Kitabı oku: «Seewölfe Paket 20», sayfa 10
Je näher sie dem Zweidecker rückten, desto deutlicher hörten sie das laute Gebrüll und Gejohle, das der Wind vom Ufer her über die kabbelige Wasserfläche trug.
Etwas später hob Ed schnuppernd die Nase in den Wind.
„Braten!“ stellte er fest. „Der Duft weht bis hierher. Ich glaube, Sir, dort drüben wird mächtig gefressen und gesoffen. Ich wüßte nur zu gern, was die Affenärsche da feiern.“
Die Männer grinsten sich an.
Die Jolle wurde ziemlich dicht an die „Caribian Queen“ herangepullt. Doch dort rührte sich nichts, es war nichts zu hören und zu sehen. Auch eine brennende Lampe gab es nicht.
„Entweder ist niemand an Bord“, sagte Smoky leise, „oder die Ankerwache pennt.“
„Beides wäre in unserem Sinne“, meinte der Seewolf, dann traf er eine schnelle Entscheidung. „Ich werde das Schiff mit vier Mann entern und besetzen. Gelingt das, pullt der Rest mit der Jolle zurück zur ‚Pommern‘. Ed, du sorgst dafür, daß von dort aus mindestens zwanzig Mann unter dem Kommando von Dan und Ferris zum Land übersetzen und die Horde angreifen. Aber bitte ohne Pardon! Renke und Shane sollen die Gefechtsbereitschaft auf der ‚Pommern‘ auf jeden Fall beibehalten, sie können dann – falls es nötig wird – eingreifen.“
„Was soll mit der Black Queen und Caligula geschehen, Sir?“ fragte Ed.
„Sie dürfen nicht entwischen“, erwiderte Hasard. „Nach Möglichkeit sollen sie gefangengenommen werden. Vorausgesetzt natürlich, daß Caligula schon im Schlupfwinkel eingetroffen ist.“
Ohne weitere Zeit zu verlieren, gingen die Männer ans Werk. Die Jolle wurde so geräuschlos wie möglich ans Heck des Zweideckers gepullt. Das Plätschern des Wassers ging im Lärm der Piraten unter.
Das weitausladende Heck bot der Jolle die meiste Sicherheit, weil sie dort kaum gesehen werden konnte.
Der Seewolf stand aufrecht in der Jolle. In der Hand hielt er eine Leine, an der ein scharfer Haken befestigt war. Das dumpfe Geräusch, mit dem sich der Haken hoch oben im Holz der Heckgalerie verkrallte, war kaum zu hören.
Hasard überprüfte kurz die Festigkeit des Hakens, dann enterte er gewandt wie eine Katze auf. Oben angelangt, umwickelte er seine Pistole mit einem dicken Tuch und schlug eines der Heckfenster ein. Nachdem sich immer noch nichts rührte und auch im Inneren der Achterdeckskammer, zu der das Fenster gehörte, alles still blieb, zog Hasard kurz an der Leine.
Gary Andrews, Stenmark, Blacky sowie Smoky, der seine Gunnhild mit Little Smoky auf der Schlangen-Insel in guter Obhut wußte, enterten jetzt ebenfalls die „Caribian Queen“.
Als sie die Heckgalerie betraten, war Hasard bereits in der dunklen Fensteröffnung verschwunden. Die Arwenacks folgten ihm, ohne zu zögern.
Der Zweidecker schien tatsächlich unbewacht zu sein. Wahrscheinlich waren die Kerle samt und sonders an Land gegangen, um an dem Gelage teilzunehmen. Aber das sollte Hasard nur recht sein.
Das Fenster, durch das sie eingestiegen waren, gehörte zu einer komfortabel ausgestatteten Achterdeckskammer, die allerdings in einem wüsten Zustand war. Gegenstände waren über die Planken verstreut, überall roch es nach verschüttetem Rum.
Während Smoky und Gary den Raum zum Schott hin absicherten, stieg Hasard noch einmal durch die Fensteröffnung und gab den in der Jolle wartenden Männern das vereinbarte Zeichen zum Ablegen.
Die Jolle wurde eilig zur „Pommern“ zurückgepullt.
6.
Philip Hasard Killigrew und seine vier Begleiter wunderten sich über den Zustand, in dem sich die „Caribian Queen“ befand. Schon die Achterdeckskammern sahen verwahrlost aus. Das war selbst im schwachen Mondlicht, das durch die Butzenglasscheiben hereindrang, zu erkennen.
