Kitabı oku: «Reiten nur mit Sitzhilfe», sayfa 3

Yazı tipi:

Kommunikation

Dazu muss man zunächst die Frage stellen, wie die Kommunikation im Körper eines Wirbeltieres erfolgt. Die Amygdala im limbischen System eines Säugetiergehirns beurteilt ständig, was gut oder schlecht ist, was Freude macht oder Angst einjagt, was schmeckt oder Ekel erregt. Die Informationen dazu kommen aus allen anderen Gehirnteilen und damit aus allen Körperregionen und Sinnesorganen. Das limbische System gibt aber auch ständig Rückmeldung über seine Bewertungen an den gesamten Körper: Unser Auge vergleicht die Zahlen der Lottoziehung mit denjenigen auf unserem Tippschein, unsere Großhirnrinde weiß, dass hohe Übereinstimmung viel Geld bedeutet, unser Kleinhirn erkennt und meldet die Übereinstimmung an das limbische System, das limbische System bewertet die Situation mit „große Freude“ – und sofort hüpft unser Körper, unsere Mimik zeigt ein Lachen und unsere Stimme jubelt.

Kommunikation ist also primär und ursprünglich etwas, das innerhalb eines Körpers stattfindet, im inneren Team der neuronalen Steuerkreise. Im Laufe der Evolution zeigte sich jedoch rasch, dass es einen enormen Überlebensvorteil bietet, wenn man nicht nur selbst weiß, was gut oder gefährlich ist, sondern auch die Eindrücke anderer wahrnehmen kann. So können etwa Fische ihr Verhalten gegenseitig beobachten und abstimmen, sodass sie als Schwarm zusammenbleiben und gemeinsam bei Gefahr abwenden und flüchten können. Das Beobachten der Körpersprache informiert darüber, was andere Individuen derselben Art denken und fühlen. Körpersprache ist die ursprünglichste Form der Kommunikation. Nur wenige Tierarten haben wie wir Menschen einen so differenziert beweglichen Stimmapparat, dass eine detailreiche Kommunikation über Lautäußerungen möglich wird. Obwohl wir Menschen meist akustisch über Sprache kommunizieren, besitzen wir nach wie vor die Fähigkeit der Körpersprache.

Wir verstehen Stummfilme und Pantomimen und entwickeln erstaunliche Talente, wenn wir uns im Ausland verständlich machen müssen, ohne die lokale Sprache zu sprechen. Wir Menschen können untereinander Körpersprache aber nicht nur durch Beobachtung verstehen, sondern auch erfühlen. Unsere Paartänze sind die ritualisierte Übung dieser Fähigkeit – wir Menschen (zumindest manche von uns) finden es interessant und unterhaltsam, gefühlte Körpersprache zu lesen und darauf zu reagieren, also paarweise synchron mit gekoppelten Rumpfbewegungen über das Parkett zu gleiten.

Pferde kommunizieren fast ausschließlich über Körpersprache. Als hoch soziale Wesen können sie sich körpersprachlich nicht nur sehr differenziert ausdrücken (Neugebauer & Neugebauer, 2011), sondern sind auch ausgezeichnete Beobachter von Körpersprache. Wir Menschen können lernen, die Körpersprache von Pferden zu verstehen – Pferde verstehen die menschliche Körpersprache mindestens ebenso gut, wenn sie regelmäßig Umgang mit uns „Aliens“ haben. Pferde können daher lernen, unsere Körpersprache auch dann zu lesen, wenn wir auf ihnen sitzen und sie uns nicht sehen, sondern nur fühlen können. Wenn wir als Reiter in der Lage sind, unsere Rumpfbewegungen so zu kontrollieren, dass sie für das Pferd verständlich werden, gehen Pferde gerne auf das Kommunikationsangebot ein. Das Pferd ist die einzige Tierart, die zusammen mit (manchen) Menschen die Fertigkeit eines Paartanzes entwickelt.

