Parkett des Wiener Hofes war berüchtigt glatt.
Selbstverständlich wurden auch die Schlösser des Herzogs Max kritisch gemustert. Das neue Palais an der Ludwigstraße, gebaut vom berühmten Architekten Klenze, war durchaus standesgemäß – im Gegensatz zum Sommerschlößchen Possenhofen. Bald schon fiel in Wien das Wort von der »Bettelwirtschaft«, der die zukünftige Kaiserin entstammte.
Noch zwanzig Jahre später regte sich Elisabeths Hofdame Gräfin Marie Festetics über diese Verleumdungen auf. Ihr gefiel Possenhofen: »Das Haus ist einfach, aber gut geführt, sauber, nett, gute Küche, ich fand keinen Prunk, es ist alles wohltuend altmodisch, aber vornehm und nichts von einer Bettelwirtschaft, wie meine Colleginnen von einst und jetzt vorerzählten.«
Die Hofdame schwärmte vor allem von der Lage des Schlößchens am Starnberger See. Sie pries das Mondlicht im ruhigen Wasser und das Vogelgezwitscher, das sie morgens aus dem Schlaf weckte: »sie jubelten, als ob es Frühjahr wäre – ich stürzte ans Fenster – der Anblick ist köstlich, tief – tiefblau die Fluth – ein Paradies von Bäumen u. grün all over u. über dem See drüben schöne Berge alles Lieblichkeit und Sonne – der Garten voll Blumen – das alte Haus umrankt von wilder Rebe u. Epheu – so poetisch – so schön.« Und die Hofdame, die ihre Kaiserin liebte, schrieb weiter: »ja so mußte ihre Heimat sein, damit der träumerische Sinn, die Liebe zur Natur – sich so entwickeln konnte!«33
Träumerischen Sinn und Liebe zur Natur zeigte Elisabeth schon als Kind. Alle romantischen Geschichten von Sisis Kindheitssommern in Possenhofen halten kritischer Prüfung stand. Die Liebe zur Natur war eine der wenigen Gemeinsamkeiten, die Franz Joseph und Elisabeth verband.
Der nach Franz Josephs Worten »göttliche Ischler Séjour« dauerte bis zum 31. August. Im festlich geschmückten Salzburg wurde »sehr zärtlich«, wie Sophie in ihrem Tagebuch festhielt, Abschied genommen. Zur Erinnerung an die Verlobung schenkte Erzherzogin Sophie dem Brautpaar eine kleine Villa, die zur »Kaiservilla« für die alljährliche Ischler Sommerfrische der kaiserlichen Familie ausgebaut wurde und durch zwei neue Flügel einen neuen Grundriß in Gestalt eines »E« wie Elisabeth erhielt.
Franz Josephs Glück hielt auch nach seiner Rückkehr »in die hiesige papierne Schreibtischexistenz mit ihren Sorgen und Mühen« an. Sogar die Sitzungen beim Maler Schwager machten ihm Freude: »so langweilig mir sonst das Gemaltwerden ist, so freue ich mich jetzt doch auf jede Sitzung, da es mich an die Sitzungen Sisis in Ischl erinnert und mir Schwager immer ihr Porträt mitbringt.« Seiner Mutter Sophie gestand er, »mit unendlicher Sehnsucht nach Westen« zu denken.34 Die glückliche Stimmung des jungen Kaisers wirkte sich auch in der Innenpolitik aus: Der seit dem Revolutionsjahr 1848 bestehende Belagerungszustand wurde nun wenigstens in den drei Städten Wien, Graz und Prag aufgehoben.
Wie ein Zeichen für die Zukunft erschien es manchem Ungarn, daß kurz nach dem Eintritt Elisabeths in die österreichische Geschichte die Stephanskrone wiedergefunden wurde, die 1849 vom Rebellenführer Kossuth vergraben worden war. Das größte Heiligtum der ungarischen Nation wurde nun feierlich nach Ofen zurückgebracht und mahnte zur nötigen Versöhnung zwischen Österreich und Ungarn.