Hasard wurde das merkwürdige Gefühl nicht los, daß hier etwas nicht stimmte, denn gleich, durch welche Räumlichkeiten und Gänge sie schlichen, es bot sich ihnen fast überall das gleiche Bild der Unordnung. Außerdem stank es penetrant nach Dreck, Schweiß und Rum.
Auch draußen auf den Decks, die sie ungehindert erreichten, sah es nicht anders aus. Taue lagen überall herum, Fallen waren nur nachlässig aufgeschossen, und auf den Planken fand sich überall Dreck und Unrat.
Am schlimmsten stank es in der Kombüse. Smoky, der gleich den anderen Männern eine schußbereite Pistole in der Hand hielt, wandte sich angewidert ab.
„Ein richtiger Schweinestall“, flüsterte er und erntete mit dieser Bemerkung ein reges Kopfnicken.
Hasard war sehr verwundert. Daß die „Caribian Queen“ ein solch stinkender Dreckskahn war, hatte er nicht erwartet, denn das alles paßte nicht zu der schwarzen Piratin, die so ein eisernes Regiment führte. Sollte er sich in dieser Frau so getäuscht haben? Hatte er es die ganze Zeit über mit einer Schlampe zu tun gehabt? Das war für ihn unvorstellbar.
Während sich Gary, Stenmark und Blacky noch auf der Kuhl aufhielten, trennten sich Hasard und Smoky nach der Kombüsenbesichtigung, um zur Back aufzuentern. Hasard nahm den Backbordniedergang, Smoky den Steuerbordniedergang. Nahezu gleichzeitig gelangten sie oben an und blieben wie angewurzelt stehen.
Beide vernahmen ein Geräusch, das sich wie ein lautes Schnarchen anhörte. Das war es in der Tat auch. In unmittelbarer Nähe des Fockmastes lag ein dürrer Kerl auf den Planken, hatte den Kopf gegen eine Taurolle gelehnt und schlief. Neben ihm lag ein leerer Weinkrug. Ein säuerlicher Geruch verriet, daß ein Teil des Weines verschüttet worden war.
Rasch sahen sich die beiden Männer um, doch es war weit und breit kein weiterer Schläfer zu entdecken. Der Kerl schien tatsächlich allein zu sein. Statt Ankerwache zu gehen, hatte er sich offenbar betrunken und war dann eingeschlafen.
Hasard und Smoky verständigten sich mit einem kurzen Blick. Smoky deutete stumm mit dem Zeigefinger auf sich, und der Seewolf nickte grinsend.
Smoky erreichte den Schläfer mit einigen schnellen Schritten, ohne daß dieser etwas bemerkte.
Der bullige Decksmann von der „Isabella IX.“ packte seine Steinschloßpistole am Lauf, bückte sich und klopfte dem Schnarcher freundschaftlich auf die Schulter. Aber das führte zu gar nichts. Smoky rüttelte und schüttelte den Kerl nun, da endlich hörte das Schnarchen auf. Es folgte ein Gurgeln, Schmatzen und Schlucken, dann riß der dürre Kerl die Augen weit auf.
„Guten Abend“, sagte Smoky mit einem freundlichen Grinsen, „bin ich hier richtig auf der ‚Caribian Queen‘?“
Die Antwort bestand zunächst aus einem völlig verständnislosen Blick, doch dann schien dem Schnapphahn irgendwo im Oberstübchen ein Licht aufzugehen. Jedenfalls wollte er jetzt blitzschnell aufspringen.
Aber damit war Smoky nicht einverstanden.
„Am besten, du schläfst weiter, Freundchen“, sagte er und hieb mit dem Griff der Pistole zu.
Der Kerl sank ächzend auf die Planken zurück und schlug mit dem Hinterkopf auf hartes Holz statt auf die weichere Taurolle.
Hasard konnte sich ein lautloses Lachen nicht verkneifen. Smoky zog sein Messer, schnitt ein Stück Tau ab, fesselte den Kerl und stopfte ihm schließlich einen Knebel in den Mund.