Teamarbeit

Kommunikation über erlernte Signale (etwa Schenkel- oder Zügelhilfen) wird bei Reiter und Pferd über die Großhirnrinde verarbeitet. Dieser Prozess blockiert eine gleichzeitig ablaufende Körperwahrnehmung.

Die neuronale Steuerung bei Säugetieren arbeitet also wie ein Team, in dem jedes Mitglied auf seine Aufgabe spezialisiert ist, dabei aber mit allen anderen in Kontakt steht. Die meisten Tätigkeiten und Sportarten erfordern ein abgestimmtes Handeln aller Teammitglieder. Die größte Schwierigkeit beim Reiten ist die ungewöhnliche Aufgabenverteilung zwischen bewusstem Handeln (Motorcortex), unbewusster Balancesteuerung (Kleinhirn) und Rumpfbewegung (Gangmuster-Schaltzentren). Es gibt durchaus Sportarten, bei denen Menschen Objekte mit ihrer Rumpfbewegung steuern und kontrollieren. Hierzu gehören beispielsweise Fahrrad, Motorrad, Ski, Surfbrett und viele mehr. Bei all diesen Sportarten lernt unser Kleinhirn gemeinsam mit den Gangmuster-Schaltzentren, die Balance auf dem externen Objekt zu halten und es zu kontrollieren. Unsere Rumpfmuskulatur ist dabei nicht nur für die aktive Kontrolle des Sportgerätes verantwortlich, sondern fungiert über die propriozeptiven Neuronen der Gangmuster-Schaltzentren auch als der wichtigste Sensor zum Bewegungszustand. Fahrrad- oder Motorradfahren funktioniert über die Schlängelbewegung unseres Rumpfes! Ein Pferd ist jedoch kein von Menschenhand geschaffenes Sportgerät, das auf vorhersagbare Weise reagiert. Ein Pferd ist ein Lebewesen, mit körperlichen Asymmetrien, Intelligenz und eigenem Willen. Ein Pferd reagiert auf eine Reiterbewegung nicht immer exakt gleich. Ein Sportgerät können wir mit unseren unbewussten Rumpfbewegungen kontrollieren, ein Pferd müssen wir fragen, seine Antwort verstehen und angemessen darauf reagieren. Reiten nur am Sitz bedeutet differenzierte Kommunikation mit Körperteilen, die wir normalerweise nur unbewusst steuern. Über Jahrtausende haben Reitmeister damit gerungen, diesen Vorgang in Worte zu fassen. Keiner der historischen Reitmeister liefert eine vollständige Beschreibung, lediglich Bruchstücke – ähnlich wie in der Fabel von den blinden Weisen, die durch Abtasten eine Vorstellung von einem Elefanten zu erlangen versuchen. Jedes Bruchstück der Wahrnehmung ist zwar in sich richtig, aber das Gesamtbild lässt sich nur mit zusätzlicher Information zusammenfügen.

Die moderne Naturwissenschaft ist heute in der Lage, die Pferdebewegung exakt zu beschreiben, einschließlich der Asymmetrien des Pferdekörpers. Damit steht die Zusatzinformation zur Verfügung, die man benötigt, um die Bruchstücke der Wahrnehmung zusammenzufügen. Wir können heute beschreiben, welchen Bewegungen ein Reiter auf einem Pferd in den verschiedenen Gangarten ausgesetzt ist, was in einer Wendung mit dem Körpergleichgewicht geschieht und wie Geraderichten funktioniert. Mit diesem Wissen ist es möglich, durch Schulung der eigenen Körperwahrnehmung die Fähigkeit zur differenzierten Kommunikation mit dem Reitersitz zu entwickeln. Allerdings existiert eine weitere Hürde auf diesem Weg – der menschliche Verstand ist so organisiert, dass ein Mehr an theoretischem Wissen das Erlernen einer körperlichen Fähigkeit eher behindert. Der Grund hierfür ist die unterschiedliche Spezialisierung der beiden menschlichen Gehirnhälften.