Sisi mußte nun in Bayern ein umfangreiches Lernprogramm absolvieren, vor allem so schnell wie möglich Sprachen lernen: Französisch, Italienisch und Tschechisch. Alles, was jahrelang in der Erziehung und Ausbildung versäumt worden war, sollte nun, in den wenigen Monaten bis zur Hochzeit, nachgeholt werden. Herzogin Ludovika machte sich Sorgen, weil es mit dem Lernen nicht sehr gut ging: »leider haben meine Kinder keine Leichtigkeit zum Erlernen der fremden Sprachen, und das Französisch sprechen nimmt hier in der Gesellschaft auffallend ab.«35
Vor allem mußte Sisi österreichische Geschichte lernen. Dreimal in der Woche kam nun der Historiker Graf Johann Mailáth zur ihr, um ihr aus seinem Hauptwerk, der »Geschichte des österreichischen Kaiserstaates« persönlich vorzutragen. Mailáth war ein kleiner, sehr lebhafter und unterhaltsamer Mann nahe den siebzig. Er lebte in München in sehr bescheidenen, ja ärmlichen Verhältnissen vom Ertrag seiner Bücher. (Schon ein Jahr später nahm er sich wegen finanzieller Not im Starnberger See das Leben.) Als Historiker war er nicht unangefochten, weil seine Darstellung der Geschichte reichlich poesievoll und unkritisch war. Bei den liberalen Ungarn war er wegen seiner allzu österreichfreundlichen Haltung wenig beliebt. Aber die kleine Sisi mochte ihn. Die Geschichtsstunden zogen sich meist bis in die Abende hin, und der Kreis der Zuhörer wurde immer größer: Die Geschwister Helene und Carl Theodor (»Gackel«) nahmen daran teil, einige der anderen Lehrer, die Mutter Ludovika. Doch Mailáth hielt seine Lektion nur »pour les beaux yeux de Sisi«, wie Herzogin Ludovika an eine Schwester schrieb.36 Und Elisabeth sprach noch Jahrzehnte später voll Anerkennung von diesem Lehrer.
Trotz seiner starken Loyalität für die Wiener Zentralregierung war Mailáth doch immerhin ein so stolzer Ungar, daß er der zukünftigen Königin von Ungarn die österreichische Geschichte im ungarischen Sinne vortrug. Er warb um Verständnis für die ungarischen Sonderrechte, erklärte der kleinen Sisi die alte ungarische Verfassung, die von Kaiser Franz Joseph ja 1849 aufgehoben worden war, und brachte der kleinen Sisi sogar die Vorzüge der republikanischen Staatsform näher. Elisabeth berief sich jedenfalls später auf Mailáth, wenn sie ihre höfische Umgebung in Wien mit dem Satz schockierte: »Ich hörte, daß die zweckmäßigste Regierungsform die Republik sei.«37 Diese gemütlichen Geschichtslektionen im Kreis der herzoglichen Familie in Possenhofen legten bei der 15jährigen Kaiserbraut die Basis für ihre spätere politische Anschauung. Sie können in ihrer Bedeutung kaum überschätzt werden.
Eine rege Korrespondenz zwischen Wien und München setzte ein über die Ausstattung der Braut, den »Trousseau«, der nun in Windeseile zusammengestellt werden mußte und an dem Dutzende von bayrischen Schneiderinnen, Stickerinnen, Schumachern und Putzmachern arbeiteten. Erzherzogin Sophie gab schriftlich Ratschläge, so zum Beispiel, Sisi solle sich die Zähne besser putzen.
Die Angst der 15jährigen vor der Wiener Hofburg und dem neuen prächtigen Leben wuchs. Sie kümmerte sich kaum um die vielen neuen Kleider, haßte das ständige Anprobieren, war achtlos gegenüber den Juwelen, die aus Wien kamen. Sie war ja noch ein Kind und freute sich über keines der Geschenke so sehr wie über einen Papagei, den der Kaiser ihr nach Bayern schickte.