„Wahrscheinlich war er der einzige“, sagte Hasard mit gedämpfter Stimme. „Trotzdem finde ich es merkwürdig, daß die Queen plötzlich so unvorsichtig ist und nur einen Kerl als Ankerwache zurückgelassen haben soll.“
„Und der pennt hier noch selig“, ergänzte Smoky und rieb sich die Hände. „Was tun wir jetzt, Sir?“
„Wir gehen auf Nummer Sicher“, erwiderte Hasard und enterte zusammen mit Smoky wieder zur Kuhl ab. Dort winkte er Gary, Blacky und Stenmark herbei und schilderte ihnen in kurzen Worten, was sich auf der Back zugetragen hatte. „Gary und ich machen die Drehbassen schußklar“, fuhr er fort. „Wenn es den Kerlen einfällt, zu ihrem Dreckskahn zurückzukehren, werden wir sie damit zur Hölle schicken. Sten, Smoky und Blacky – ihr setzt die Durchsuchung des Schiffes fort. Seid aber äußerst sorgfältig, denn es ist durchaus möglich, daß irgendwo noch einer der Kerle steckt, der uns verraten kann. Achtet auf jede Kleinigkeit.“
„Aye, Sir“, sagte Stenmark, „falls wirklich noch einer da ist, wird er uns nicht durch die Lappen gehen.“
Die drei Männer verschwanden, während der Seewolf zusammen mit Gary an den schwenkbaren Geschützen hantierte.
Noch während sie mit den Drehbassen des Achterdecks beschäftigt waren, stieß Hasard Gary plötzlich an und deutete wortlos auf ein Beiboot, das, mit zwei Kerlen besetzt, von einem Steg ablegte und auf die „Caribian Queen“ zuhielt.
„Das ist offenbar die Wachablösung“, sagte Gary. „Jedenfalls sind die Kerle dafür in der richtigen Verfassung.“
So war es auch. Die beiden Schnapphähne alberten und grölten in ihrem Boot herum, ohne Zweifel waren sie stockbetrunken.
„Wir werden sie gleich gebührend empfangen“, sagte Hasard. „Am besten, wir verholen uns schon zur Kuhl.“
Die Jolle mit den lachenden und Witze reißenden Schnapphähnen schor nach einer Weile längsseits. Sie wurde an der Jakobsleiter vertäut.
Einer der Kerle turnte nach oben und schwang sich über das Schanzkleid. Damit war das Festgelage für ihn beendet, denn der Seewolf erwartete ihn. Ein Pistolengriff traf ihn wie ein Keulenschlag am Schädel und ließ ihn lautlos zusammensinken.
Gary schnappte sich den Kerl, fesselte und knebelte ihn und zog ihn hinter die Nagelbank des Großmastes.
Zur selben Zeit preite Hasard den im Boot wartenden Burschen an.
„Na los!“ rief er. „Enter auf! Deine Hilfe wird gebraucht. Es gibt hier nämlich ein Gespenst!“
Der Kerl kicherte und war viel zu betrunken, um zu erkennen, daß es sich um eine fremde Stimme handelte.
„Ein Gespenst, hihi!“ stieß er hervor. „Das werfen wir einfach über Bord. Laßt mich das nur besorgen.“
Gleich darauf enterte er hoch und rutschte über das Schanzkleid.
„Wo ist denn das Gespenst?“ lallte er.
„Hier“, sagte Hasard und tauchte wie ein Schatten neben ihm auf. Ein Hieb, und der Kerl fiel ebenfalls in sich zusammen wie ein leerer Mehlsack. Gary „behandelte“ ihn sofort weiter.
„Hoffentlich merken die Beutelschneider an Land nicht, daß ihre Kumpane nicht zurückkehren“, sagte Gary.
Doch der Seewolf winkte ab.
„Wahrscheinlich fällt es gar nicht auf. Bei einem solch wüsten Gelage haben die Besseres zu tun, als sich um Wachablösungen zu kümmern. Nur die Black Queen – zum Teufel –, ich glaube, die ist ebenfalls betrunken, anders kann ich mir ihre Nachlässigkeit nicht erklären.“
Stenmark, Blacky und Smoky kehrten von der Durchsuchung des Zweideckers zurück.
„Wen haben wir denn da?“ Smoky deutete auf die beiden besinnungslosen und gefesselten Gestalten. „Hat sich der Kerl auf der Back plötzlich verdreifacht?“
„Das sind nur zwei nette Besucher“, erwiderte Hasard, „die wollten hier unbedingt ein Gespenst fangen.“
„Verstehe“, sagte Smoky und grinste von einem Ohr zum anderen. „Sie scheinen ihm begegnet zu sein.“
„Habt ihr noch jemanden gefunden?“ fragte Hasard.
Smoky schüttelte den Kopf.
„Es ist wirklich niemand mehr an Bord. Dafür aber gibt es jede Menge Dreck. Sogar die Kammer der Black Queen stinkt vor Schmutz. Außerdem sieht es dort aus, als habe man das Weibsstück ganz plötzlich aus der Koje gezerrt.“
„Was soll das nun wieder heißen?“ Der Seewolf warf ihm einen verwunderten Blick zu.