Spiel und Ziel – die unterschiedlichen Begabungen der menschlichen Gehirnhälften

Kinder erlernen die gemeinsame Bewegung mit dem Pferd vor allem deshalb so leicht, weil sie es spielerisch tun, nur im Moment lebend und aus Freude an der Bewegung. Erwachsene dagegen haben in der Regel einen Plan, wie sie mit dem Pferd umgehen wollen. Kinder setzen beim Reiten vorrangig ihre rechte Gehirnhälfte ein, Erwachsene ihre linke.

Auf den ersten Blick sind die beiden Hälften des Gehirns funktionsäquivalent – jede Gehirnhälfte steuert eine Körperhälfte, wobei wegen der Überkreuzung der Nervenbahnen die linke Hirnhälfte die rechte Körperhälfte steuert und umgekehrt. Bei Affen lässt sich jedoch beobachten, dass die linke Hand (gesteuert von der rechten Hirnhälfte) bevorzugt zum Fangen bewegter Objekte genutzt wird, während die rechte Hand (gelenkt von der linken Hirnhälfte) bevorzugt zum Festhalten an einem Objekt dient (Rogers, 2009). Vor etwa 2,5 Millionen Jahren begannen die Vorfahren des Menschen jedoch, sich mehr und mehr im Gebrauch von Werkzeugen zu üben und verwendeten hierzu bevorzugt ihre rechte Hand, denn ein Werkzeug muss man gut festhalten. So trainierten sie gleichzeitig die zugehörige linke Gehirnhälfte für diese Aufgabe. Machen wir uns kurz bewusst, was die Aufgabe „Werkzeuggebrauch“ beinhaltet: Man muss ein Ziel haben, was man mit dem Werkzeug erreichen will, eine Vorstellung, wie das Werkzeug dafür einzusetzen ist, und einen Plan, welche Bewegungen und Handgriffe nacheinander auszuführen sind. Die hoch entwickelte menschliche Intelligenz ist eng verknüpft mit diesem „Begreifen“ und der logischen Aneinanderreihung verschiedener „Begriffe“. Unsere Sprache und unsere schriftliche Überlieferung basieren auf der Abfolge von Begriffen, Zeichen und Symbolen. Sprache wird von unserer linken Hirnhälfte erzeugt. Entsprechend ist unsere linke Gehirnhälfte durch Evolution und ständiges Training hoch spezialisiert, einen Plan zum zielgerichteten Handeln zu entwickeln, zu verstehen und umzusetzen – und diese Erfahrung anderen mitzuteilen.

Die menschliche Intelligenz kommt jedoch durch das Zusammenwirken beider Gehirnhälften zustande. Einen einzigartigen Einblick in deren unterschiedliche Funktionen gibt die Hirnforscherin Jill B. Taylor, die ihren eigenen Schlaganfall überlebte und die damit verbundenen Erfahrungen in einem Buch beschrieben hat (Taylor, Mit einem Schlag, 2008) (Taylor, 2006). Während Blutgerinnsel ihre linke Gehirnhälfte ausschalteten, erlebte sie die Welt aus der Sicht ihrer rechten Gehirnhälfte – eine sprachlose Welt, in der Raum und Zeit eins wurden. In einem jahrelangen Prozess der Rekonvaleszenz erlangte sie jedoch wieder die Fähigkeit zu sprechen und zu schreiben und konnte so von dieser Erfahrung berichten. Ihr Buch bietet einen einzigartigen Einblick, wie das Zusammenspiel der beiden Hirnhälften die Facetten der menschlichen Persönlichkeit formt:

In der rechten Hirnhälfte geht es nur um das Hier und Jetzt, sie empfindet das Glück und die Freude des Augenblicks. Sie denkt in Bildern und nimmt den eigenen Körper ohne Grenzen als Bestandteil des Universums wahr. Sie versteht die unterschwelligen Hinweise der Sprache, wie etwa Gesichtsausdruck und Körpersprache, sie betrachtet das Gesamtbild der Kommunikation und bewertet die Übereinstimmung des Ganzen. Die rechte Hirnhälfte erzeugt in unserem Bewusstsein Empathie, Mitgefühl und Intuition.

