Kitabı oku: «Seewölfe Paket 19», sayfa 3
Sie grinste. „Beruhige dich endlich. Ich verspreche dir hiermit hoch und heilig, daß du auf Tortuga eine schöne neue Brauerei einrichten wirst.“
Er schaute zu ihr auf. „Ist das – wirklich wahr?“
„Ich habe mein Wort noch nie gebrochen.“
„Die schönste Brauerei in der – ganzen Karibik?“
„Die allerschönste, Willem.“ Die Black Queen hatte keine Ahnung, wie viele Bierbrauereien es in der Karibik gab. Sehr viele konnten es nicht sein. Vielleicht war die Hexenküche in der Missionskirche von El Triunfo sogar die einzige ihrer Art in der Neuen Welt gewesen. In diesen Breiten wurde gewöhnlich Wein getrunken – oder Rum. Aber das vorzügliche Bier des Holländers würde sich bestimmt auch auf Tortuga und Hispaniola durchsetzen.
Sie nahm noch einen kräftigen Schluck davon. Alles in allem betrachtet, sah die Welt nun schon wieder ganz anders aus. Der Seewolf, Ribault, die Rote Korsarin und der Nordmann mit dem lächerlichen Helm, kurz, die ganze Schlangen-Insel-Bande würde sich noch wundern. Bald würde sie sie heimsuchen – und diesmal einen überragenden Sieg erringen.
4.
Emile Boussac sah den dicken Willem an, der vor Rührung feuchte Augen gekriegt hatte.
„Und ich?“ sagte er. „Hilft mir keiner?“
Die Queen blickte ihn verwundert an. In Gedanken hatte sie sich schon als die Herrscherin der Schlangen-Insel gesehen. „Was willst du denn, Emile? Natürlich wirst du auf Tortuga eine Schenke einrichten, obwohl es dort schon eine gibt. Oder aber du läßt dich auf Hispaniola nieder.“
„Nein, nein, mein Problem ist ganz anderer Art“, sagte er unglücklich. „Ich habe es noch keinem erzählt, es ist mein großes Geheimnis.“ Er legte eine Hand aufs Herz. „Ich weiß nicht, ob ich es dir verraten soll.“
Ihre Miene verfinsterte sich. „Ist es eine gute oder eine schlechte Nachricht, Emile? Nimm dich in acht. Was hast du ausgefressen?“
Er biß sich auf die Unterlippe. War er im Begriff, sich zu verplappern? Ahnte sie etwas in bezug auf Ribault und das Messer? Hastig suchte er nach Worten.
„Das ist so“, entgegnete er. „Schon vor sechs Monaten bin ich mit einem französischen Händler einig geworden. Ich habe einen Kontrakt mit ihm abgeschlossen, wonach dieser mir – äh, fünfzig erstklassige Huren aus Paris zu liefern hat.“
Caligula horchte auf, und auch die Kerle, die gerade bei ihm standen und alles mitgehört hatten, fuhren mit verblüfften Mienen herum.
„Weiber?“ fragte Caligula. „Wirklich?“
„Straßendirnen“, erwiderte Emile bereitwillig. „Sie werden in Paris auf offener Straße entführt und an Bord von Schiffen verschleppt. Ich habe mich genau informiert, und man hat mir auch so manches bestätigt, was ich über das Leben in Paris vernommen habe.“ Fast war er wieder drauf und dran, Ribault und Rivero zu erwähnen, konnte sich aber rechtzeitig zügeln. „Ich weiß, ich weiß, das ist ein skrupelloses Unternehmen, aber was kann ich daran ändern?“
„Uns ist es doch egal, ob in Paris Huren verschwinden“, sagte die Queen mit spöttischem Lächeln. „Verrate mir lieber etwas Wichtigeres, Emile. Ist der Transport schon unterwegs hierher?“
„Er ist überfällig. Eigentlich müßte er jeden Tag eintreffen.“
„Huren“, sagte Caligula genüßlich. „Nicht schlecht. Wir könnten sie uns schnappen und auf Hispaniola verkaufen. Wie wäre das?“
„Ausgezeichnet“, erwiderte die Queen trocken. „Aber leider läßt sich das nicht in die Tat umsetzen – es sei denn, das Schiff mit den Mädchen trifft morgen früh hier ein.“
„Wenn es doch so wäre“, sagte Emile. „Ich wäre heilfroh, auch wenn ich kein Lokal mehr habe. Ich hätte alles so schön eingerichtet. Die Hinterzimmer wollte ich für die Mädchen in Séparées verwandeln. Verstehst du, Queen?“
„Natürlich. Du würdest auch deine eigene Schwester als Hure verkaufen, Emile.“
Die Piraten lachten grölend.