„Nun“, fuhr Smoky fort, „es liegen dort weggefetzte Decken herum, außerdem Arzneien und Verbände. Ein wertvoller Zinnbecher kullert auf den Planken hin und her, der Inhalt ist dem Geruch nach verschüttet worden.“
Hasard fand dafür auch keine Erklärung.
Jetzt meldete sich Stenmark zu Wort.
„Es wäre ungerecht, Sir, zu sagen, wir hätten nur Dreck gefunden, denn der Schatz, den wir unter der Kapitänskammer in einem Stauraum entdecken haben, war pieksauber und stank auch nicht. Wenn du das Zeug siehst, Sir, haut es dich glatt aus den Stiefeln.“
„So?“ meinte Hasard. „Nun ja, ich werde ihn mir später ansehen.“ Er war zur Zeit gar nicht so sehr an Schätzen interessiert, dafür aber gingen ihm tausend Gedanken durch den Kopf. Irgendwie konnte er sich noch keinen Reim auf das Ganze bilden.
7.
Das wüste Gelage, das die Schnapphähne von der „Caribian Queen“ in dem winzigen Fischerdorf feierten, tobte jetzt schon die dritte Nacht. Den wenigen männlichen Bewohnern, die den brutalen Überfall überlebt hatten, und den gepeinigten Frauen saß immer noch die Angst im Nacken. Es blieb ihnen nur die Hoffnung, daß bald die letzte Ziege geschlachtet und die letzte Flasche Rum geleert war. Wenn es absolut nichts mehr zu holen gab, würden die Kerle vielleicht verschwinden – ein verwüstetes Dorf und geschändete Frauen und Mädchen in völliger Armut zurücklassend.
Bis jetzt dachten die Piraten aber noch nicht daran, das Freß- und Saufgelage zu beenden. Noch immer herrschten Angst und Grauen zwischen den armseligen Lehmhütten.
Casco, der bullige Kreole, griff nach einer riesigen Hammelkeule und biß hinein, daß ihm das Fett vom Kinn tropfte. Während des Kauens nickte er dem verlotterten Gesindel zu, das sich um die Feuer geschart hatte.
Einige der Kerle versuchten zu tanzen, obwohl ihnen das nur torkelnd gelang, andere trieben derbe Scherze und brüllten dazu vor Begeisterung. Die meisten soffen alles in sich hinein, was sie ergattern konnten und johlten und sangen hinterher.
Die Frauen, von denen die meisten während des Überfalls Angehörige verloren hatten, wurden immer wieder gezwungen, an den Tänzen teilzunehmen. Dazwischen mußten sie sich um die Feuerstellen, das Fleisch und die Getränke kümmern. Wenn sie sich weigerten, wurden sie brutal geschlagen.
Als Casco die Hammelkeule vertilgt hatte, warf er die Knochen einfach ins Feuer. Dann nahm er einen irdenen Krug und goß sich Rotwein in die Kehle.
Nachdem er sich die fettigen Lippen mit dem Handrücken abgewischt hatte, griff er nach Pepita, dem dunkelhäutigen Mädchen mit den großen Rehaugen. Sie war schlank, hatte langes, pechschwarzes Haar und war höchstens zwanzig Jahre alt.
„Jetzt bist du wieder an der Reihe, Schätzchen“, sagte er, „sonst beschwerst du dich am Ende noch und meinst, ich hätte dich vernachlässigt. Komm nur her, du Katze!“
Mit einem anzüglichen Grinsen zog er das zitternde Mädchen zu sich heran. Daß ihr dabei ein halbvoller Weinkrug, den sie für ihn zur Verfügung halten mußte, aus der Hand fiel und zerbrach, störte ihn nicht im geringsten.
„Laß mich los, du Scheusal!“ rief Pepita und schlug ihm in ihrer Verzweiflung beide Hände ins Gesicht.
Doch Casco lachte nur roh. Erst als ihm Pepita mit aller Kraft die Fingernägel durch das Gesicht zog, stieß er sie mit einem wilden Fluch von sich und befühlte seine Wangen. Als er Blut an seinen Händen sah, stemmte er sich vom Boden hoch, um dem davoneilenden Mädchen nachzujagen.
„Warte, du elende Hure!“ brüllte er. „Das wirst du mir büßen!“
Casco hatte jedoch noch keine zehn Schritte unter dem Gelächter seiner Kumpane zurückgelegt, da brach völlig überraschend und unerwartet die Hölle über die Piratenbande herein.