Die linke Hirnhälfte versteht die Details, sie versteht die Buchstaben und wie sie zusammen Wörter ergeben, die aneinandergereiht eine komplexe Botschaft übermitteln. Die linke Hirnhälfte denkt in Sprache, in Form einer inneren Stimme, die sagen kann „ich bin“, wodurch wir in unserem Bewusstsein zu unabhängigen Wesen werden, einzigartige feste Körper, getrennt vom Ganzen. Die linke Hirnhälfte erzeugt in unserem Bewusstsein das Ichgefühl und die Fähigkeit zu logischem Denken. Sie ist ehrgeizig, vergleicht sich ständig mit anderen und möchte die gesteckten Ziele erreichen.

Beide Hirnhälften arbeiten zusammen: Die linke Hirnhälfte reiht die von der rechten Hirnhälfte geschaffenen Bilder eines Momentes in zeitlicher Abfolge auf und vergleicht die Details dieses Momentes mit denen des letzten. Dadurch entstehen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die linke Hirnhälfte macht uns die Ausmaße unseres Körpers bewusst, während die rechte Hirnhälfte uns hilft, ihn dort zu platzieren, wo wir ihn hinbewegen möchten.

Je nach Situation und individueller Persönlichkeit kann die dominante Rolle von der linken oder der rechten Hirnhälfte übernommen werden. Durch die Erziehung zum Lesen, Schreiben und planvollen Strukturieren des Tagesablaufes wird bei Menschen der modernen Kulturen meist spätestens im Erwachsenenalter die linke Hirnhälfte dominant.

Für die Kommunikation mit einem Pferd ist es jedoch nicht ideal, wenn unsere linke Hirnhälfte dominiert. Pferde haben in der Evolution weder den Gebrauch von Werkzeugen noch die Kommunikation über Symbolabfolgen oder Worte entwickelt. Pferde kommunizieren untereinander fast ausschließlich über Körpersprache. Wir dürfen daher annehmen, dass ihre „Pferdsönlichkeit“ eher unserer intuitiven Persönlichkeit ähnelt, die vom Einfluss der rechten Hirnhälfte erzeugt wird. Reiten mit Sitzhilfen wird auch aus diesem Grund von Pferden weitaus besser verstanden als Reiten über erlernte Abfolgen von Zügel- oder Schenkelhilfen!

Um ein Pferd mit Sitzhilfen reiten zu können, brauchen wir jedoch vor allem auch das Körperbewusstsein unserer rechten Hirnhälfte. Wir brauchen ihre Fähigkeit, den eigenen Körper als „unbegrenzt“ wahrzunehmen, um mit der Pferdebewegung eins werden zu können. Das Fahrradfahren kann nochmals als Beispiel dienen, um das Zusammenspiel von linker und rechter Hirnhälfte beim Erlernen von komplexen Bewegungen zu verdeutlichen: Wir können uns die theoretischen Kenntnisse aneignen, wie Fahrradfahren funktioniert (linke Hirnhälfte), aber um tatsächlich Fahren zu lernen, müssen wir spielerisch die Balance finden zusammen mit dem externen Objekt Fahrrad – wir brauchen die Fähigkeit der rechten Hirnhälfte zur erweiterten Körperwahrnehmung.

Die folgenden Kapitel bieten viel theoretisches Wissen für die linke Hirnhälfte. Wenn es Ihnen gelingt, diese Modelle und Vergleiche als „bewegte Bilder“ vor Ihrem inneren Auge zu visualisieren, hat ihre rechte Hirnhälfte „verstanden“. Wenn Sie auf dem Pferd sitzen – vergessen Sie die Theorie und geben sich stattdessen dem Glücksgefühl der gemeinsamen Bewegung hin. So geben Sie ihrer rechten Hirnhälfte die Leitung im Team der neuronalen Steuerung und werden offen für das Fühlen einer Bewegungssymbiose mit dem Pferd.