Sisi war es nicht gewöhnt, von morgens bis abends in ein Programm eingespannt zu sein. Ihre Familie beobachtete mit Sorge, daß das Mädchen zwar einerseits geschmeichelt war über die übergroße Beachtung, die sie plötzlich fand, andererseits aber immer stiller und melancholischer wurde. Sie schrieb elegische Verse auf ihr geliebtes Possenhofen, trauerte immer noch ihrer alten Liebe nach und fürchtete sich vor der neuen.
Lebet wohl, ihr stillen Räume,
Lebe wohl, du altes Schloß.
Und ihr ersten Liebesträume,
Ruht so sanft in Seesschoß.
Lebet wohl, ihr kahlen Bäume,
Und ihr Sträucher, klein und groß.
Treibt ihr wieder frische Keime,
Bin ich weit von diesem Schloß.38
Ludovikas Sorgen waren nur zu begründet – und auch in Wien bekannt. Der belgische Gesandte in Wien berichtete nach Brüssel: »Um ihrer Tochter die aus den Festlichkeiten erstehenden Mühen zu ersparen, soll die Mutter den Aufschub der Trauung bis Juni wünschen. Wenn die Zeremonie in einer vorgeschrittenen Jahreszeit stattfände und der größte Teil des Adels Wien bereits verlassen hätte, könnte man sich von den mit der Hochzeit verbundenen Feiern dispensieren.«39 Dieser eigenartige Wunsch wurde nicht erfüllt. Ein Kaiser von Österreich heiratet schließlich nicht unter Ausschluß der Öffentlichkeit, nur weil die zukünftige Kaiserin sich vor der Aristokratie fürchtet.
Auch über den Ort der Hochzeit, ob München oder Wien, wurde lange verhandelt. Ludovika: »Von einer Prokurationsheirath ist keine Rede, und hierher kann der Kaiser leider nicht kommen. Dass die Heirath hier wäre, ginge leider nicht an, obgleich es immer das angenehmste ist! Ich bedaure das sehr, denn wenn wir Sisi nach Wien begleiten, ist das ein großes Unternehmen, ein so grosser Hof, die zahlreiche sich versammelnde Familie, die Wiener Gesellschaft, die Feste etc … für all das passe ich nicht … ich mag gar nicht daran denken, und bis jetzt weiß ich selbst nicht, was geschieht. Überhaupt denke ich nicht gern an Sisis Entfernung und möchte die Zeit immer hinaus schieben.«40
Ungeachtet der kaiserlichen Heiratsvorbereitungen wurde die Orientkrise immer komplizierter. Am 1. Oktober 1853 erklärte die Türkei Rußland den Krieg. Die Balkanfrage trat in eine entscheidende Phase. Die Bedeutung dieses Konfliktes für Österreich wurde in Wien nicht erkannt. Denn noch im Oktober wurde die österreichische Armee aus Geldmangel drastisch reduziert. Die österreichische Politik bot in diesen Monaten ein konfuses Bild.
Es hat den Anschein, daß dieser politisch unerfahrene, doch allmächtige junge Kaiser die Konsequenzen seiner unsicheren Aktionen überhaupt nicht übersah. Seine Minister, vor allem sein Außenminister Buol, waren schwach, hatten auch keinerlei Verantwortung, sondern nur Beraterfunktion. Da die Meinungen sowohl der Minister als auch des Hofes geteilt waren, schwankte Franz Joseph in seinem Urteil hilflos hin und her, vertraute sich aber keinem erfahrenen Politiker an, weil er zu sehr von seiner kaiserlichen Majestät überzeugt war.