Plötzlich krachten Schüsse durch die Dunkelheit, und einige der Schnapphähne brachen tot zusammen. Auch Casco hätte es um ein Haar erwischt, wenn er sich nicht geistesgegenwärtig auf den Boden geworfen hätte.
Eine ganze Anzahl der betrunkenen Piraten begriff trotz der Schüsse noch nicht, was geschah. Die Kerle grölten einfach weiter, während andere plötzlich stocknüchtern wurden und zu ihren Waffen griffen.
Zwischen dem Krachen der Pistolenschüsse dröhnte jetzt ein vielstimmiges „Ar-we-nack!“ durch das Dorf.
Casco war der erste, der begriff, mit wem er es zu tun hatte, und diese Erkenntnis ließ ihn in der Tat Pepita augenblicklich vergessen.
„Zu den Waffen!“ brüllte er, daß sich seine Stimme überschlug. „Das sind die verdammten Kerle von der Schlangen-Insel! Los, zeigt’s den Hunden!“
Er selber riß seine Steinschloßpistole aus dem Gürtel, spannte den Hahn und feuerte sie ziellos auf einen Schatten in der Dunkelheit ab. Doch der erwartete Aufschrei blieb aus, und Casco schleuderte die nun wertlos gewordene Waffe auf die Erde, um nach seinem Säbel zu greifen.
Ja, innerhalb von Sekundenschnelle war tatsächlich der Teufel los. Dan O’Flynn und Ferris Tucker waren sofort nach der Rückkehr der großen Jolle mit zwanzig Männern aufgebrochen, um den Beutegeiern von der „Caribian Queen“ kräftig einzuheizen, und zwar ohne jegliches Pardon – wie der Seewolf aufgetragen hatte.
Keiner der Piraten hatte bemerkt, daß ein Stück oberhalb des Dorfes und noch weit außerhalb des Feuerscheins, der schwerbewaffnete Trupp an Land gegangen war. Der Lärm, den sie veranstalteten, hatte sich für die Arwenacks und Kolberger als äußerst nützlich erwiesen. Sie hatten sich unbemerkt zwischen den Lehmhütten verteilt, um das Kommando Dan O’Flynns abzuwarten.
Bevor er jedoch das Zeichen zum Angriff gegeben hatte, hatte Dan mit seinen scharfen Augen nach der Black Queen und Caligula Ausschau gehalten. Er konnte sie jedoch nirgends entdecken. Er vermutete deshalb, daß Caligula nach seiner Flucht aus dem Stadtgefängnis von Havanna noch nicht hier aufgetaucht war. Nur das Fehlen der Black Queen blieb ein Rätsel für ihn.
Dennoch – ein Zurück gab es nicht mehr, die üble Mörderbande mußte aufgerieben werden.
Auf Dans Zeichen hin hatte der Angriff begonnen. Wie die Männer vom Bund der Korsaren schon zu Beginn mit Genugtuung festgestellt hatten, war der Überraschungseffekt voll auf ihrer Seite. Genaugenommen hatten sie das auch nötig, denn trotz der vielen Betrunkenen waren die Piraten beträchtlich in der Überzahl.
Die Arwenacks und Kolberger fuhren wie ein Gewitter mitten hinein in das wilde Gelage. Nach dem Abfeuern ihrer Pistolen war für manchen Piraten das Fest zu Ende. Die Frauen, die von diesem Überraschungsangriff genauso überrascht worden waren wie die Schnapphähne, ließen fallen, was sie gerade in der Hand hatten, und suchten schreiend Schutz in den Hütten oder hinter den dicken Stämmen der Palmen und Farnbäume. Vielleicht fürchteten sie sogar, eine neue Piratenbande sei gelandet, um das schlimme Treiben der anderen fortzusetzen.
Im Handumdrehen wogte ein harter Kampf durch das Fischerdorf – gespenstisch beleuchtet von den lodernden Flammen der Feuer.
Die Männer von der Schlangen-Insel hatten der üblen Bande wahrhaftig genug Ärger und Schwierigkeiten zu verdanken, deshalb zögerte auch keiner von ihnen, kräftig zuzulangen.
Die Kolberger droschen drauf wie germanische Recken, nachdem sie ihre Pistolen leer geschossen hatten, und die Arwenacks standen ihnen in nichts nach. Sie alle waren nicht nur hervorragende Schützen, sondern verstanden auch, mit Blankwaffen aller Art zu kämpfen. Wie die Vergangenheit gezeigt hatte, genügten ihnen manchmal sogar die nackten Fäuste.