Emiles Gesicht verwandelte sich wieder in eine Maske der Traurigkeit. „Aber jetzt – was soll jetzt werden? El Triunfo und die ‚Mouche Espagnole‘ existieren nicht mehr.“
„Jeder Kapitän, der sich in der Karibik ein bißchen auskennt, kann zwei und zwei zusammenzählen“, sagte die Queen. „Beim Anblick der zerstörten Siedlung wird ein solcher Kapitän also schleunigst wieder in See gehen und sich auf den Inseln ein wenig umhören. Dann findet er sehr schnell heraus, wo die Leute von El Triunfo abgeblieben sind.“
Emile hob den Kopf. „Glaubst du wirklich? Ich meine, daß mein Kapitän so scharfsinnig vorgehen wird?“
„Ich hoffe doch, daß er kein Dummkopf ist.“
„Bestimmt nicht“, sagte Emile und grinste breit.
„Na also, du siehst, es renkt sich alles wieder ein“, sagte die Black Queen. „Sei kein Narr, hab Hoffnung in die Zukunft. Du kriegst deine Mädchen und eröffnest auf Tortuga oder auf Hispaniola ein großes Etablissement.“
„Einen Bums, den wir als erste ausprobieren!“ rief einer der Kerle, und die anderen stimmten ihm begeistert zu.
Die Gesichter von Willem Tomdijk und Emile Boussac waren jetzt verzückt. Eifrig halfen sie mit, die eintreffenden Siedler zu registrieren. Die Queen sah ihnen zu und lächelte triumphierend. Ja, ihr Einfluß auf diese Kerle war wirklich groß. Das mußte sie auch in Zukunft ausnutzen.
Die Nacht verging schnell. Am Morgen hatten sich über hundertfünfzig Engländer und Franzosen an der Sammelstelle eingefunden. Aber es befanden sich immer noch Versprengte im Dschungel, und deshalb harrte die Black Queen weiterhin an der Hafenbucht von El Triunfo aus. Zweihundert Männer waren von den Spaniern erschossen worden, knapp dreihundert hatten in den Urwald flüchten können.
Die Suchtrupps der Spanier hatten noch einige Opfer gefunden, aber nach den Schätzungen der Queen mußten es immer noch mehr als hundert Männer sein, die sich rund um die zusammengeschossene, niedergebrannte Siedlung versteckt hielten. Auf diese wertvollen Besatzungsmitglieder für ihre Schiffe wollte sie nicht verzichten. Noch blieb sie.
Eine Nacht kann ich noch in El Triunfo verbringen – wenn es sein muß, dachte sie.
Als der neue Morgen anbrach, erreichte die „Le Vengeur III.“ die Insel Cayos Cajones. Der Wind wehte jetzt aus Osten, aber die Galeone lag inzwischen auf Kurs Nordosten und brauchte nicht zu kreuzen – was der Fall gewesen wäre, wenn sich die Windrichtung nicht geändert hätte.
Mit prall gefüllten Segeln lief das Schiff die Insel direkt an. Kommandorufe wehten über die Decks, Barba stand am Ruder und erfüllte souverän seine Aufgabe. Jean Ribault, Siri-Tong, Doc Delon, Marty und Jenkins befanden sich mit ihm auf dem Achterdeck und richteten Kieker auf die näherrückende Insel. Eine geschwungene Bucht öffnete sich an der Südküste und bot sich als Ankerplatz an.
Wenig später ließ Jean Ribault die Marssegel ins Gei hängen, und die „Le Vengeur“ lief mit verringerter Fahrt in die Bucht. Sie ging über Stag und drehte bei, und nun wurden auch das Großsegel, die Fock, das Besansegel und die Blinde aufgegeit. Das Ausloten der Wassertiefe verlief positiv, die Bucht war ein natürlicher, ideal gelegener Hafen.
