Kitabı oku: «Seewölfe Paket 19», sayfa 9
„Weiber!“ brüllte Dan plötzlich mit sich überschlagender Stimme. „Zum Teufel, das sind ja Weiber!“
Die Arwenacks starrten sich betroffen an.
„Ich muß dir wohl die Klüsen etwas nachpolieren, Mister O’Flynn, was, wie?“ rief der Profos zu Dan hinauf. „Seit du die Black Queen mit ihren riesigen – äh – den riesigen Dingsda betrachtest hast, siehst du wohl überall nur nackte Weiber, wie!“
„So ist es!“ ereiferte sich der knollennasige Paddy Rogers. „Wir erwarten nur ein einziges Frauenzimmer, und zwar ein kohlrabenschwarzes. Und dem möchte ich gerne mal einen kräftigen Klaps auf den Hintern geben.“
Dan wurde fuchtig.
„Himmel, Arsch und Suppenkraut!“ rief er aus dem Ausguck. „Wer hat denn was von nackten Weibern gesagt? Außerdem sind meine Klüsen noch völlig in Ordnung! Wenn ich sage, daß es Weiber sind, dann sind es auch welche!“
„Hähä!“ stieß Old Donegal belustigt hervor. „Vielleicht hat die Queen noch ein Dutzend hübscher Schwestern. Bestimmt sollen uns die Schnapphühner die Köpfe verdrehen.“
„Bleib auf den Planken, Donegal“, sagte der Seewolf. „Es handelt sich offenbar nicht um ein Schiff der Black Queen, sondern um eine fremde Galeone, die zudem recht merkwürdig aussieht. Es sind tatsächlich Frauen an Bord, soviel kann ich ebenfalls schon erkennen, und es scheinen weiße Frauen zu sein.“
„Das ist nur ein billiger Trick“, meinte Old Donegal. „Die Queen bildet sich ein, daß wir die ausgerannten Kanonen nicht sehen, sondern nur auf die Weiber starren.“
Hasard schüttelte verwundert den Kopf.
„Zum einen sind auf der fremden Galeone überhaupt keine ausgerannten Kanonen zu sehen“, entgegnete er, „und zum anderen könntest du – sobald das Schiff näher heran ist –, statt nach Weiberröcken zu sehen, darauf achten, ob die Stückpforten geöffnet werden.“
Old O’Flynn brummelte etwas vor sich hin und fuhr sich dann durch die Bartstoppeln; als müsse er noch vor der Ankunft der Frauen sein Aussehen überprüfen.
In der Tat blieben den Arwenacks die Einzelheiten des fremden Schiffes nicht mehr lange verborgen. Auch ohne Kieker konnten sie bald erkennen, daß Dan sich mit seiner Ankündigung nicht geirrt hatte. Einige von ihnen vergaßen vor lauter Verblüffung den Mund zu schließen.
Die Dreimastgaleone, die unter vollem Preß heransegelte, bot einen reichlich merkwürdigen Anblick. Das begann schon mit den unzähligen bunten Stoffbändern, die außenbords wie überdimensionale Fransen an den Verschanzungen flatterten.
Ergänzt wurde diese „Beflaggung“ von einer beigefarbenen Flagge mit einem großen roten Herzen darauf, die munter am Fockmasttopp wehte. Bei der Galionsfigur handelte es sich um einen goldenen Hahn, und der Name des Schiffes lautete „Le Coq d’Or“. Das ließ darauf schließen, daß der Dreimaster aus Frankreich stammte.
Aber das war noch nicht alles, was die Arwenacks in grenzenloses Erstaunen versetzte. Daß das Glas der Achterdeckslaterne rot angestrichen war, mochte ja noch angehen, aber daß man die Geschütze, die alles andere als gefechtsklar waren, mit bunten Tüchern umhüllt hatte – das ließ die Seewölfe an ihrem Verstand zweifeln.
Als Blickfang besonderer Art erwiesen sich die Wäschestücke, die an den Innenseiten der Wanten im Wind flatterten. Ganz offensichtlich hatte man sie dort zum Trocknen aufgehängt. Schließlich waren da noch die Frauen und Mädchen, die sich auf der Back und der Kuhl aufhielten und mit lachenden Gesichtern zu winken begannen.
Al Conroy, der sich als Stückmeister gerade noch um die Feuerbereitschaft der schweren Culverinen gekümmert hatte, faßte sich mit beiden Händen an den Kopf.