Der rothaarige Schiffszimmermann Ferris Tucker ließ seine riesige Axt kreisen. Die drei Kerle, die ihn zähnefletschend und mit Entermessern in der Hand belagerten, gelangten nicht an ihn heran. Als schließlich doch einer von ihnen versuchte, unter der wuchtigen Axt wegzutauchen, um Ferris das Messer in die Brust zu jagen, änderte dieser blitzschnell den Kurs seiner Waffe. Der Schnapphahn ging mit einem lauten Aufschrei zu Boden. Niemand in der Karibik hatte jemals noch etwas von ihm zu befürchten.
Der zweite erlitt das gleiche Schicksal, als er versuchte, Ferris von hinten anzugreifen. Dem dritten verpaßte der rothaarige Riese einen so gewaltigen Fußtritt, daß er jaulend in einem der Lagerfeuer landete.
Dan O’Flynn lieferte einem baumlangen Neger einen erbitterten Degenkampf, auf den sich dieser am besten nicht eingelassen hätte, und Pete Ballie setzte einem heimtückischen Burschen, der sich von hinten an Dan heranschleichen wollte, seine geballte Pranken aufs Haupt.
Al Conroy, Matt Davies und all die anderen mußten sich verbissen mit jeweils mehreren Gegnern auseinandersetzen, auch wenn die Zahl der Schnapphähne schon wesentlich kleiner geworden war.
Luke Morgan, ein gefürchteter Messerkämpfer, kriegte mit, wie einer der Kerle ein Mädchen, das sich hinter dem Stamm einer Palme versteckt hatte, hervorziehen wollte. Offenbar wollte er die Kleine als Schild benutzen. Doch er schaffte es nicht mehr, denn das Messer Lukes’ zischte durch die Luft und bohrte sich in seine Rippen. Das halbwüchsige Mädchen kehrte weinend und zitternd hinter den Stamm zurück.
Auch Edwin Carberry war in seinem Element. Wo der Profos hinhieb, wuchs kein Gras mehr. Nachdem er eine Messerattacke erfolgreich abgewehrt hatte, geriet er an Casco. Der Kreole stand geduckt wie ein sprungbereiter Löwe vor ihm, fletschte die Zähne und hielt in jeder Hand ein Messer.
„Wo haben sie dich denn losgelassen?“ rief der Profos mit Donnerstimme. Seine Blicke hefteten sich auf die plattgeschlagene Nase Cascos. „Dir hat der Teufel wohl persönlich das Gesicht aufgebügelt, wie?“
Casco schnaubte vor Wut wie ein wilder Stier.
„Stirb, du Bastard!“ stieß er keuchend hervor und schleuderte dem Profos, der eigentlich einen direkten Angriff erwartet hatte, eines der beiden Messer entgegen.
Da Ed damit nicht gerechnet hatte, konnte er nur noch wenig tun, um der plötzlichen Attacke auszuweichen. So riß ihm das Messer das Hemd an der linken Schulter in Fetzen und hinterließ eine kleine Fleischwunde.
Den Profos erschütterte ein solcher Kratzer jedoch nicht. Er nahm seinen Degen blitzschnell in die linke Hand, bückte sich ebenso schnell und riß ein langes Holzscheit, das aus der Glut ragte, an sich.
Casco wollte die kurze Ablenkung nutzen, um sich mit dem anderen Messer auf den bulligen Mann mit dem Rammkinn zu stürzen, doch der hielt ihm einerseits die Degenklinge entgegen und mit der anderen Hand hieb er ihm das glühende Holzscheit über den Schädel. Die Funken stoben in alle Richtungen, das durchgekohlte Ende löste sich in tausend glühende Bröckchen auf.
Die Wucht des Hiebes ließ Casco zurücktaumeln, und um ein Haar wären ihm die Knie eingeknickt. Er heulte wie ein getretener Hund, und wäre er nicht ohnehin von schwarzer Hautfarbe gewesen, hätte man jetzt sein verrußtes Gesicht bewundern können.
Die Brandwunden, die den noch frischen Kratzern Pepitas hinzugefügt worden waren, ließen den Oberschnapphahn einige Luftsprünge vollführen. Dabei geriet er unversehens in das „Revier“ von Matt Davies, dem eine spitzgeschliffene Hakenprothese die fehlende rechte Hand ersetzte.