Ehrgeiz, Vergleiche und Trainingspläne dagegen übergeben die Kontrolle der linken Hirnhälfte. Reiten als sportlicher Konkurrenzkampf unterdrückt die empathische rechte Hirnhälfte und damit das Gefühl des Einswerdens mit dem Pferd.


(Zeichnung: Brigitte Kaluza)

2
DIE BIOMECHANIK DES PFERDEKÖRPERS

In der Einleitung haben wir Manolo Oliva zitiert, einen Reitmeister, der seine Pferde mit Sitzhilfen reitet: „… Können Sie mir erklären, wie man ein Fahrrad fährt? Nein, können Sie nicht. Aber jeder meint, anderen erklären zu können, wie sie die Balance auf einem Pferd finden.“

Man kann durchaus erklären, wie man Fahrrad fährt, aber man kann es nur jemandem erklären, der weiß, wie ein Fahrrad funktioniert. Um das Reiten mit Sitzhilfen daher bewusst zu erlernen, muss man als Allererstes verstehen, wie ein Pferd funktioniert. Wir brauchen also fundierte Kenntnisse von Anatomie und Biomechanik des Pferdekörpers.

Allerdings ist nicht jeder, der sowohl die Anatomie des Pferdes als auch die Biomechanik der Pferdebewegung perfekt versteht, automatisch auch ein guter Reiter. Das Verstehen in der Großhirnrinde ist meistens viel zu abstrakt, um dem Kleinhirn als Bewegungsmodell zugänglich zu sein.

Das Kleinhirn ist nicht gut in abstrakter Logik, aber es steht in ständigem Austausch mit dem Großhirn und kann so dessen Gedanken beobachten: Sobald das Großhirn eine Bewegung so gut versteht, dass es sie wie einen virtuellen Film oder ein bewegtes Hologramm in Gedanken darstellt, beobachtet und lernt auch das Kleinhirn diese Bewegung. Dieser Mechanismus ist die Grundlage des „Abschauens“ von Bewegungstechniken, durch die Kinder voneinander das Fahren auf einem Fahrrad lernen, ohne irgendetwas von dessen Funktionsweise zu verstehen.

Das Ziel dieses Kapitels ist es daher, die Pferdebewegung für das Großhirn so „anschaulich“ zu erklären, dass es diese als bewegte Animation darstellt und so dem Kleinhirn die Gelegenheit zum Beobachten gibt.

Einfache Modelle – das Pferderücken-Skateboard

Der Körper eines Pferdes funktioniert als elastisches System, in dem eine Bewegung unter minimalem Energieverbrauch durch Federkräfte aufrechterhalten wird.

Das intuitive Verstehen einer Bewegung durch das Kleinhirn erfordert einfache Modelle, die jedoch biomechanisch korrekt sein müssen. Als spezialisierter Prozessor für die Vorausberechnung und Überprüfung von Bewegungshypothesen entlarvt das Kleinhirn sofort jedes Modell, das nicht der Physik entspricht.

Ein zweidimensionales Pferdemodell

In Zusammenarbeit von Robotik-Ingenieuren der Universität Michigan und Veterinärmedizinern der Universität Zürich wurde ein sehr einfaches, zweidimensionales Modell der Pferdebewegung entwickelt, das dennoch die Gangarten Schritt, Trab und Tölt korrekt abbildet und dabei sogar die korrekten Aufprallkräfte errechnet, die die Hufe von Warmblütern (Schritt, Trab) oder Islandpferden (Tölt) in den jeweiligen Gangarten erzeugen (Gan, Wiestner, Weishaupt, Waldern, & Remy, 2016). Das Modell geht von den Grundannahmen aus, dass die Körpermasse des Pferdes auf einen linearen Körper der Länge L verteilt ist, der von vier masselosen Federbeinen getragen wird. Die Federbeine können drei Zustände einnehmen: (1) Bodenkontakt, (2) Schwungphase und (3) vorgestreckt zur Landung in einem definierten Winkel. Zwei Varianten des Modells – mit und ohne Kopf – wurden entwickelt, wobei die Variante mit Kopf insbesondere im Schritt die tatsächlichen Aufprallkräfte von Pferdehufen besser simuliert (Abb. hier unten).