Überdies war er deutlich abgelenkt. Er machte sich Gedanken über immer wieder neue und immer prächtigere Geschenke, trieb in Wien wie in Ischl die Umbauten voran, mahnte aber seine Mutter, die die Arbeiten in der Ischler Villa überwachte, »daß das Ganze womöglich nicht mehr koste, als vorangeschlagen ist, da es mir mit meinen Finanzen sehr knapp geht«.41
Die häufigen Klagen Franz Josephs über fehlendes Geld erstaunen bei dem Herrscher eines so mächtigen Reiches. Doch verfügte die kaiserliche Familie in Wien wirklich nur über relativ knappe Finanzen. Denn Kaiser Ferdinand der Gütige hatte zwar 1848 auf den Thron verzichtet und sich auf den Prager Hradschin zurückgezogen, sein Vermögen aber behalten. Die immens reichen kaiserlichen Güter, die jährlich viele Millionen Gulden Ertrag brachten, gehörten nicht dem regierenden Kaiser, sondern dem abgedankten Kaiser Ferdinand. Erst nach Ferdinands Tod 1875 ging das Vermögen in Franz Josephs Besitz über. Von 1848 bis 1875, also eine lange Zeit, konnte die Kaiserfamilie keinesfalls aus dem vollen schöpfen.
Außerdem schlitterte die österreichische Wirtschaft in dieser Zeit von einer Finanzkrise in die andere, wofür die überaus hohen Kosten für das Militär bei jahrelangem Belagerungszustand verantwortlich waren. All diese Sorgen verdrängte der verliebte Kaiser, als er seiner Mutter schrieb: »Ich kann den Augenblick gar nicht mehr erwarten, wo ich nach Possenhofen reisen kann, um Sisi wieder zu sehen, an die ich unaufhörlich denken muß.«42
Da es noch keine Eisenbahnverbindung zwischen Wien und München gab, war die Reise beschwerlich: Sie ging über Prag, Dresden, Leipzig und Hof nach München und dauerte weit mehr als einen Tag. Diese Reise machte der Kaiser während der Brautzeit dreimal.
Herzogin Ludovika sorgte sich auch darüber, daß sich der Kaiser im Kreis ihrer Familie langweilen könnte.43 Doch Franz Joseph hatte nur Augen für die kleine Sisi und schrieb voll Dankbarkeit aus München an seine Mutter in Wien: »Nie werde ich es Ihnen, liebe Mama, genug danken können, mir so ein inniges Glück gegründet zu haben. Alle Tage liebe ich Sisi mehr und immer überzeuge ich mich mehr, daß keine für mich besser passen kann als sie.«
Und eingedenk der mütterlichen Ratschläge schrieb er über seine Braut: »Nebst vielen wichtigeren guten Eigenschaften reitet sie scharmant, wovon ich mich jedoch, Ihrem Wunsche gemäß, erst einmal überzeugte. Ich habe, wie Sie es mir rieten, die Schwiegermama gebeten, daß Sisi nicht zu viel reiten möge, doch, glaube ich, wird es schwer durchzusetzen sein, da Sisi es ungerne aufgibt. Es schlägt ihr übrigens sehr gut an; denn sie hat seit Ischl noch recht zugenommen und sieht jetzt nie übel aus. Ihre Zähne sind auch, dank Ihrer Fürsorge, ganz weiß geworden, so daß sie wirklich allerliebst ist.«44 Schwierigkeiten gab es jedoch noch mit Sisis Menschenscheu. So berichtete Franz Joseph seiner Mutter, daß der stürmische Empfang im Münchener Theater »Sisi sehr embarassierte«. Er beruhigte Sophie aber damit, daß es beim Hofball (den er »wirklich brillant« und »sehr animiert« fand) besser klappte: »Der armen Sisi wurde das ganze diplomatische Corps vorgestellt, wobei sie den Cercle scharmant machte und mit Allen sprach.«45
Die Verlobung hatte die herzogliche Familie aufgewertet. Auch der König von Bayern war stolz darauf, daß wieder eine Wittelsbacherin Kaiserin werden würde und bemühte sich nun ostentativ um die herzoglichen Verwandten. Die kleine Elisabeth war der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Sie aber ließ sich nicht blenden. Im Gegenteil: Immer deutlicher zeigte sie Furcht vor der Zukunft. »Wenn er nur ein Schneider wäre«, klagte sie über ihren Bräutigam bei ihrer ebenfalls ängstlichen Mutter.46
Sisis Zuneigung zu Franz Joseph wuchs. Doch seine politischen Sorgen verstand sie nicht. Selbst wenn er in München war, kam täglich ein Kurier aus Wien mit den neuesten Nachrichten. Der belgische Gesandte: »Die ernste Lage zwingt den Kaiser, seine Rückkehr zu beschleunigen … Die politische Situation gibt ihm viele Sorgen.«47 Bei dieser verfrühten Abreise Franz Josephs weinte die kleine Sisi so, daß »ihr Gesicht ganz verschwollen war«.