„Es muß ein Sonnenstich sein“, sagte er ächzend. „Oder seht ihr etwa dasselbe? Wir erwarten ein Schiff mit üblen Schnapphähnen – und was segelt da mit einem goldenen Hahn unter dem Bugspriet auf uns zu? Eine Weiber-Galeone!“
„So ist es – und sogar mit eingewickelten Kanonen“, murmelte Old O’Flynn entgeistert. „Vielleicht sind es – ich meine, es könnten sogar bunte Nachthemden sein, mit denen man die Geschützrohre abgedeckt hat.“
„Ha!“ entfuhr es Edwin Carberry. „Was da an den Wanten flattert, ist viel interessanter. Das sind Unterröcke, Hemdchen und noch eine ganze Menge andere De-delikatessen.“
„Du meinst delikate Kleidungsstücke“, berichtigte ihn der Kutscher. „Delikatessen sind feine Sachen, die man essen kann.“
„Egal!“ entschied der Profos, ohne den Blick von der Galeone abzuwenden. „Daß ihr Kombüsenhengste auch immer nur ans Essen denken müßt!“
Er hatte sein klotziges Rammkinn vorgeschoben, so daß Jung Philip seinem Bruder gegen die Rippen boxte und ihm etwas von einem Eselskinnbacken zuflüsterte.
Noch wußte niemand an Bord der „Isabella“ so recht, was er von diesem verrückten Schiff halten sollte.
„Eine Flagge mit rotem Herz“, murmelte Bill mit romantisch verklärtem Blick, und Luke Morgan stöhnte: „Weiber, Weiber – wohin man auch blickt.“
Auch auf dem Achterdeck wurden Rätsel gelöst.
„Weiß der Teufel, was das zu bedeuten hat“, sagte Ben Brighton, nachdem der Seewolf den Niedergang, der zum Quarterdeck führte, auf geentert war.
Philip Hasard Killigrew, ein mehr als sechs Fuß großer Mann mit schwarzen Haaren, zuckte mit den Schultern, ohne das Messingspektiv von den Augen zu nehmen.
„Dem Namen nach kann es nur ein französisches Schiff sein“, erwiderte er. „Es gibt eine Crew, die aus Männern besteht. Bei den Frauen scheint es sich um Passagiere zu handeln. Vielleicht sind es Siedler, oder aber …“ Der Seewolf überlegte kurz, und plötzlich ging ihm ein Licht auf. „Mann, Ben!“
„Was ist?“
„Das sind möglicherweise leichte Mädchen aus Frankreich!“
Ben Brighton, der alles im Leben etwas ruhig und besonnen anging, zog ein Gesicht, als sei ihm soeben ein leibhaftiges Gespenst erschienen.
„Wie kommst du denn auf so was?“ fragte er irritiert.
„Ich habe verschiedentlich davon gehört, daß man Mädchentransporte für die Neue Welt zusammengestellt hat, und zwar vorwiegend in Frankreich. Zwielichtige Händler sollen damit gute Geschäfte tätigen. Man verfrachtet Straßendirnen auf Schiffe und verschleppt sie. Manche sollen sogar freiwillig an Bord gehen, weil sie den wundersamen Versprechungen der Händler glauben.“ Ben runzelte die Stirn. „Und was sollen die hier auf Gran Cayman? Hier gibt es doch nichts für sie – ich wollte sagen, hier gibt es doch niemanden, den sie beglücken könnten.“
Jetzt grinste der Seewolf. „Du scheinst vergessen zu haben, daß hier drei Schiffe vor Anker liegen, deren Besatzungen sich bereits die Augen ausstarren.“
Der Erste Offizier der „Isabella IX.“ schnappte nach Luft. „Aber …“
„Ich weiß schon, was du sagen willst“, unterbrach ihn Hasard, „und du hast auch recht damit. Woher sollen die Frauen gewußt haben, daß hier drei Schiffe vor Anker liegen, nicht wahr? Wahrscheinlich laufen die Franzosen die Insel nur deshalb an, weil ihnen das Trinkwasser knapp geworden ist.“
„Nun ja“, meinte Ben Brighton, „wir werden ja sehen, was es mit diesen Ladys auf sich hat.“
3.
Die Gefechtsbereitschaft der „Isabella“, der „Le Vengeur III.“ und des Schwarzen Seglers erwies sich als völlig überflüssig.