Das Modell entwickelt regelmäßige Gangarten als periodische Oszillationen, sobald es in der Fußfolge der jeweiligen Gangart gestartet wird. Ein solches Modell mag zu vereinfachend erscheinen. Seine gute Übereinstimmung mit der natürlichen Pferdebewegung ist jedoch ein erster Hinweis darauf, dass auch der Pferdekörper als elastisches System funktioniert, in dem durch periodische Schwingungen die Gangarten zur Fortbewegung erzeugt werden. Die regelmäßigen Gangarten des Pferdes, in der Reiter-Terminologie auch als „Takt“ bezeichnet, kommen durch die Oszillationen des gesamten Pferdekörpers zustande. Ebenso wie das Modell nach dem Starten von selbst in der gewählten Gangart weiterläuft, kann das Pferd die Gangart ohne ständiges Nachsteuern aufrechterhalten, sofern es in diesem Zustand der „Losgelassenheit“ nicht gestört wird. Dieses einfache Modell illustriert, dass die Pferdebewegung vom Reiter in erster Linie ohne Störung zugelassen werden muss. Ein Reiter muss sich daher in die Schwingungen des Pferdekörpers einfügen.

Ein „Federbein-Modell“ der Pferdebewegung. Abbildungen aus: Gan et al. (2016), Passive Dynamics Explain Quadrupedal Walking, Trotting, and Tölting; Journal of Computational and Nonlinear Dynamics, Vol. 11 / 021008-1

Das dreidimensionale „Skateboard“- Modell der Pferdebewegung

Im Modell von Gan et al. bewegt sich der „Pferdrücken“ wellenförmig, begleitet von einer phasenverschobenen Nickbewegung des Kopfes. Vergleicht man die Wellenbewegung von Schritt und Tölt in diesem Modell, so fällt die unterschiedliche Wellenlänge auf – im Schritt erscheint die Welle kürzer und „höher“ als im Tölt, während sie im Trab überhaupt nicht vorhanden zu sein scheint. Letzteres widerspricht der Wahrnehmung eines jeden Reiters, denn im Trab bewegt sich der Pferderücken sehr ausgeprägt. Das Modell gibt diese Bewegung jedoch nicht wieder, da das „Modellpferd“ zwar eine Körperlänge, aber keine Körperbreite hat.

Ein realitätsnäheres „Modellpferd“ hätte daher seine Federbeine nicht direkt an der Körperlängsachse, sondern an zwei Querachsen, einer vorderen „Schulterachse“ und einer hinteren „Beckenachse“. Da sich bei den symmetrischen Gangarten Schritt, Trab und Tölt die Beine an einer Querachse nicht synchron, sondern gegenläufig bewegen, ergeben sich damit Rotations- und Biegekräfte auf die Körperlängsachse (Abb. rechts).

Angesichts dieser vielen gleichzeitig ablaufenden Bewegungskomponenten in den drei Raumachsen scheint es ziemlich hoffnungslos, eine bildhafte Vorstellung davon zu entwickeln, wie sich der Rücken unseres Modellpferdes bewegt. Die Masse des „Modellpferdes“ wäre nun nicht mehr wie bei Gan et al. auf einen zweidimensionalen Körper, sondern auf einen dreidimensionalen Körper verteilt, also so etwas wie ein Brett. Glücklicherweise wurde vor etwa 70 Jahren das Skateboard erfunden, ein Brett, das sich durch Auf- und Abkippen in eine slalomförmige Fortbewegung versetzen lässt. Exakt diese Art von Bewegung führt das virtuelle Brett aus, mit dem die Körpermasse eines Vierbeiners die vier Beine belastet.