Zu Weihnachten, als Sisi 16 Jahre alt wurde, brachte der Kaiser die schon obligaten Juwelen nach München, die er selbst ausgewählt hatte, dazu ein Porträt von sich, ein kleines silbernes Frühstücksservice für die Reise, in das ein E mit Kaiserkrone graviert war48 und als Geschenk der Erzherzogin Sophie einen Kranz und ein Bukett aus frischen Rosen, »der hier, wo solche Blumen nicht zu finden sind, sehr viel Effekt machen wird« – wohlgemerkt mitten im Winter. Der Kaiser schrieb seiner Mutter, er habe Sisi »sehr wohl und blühend wiedergefunden. Sie ist immer gleich lieb und anziehend und lernt jetzt auch viel und Verschiedenes.«49
Auch das Briefeschreiben mußte die Braut noch lernen. Vor allem die Briefe an ihre Schwiegermutter und Tante Sophie, zu der sie selbstverständlich »Sie« sagen mußte, zeigen große Unsicherheit: »Empfangen Sie auch, liebe Tante, meine besten, innigsten Wünsche zum neuen Jahre, das mich in Ihre liebe Nähe führen soll, und glauben Sie, liebe Tante, daß es immer mein sehnlicher Wunsch sein wird, mich der vielen Liebe, die Sie mir stets bewiesen, würdig zu machen und daß ich mich freue, Ihnen eine liebevolle Tochter zu sein und was in meinen Kräften steht, zum Glück Ihres Lebens beitragen zu dürfen. Erhalten Sie stets, liebe Tante, Ihre nachsichtsvolle Liebe Ihrer ganz ergebenen Nichte Sißi.«50
Ludovika hatte immer noch Zweifel, ob Sisi den hohen Wiener Anforderungen auch gerecht werden könne. Sie schrieb an Marie von Sachsen: »Wenn ihm nur Sisi in Allem genügt, seine Liebe zu ihr macht mich sehr glücklich, und er scheint sie recht innig zu lieben.«51 Zum Abschluß des Kaiserbesuches in München gab es den »Faust«. Ludovika freilich meinte, dieses Stück sei »nicht für junge Damen«.
Auch bei diesem Besuch zwang die Orientpolitik den Kaiser zu vorzeitiger Heimkehr. Er klagte sehr, »daß meine Zeit zwischen Liebe und den leidigen Geschäften, die mich auch hier unendlich plagen, ganz in Anspruch genommen war«.52 Wenige Tage nach Franz Josephs Rückkehr kam die Nachricht, daß die französischenglische Flotte nach dem Schwarzen Meer ausgelaufen war, um gegen die drohende Machterweiterung des Zarenreiches einzuschreiten. Die Wiener Börse reagierte mit Panik. Österreichs Haltung in diesem Konflikt war immer noch nicht klar. Der Kaiser ließ seinen »treuen, lieben Freund«, den Zaren, weiter im ungewissen und kränkte ihn damit zutiefst. Immer offensichtlicher wurde, daß der 23jährige Kaiser in seinen politischen Fähigkeiten völlig überfordert war. Er hatte weder Konzept noch Ziel, konnte sich im Konflikt zwischen dem Zarenreich und den Westmächten für keine klare österreichische Position entscheiden. So schwankte er je nach den gerade akuten Problemen, aber auch nach persönlichen Sympathien hin und her – und das als neoabsoluter Herrscher, der für die Politik alleinverantwortlich war und seinen Außenminister höchstens als unverbindlichen Ratgeber anhörte.
Sehr besorgt über die Entwicklung berichtete ein russischer Diplomat aus Wien nach St. Petersburg über den jungen Kaiser: »Seit einiger Zeit nennt man ihn nicht mehr ›der Kaiser‹, sondern immer häufiger ›der junge Herr‹. Einige sagen sogar: ›Das ist ein Kind.‹ Wirklich, er denkt an seine Hochzeit mehr als an alles andere, er schreibt seiner Braut lange und häufige Briefe, und während Buol infame Protokolle unterzeichnet, ist der Kaiser auf Auerhahnjagd, und am Abend sieht man ihn häufig im Zirkus.« Der Zar solle aber den Kontakt mit Wien nicht aufgeben, denn noch sei Hoffnung.53
Erstaunlich ist, wie unbeeindruckt die höfische Gesellschaft von den kriegerischen Verwicklungen blieb. Wer nicht gerade Politiker war oder persönliche Interessen am Balkan hatte, blieb von den Ereignissen unberührt. Die kaiserlichen Ehevorbereitungen beanspruchten einen großen Teil des öffentlichen Interesses.
Die Wiener Komtessen, die bisher den Fasching vor allem deshalb genossen hatten, weil sie einen feschen jungen Kaiser als Tänzer gewinnen konnten, erlebten in diesem Winter eine herbe Enttäuschung: Franz Joseph tanzte nicht, »was seinen ritterlichen Gefühlen entspricht«, kommentierten sie, klagten aber schon bald über den »Karneval, der bis jetzt sehr flau ist. Da der Kaiser nicht tanzt, fällt das größte Interresse weg. Bis jetzt waren erst drei Bälle von untergeordnetem Glanz. Alles scheint die Vermählungsfeierlichkeiten abzuwarten.« und: »Die Komtessen vermissen den besten glanzvollen Tänzer unendlich!«54
Freilich gab es neben der Verliebheit noch einen handfesteren Grund dafür, daß Franz Joseph nicht tanzte. Es hatten sich wieder »die in Folge des Attentats eingetretenen Leiden der Gehirn-Affekzion und des Halbsehens«, also Sehstörungen, eingestellt, die den Kaiser zu größerer Schonung zwangen.55
Anfang März wurde der Ehepakt unterzeichnet. Herzog Max in Bayern versprach darin der »durchlauchtigsten Frau Tochter« ein Heiratsgut von 50 000 Gulden, »welche dem von Seiner kaiserlichen Majestät hiezu besonders Bevollmächtigten gegen gehörigen Empfangsschein noch vor der Heirath in München ausgehändigt werden«. Elisabeth sollte auch »mit allen Erfordernissen an Kleinodien, Kleidern, Geschmeide, goldenen und silbernen Geräthen Ihrem hohen Stande gemäß« ausgestattet werden. Der Kaiser verpflichtete sich, das Heiratsgut mit weiteren 100 000 Gulden zu widerlegen. Das hieß, daß er das Privatkapital der Kaiserin damit um ein wesentliches Stück erhöhte. Außerdem versprach er, seiner Braut 12 000 Stück Dukaten »nach vollzogenem Ehebündnisse als eine Morgengabe« zu schenken. Eine solche Morgengabe war im Kaiserhaus seit alten Zeiten üblich. Als Apanage – selbst noch für eine eventuelle Witwenzeit – sollte die Kaiserin jährlich 100 000 Gulden (etwa 16 Millionen Schilling) erhalten, und zwar ausschließlich für »Putz, Kleider, Almosen und kleinere Ausgaben«. Denn alles andere, also »Tafel, Wäsche und Pferde, Unterhalt und Besoldung der Dienerschaft und sämtliche Hauseinrichtung« wurde selbstverständlich vom Kaiser bezahlt.56
Diese Apanage war fünfmal so hoch wie die der Erzherzogin Sophie, die nur 20 000 Gulden jährlich erhielt. Drei Tage vor seiner Hochzeit allerdings erhöhte der Kaiser die Bezüge seiner Mutter auf jährlich 50 000 Gulden.57 (Ein Arbeiter verdiente zu dieser Zeit, falls er bei der herrschenden Arbeitslosigkeit überhaupt Arbeit fand, höchstens 200 bis 300 Gulden jährlich, Frauen nur die Hälfte bei zwölf bis vierzehn Arbeitsstunden täglich, Kinder nur einen Bruchteil dieser Summe. Ein Leutnant hatte 24 Gulden monatlicher Gage, die untergeordneten Soldaten entsprechend weniger.)
Bei seinem letzten Besuch in München vier Wochen vor der Hochzeit brachte der Kaiser ein prunkvolles Diamantendiadem mit, das mit großen Opalen verziert war, dazu passend noch ein Collier und Ohrringe. Es war das Geschenk der Erzherzogin Sophie, die das Diadem einst bei ihrer Hochzeit getragen hatte. Dieser Schmuck stellte einen Wert von über 60 000 Gulden dar, nach heutiger Währung fast zehn Millionen Schilling – selbst für den Kaiser ein enormer Wert. Noch aus München schrieb Franz Joseph seiner Mutter nach Wien, sie brauche sich nicht zu beunruhigen, der Schmuck »wird gewiß sehr gut aufgehoben und gleich versperrt werden«.58 Offensichtlich hatte Sophie nicht viel Vertrauen in die Ordnung des schwesterlichen Haushaltes.
Der Dankbrief Sisis an Sophie klang wieder äußerst unbeholfen: »… seien Sie aber überzeugt, liebe Tante, daß ich Ihre große Güte für mich recht tief fühle und daß es ein wohltuender Gedanke für mich ist, stets und in allen Lagen meines Lebens mich vertrauensvoll Ihrer mütterlichen Liebe hingeben zu dürfen«.59
Von den vielen Bevormundungen und indiskreten Ratschlägen abgesehen, konnte sich Elisabeth zunächst kaum über ihre Schwiegermutter beschweren. Sophie kümmerte sich um den Umbau der Ischler Kaiservilla, sie überschüttete das junge Mädchen mit Kostbarkeiten aller Art. In ihren Briefen an ihre Schwester in Sachsen kritisierte sie das Mädchen nie, sie pries jede Kleinigkeit, die sie als positiv empfand – vor allem Sisis Bescheidenheit und Schüchternheit.
Sophie verbrachte Monate damit, die Wohnung des Kaiserpaares auf das geschmackvollste einzurichten. Diese Wohnung in der Hofburg bestand aus Vorzimmer, Speisesaal, Spiegelsaal, Salon, Kabinett und Schlafzimmer – wenn man die prunkvolle Ausstattung und die Größe der Salons nicht berücksichtigt, eine eher großbürgerliche Wohnung, allerdings ohne Badezimmer, Toiletten (es war noch die Zeit der Leibstühle in der Hofburg) und ohne eigene Küche. Denn die Mahlzeiten wurden im Familienkreis eingenommen. Die Tapisserien und Vorhänge, Teppiche und Möbel wählte Sophie selbst aus und legte auch Wert darauf, daß alles im Inland gekauft wurde, um dem Handel Auftrieb zu geben.
Sisi sollte nur das Teuerste und Beste haben. Ihre Toilettengarnitur zum Beispiel bestand aus massivem Gold.60 Sophie ließ Pretiosen, Bilder, Silber, chinesisches Porzellan, Statuen, Uhren aus den verschiedenen Sammlungen des Kaiserhauses, auch aus der Schatzkammer und der Ambraser Sammlung, in die kaiserlichen Appartements bringen. Die Verzeichnisse haben sich erhalten61, sogar über die Wäscheausstattung des Kaisers, die sehr reichhaltig war. Sophie wußte ja, daß die Braut trotz der Abmachungen im Ehepakt keine entsprechende Aussteuer mitbrachte.
Sophie stellte ihr Licht nicht unter den Scheffel. Ihre Schwestern bewunderten ihre Tatkraft, so etwa Königin Marie von Sachsen: »Meine gute Sophie ist … wie immer die personificirte Selbstverläugnung, will Alles hingeben und entbehren für die zukünftige Schwiegertochter und bedenkt jede Kleinigkeit, die zum Glück und Comfort des jungen Paares beytragen kann. Auch schrieb mir Luise [Ludovika] neulich mit Recht, es sey wohl noch nie so liebevoll für eine Braut gesorgt worden, wie für ihre Tochter.«62
Einen Monat vor der Hochzeit fand in München der feierliche »Renunziationsakt« statt, Sisis Verzichterklärung auf die Erbfolge im Königreich Bayern. Die Mitglieder des königlichen und des herzoglichen Hauses, die Hofwürdenträger und Staatsminister beachteten die 16jährige, die neben dem König unter einem Baldachin auf der Estrade des Thronsaales saß, zum ersten Mal in ihrem Leben. Viele Augenpaare sahen, wie die kleine Sisi »nach gemachten Verbeugungen vor Ihren Majestäten und den Durchlauchtigsten Eltern sich nach dem Tisch begeben, auf welchem das Evangelium liegt, welches Ihrer königlichen Hoheit von dem Herrn Erzbischof vorgehalten wird«.63 Die Verzichtserklärung wurde verlesen, Sisi vereidigt. Dann unterschrieb sie das Dokument. Die düstere Feierlichkeit war ein kleiner Vorgeschmack auf das förmliche Leben in Wien.
Die Brautausstattung, der »Trousseau«, traf in 25 Koffern pünktlich vor der Braut in Wien ein. Die genaue Aufstellung aller Dinge, die Sisi mit nach Wien brachte, ist erhalten geblieben und zeigt deutlich, daß die Kaiserbraut wirklich keine »gute Partie« war. Zwar ist in dem Inventar Schmuck im Wert von immerhin einhunderttausend Gulden verzeichnet. Bei näherer Betrachtung freilich sieht man, daß fast alle der hier verzeichneten Juwelen Geschenke des Bräutigams und der Erzherzogin Sophie während der Brautzeit waren.
Die Silberausstattung, zu dieser Zeit der Stolz jeder »besseren« Braut, war mehr als bescheiden und hatte insgesamt nur den Wert von rund siebenhundert Gulden. Jede Waschkanne, jeder noch so kleine Silberteller oder -spiegel war in diesem Betrag eingeschlossen.
Von standesgemäßer Ausstattung, wie im Ehepakt verlangt, konnte wahrlich nicht die Rede sein. Wenn man bedenkt, mit welchem Stolz in dieser Zeit selbst Bräute aus dem Großbürgertum ihr Heiratsgut vor den neugierigen Augen der neuen Verwandtschaft ausbreiteten (noch Sisis spätere Schwiegertochter Stephanie sollte dies mit Genugtuung tun), wird man manchen abschätzigen Blick der Wiener Hofdamen, manches abfällige Urteil in der so reichen österreichischen Aristokratie verstehen. Geld und Besitz spielten am Wiener Hof neben einem untadeligen Stammbaum eine überaus große Rolle.
Die Garderobe machte mit 50000 Gulden einen beträchtlichen Wert aus, wobei freilich auch wieder das wertvollste Stück, ein blauer Samtmantel mit Zobelbesatz und Zobelmuff, ein Geschenk des Kaisers war. Die künftige Kaiserin besaß vier Ballkleider (zwei weiße, ein rosa und ein himmelblaues mit weißen Rosen), 17 »Putzkleider«, also festliche Schleppenkleider (voran das Brautkleid mit Manteaux aus Silber-Moiré-Stoff, dann Atlas- und Tüllkleider in den bevorzugten Farben Weiß und Rosa, aber selbstverständlich auch ein schwarzes für allfällige Hoftrauer), vierzehn Seidenkleider und neunzehn Sommerkleider, die nach der Mode der Zeit vornehmlich mit Blütenstickereien verziert waren oder Garnituren aus Rosen, Veilchen, Stroh und Kornähren trugen.