„Wir können doch den Weibern nicht die Röcke wegschießen“, stellte Edwin Carberry fest. Er bedachte die überraschten Rufe, die von den beiden anderen Schiffen herübertönten, mit einem Grinsen, zumal er deutlich sehen konnte, wie sich der Wikinger irritiert am Helm kratzte.
Der alte O’Flynn meldete erneute Bedenken an.
„Weiber hin und Weiber her“, sagte er zu Ed. „Ich traue der Sache immer noch nicht.“
„Hast du etwa Angst vor ihnen, was, wie?“
Old Donegal tat entrüstet. „Ich und Angst vor hübschen Frauen? Daß ich nicht lache! Aber es könnte ja sein, daß dieses verrückte Schiff etwas mit der Black Queen zu tun hat. Was ist, wenn sie die Frauenzimmer losgeschickt hat, um uns – nun ja – um uns abzulenken …“
„Und wenn wir mit ihnen drüben am Strand Reigen tanzen, pirscht sich die Queen an uns heran“, unterbrach ihn der Profos. „Das wolltest du doch sagen, wie?“
„Genau, Ed, du hast das schnell begriffen. Ob ich mal mit Hasard darüber reden soll?“
Ed winkte ab. „Laß das lieber sein, unser Kapitän ist selbst nicht auf den Kopf gefallen. Er wird schon wissen, wie er sich zu verhalten hat. Im Moment jedenfalls droht uns keine Gefahr. Sollten weitere Schiffe hier auf kreuzen, dann müßten wir sie allemal rechtzeitig bemerken, wenn wir keine Bretter vor den Klüsen haben.“
Die Männer verstummten, denn auf der verrückten Galeone tat sich etwas. Ein untersetzter vollbärtiger Mann, bei dem es sich wohl um den Kapitän handeln mußte, signalisierte um die Erlaubnis, in der Bucht ankern zu dürfen. Die gefechtsbereiten Schiffe schienen ihn nicht im geringsten zu stören.
Hasard, der diese Anfrage erwartet hatte, ließ dem fremden Kapitän sein Einverständnis übermitteln, und so dauerte es nicht lange, bis die Galeone neben der „Isabella“ und den beiden anderen Schiffen vor Anker ging.
Die vielen Mädchen an Bord ließen bereits helle Begrüßungsrufe hören, und zwar eindeutig in französischer Sprache.
„Verstehst du etwas davon?“ fragte Old Donegal den Profos.
„Klar“, erwiderte Ed ungerührt. „Mit Französisch habe ich noch nie Schwierigkeiten gehabt.“
Old O’Flynn, der nur zu gut wußte, welch ein gräßliches Französisch Ed sprach, warf ihm einen listigen Blick zu.
„Was rufen sie denn?“ fragte er.
„Alles mögliche“, antwortete Ed und deutete dabei auf eine füllige Blondine von etwa zwanzig Jahren. „Die, zum Beispiel, hat mich so merkwürdig angesehen, und jetzt ruft sie ständig ‚Wulle wuh‘ …“
„Aha! Und was heißt das?“
„Nun ja“, druckste Ed herum. „Sie fragt damit, ob ich – ob ich …“
Donegal winkte ab. „Hör schon auf, bei deiner Aussprache kriegt man ja Magenkrämpfe. Außerdem hat die Blonde die ganze Zeit über mich angesehen. An dich hat sie höchstens einen einzigen Blick verschwendet, und davon hat sie schon Augenschmerzen gekriegt.“
Will Thorne, der Segelmacher, räusperte sich laut und vernehmlich.
„Sollte man bei euren geistreichen Gesprächen nicht die Rübenschweinchen unter Deck schicken?“
Der Profos schüttelte den Kopf.
„Wenn das nötig ist, wird sich schon ihr Vater darum kümmern. Ansonsten bin immer noch ich der Zuchtmeister, der für Ordnung, Disziplin und Sittlichkeit an Bord verantwortlich ist, nur damit du das weißt. Außerdem bin ich der Meinung, daß die Rübenschweinchen alt genug sind, um langsam mit den Wahrheiten des Lebens konfrontiert zu werden. Französisch ist eine vornehme Sprache, es schadet ihnen nichts, wenn sie die erlernen.“
„Du meine Güte“, murmelte Will Thorne, „es geht doch nicht um die Sprache.“
„Um was denn sonst, was, wie?“ fragte Ed mit treuherzigem Blick.