Die vertikale Bewegung beim Einfedern eines Beines rotiert die Becken- oder Schulterquerachse. Die Wirbelsäule in der horizontalen Körperlängsachse erfährt dabei Torsionskräfte.

Beim Vorführen eines Beines rotiert die Querachse in horizontaler Ebene. Es entstehen Kräfte, die das Modell um einen „Gierwinkel“ vom Kurs abbringen würden.


Bei einem Pferdemodell mit biegsamem Körper erzeugen die horizontalen Komponenten der Schrittbewegung jedoch eine Biegung des Körpers, also eine Schlängelbewegung.

Die Auslenkungen der Körperachsen bei der Pferdebewegung (Illustrationen: shutterstock.com/decade3d – anatomy online)

Wenn Sie kein geübter Skateboardfahrer sind, sollten Sie sich zunächst einige Videos ansehen, in denen die Technik des „Pumpens“ gezeigt wird (suchen Sie nach Videos unter der Beschreibung „how to pump a longboard“). Hier sehen Sie, wie der Skateboardfahrer das Skateboard in Kipp- und Slalombewegungen versetzt, sodass er sich darauf fortbewegen kann, ohne einen Fuß auf den Boden zu setzen. Das physikalische Prinzip dahinter beruht auf Gewichtsverlagerungen, die zu einem Abwärtskippen des Brettes führen und dadurch das Rad darunter einen Viertelkreis abwärts und damit vorwärtstreiben. Durch eine einzelne dieser Kippbewegungen würde das Brett nur seitwärts ausbrechen, aber durch die synchrone gegenläufige Kippbewegung der anderen Achse kommt eine Slalombewegung zustande, die bei geübten Fahrern eine schnelle Vorwärtsbewegung ermöglicht.

Ein Pferd läuft nicht auf Skateboardrollen, sondern auf Beinen. Die Beine versetzen die „Ecken“ des „Körpermasse-Brettes“ aber ebenfalls sowohl in vertikale (auf und ab) als auch in horizontale (Slalom)Bewegungen, völlig analog dem Skateboard. Ein Modellpferd, dessen Körpermasse wie ein Brett auf vier Federbeinen steht, würde nach dem Starten in Schritt, Trab oder Tölt kontinuierlich als elastisches System laufen. Die kinetische Energie der Bewegung versetzt dabei über die Federbeine das Körpermasse-Brett in skateboardartige Schwingungen, sodass umgekehrt die potenzielle Energie der Körpermasse wiederum die Federbeine antreibt.

Ein solches „Skateboard-Modell“ mag zu einfach, zu abstrakt oder sogar lächerlich erscheinen. Es hilft aber, eine intuitive Vorstellung von zwei wichtigen Fakten zu erhalten:

Die Bewegung von Pferden und anderen vierbeinigen Lauftieren besteht aus elastischen Schwingungen des gesamten Körpers. Ohne Reibungsverluste, Gegenwind oder störende Umweltfaktoren würde ihr Körper „von alleine“ laufen.

Wenn sich ein Reiter mit der Rückenbewegung des Pferdes synchronisiert, kann er die elastische Schwingung des gemeinsamen Systems ebenso beeinflussen, wie er ein lebloses Skateboard durch „Gewichtshilfen“ in Bewegung setzen kann. Das Pferd muss nichts lernen, um diese Hilfen zu verstehen!

Der Realitätstest für diese einfachen Modelle besteht in ihrem Abgleich mit der Anatomie des lebenden Tieres. Kann man die Beine eines echten Pferdes mit Sprungfedern vergleichen? Wie verteilen sich die Kräfte auf den tatsächlichen Pferderücken, der offensichtlich nicht aus einem Holzbrett besteht (auch wenn er sich für manche Reiter „bretthart“ anfühlen mag)? Wie erfolgt das Starten der Fortbewegung in einer spezifischen Gangart?

Türler ve etiketler
Yaş sınırı:
0+
Hacim:
446 s. 177 illüstrasyon
ISBN:
9783840464799
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip