Kitabı oku: «Seewölfe Paket 19», sayfa 4
5.
Hoch am Wind segelte die „Le Vengeur III.“, der Wind aus Osten blies frisch und trieb sie rasch voran. Kurs Nordosten lag an. Jean Ribault und Siri-Tong wollten zuerst die Cayman-Inseln anlaufen und vorsichtshalber dort nach dem Rechten sehen. Wichtig war, daß sich kein Verbündeter der Black Queen womöglich auf Gran Cayman oder den Nachbarinseln einnistete. Jede Gefahr dieser Art mußte unterbunden, jedes Überraschungsmoment ausgeschlossen werden.
Ribault und die Rote Korsarin hatten jetzt endlich wieder Zeit, mögliche weitere Schritte gegen die Black Queen zu erörtern. Sie saßen in der Kapitänskammer zusammen und wälzten Pläne.
„Vier Schiffe“, sagte Ribault. „Sie ist jetzt stark, aber sie hat keine Flotte, der wir mit unserem kompletten Verband nicht gewachsen wären.“
„Auf der Überfahrt nach Tortuga und Hispaniola könnte sie sich weitere Schiffe beschaffen, vergiß das nicht“, sagte Siri-Tong. „Sie hat jetzt genug Männer, um für weitere zwei Galeonen oder drei kleinere Schiffe eine Mannschaft zusammenzustellen. Ich habe überschlagmäßig ausgerechnet, wie viele überlebende Siedler sie aus El Triunfo abgeborgen haben könnte.“
„Mehr als hundert“, meinte Ribault.
„Vielleicht sogar über zweihundert“, sagte sie. „Gerade diese Zahl gibt mir zu denken. Es ist der Grundstock für eine Streitmacht, der wir gegebenenfalls doch unterliegen, Jean.“
„Eine Schlacht um die Schlangen-Insel bahnt sich an“, brummte er. „Viele von uns könnten dabei sterben. Wir müssen das abwenden, um jeden Preis. Es steht außer Frage, daß die Siedler diesem Weib so gut wie hörig sind. Man braucht ja nur daran zu denken, wie hingerissen dieser dicke Bürgermeister und sogar Emile Boussac von ihr sind. Dabei hatte ich von Boussac eigentlich einen ganz vernünftigen Eindruck.“
„Jeder Kerl würde sich gern mit ihr befassen“, sagte Siri-Tong verächtlich. „Ihr Anblick ruft wilde Triebe wach. Ich schlage folgendes vor: Wir statten Gran Cayman nur einen kurzen Kontrollbesuch ab und segeln dann gleich weiter zur Schlangen-Insel. Wir holen Hasard und die anderen und nehmen erneut Kurs auf die Küste von Honduras. Mit ein wenig Glück begegnen wir der Queen und ihrem Verband.“
„Du meinst, es ist besser, sich auf See mit ihr zu schlagen?“ Ribault legte beide Hände auf das Pult und überlegte kurz. „Ja“, sagte er dann. „Ich bin ganz deiner Ansicht. Es ist besser, sie von der Schlangen-Insel abzulenken.“
„Ich glaube, der Bund der Korsaren wird diesem Vorschlag zustimmen“, sagte die Rote Korsarin. „Aber natürlich müssen wir diese Entscheidung erst abwarten. Danach sehen wir weiter.“
Sie verließen die Kapitänskammer und begaben sich auf das Achterdeck, nahmen Jenkins’ und Barbas Meldungen über Kurs und Position entgegen und begannen dann, mit den Spektiven die Kimm abzusuchen.
Kein anderes Schiff zeigte sich in der Umgebung. Sie schienen nicht verfolgt zu werden, und es begegnete ihnen auch kein fremder Segler. Gran Cayman rückte allmählich näher. Auch die Toppgasten begannen, nach der Insel Ausschau zu halten.
Kurz vor Anbruch der, Mittagsstunde dieses Tages stieß Pierre Puchan, der als Ausguck in den Vormars aufgeentert war, den entscheidenden Ruf aus: „Insel Backbord voraus! Gran Cayman in Sicht!“
Der Vorsicht halber ließen Jean Ribault und die Rote Korsarin die Kanonen besetzen und rundeten die Insel erst einmal. Wenig später öffnete sich die Todesbucht vor ihren Augen, und da gab es eine Überraschung, mit der keiner von ihnen gerechnet hatte.