Der grauhaarige Segelmacher gab’s auf.
„Schon gut, Ed“, erwiderte er. „Ich will ja nichts gesagt haben.“
Unter der Crew kursierten seit einiger Zeit die wildesten Vermutungen. Nahezu alle Seewölfe standen an den Verschanzungen und verrenkten sich die Hälse. Nicht etwa im Hinblick auf die Black Queen, o nein. An die Piratin dachte im Augenblick niemand. Jeder beschäftigte sich ausschließlich mit dem französischen Dreimaster und seinen hübschen Passagieren.
„Dort müßte man mal eine Zeitlang anheuern“, meinte Paddy Rogers, „notfalls als Kombüsenhengst.“
„Bloß das nicht“, sagte Ed. „Du würdest deinen eigenen Hintern braten, in der Meinung, es sei ein dicker Schinken.“
Bill spukte immer noch die Herzflagge im Kopf herum.
„Das ist doch niemals die französische Flagge“, sagte er. „Ich möchte nur zu gern wissen, was das zu bedeuten hat.“
Der Profos warf ihm einen schrägen Blick zu.
„Was gibt’s denn da zu überlegen?“ röhrte er. „Die Mädchen wollen damit eine besondere Art von Herzlichkeit zum Ausdruck bringen.“ Grinsend fügte er hinzu: „Vielleicht soll das Herz ein Symbol für Liebe sein, nicht?“
Bill, der vor vielen Jahren als Schiffsjunge an Bord gekommen war, kriegte einen puterroten Kopf.
„Ach so“, sagte er nur.
Der Profos ließ jedoch nicht locker.
„Vielleicht ist damit auch käufliche Liebe gemeint. Aber wie dem auch sei – du brauchst deshalb nicht gleich rot zu werden wie die Unschuld vom Lande.“
„Aber – aber …“, stotterte Bill, „ich bin doch gar nicht rot.“
„Natürlich bist du das“, fuhr Ed ungerührt fort, „feuerrot sogar.“
Bill wurde die Sache zu brenzlig, zumal schon einige zu grinsen anfingen. Er verholte sich rasch in Richtung Back, damit der Profos den Faden nicht weiterspinnen konnte.
Doch die Aufmerksamkeit der Arwenacks konzentrierte sich gleich wieder auf andere Ereignisse. Der Kapitän der „Coq d’Or“ ließ zwei Beiboote aussetzen. Hasard, Jean Ribault und der Wikinger folgten seinem Beispiel. Man wollte sich der Einfachheit halber am nahen Strand treffen, um die Fronten abzustecken.
Schon bald war an Land ein großes Palaver im Gange, bei dem man sich gegenseitig beschnupperte.
Hasard hatte sich in seinen Vermutungen nicht getäuscht. Wie sich rasch herausstellte, waren die fünfzig Mädchen, die nach und nach an Land gepullt wurden, allesamt lebenslustige, sehr temperamentvolle Französinnen, die sich keinen allzu großen Gedanken darüber hingaben, daß man sie „verschachert“ hatte.
Die Reise in die Karibik war für sie nichts anderes als ein großes Abenteuer, und einige hegten die Hoffnung, hier ein neues Leben beginnen zu können. In Paris waren sie schließlich wie der letzte Dreck behandelt worden, hier aber sollte alles ganz anders sein. So jedenfalls hatte man es ihnen versprochen.
Das Stimmengewirr am Nordstrand von Gran Cayman wurde immer lebhafter. Die Mademoiselles aus Paris verhehlten nicht, daß ihnen die harten Kerle von der „Isabella“, von der „Le Vengeur“ und dem „Schwarzen Segler“ gefielen.
Edwin Carberry hatte endlich wieder einmal die Gelegenheit, seine fürchterlichen Französischkenntnisse zu verwerten, und Thorfin Njal, der sich immer wieder verlegen an seinem Helm kratzte, hatte plötzlich nichts mehr dagegen, daß seine Gotlinde diesmal nicht dabei war.
Einige Seewölfe unterhielten sich mit Crewmitgliedern der „Coq d’Or“, die die wildesten Geschichten darüber auftischten, wie abwechslungsreich die Überfahrt mit den Mädchen an Bord gewesen wäre. Natürlich stimmte nicht einmal die Hälfte davon, denn auch die Mädchen hatten ihre Ehre, wie sich später noch herausstellen sollte.