„Die Insel scheint wirklich ein kleines Paradies zu sein“, sagte Doc Delon. „Marty, du bist ein Teufelskerl. Woher kennst du dich hier aus?“
„Das Schiff, mit dem ich nach El Triunfo segelte, lag hier eine Nacht und einen halben Tag vor Anker“, erwiderte das Kerlchen. „Aber das ist eine Geschichte, die ich dir ausführlich ein andermal erzähle. Es wundert mich, daß wir uns nie darüber unterhalten haben.“
„Mich auch“, sagte der Arzt. „Aber so ist das Leben. Man lebt in einem Nest Haus an Haus beieinander und glaubt, alles über die Vergangenheit der Kameraden zu wissen – und dann gibt es doch Überraschungen wie diese.“
Hinkle stand auf dem Hauptdeck bei Roger Lutz, Eric Winlow und Dave Trooper. Nach einem ausgiebigen Blick durch das Spektiv zum Ufer sagte er: „Ich kann es kaum erwarten, alles auszukundschaften.“
„Überlaß das lieber uns, du Witzbold“, sagte Winlow und fuhr sich mit der Hand über die Glatze. „Du stolperst ja doch gleich dem ersten Kannibalen in die Arme, der aus dem Dickicht springt, und bist der erste, der verspeist wird.“
„Du meinst – hier gibt es Menschenfresser? Aber Marty hat doch von friedlichen, freundlichen Eingeborenen gesprochen!“ stieß der schwerhörige Mann entsetzt hervor.
„Ich habe schon Haie kotzen sehen“, sagte der Koch der „Le Vengeur“ trocken.
„Und ich habe schon so manches paradiesische Eiland betreten, das sich später als Hölle erwiesen hat“, sagte Lutz nicht sonderlich laut.
„Wie bitte?“ rief Hinkle.
„Auf jeder Insel lauern verborgene Gefahren“, sagte Jean Ribault, der das Achterdeck verlassen hatte und zu ihnen trat. Eben rauschte der Anker aus und klatschte ins Wasser. „Männer, fiert das Beiboot ab! Wir sehen uns dieses hübsche Fleckchen Erde genau an, ehe wir unsere Freunde ihrem Schicksal überlassen! Ich will wissen, ob es hier Spanier, Piraten oder mordlustige Wilde gibt!“
Rasch stellte er die Crew für das Beiboot zusammen. Sie bestand aus Barba, Pierre Puchan, Grand Couteau, Tom Coogan, Hinkle, Doc Delon, Marty und ihm. Acht Männer also – sie gingen von Bord und pullten mit der Jolle zum seichten, sandigen Ufer. Siri-Tong übernahm das Kommando an Bord der „Le Vengeur“. Das Schiff war gefechtsklar. Vom Hauptdeck, vom Achterdeck und von der Back aus wurde das Landemanöver der Bootscrew genau verfolgt.
Das Boot taumelte durch die Brandung und lief auf den Strand. Ribault sprang als erster an Land. Die Hand am Säbel, sah er sich nach allen Seiten um. Noch war alles ruhig, aus dem Dickicht hinter den vom Wind gebogenen Palmen ertönten lediglich das Kreischen von Vögeln und das Zetern von Äffchen. Aber die Stille konnte trügerisch sein und täuschen. Die Erfahrung lehrte, daß man dem Frieden nie trauen durfte.
Ribault wartete, bis die Männer ausgestiegen waren, dann teilte er Tom Coogan als Bootswache ein. Zu siebt begaben sich die Männer zu den Palmen, schritten unter ihren mächtigen Wipfeln hindurch und strebten auf das Dickicht zu, das so grün und undurchdringlich war wie das von El Triunfo.
„Achtung“, sagte Ribault plötzlich. „Da regt sich was.“ Er gab seinen Begleitern einen Wink. Sie griffen zu den Waffen und nahmen eine abwehrbereite, abwartende Haltung ein.
Es raschelte im Unterholz. Barba senkte unwillkürlich den Kopf, als gelte es, einen Gegner wie ein Stier anzugreifen. Hinkle stand rechts neben ihm, seine Augen weiteten sich, aber viel vermochte er nicht zu erkennen. Marty drohten die Augen aus den Höhlen zu fallen, er schielte noch stärker als gewöhnlich.
Drei Gestalten lösten sich aus dem Dickicht, ein braunhäutiger Mann und zwei barbusige Mädchen derselben Hautfarbe. Sie lächelten, deuteten etwas an, das wie eine Verbeugung wirkte, und legten dann etwas vor den Füßen der Männer ab, das in Palmenblätter eingewickelt war. Erstaunt nahm Ribault und sein Trupp zur Kenntnis, daß es sich um Kokosnüsse und Datteln handelte.
Der Eingeborene sagte etwas, das niemand verstand. Ribault erwiderte sein Lächeln und hob die Hand zum Zeichen der Freundschaft.
„Doc, es ist mir unverständlich, warum diese Menschen uns Fremden gegenüber so unbekümmert und gastfreundlich sind“, sagte er. „Es kann nur einen Grund dafür geben. Weder die Spanier noch irgendwelche Piraten sind hier jemals gelandet, um zu rauben und zu brandschatzen.“
„Wahrscheinlich gibt es auch nichts zu holen außer Kokosnüssen und Früchten“, sagte der Arzt nüchtern. „Aber diese drei scheinen ihrem Aussehen nach eher einer Südsee-Rasse anzugehören. Sie wirken wie Polynesier.“
„Das stimmt. Vielleicht erfahrt ihr, wie sie hierher geraten sind.“ Ribault folgte dem einladenden Nicken und den Gesten der Mädchen, Barba und Marty schlossen sich ihm spontan an. Die Mädchen kicherten, als sie Marty aus der Nähe betrachteten, aber sie ließen es sich gefallen, daß er sich bei ihnen unterhakte.
„Ich will den Deubel nicht ans Schott malen“, sagte Barba. „Aber das Ganze könnte auch eine raffinierte Falle sein.“
„Natürlich“, sagte Ribault und schenkte dem Eingeborenen ein freundliches Grinsen. „Ihr da hinten, haltet euch ein wenig zurück und paßt auf, was um uns herum vorgeht. Daß mir ja keiner schläft. Ein Mädchenhintern ist noch lange kein Grund, unvorsichtig zu werden.“
„Er wäre ein Grund“, sagte Grand Couteau, der die Mädchen nicht aus den Augen ließ. „Aber irgendwie habe ich mir vorgenommen, nicht auf dieser Insel zu sterben.“
Sie verschwanden im Urwald – und an Bord der „Le Vengeur III.“ sahen die Zurückgebliebenen sich untereinander an.
„Das halt ich im Kopf nicht aus“, stöhnte Roger Lutz. „Wäre ich doch bloß auch an Land gegangen. Diese Mädchen warten nur darauf, mich ein bißchen zu verwöhnen.“
„Du kannst noch hinterherschwimmen“, sagte Sven Nyberg grinsend. „Aber paß auf. Es sind Haie in der Bucht.“
„Ich hatte mal eine Freundin in Le Havre, die hatte genau die gleiche Figur wie eins von den Mädchen“, schwärmte Lutz. Er war nicht mehr zu halten. Und dann begann er, ihre äußerlichen Vorzüge zu beschreiben.
„Das genügt“, unterbrach ihn die Rote Korsarin. Sie war an die Querbalustrade des Achterdecks getreten und stützte sich mit beiden Händen auf. „Wie eine Frau aussieht und beschaffen ist, weiß jeder, Roger, du Schwerenöter. Haltet lieber die Augen offen. Das Ganze gefällt mir nicht. Wenn unsere Männer nicht gleich zurück sind, geben wir einen Signalschuß ab.“
Ribault und die sieben anderen Männer kehrten aber doch schon kurze Zeit darauf zurück und gaben durch Handzeichen zu verstehen, daß alles in Ordnung sei. Der Eingeborene und die beiden Mädchen waren wieder bei ihnen. Roger Lutz beobachtete sie durch den Kieker und stieß einen bedauernden Laut aus. Seine Miene war entsagungsvoll und tieftraurig. Die anderen lachten.
Ribault legte beide Hände an den Mund und rief: „Die Siedler sollen sich bereithalten! Wir setzen mit der Jolle über und holen sie an Land!“
An Bord der „Le Vengeur III.“ begannen die Männer auf und ab zu laufen, eine hastige Betriebsamkeit entwickelte sich. Die wenigen Habseligkeiten waren rasch zusammengepackt. Reihum wurden Hände geschüttelt, man klopfte sich auf die Schultern. Die Siedler nahmen Abschied von der Crew der „Le Vengeur III.“ – und von Siri-Tong, die sogar das Achterdeck verließ, um den Männern eine gute Zukunft zu wünschen.
„Madam“, sagte ein älterer Engländer mit graumeliertem Haar. „Ich will es aufrichtig im Namen aller meiner Kameraden sagen: Es tut uns leid, daß wir Sie nie wiedersehen werden.“
„Vielleicht treffen wir uns doch wieder“, sagte sie. „Diese Insel ist für uns nicht außerhalb unserer Reichweite. Es ist möglich, daß wir sie schon bald wieder anlaufen, was immer uns in diese Gegend führt.“
„Hurra!“ schrie ein junger Franzose. „Ein dreifaches Hurra für die Rote Korsarin – und für Jean Ribault und die Mannschaft der ‚Le Vengeur‘!“
„Hurra!“ brüllten die Siedler.
Die Jolle hatte sich in Bewegung gesetzt, Doc Delon, Marty und Hinkle pullten zum Schiff. Ribault und die anderen warteten solange an Land und schienen sich besonders mit den jungen Schönen ausgiebig zu unterhalten.
Doc Delon mußte unwillkürlich grinsen, als er das Geschrei hörte und ein paar Hüte und Mützen hochfliegen sah, die wieder aufgefangen wurden. Dann aber nahm seine Miene wieder den Ausdruck tiefen Bedauerns an. Als die Jolle längsseits schor, war er der erste, der die Sprossen der Jakobsleiter ergriff und aufenterte. Er kletterte über das Schanzkleid und trat zu den Männern von El Triunfo, die sich zum Verlassen des Schiffes versammelt hatten.
„Ich wäre gern noch eine Weile auf der ‚Vengeur‘ geblieben“, sagte Doc Delon. „Ich schätze Sie und Ihre Männer, Madam.“ Sein Blick ruhte die ganze Zeit über mit offener Bewunderung auf Siri-Tongs Gesicht.
„Vergessen Sie nicht, daß die ‚Vengeur‘ Jean Ribault gehört“, sagte sie und lächelte.
„Ich habe mich bereits bei ihm bedankt für alles, was Sie für uns getan haben.“
„Wenn ich mich nicht irre, haben der gute Jean und Carlos Rivero Ihnen auch etwas zu verdanken.“
„Das war doch nicht der Rede wert.“
„Ho, ho“, sagte Carlos Rivero. „Nur keine falsche Bescheidenheit, Doc! Wir vergessen dich nicht, und wir kommen wieder, um dich hier zu besuchen, verlaß dich drauf! Dann bringen wir auch den Seewolf mit, der dich bestimmt auch kennenlernen will!“
„Der Seewolf Philip Hasard Killigrew?“ Der Arzt nickte. „Darauf lege ich großen Wert, denn über diesen erstaunlichen Mann habe ich schon viel gehört. Also, ich nehme das als ein Versprechen hin.“
„Sehr gut“, sagte Marty, der inzwischen ebenfalls aufgeentert war. „Das ist wirklich bestens. In der Zwischenzeit richten wir es uns auf der Insel gemütlich ein.“
Hinkle war im Boot geblieben und wartete auf die ersten Siedler, die sich jetzt anschickten, die „Le Vengeur III.“ zu verlassen. Roger Lutz schickte ihnen einen so sehnsüchtigen Blick nach und spähte derart verlangend zu den Eingeborenenmädchen, daß Siri-Tong es sich nicht verkneifen konnte zu sagen: „Warum gehst du nicht mit an Land, Monsieur Lutz? Du kannst dann gleich bei deinem Kapitän abmustern.“
„Ich? Wieso?“
„Ich habe so den Eindruck, daß die Mädchen es dir angetan haben.“