In der Todesbucht ankerten die „Isabella, IX.“ und der Schwarze Segler.
Da kannte der Jubel an Bord der „Le Vengeur III.“ keine Grenzen mehr. Es wurde gepfiffen, gelacht und gejohlt und keiner vermochte die vielen „Hurras“ zu zählen.
Von „Eiliger Drache“ dröhnte Thorfin Njals gewaltiger Baß zurück: „Bei Odin und seinen Raben – es tut gut, euch wiederzusehen.“
„Willkommen auf Gran Cayman!“ schrien die Männer der „Isabella“.
Die „Le Vengeur III.“ ging in den Wind, die Segel wurden aufgegeit und anschließend aufgetucht, der Buganker rauschte an seiner Trosse aus. Jean Ribault ließ die Jolle abfieren und setzte mit Siri-Tong, Carlos Rivero, Barba und Mister Jenkins zur „Isabella“ über, wo gleichzeitig die Wikinger-Delegation eintraf: Thorfin Njal, Eike, Arne, Oleg und der Stör.
Nach dem ersten heftigen Begrüßungssturm auf dem Hauptdeck der „Isabella“ ließ der Seewolf eine doppelte Ration Rum austeilen. Der Kutscher und Mac Pellew füllten die Mucks und Becher, die Zwillinge reichten sie herum.
Siri-Tong glaubte, auf den Wangen der beiden Jungen die Spuren von Ohrfeigen zu erkennen und zog verwundert die Augenbrauen hoch. Carberry hatte ein schiefes Grinsen aufgesetzt. Erst später sollte sie erfahren, warum Philip junior und Hasard junior auf der Schlangen-Insel vom Profos höchstpersönlich je eine Ohrfeige und einen Tritt in den Hintern erhalten hatten.
Hasard stand bei Ribault und der Roten Korsarin.
„Wir sind heilfroh, daß ihr unversehrt seid“, sagte er. „Wir haben uns schon einige Sorgen um euch gemacht. Schließlich hat die Black Queen jetzt zwei gut armierte Schiffe.“
„Vier“, sagte Siri-Tong. „Aber darüber berichten wir gleich ausführlich. Was hat euch denn hierher verschlagen?“
„Thorfins Bericht“, erwiderte der Seewolf. „Ich habe auf der Schlangen-Insel den Bund der Korsaren zusammentreten lassen, und wir haben beschlossen, hier auf Gran Cayman ein wenig Blockadedienst zu schieben, um der Queen den Rückzug zu verbauen. Die ‚Tortuga‘ und die ‚Wappen von Kolberg‘ sind zur Bewachung der Schlangen-Insel zurückgeblieben. Ich glaube, so haben wir unsere kleine Streitmacht ganz gut verteilt.“
„Ihr habt also Gran Cayman besetzt“, sagte Ribault. „Ausgezeichnet. Auch eure Berechnung; daß wir über kurz oder lang hier eintreffen müssen, war richtig.“
„Ja“, sagte Thorfin Njal und lachte grollend. „Wir sind ja schließlich nicht auf den Kopf gefallen.“ Bedeutungsvoll klopfte er mit dem Fingerknöchel gegen seinen Kupferhelm. „Und wie ist die Lage nun? Haben wir die Ehre, bald wieder mit der schwarzen Höllenwalküre zusammenzutreffen? Oder müssen wir sie irgendwo suchen?“
„Wir haben El Triunfo vor ihr verlassen“, entgegnete Ribault. „So gesehen, haben wir also einen Vorteil. Aber inzwischen ist es ihr gelungen, zwei hervorragend armierte spanische Kriegs-Galeonen zu kapern. An Besatzungsmitgliedern mangelt es ihr auch nicht – die Siedler von El Triunfo sind bei ihr.“
„Wir sollten von Anfang an berichten, was sich zugetragen hat“, sagte Carlos Rivero.
Hasard, die Männer der „Isabella“, und die fünf Wikinger hatten erst jetzt richtig die Gelegenheit, sich näher mit dem Spanier zu befassen. Ein aufrichtiger, ehrlicher Mann, mutig und geradeheraus – das war der erste Eindruck, den sie von ihm hatten, und er sollte sich durch Riveros beispielhaftes Verhalten nur noch bestätigen.