Edwin Carberry fühlte sich ganz als Gentleman. Er nickte in die eine Richtung und sagte betont vornehm „Bong schur, Missjöh“, und dann in die andere und flötete „Bong schur, Madmosell. Common tale wuh?“ Dazu schnitt er fürchterliche Grimassen, die jedoch ein freundliches Lächeln darstellen sollten.
Lediglich Sir John gelang es, den Profos, auf dessen linker Schulter er hockte, aus der Fassung zu bringen. Der Papagei stieß eine Menge englischer und spanischer Flüche hervor, die ganz und gar nicht dazu angetan waren, das Ansehen Edwin Carberrys zu heben.
Schließlich setzte die „Nebelkrähe“ allem die Krone auf, indem sie die Mademoiselles, die den Profos umringten, um das bunte Federkleid des exotischen Vogels auf seiner Schulter zu bewundern, als „verlauste Ziegenböcke“ bezeichnete. Ed wurde regelrecht verlegen, murmelte ein zerknirschtes „Pardon“ und verscheuchte Sir John von seinem Platz, denn wie verlauste Ziegenböcke sahen die Ladys nun wirklich nicht aus.
Die wabernde Hitze trieb den Männern den Schweiß aus allen Poren. Die Mädchen schienen die hohen Temperaturen nicht zu empfinden. Sie trugen zu ihren langen Röcken offenherzige Blusen und freuten sich wie kleine Kinder über den heißen Sand des Strandes, in den ihre nackten Füße einsanken.
Alle, die an Land gepullt waren, zogen sich in den Schatten der Palmenhaine zurück.
Der Seewolf war in ein Gespräch mit dem Kapitän der „Coq d’Or“ vertieft. Wie sich rasch herausstellte, war Lucien Amadou ein sympathischer und offener Mann. Er war von untersetzter Gestalt, hatte rötlichblonde Haare und einen entsprechenden Vollbart. Der Seewolf schätzte das Alter des mittelgroßen Mannes, in dessen blauen Augen der Schalk blitzte, auf etwa dreißig Jahre.
Hasard, Ben Brighton sowie Lucien Amadou und die vier Wortführerinnen der Mädchen hatten sich in unkonventioneller Art auf dem weichen Boden unter den Palmen niedergelassen.
Amadou hatte zunächst die vier Ladys vorgestellt, die im Interesse aller sprachen. Zu ihnen gehörte eine sogenannte Vertrauensperson namens Manon. Sie war dunkelhaarig, schlank, etwa fünfundzwanzig Jahre alt und so hübsch, daß sich jeder im stillen fragte, wie sie nur an diesen „Beruf“ geraten war.
Doch Manon hatte eine ziemlich düstere Vergangenheit hinter sich, und das Leben hatte es bisher alles andere als gut mit ihr gemeint. Als Findelkind war sie in falsche Hände geraten und schließlich aus dem ungastlichen „Zuhause“ geflohen. So war es geschehen, daß sie auf der Straße landete.
Auch die etwa fünf Jahre jüngere und etwas zur Fülle neigende Julie gehörte zu den Wortführerinnen – ebenso wie die brünette und gertenschlanke Cécile, die mit ihren achtzehn Jahren die Jüngste im Führungsgremium der Mädchen war.
Außerdem war da noch Esther. Sie hatte jettschwarzes Haar, dunkle und rätselhafte Augen und sah aus wie eine Südländerin.
„Ich gestehe, daß wir zunächst etwas überrascht waren über das Äußere Ihres Schiffes“, sagte Hasard lächelnd. Gleichzeitig wich er einem bewundernden Blick aus Esthers dunklen Augen aus. „Wir hatten eigentlich ein anderes Schiff erwartet, daraus erklärt sich auch unsere Gefechtsbereitschaft.“
Amadou lachte. „Nun, Monsieur Killigrew“, sagte er, „ein Schiff mit rauhem Bordleben und feuerspeienden Kanonen – all diese Dinge gehören nicht unbedingt zu einer Umgebung, in der sich Frauen und Mädchen wohlfühlen. Darauf beruht es wohl, daß die ‚Coq d’Or‘ von ihren weiblichen Passagieren ein bißchen umfunktioniert wurde. Ich habe das geduldet, um den Mädchen nicht die gute Laune zu verderben. Ich nehme an, daß sie sich so etwas wohler an Bord gefühlt haben. Ist es nicht so, ihr Hübschen?“
Die Mädchen nickten eifrig.