Casco mußte sich wohl oder übel diesem neuen Gegner zuwenden, auch wenn er von irrsinnigen Schmerzen gepeinigt wurde. Seine Gesichtshaut brannte höllisch, hinzu gesellten sich noch die unbändige Wut und sein zügelloser Haß. Er konnte trotzdem nicht verhindern, daß ihm der scharfe Haken Matts einen Teil der Hose vom Leib fetzte und eine blutige Spur auf dem rechten Oberschenkel hinterließ.
Der Kampf tobte erbittert hin und her, manchmal sah es sogar danach aus, als würden die Männer von der Schlangen-Insel ein Stück zurückgedrängt werden, weil die Übermacht der Piraten immer noch gegeben war. Doch die Arwenacks und Kolberger gaben nicht auf, auch wenn der eine oder andere schon eine kleinere Verwundung davongetragen hatte. Sie waren sich darüber im klaren, daß es hier um Leben und Tod ging.
Die Piraten, die bereits die männliche Bevölkerung dieses Küstendorfes nahezu ausgerottet hatten und nicht einmal vor wehrlosen Frauen zurückschreckten, kannten kein Pardon. Man mußte ihnen deshalb mit der gleichen Einstellung begegnen, anders konnte diesen Schurken niemals das Handwerk gelegt werden. Dans Mannen bedauerten nur lebhaft, daß ihre „Königin“, die schwarze Piratin, nirgends zu entdecken war.
Die Entscheidung ließ nicht mehr lange auf sich warten, denn ganz plötzlich geschah etwas, womit niemand gerechnet hatte: Die Frauen des Dorfes griffen in den Kampf ein – jene Frauen, die von den Piraten lange genug gepeinigt worden waren. Viele von ihnen waren durch den brutalen Überfall dieser Halunken zu Witwen und Waisen geworden. Sie hatten offensichtlich begriffen, daß vom Ausgang dieses Kampfes auch ihr weiteres Schicksal abhing. Ja, jetzt zeigte sich, daß auch Frauen kämpfen konnten.
Der erste, der dies erfahren mußte, war der säbelbeinige Silo. Der heimtückische Kerl, der auf kriecherische Weise versucht hatte, sich bei Casco anzuschmeicheln, schlich sich von hinten an Luke Morgan heran, um ihm sein Messer in den Rücken zu stoßen. Er hatte dazu die besten Erfolgsaussichten, denn Luke hatte es vollauf mit einem Burschen zu tun, dem er ein Degenduell lieferte.
Da stürzte plötzlich das Mädchen, dem Luke zuvor geholfen hatte, hinter dem Baumstamm hervor und hieb Silo kraftvoll einen riesigen Wasserkrug auf den Kopf. Der säbelbeinige Bursche brach lautlos zusammen, die Scherben des zersplitterten Krugs flogen durch die Gegend.
Einige Frauen stürzten mit Töpfen, Pfannen und Knüppeln aus den Hütten und versuchten, den Männern tatkräftig zur Hand zu gehen.
Vor allem die schwarzhaarige Pepita raste wie eine Furie zwischen die kämpfenden Parteien. Zu ihrem Leidwesen entdeckte sie in dem Getümmel Casco nicht, deshalb mußte ein anderer Schnapphahn seinen Schädel als Zielscheibe für ihre gußeiserne Bratpfanne zur Verfügung stellen.
Bevor Sancho, der ohnehin schon eine prächtige Beule auf der Stirn hatte, merkte, daß ihm von der dunkelhäutigen Schönen Gefahr drohte, gab es auch schon einen dumpfen Laut, und der Kerl stürzte seitwärts ins Feuer. Da er bei dieser Gelegenheit einen Dreifuß umriß, an dem ein dampfender Kessel hing, blieb das nicht ohne bittere Folgen für ihn.
„Sehr gut, Miß!“ brüllte Edwin Carberry begeistert. „Hau diesen Affenärschen nur die Rübe ein!“ Fast zur selben Zeit verpaßte er Puso, der mit seinem zugeschwollenen Auge sowieso nur die halbe Welt sah, einen fürchterlichen Tritt gegen den Achtersteven. Puso segelte mit einem lauten Schrei durch die Gegend und riß einen seiner Kumpane mit zu Boden. Noch bevor er sich wieder aufrappeln konnte, zerschellte eine irdene Schüssel auf seinem Haupt.
Das Blatt wendete sich gründlich. Casco, der immer noch wie ein Berserker kämpfte, obwohl er schon reichlich lädiert aussah, erkannte das relativ früh. Aber da halfen auch seine wilden Flüche und Verwünschungen nicht. Schließlich rief er seine Kerle wutschnaubend zum Rückzug.
