Kitabı oku: «Seewölfe Paket 20», sayfa 17
9.
Schrill stach der Schrei durch das Heulen der Böen.
Old Donegal zog die Brauen zusammen. Seine Haltung spannte sich jäh. Im nächsten Moment hörte er die Kerle auf dem Achterdeck der „Empress“.
„He, was ist los da drüben?“ brüllte der Sargento.
Keine Antwort.
Die Stimme des Spaniers steigerte sich zum Diskant.
„Meldet euch gefälligst, ihr Säcke! Das ist ein Befehl!“
Wieder blieb es still. Der Schrei war längst verstummt. Nur noch die Sturmböen orgelten mit unverminderter Kraft.
Old Donegal zählte zwei und zwei zusammen. Der Schrei konnte nur mit den Kerlen zu tun haben, die zur Schaluppe hinübergerudert waren. Offenbar rührte sich dort drüben nichts mehr.
Der alte O’Flynn handelte kurz entschlossen.
Krachend flog das Vorschott auf, als er mit dem Holzbein dagegentrat. Innerhalb von einem Sekundenbruchteil erfaßte er die Situation.
Der Sargento und die beiden anderen standen dicht beieinander auf dem Achterdeck. Erschrocken wirbelten sie herum, als sie das Krachen des Schotts hörten.
Im selben Moment riß Old Donegal den Blunderbuss hoch und brachte ihn in Anschlag. Ein genaues Visieren war bei dieser Waffe nicht erforderlich.
Voller Entsetzen starrten die Spanier in die trichterförmige Laufmündung, deren mörderische Wirkung ihnen nur zu gut bekannt war.
Sie schafften es nicht mehr, auf die tödliche Bedrohung zu reagieren. Nur der Sargento versuchte es noch. Seine Rechte zuckte nach unten. Doch es gelang ihm nicht mehr, die Pistole aus dem Gurt zu reißen.
Brüllend entlud sich der Blunderbuss. Die Ladung gehackten Bleies fauchte wie ein Schwarm todbringender Hornissen über das Deck.
Der Rückstoß zwang Old Donegal, sich festzuhalten.
In den Nachhall des Schusses klangen die Todesschreie der drei Spanier. Die Wucht der Einschüsse fegte sie auf die Verschanzung zu und schleuderte ihre Körper außenbords. Fast gleichzeitig erfolgten die klatschenden Aufschläge auf dem Wasser.
Wieder wurde es still.
Doch diese Ruhe dauerte nur wenige Atemzüge.
Abermals ertönte ein Schrei. Ein wilder Angriffsschrei jedoch.
Der alte O’Flynn ruckte herum. Seine Augen weiteten sich, als er sah, was sich auf der Landzunge abspielte.
Der Stör brach aus dem Unterholz hervor. Mit seinem urwelthaften Schrei stürmte er auf die Kerle los, die dort verharrten und bis eben noch fassungslos das Geschehen auf der „Empress“ verfolgt hatten.
Old Donegal überwand seine Verblüffung innerhalb von Sekunden. Er warf sich herum, hastete ins Kabelgatt und schnappte sich eine der Musketen, die er mit fliegenden Fingern lud.
Zehn Yards von den drei Kerlen entfernt brach der Stör sein Gebrüll ab, stoppte seinen Vormarsch und blieb breitbeinig stehen. Blitzschnell brachte er die Pistole in Anschlag.
Die Spanier, noch voller Verblüffung über den furchterregenden Anblick des Nordmannes, reagierten nicht schnell genug. Viel zu spät zuckten ihre Hände nach unten.
Völlig ruhig visierte der Stör an. Seine Gedanken waren bei Gotlinde, deren Leben er jetzt retten half. Und seine Gedanken waren auch bei Thorfin, dem er nur dann wieder unter die Augen treten würde, wenn er sein Teil geleistet hatte, um das Mißgeschick an Bord des Schwarzen Seglers auszubügeln.
Gelang ihm das nicht, würde er den Tod finden. Dies war dann in anderer Form das Gottesurteil, zu dem er sich schon auf der Schlangen-Insel entschlossen hatte.
Er krümmte den Zeigefinger. Der Flint schlug auf den Reibstahl, das Zündkraut zischte. In dem Sekundenbruchteil bis zum Zünden der Ladung zitterte der schwere Pistolenlauf in den Fäusten des Störs um keinen Deut.
Krachend entlud sich die Waffe. Das Mündungsfeuer stieß yardlang aus dem Lauf.
Den vordersten der Kerle schleuderte das großkalibrige Blei gegen seine Kumpane. Der Mann schrie nicht einmal, der Einschuß in die linke Brusthälfte tötete ihn, noch bevor er zu Boden sank.