„Wir sind mit Kapitän Amadou sehr zufrieden“, bestätigte Manon. „Er hat sich nicht in unsere Angelegenheiten eingemischt und alles getan, um uns das Leben an Bord zu erleichtern. Sogar die gräßlichen Kanonen durften wir einhüllen, um sie nicht ständig vor Augen zu haben. Wir sind ihm zu großem Dank verpflichtet.“
„Die Mädchen sind also aus Paris?“ fragte Hasard.
„So ist es“, erwiderte Amadou. „Ich habe sie dort von einem Händler übernommen, mit dem Auftrag, sie nach Honduras zu bringen und in El Triunfo einem gewissen Emile Boussac zu übergeben. Er sollte der Besitzer einer Schenke namens ‚La Mouche Espagnole‘ sein. Aber in El Triunfo haben wir nur noch Rauch und Asche vorgefunden. Ich habe deshalb im Einvernehmen mit den Mädchen beschlossen, ein Stück weiter nach Osten zu segeln, etwas herumzuhorchen und die Mademoiselles notfalls an einem Ort ihrer Wahl an Land zu setzen. Zurück nach Frankreich wollten sie nicht.“
Manon lächelte.
„Eine Rückkehr nach Paris konnten wir Monsieur Amadou zum Glück ausreden“, sagte sie. „Wir wollen auf jeden Fall in der Neuen Welt oder in der Karibik bleiben. Irgendwo werden wir schon ein passendes Etablissement finden oder aber selber eins einrichten. Wir sind unternehmungslustig genug, um nicht aufzugeben. Wenn sich dieser Monsieur Boussac nicht mehr um uns kümmern kann, denn werden wir es eben selber tun.“ Aus ihrer hellen Stimme klangen Festigkeit und Entschlossenheit.
Amadou, der mit seinen überkreuzten Beinen wie ein orientalischer Pascha am Boden hockte, nickte zustimmend.
„Eigentlich haben wir Kurs auf diese Insel genommen, weil wir dachten, etwas über den Verbleib Emile Boussacs zu erfahren. Aber wie es aussieht, handelt es sich bei Ihnen und Ihren Männern um die einzigen menschlichen Wesen auf Gran Cayman.“
„Stimmt“, sagte der Seewolf. „Und auch wir werden nicht mehr lange hier sein. Ich denke jedoch, daß ich Ihnen zumindest einige Tips geben kann, die Ihnen weiterhelfen.“
Amadou und die vier Mädchen wurden hellhörig.
„Sie kennen Monsieur Boussac?“ fragte die dunkeläugige Ester.
„Kennen wäre zuviel gesagt“, fuhr Hasard fort. „Doch ich weiß von Monsieur Ribault, dem Kapitän der ‚Le Vengeur‘, was sich in El Triunfo abgespielt hat. Die Vermutung liegt nahe, daß Emile Boussac nach dem vernichtenden Überfall der Spanier zusammen mit der Black Queen nach Tortuga gesegelt ist. Das gleiche gilt für jene Siedler, die das Massaker überlebt haben.“
„Oh, das ist sehr interessant!“ rief die achtzehnjährige Cécile. „Wo findet man dieses Tortuga?“
„Die Insel liegt ziemlich dicht vor der Nordküste Hispaniolas“, erwiderte der Seewolf. „Wie es scheint, will die Black Queen die Siedler zunächst auf Tortuga unterbringen, um mit ihrer Unterstützung den eigenen Machtbereich zu sichern und auszudehnen.“
„Aber dann wissen wir ja, wo wir Monsieur Boussac zu suchen haben“, sagte Julie. Ihre Stimme klang begeistert. „Dann laßt uns nach Tortuga segeln, es wird uns dort bestimmt gefallen.“
Lucien Amadou vollführte eine beschwichtigende Geste.
„Nur langsam, Julie“, sagte er. „Da gibt es zunächst noch einiges zu klären.“ Er wandte sich an Hasard. „Sie erwähnten eine Black Queen, Monsieur Killigrew. Darf man erfahren, um wen es sich da handelt?“
„Natürlich.“ Der Seewolf nickte. „Die Black Queen, die sich übrigens selber so nennt, ist eine Schwarze, die einen Zweidecker namens ‚Caribian Queen‘ befehligt. Sie ist ohne Zweifel die raffinierteste, brutalste und schlagkräftigste Piratin, die es je in der Karibik gegeben hat. Sie scheint von dem Gedanken besessen zu sein, ihren Machtbereich über die ganze Karibik auszudehnen. Wir haben schon seit längerer Zeit Ärger mit ihr. Erst während der Überfahrt nach Tortuga hat sie sich mit unseren Schiffen hier angelegt. Während sie schließlich weitergesegelt ist, haben wir in den letzten Tagen unsere Gefechtsschäden repariert.“
Amadou und die Mädchen staunten.
„Eine Frau?“ fragte Manon. „Wie schafft sie das?“
„Diese Frage ist schnell beantwortet“, erwiderte der Seewolf. „Die Devise der Black Queen heißt nackte Gewalt. Dazu befehligt sie inzwischen mehrere Schiffe, denen sich kaum jemand entgegenzustellen wagt. Unterstützt wird sie von einem Schwarzen, der Caligula heißt und ihr in nichts nachsteht.“
„Das ist ungeheuerlich!“ entfuhr es Lucien Amadou. „Wenn ich Sie recht verstanden habe, will sich diese Piratin auch Tortuga unter ihre Herrschaft bringen. Das wiederum würde für die Mädchen bedeuten, daß sie sich auf Tortuga dieser Piratenherrschaft unterstellen müßten.“
Die Gesichter der vier Ladys wurden plötzlich ernst.
„Das allerdings klingt nicht sehr verlockend“, meinte Manon, „denn sicherlich muß auch Monsieur Boussac vor dieser Black Queen kuschen.“
„Das sehen Sie ganz richtig“, sagte Hasard, „vorausgesetzt, es gelingt der Black Queen tatsächlich, sich auf Tortuga festzusetzen. Gerade das wollen wir jedoch verhindern. Wie uns diese Piratin bereits mitgespielt hat, werden wir alles daransetzen, ihre Pläne zu durchkreuzen.“
Lucien Amadou hob den Kopf.
„Soll das heißen, daß Sie ebenfalls nach Tortuga segeln werden?“
„Das ist geplant“, erwiderte Hasard.
„Oh, das trifft sich ja ausgezeichnet“, fuhr Amadou fort. „Wenn wir Sie begleiten dürften, könnten wir Ihnen vielleicht in irgendeiner Weise dabei helfen, dem Piratengesindel das Handwerk zu legen. Danach würde auch den Plänen Boussacs und der Mädchen nichts mehr im Wege stehen.“
Der Seewolf überlegte kurz.
„Ich nehme Ihr Angebot gern an“, sagte er dann. „Allerdings möchte ich auf keinen Fall, daß Ihre Passagiere in ein Gefecht verwickelt werden. Nach unseren bisherigen Erfahrungen geht es im Kampf mit den Schiffen der Black Queen nicht gerade gemütlich zu.“
Ben Brighton, der bis jetzt still und zurückhaltend zugehört hatte, lächelte den vier Ladys plötzlich zu.
„Es könnte sogar sein“, sagte er, „daß Sie die hübschen bunten Tücher von den Kanonen nehmen müßten.“
„Genau das wollen wir aber vermeiden“, warf Hasard ein. „Es wird sogar gut sein, wenn an der ‚Coq d’Or‘ vorläufig nichts verändert wird.“
„Sie haben bereits einen Plan?“ fragte Amadou.
Hasard nickte. Dann unterbreitete er dem Kapitän der französischen Galeone und den Ladys aus Paris seine Vorschläge. Sein Plan war einfach, aber gut durchdacht. Außerdem hatte er nahezu alle Eventualitäten berücksichtigt.
Lucien Amadou war Feuer und Flamme und steuerte im Einvernehmen mit den Mädchen sogar eigene Ideen bei. Nachdem auch der Wikinger, Jean Ribault und Siri-Tong zu dem Vorhaben gehört worden waren, wurde die Sache mit einem kräftigen Händedruck besiegelt.
Amadous Begeisterung war nicht zuletzt auf die Sympathie zurückzuführen, die er für den Kapitän der „Isabella IX.“ empfand. Er hatte sofort bemerkt, daß Philip Hasard Killigrew ein aufrechter und charakterfester Mann war, dem man vertrauen konnte.
Und Vertraute – so sah es aus – konnte man in der „eisenhaltigen“ Luft der Karibik sehr gut brauchen.