„Alle Mann zurück zum Schiff!“ brüllte er.
Die meisten seiner Schnapphähne hörten nichts lieber als das. Sofort stürmte die kleine Schar, die ihm verblieben war, zu dem Steg, an dem man das Beiboot vertäut hatte. Doch jetzt erst bemerkten sie, daß es gar nicht vorhanden war. Die Wachablösung hatte offenbar nicht funktioniert.
Laut fluchend stürzten die Piraten deshalb zu den kleinen Fischerbooten. Doch einige erreichten sie nicht mehr, denn die Männer von der Schlangen-Insel waren nicht gewillt, das üble Gesindel entwischen zu lassen.
Trotzdem schafften es einige, mit drei Booten abzulegen. Unter ihnen befand sich Casco.
„Pullt, ihr lahmen Hunde!“ brüllte er. „Wir werden ihnen von unserem Schiff aus mit den Kanonen einheizen! Die ganze verdammte Küste werden wir in Klump schießen!“
Es waren höchstens zehn Kerle, die den Kampf bis jetzt überlebt hatten. Sie pullten, was das Zeug hielt, obwohl auch sie schon teilweise angeschlagen waren. Außerdem warfen sie, soweit sie nüchtern waren, Casco wütend vor, daß er nicht genug Wachen hatte aufstellen lassen, die die Ankunft der englischen Bastarde bemerkt hätten.
Doch die Vorwürfe nutzten jetzt nichts mehr, denn die Handvoll Schnapphähne in den drei Fischerbooten gelangten nicht weit. Als sie sich dem Zweidecker näherten, brach auch über sie das Inferno herein.
Mit weit aufgerissenen Augen registrierten sie, daß ihnen die Drehbassen auf ihrem eigenen Schiff urplötzlich gehacktes Eisen und Blei entgegenspien – mit verheerender Wucht und enormer Streuwirkung. Keiner von ihnen konnte dieser Hölle entrinnen.
Auch Casco nicht.
Gleich seinen Kumpanen kippte er tödlich getroffen über Bord. Die winzigen Boote waren zerfetzt worden. Aus war der Traum vom „Bürgermeister“ und von künftigen Untaten als Piratenkapitän. Seine kurze und blutige Laufbahn war schlagartig zu Ende.
Für die gesamte Schar der Meuterer würde die Sonne nicht mehr scheinen. Die üble Bande, die zuerst unter der Black Queen und dann unter dem Regiment Cascos Angst und Schrecken, Tod und Verderben verbreitet hatte, gab es nicht mehr.
Nur der Aufenthaltsort der Black Queen blieb den Arwenacks und Kolbergern vorerst ein Rätsel. Dan O’Flynn, der in dem Küstendorf Bilanz zog, hielt das für wichtig genug, um es dem Seewolf sofort zu melden.
Mit acht Männern begab er sich zum Anlegeplatz der großen Jolle und pullte mit ihnen zur „Caribian Queen“. Die übrigen Mannen blieben im Dorf. Zum Glück hatte niemand schwere Verletzungen davongetragen. Die leichten Verwundungen, die einige abgekriegt hatten, würde der Kutscher, der selbst zum Einsatztrupp gehörte, wieder in Ordnung bringen. Er und die Frauen kümmerten sich bereits darum.
Während die Jolle auf den Zweidecker zulief, veranlaßte Dan seine Rudergasten zu einem lauten „Ar-we-nack!“
„Sind die verrückt geworden?“ fragte Smoky. „Wollen sie uns etwa auch noch angreifen? Die müssen doch kapiert haben, daß wir hier an Bord sind.“
„Das haben sie auch“, sagte Hasard. „Wahrscheinlich wollen sie mit dem Ruf nur auf sich hinweisen, damit wir ihnen nicht aus Versehen auch noch eine Ladung verpassen.“
„Ach so“, sagte Smoky kleinlaut. „Das kann natürlich sein, aber wir sind ja schließlich auch keine blinden Hühner, daß wir unsere eigenen Leute abschießen.“
Wenig später enterte Dan mit sechs Männern an Bord, zwei blieben als Wache in der Jolle zurück. Man wollte von vornherein kein Risiko eingehen, obwohl zur Zeit keine direkte Gefahr mehr drohte.
Der Seewolf, Smoky, Gary, Stenmark und Blacky hieben ihren Kameraden begeistert auf die Schultern.
„Ihr habt euch wacker geschlagen“, lobte Hasard. „Die Bande sind wir ein für allemal los.“