Roger Lutz verlieh sich einen Ruck und hob stolz den Kopf. „Deswegen würde ich aber noch lange nicht von diesem Schiff abmustern, Madam. In diesem Punkt täuschen Sie sich wohl in mir.“
Sie lachte. „Das wollte ich nur wissen. Aber was hat es nun mit diesen Eingeborenen auf sich?“
„Sie sind friedfertig, wir haben uns davon überzeugen können“, erwiderte Doc Delon. „Ihr Dorf liegt nicht weit entfernt auf einer Lichtung im Urwald. Die Hütten sind an einen Hang gebaut worden, und es gibt ein paar Höhlen, in die diese Menschen sich zurückziehen, wenn Gefahr droht. Auf diese Weise haben sie bereits drei, vier Überfälle überstanden. Ihre Hütten wurden von Spaniern und Freibeutern niedergebrannt. Sie haben sie wieder aufgebaut. Nichts scheint den Mut dieser Insulaner zerstören zu können.“
„Und ihre innere Ausgeglichenheit“, sagte die Rote Korsarin. „Aber warum haben sie sich nicht auch vor uns versteckt? Und woher wissen Sie, was Sie eben erzählt haben, Doc?“
„Wir haben mit dem Häuptling gesprochen“, entgegnete der Arzt. „Der junge Mann, der die Mädchen begleitet, ist sein Sohn. Man hat uns vor Anker gehen sehen, aber der Häuptling war sicher, daß wir friedliche Absichten haben. Er könne es den Gesichtern der Menschen ablesen, was sie im Schilde führen, sagt er.“
„Sie verstehen seine Sprache?“
„Er spricht ein bißchen Englisch und Französisch. Wo er es gelernt hat, ist mir ein Rätsel. Auch weiß ich nicht, woher die Eingeborenen stammen. Sie können unmöglich auf Cajones geboren sein.“
„Sie sind ein ganz anderer Menschenschlag“, bestätigte Siri-Tong. „Nun, eines Tages werden vielleicht auch wir erfahren, welches Geheimnis dahintersteckt. Wichtig ist im Moment nur, daß die Eingeborenen Sie und Ihre Kameraden bei sich aufnehmen.“
„Ich habe ihnen versprochen, ihre Kranken zu pflegen“, sagte der Arzt. „Ich habe eine Frau gesehen, die ein schlimmes Auge hat, und zwei Kinder, die ununterbrochen husten. Ich glaube, ich kann ihnen helfen.“
„Viel Erfolg, Doc“, sagte Siri-Tong. Dann verabschiedete sie sich von ihm und drückte auch Marty die Hand, der mit dem linken Auge sie ansah und mit dem rechten zu Carlos Rivero hinüberschielte.
Die Abschiedsszene hatte fast etwas Rührendes an sich. In der kurzen Zeit ihrer Anwesenheit hatten die Siedler von El Triunfo sich an Bord der „Le Vengeur III.“ gut eingelebt. Es fiel ihnen nicht leicht, das Schiff zu verlassen, aber die Aussicht auf ein Wiedersehen mit den Korsaren stimmte sie doch zuversichtlich.
So wurden die Siedler in vier Fahrten an Land gebracht. Jean Ribault, Barba und die drei anderen Männer der „Le Vengeur III.“ verabschiedeten sich ebenfalls, dann stiegen sie in ihre Jolle und kehrten zum Schiff zurück.
„Viel Erfolg beim Kampf gegen die Black Queen!“ rief Doc Delon ihnen noch nach.
„Danke!“ schrie Jean Ribault. „Drückt uns die Daumen!“
„Viel Glück!“ brüllte Hinkle.
„Einen schönen Gruß an Willem Tomdijk, wenn ihr ihn mal wiederseht!“ rief Marty.
Dann ging alles relativ schnell. Die. Jolle legte an der Bordwand der „Le Vengeur III.“ an, die Männer enterten auf. Die Jolle wurde hochgehievt, eingeholt und auf dem Hauptdeck festgezurrt. Der Anker wurde gelichtet, die Segel gesetzt, und die Galeone glitt aus der Bucht, um die Insel an ihrer Leeseite – also im Westen – zu runden.
Noch lange winkten die Männer von El Triunfo dem entschwindenden Schiff nach, dann wandten sie sich ab und schritten zu den Eingeborenen, die geduldig auf sie warteten.