Reihum gingen die Mucks, der Rum floß, es wurde eifrig erzählt. Mit gespannten Mienen lauschten die Arwenacks und die Wikinger dem Bericht von Ribault, Rivero und der Roten Korsarin. Die Geschehnisse an der Küste von Honduras konnten noch schwerwiegende Folgen für die gesamte Karibik haben, das war ihnen allen auf Anhieb klar.
6.
Galeonen pflügten die nur von einer schwachen Dünung gekräuselte See im Golf von Honduras. Sie segelten auf Kurs Nordosten hoch am Wind und auf Backbordbug liegend in Dwarslinie. Die Führung hatte die „Caribian Queen“ übernommen, es folgten die „Aguila“, die „Buena Estrella“ und die „Vascongadas“. Das Unternehmen El Triunfo war erfolgreich abgeschlossen. Jetzt sollten die Cayman-Inseln angesteuert werden.
Etwas zu voreilig hatte die Black Queen Willem Tomdijk die Benutzung ihrer Kapitänskammer versprochen, als dieser zum erstenmal die „Caribian Queen“ besichtigt hatte. Willem entsann sich selbstverständlich dieses Angebots und hatte den Salon im Achterdeck mit Beschlag belegt, kaum, daß die Schiffe die Hafenbucht von El Triunfo verlassen hatten, und er war nicht bereit, dieses Recht wieder zu räumen.
Sein Kummer war soweit verflogen, er begann sich wieder wohl zu fühlen. Seine Ansprüche stiegen, er erinnerte sich, daß er in El Triunfo Leibwächter und Diener gehabt hatte.
Emile Boussac war ein Schlafplatz im Logis zugewiesen worden. Die meiste Zeit hielt er sich aber in der Kombüse auf, jammerte dem schmierigen Koch, einem Kreolen, die Ohren voll und kritisierte außerdem ununterbrochen den „abscheulichen Fraß“, den der Kerl seinen Kumpanen unter der hochtrabenden Bezeichnung Essen vorzusetzen pflegte.
Caligula stand auf dem Achterdeck neben der Black Queen. Sein Gesicht war etwas verzerrt. Der Koch hatte sich bereits zweimal beschwert und angedroht, Emile samt den Kombüsenabfällen in Lee der See zu übergeben, wenn der nicht mit seinem Gequengel aufhöre.
„Mit diesem Dicken und seinem Freund, dem Wirt, haben wir uns einen Stein an den Hals gehängt“, brummte Caligula. „Mit denen gibt’s noch Ärger!“
Die Queen ließ das Spektiv sinken, mit dem sie die Kimm nach feindlichen Schiffen abgesucht hatte. Ihr Blick richtete sich auf Caligula. „Wir brauchen sie noch, vergiß das nicht. Ihr Einfluß auf die Siedler ist groß, und ich will jetzt keinen Ärger, schon gar keine Meuterei, die ich blutig niederschlagen müßte. Ich brauche jeden Mann, Caligula.“
„Deswegen können wir dem fetten Sack doch nicht die Füße lecken“, sagte der schwarze Riese aufgebracht.
„Wir brauchen ihm nur ein paar seiner lächerlichen Wünsche zu erfüllen“, sagte sie. „Damit hat sich der Fall. Sei nicht so starrsinnig.“
„Es war nicht richtig, ihm die Kapitänskammer zu überlassen.“
„Er wird deswegen nicht versuchen, das Kommando an sich zu reißen“, sagte sie spöttisch. „Man könnte fast denken, du bist eifersüchtig auf ihn. Aber dazu besteht kein Grund. Willem ist harmlos. Wenn er mich anfaßt, kriegt er was auf die Finger.“
„Und wo schläfst du heute nacht?“
Sie lachte. „Bei dir natürlich. Und was den kleinen Emile betrifft – ich halte es für das beste, ihn dem Koch als Gehilfen zur Seite zu stellen. Vielleicht wird der Fraß dann wirklich besser.“
Damit gab sich Caligula vorerst zufrieden. Er enterte auf das Hauptdeck ab, schritt zum Vorschiff und betrat die Kombüse. Schon als er das Schott öffnete, schlug ihm ein Gemisch von üblen Gerüchen entgegen. Der Koch rührte in seinen Kesseln und fluchte vor sich hin, Emile Boussac stimmte gerade ein neues Lamento über das „Geschäft seines Lebens“ an, das ihm durch die Lappen gegangen wäre.
„Fünf zig Mädchen, Mann“, stöhnte er. „Weißt du überhaupt, was das bedeutet?“
„Verdammt, ich weiß es!“ stieß der Koch hervor. „Fünfzig knackige Täubchen, die jeder von uns gern verspeist hätte! Aber was soll’s! Sie sind nun mal futsch.“
„Vielleicht taucht das Schiff doch noch auf.“
„Wenn es irgendwo in dieser Gegend segelt, kriegen unsere Toppgasten das schon spitz.“
„Oh, was für ein Pechvogel bin ich doch“, begann Emile wieder zu jammern. „Daß mir das auch passieren mußte. Einen Tag länger in El Triunfo, und das Schiff wäre vielleicht doch noch eingetroffen.“
„Hör auf“, sagte Caligula barsch. Sein Erscheinen wurde von den beiden erst jetzt bemerkt. Kombüsendünste umfingen Caligulas mächtige Gestalt, er wirkte wie ein rätselhaftes, unheimliches Wesen der Finsternis. „Du bist ab sofort von der Black Queen zum Kombüsendienst eingeteilt, Emile Boussac. Das ist die richtige Aufgabe für dich.“
„O ja, verdammt, ich werde diesem Haien schon beibringen, wie man eine gute Bouillabaisse zubereitet.“
Der Koch trat drohend auf ihn zu. „Du kannst mir alles an den Kopf werfen und mich ein Arschloch nennen, aber sag so was nie wieder.“
„Was denn?“ fragte Emile erstaunt.
„Laie und Bujabess. Das kann ich nicht leiden.“
„Mein Gott“, sagte Emile. „Wo bin ich nur gelandet? Was hab ich verbrochen, daß ich so bestraft werde? Caligula, gibt es auf diesem Schiff überhaupt jemanden, der lesen und schreiben kann?“
„Die Queen“, erwiderte Caligula, dann drehte er sich wieder um und stapfte ins Freie. Die Gerüche der Kombüse waren unerträglich. Man sollte einen größeren Rauchabzug einbauen, dachte er, ich werde der Queen das vorschlagen.
Daß es an Proviant und Trinkwasser schon bald mangeln würde, hatte der Koch schon in El Triunfo gemeldet. Nur wenig Eßbares hatte man in der Siedlung noch bergen und an Bord der Schiffe bringen können. Außer zwei kleinen Fässern Bier und einem Faß Wein, das sie aus der „Mouche Espagnole“, gerettet hatten, gab es kaum noch etwas zu trinken.
Darum steuerte die Queen die Cayman-Inseln an. Es war nur ein kurzer Aufenthalt vorgesehen, der der Versorgung der Schiffe mit frischem Proviant dienen sollte. Auf Gran Cayman, dessen konnten die Piraten sicher sein, waren sie keiner möglichen Bedrohung der Spanier aus Cartagena mehr ausgesetzt.
Caligula überquerte das Hauptdeck und wollte aufs Achterdeck zurückkehren, da eilte einer der Kerle, ein untersetzter, krummbeiniger Schwarzer, auf ihn zu und sagte: „Der Dicke will dich sprechen.“
„Mich? Warum?“
„Irgendwas scheint nicht zu stimmen. Ich habe aber nicht ganz kapiert, was er meint.“
Caligula hätte die Sache lieber ignoriert, aber er ließ seinen Impulsen freien Lauf. Wütend stürmte er ins Achterdeck, rannte den Mittelgang entlang und stieß die Tür zum Kapitänssalon auf. Er blieb wie vom Donner gerührt stehen und mußte den Anblick, der sich seinen Augen bot, erst einmal verarbeiten.
Willem Tomdijk hatte sich im wahrsten Sinne des Wortes ausgebreitet. Er stand nicht, er saß nicht, er lag auf einem Durcheinander von Kissen, Tüchern und Decken, die er der Koje und den Schapps entnommen und mitten auf dem Boden der Kammer ausgebreitet hatte. Sein mächtiger Rücken wurde von einer Art Keil angehoben, den er mit seinen stämmigen Händen geformt hatte.
Er hielt einen halbvollen Humpen Bier in der Rechten, hatte die Beine weit von sich gestreckt und sah Caligula aus kleinen, listigen Augen an. Schmutziggrau waren diese Augen, sie hatten die Farbe des Nordseewassers daheim in Holland, wo Willem geboren war.
„Mir ist schlecht“, sagte Willem mit ziemlich hoher, gequetschter Stimme. „Läßt sich das nicht ändern?“
Caligula hatte sich halbwegs von seinem Schock erholt und grinste hämisch. „Ich könnte ein paar Kerle abkommandieren und damit beauftragen, der See gut zuzureden. Dann hört der Seegang vielleicht auf.“
„Ja, ja, unser Caligula. Immer zu Scherzen aufgelegt, was?“
„Hat der Herr sonst noch Wünsche?“ fragte Caligula gepreßt.
Er hätte es lieber nicht tun sollen, denn Willem antwortete: „Natürlich. Die Bedienung funktioniert schlecht. Das Essen ist miserabel, ich habe es zurückgehen lassen. Keiner putzt mir die Stiefel. Hier herrscht Unordnung, aber keiner räumt auf. Ich brauche frische Wäsche. Ich will mich rasieren.“
Caligulas Unterkiefer war ein Stück nach unten gesackt, er konnte nichts dagegen tun.
„In El Triunfo hatte ich Diener und Leibwächter“, sagte Willem quengelig. „Wenn mir doch wenigstens Marty geblieben wäre. Auf den konnte ich mich verlassen. Ein Ruf genügte, ein Pfiff, ein Händeklatschen, und Marty war zur Stelle.“
„Die schielende Ratte, der ich gern den Hals umgedreht hätte“, sagte Caligula.
„Wie bitte?“ Willems Stimme wurde schrill. „Was ist denn das für eine Ausdrucksweise? Euch Kerlen muß man erst noch das richtige Benehmen beibringen! Wo ist die Queen? Ich verlange sie zu sprechen.“
„Die Queen ist auf dem Achterdeck. Sie ist unabkömmlich“, erwiderte Caligula grimmig. „Sie ist nämlich der Kapitän auf diesem Schiff.“
„Wo ist Emile? Ich verlange, daß er sein Quartier in der Nachbarkammer bezieht!“
„Die Nachbarkammer gehört mir!“ fuhr Caligula den Dicken an. „Ich schlafe dort – und mit mir die Queen! Emile ist im übrigen beschäftigt! Er hilft dem Koch, damit das Essen besser wird!“
Essen! Traurig verzog Willem sein beleidigtes Jungengesicht. Sein Magen knurrte, das Biertrinken half auch nicht dagegen. Und was er eben vernommen hatte, stimmte ihn nicht glücklicher. Die Queen würde bei Caligula schlafen! Er, Willem, ging also leer aus. Dabei hatte er sich die erste Nacht an Bord der „Caribian Queen“ so schön und romantisch vorgestellt.
„Ich will sofort die Queen sprechen!“ schrie er. „Das ist ein Befehl!“
„Von dir nehme ich keine Befehle entgegen, du fette Qualle!“ brüllte Caligula. „Beweg deinen dicken Hintern doch selber, wenn du die Queen sprechen willst! Ich bin nicht dein Lakai! Und sei froh, daß du an Bord sein darfst!“
„Wie bitte?“ Willem versuchte, sich aufzurichten, aber im ersten Anlauf mißlang das Manöver. „Du frecher Kerl, was nimmst du dir heraus? Ich lasse dich auspeitschen!“
„Umgekehrt!“ brüllte der schwarze Riese. „Ich lasse dir den Speck in Fetzen hauen, und anschließend hänge ich dich unter die Galion, damit du das Schwimmen lernst!“
Willem stieß einen pfeifenden Ächzer aus, knallte den Bierhumpen auf die Planken und ruderte wild mit den Armen. Bedrohlich schwankte er hin und her. Sein Gesicht war jetzt hochrot, er wirkte auf beängstigende Weise vom Schlag gefährdet. Wieder versuchte er aufzustehen, plumpste aber auf sein Kissenlager zurück: „Das ist der Gipfel!“ schrie er. „Das lasse ich mir nicht gefallen!“
Schritte näherten sich, die Black Queen erschien hinter Caligulas Rücken.
„Was ist hier los?“ fragte sie. „Habt ihr euch nun doch in der Wolle?“
„Er will einen Diener haben“, sagte Caligula mit drohend verzerrtem Gesicht. „Ich stecke ihm mein Messer zwischen die Rippen, wenn er nicht aufhört.“
„Dieser Kerl hat mich beleidigt!“ schrie Willem und fuchtelte aufgebracht mit den Armen. „Ich verlange, daß er bestraft wird!“
Die Queen trat auf ihn zu. „Beruhige dich, Willem“, sagte sie mit mühsam erzwungener Geduld. „Ich werde deinen Wunsch erfüllen.“ Sie fuhr zu Caligula herum. „Verzieh dich! Hau ab! Hüte dich, den Salon zu betreten! Wir sprechen uns nachher noch!“
Caligula verstand ihr Augenzwinkern und schritt leise fluchend davon. Die Queen beugte sich zu Willem hinunter und sagte leise: „Ich lasse ihn auspeitschen. Und er wird sich in Zukunft zurückhalten. Wenn du etwas haben willst, brauchst du nur zu rufen, ich stelle dir einen Aufklarer zur Verfügung.“
„Und das Essen?“
„Emile kümmert sich jetzt darum.“
„Gut.“ Willem seufzte. Er schien in sich zusammenzusinken, nichts konnte das Rollen seines Bauches aufhalten. „Aber – schläfst du wirklich bei Caligula?“
„Hat er das erzählt? Er lügt.“ Sie lächelte. „Ich schlafe auf dem Achterdeck, wie es sich für einen Kapitän gehört. Aber heute nacht, wenn alle schlafen, besuche ich dich.“
„Darauf freue ich mich schon“, sagte er friedlich, dann griff er wieder zum Humpen.
In dieser Nacht blieb alles ruhig an Bord der „Caribian Queen“. Der Wind wehte weiterhin aus Osten, der Vierer-Verband lief an die fünf Knoten Fahrt. Die „Caribian Queen“ war ein dunkler, drohender Schemen, der seine Schattenwesen anführte, das grinsende Antlitz des Todes schien sich auf den Flaggen zu bewegen, und am Ziel der Schiffe lauerten Mord und Verderben.
Emile Boussac hielt die ganze Nacht über Ausschau nach dem „Schiff seiner Träume“. Vielleicht konnte er die ersehnte Galeone mit den fünfzig französischen Mädchen herbeisehen? Er gab die Hoffnung nicht auf. Irgendwann würde ein Licht in der Nacht erscheinen – es gehörte dem Schiff, dessen Bestimmungsort El Triunfo war.
Die Black Queen begab sich nach der zweiten Wachablösung ins Achterkastell. Sie lauschte an der Tür der Kapitänskammer. Heftiges Schnarchen verriet ihr, daß Willem Tomdijk tief im Reich der Träume versunken war. Vielleicht träumte er von seiner Brauerei.
Sie lächelte und öffnete die Tür der Nachbarkammer. Caligula wartete schon auf sie. Sie trat ein, drückte die Tür hinter sich zu und entledigte sich ihres Lendenschurzes.
„Hast du die neunschwänzige Katze hier?“ fragte sie leise. „Ich muß dich noch auspeitschen, vergiß das nicht.“
Er lachte dunkel und heiser, dann streckte er die Hände nach ihr aus und zog sie zu sich auf die Koje. Manchmal, wenn sie sehr gute Laune hatte, belohnte sie ihn für all das, was er für sie tat. Und in dieser Nacht hatte die Black Queen ausgezeichnete. Laune – wegen ihrer Zukunftspläne.
Sie wäre etwas weniger optimistisch gewesen, wenn sie geahnt hätte, was zu dieser Stunde auf der Insel Gran Cayman vor sich ging. Die Vorkehrungen, die dort getroffen wurden, galten ihr und ihren Kerlen und dem Eintreffen der „Caribian Queen“, der „Aguila“, der „Buena Estrella“ und der „Vascongadas“.