Die beiden anderen wichen zurück und befreiten sich aus dem Wirrwarr.
Der. Stör ließ die Pistole fallen und stürmte voran. Im Laufen zog er das Entermesser.
Beide Spanier hatten Pistolen. Beinahe gleichzeitig rissen sie die Waffen hoch.
Reflexartig duckte sich der Stör und wollte Haken schlagen.
Zu spät.
Grellrot stießen die Mündungsblitze auf ihn zu.
Ein sengender Schmerz stach durch seinen rechten Oberarm.
Die zweite Kugel ging fehl. Geistesgegenwärtig gelang es ihm, das Entermesser mit der Linken zu packen, bevor es ihm aus der kraftlosen Rechten fiel.
Inzwischen hatten auch die beiden Spanier ihre leergeschossenen Pistolen weggeworfen. Der eine zog einen Degen, der andere einen Cutlass. Bis auf vier, fünf Schritte vom Ufer entfernt waren sie mittlerweile zurückgewichen.
Der Stör dachte nicht daran, seinen Ansturm zu bremsen. Jetzt war er bereit, sein Leben wegzuwerfen – wenn er dadurch nur Gotlindes Leben retten konnte.
Abermals stieß er sein Angriffsgebrüll aus, als er mit Todesverachtung auf die Kerle losging. Daß sie nicht zu unterschätzen waren, wußte er. Als ehemalige Soldaten der spanischen Armee waren sie immerhin ausgebildete Kämpfer. Vielleicht waren sie ihm sogar ebenbürtig.
Wie leblos schlenkerte sein blutender rechter Arm, als er den vordersten der beiden Gegner erreichte. Sein erster Hieb zischte ins Leere, doch gerade noch rechtzeitig schaffte er es, das Entermesser wieder hochzureißen. Klirrend prallte die Degenklinge auf den blanken Stahl des Cutlass’.
Aus den Augenwinkeln heraus sah der Stör den zweiten Kerl von rechts herannahen. Die breite Klinge seines Entermessers schimmerte im trüben Tageslicht. Jetzt wurde es brenzlig. Teuflisch. Nur noch Sekunden, dann hatte er es mit beiden Spaniern gleichzeitig zu tun.
Abermals schaffte er es, den Kerl mit dem Degen ein Stück von sich wegzutreiben. Doch schon war der andere im Begriff, sich auf ihn zu stürzen.
Im selben Moment peitschte es hell.
Mit ungläubigem Staunen sah der Stör, wie der Mann mit dem Entermesser in sich zusammensank – als sei sein Lebensfaden jäh abgeschnitten worden. Erst im nächsten Atemzug bemerkte er den alten O’Flynn, der drüben auf der „Empress“ die rauchende Muskete sinken ließ.
Der Moment der Ablenkung gab dem überlebenden Spanier Oberwasser. Mit einem Wutschrei stürzte er sich auf den Nordmann.
Der Stör reagierte einen winzigen Moment zu spät, als die Degenklinge niedersauste. Die Ausweichbewegung gelang ihm fast noch, aber er konnte nicht verhindern, daß ihn der Hieb am Kopf streifte. Greller Schmerz durchzuckte ihn, und Schleier wallten vor seinen Augen auf.
Doch die wilde Verzweiflung verlieh ihm ungeahnte Kraft und Entschlossenheit.
In das Zurückweichen des Spaniers drang er mit einem blitzartigen Satz vor. Der Mann brachte seine Parade nicht schnell genug zustande.
Die mächtige Klinge des Entermessers traf ihn, bevor er den Degen hochreißen konnte.
Minutenlang stand der Stör regungslos da und starrte auf die Toten, die zu seinen Füßen lagen. Ein zufriedenes Lächeln spielte um seine Lippen. Dann gewannen die Schmerzen die Oberhand.
Bewußtlos sank er in das Ufergestrüpp.
Er merkte nicht mehr, wie Arkana, Bob Grey und Martin Correa mit dem Beiboot heranpullten und an Land sprangen. Er erwachte auch nicht, als sie ihn vorsichtig aufhoben und ins Boot betteten. Nur dieses zufriedene Lächeln lag noch immer in seinem Gesicht.
Eine halbe Stunde später hatten sie die Wunden des Störs versorgt und ihm Notverbände angelegt. Die Toten wurden in der Mitte der Bucht den Fluten übergeben. Batuti, Jack Finnegan, Bob Grey und Martin Correa kehrten mit dem Beiboot zur „Empress“ zurück, nachdem sie die Schaluppe angebohrt hatten. Der morsche Kahn sank, noch bevor die Männer auf enterten.
Gemeinsam mit Arkana und Old Donegal hielten sie auf dem Mitteldeck der „Empress“ eine kurze Beratung ab. Nur der Stör nahm nicht daran teil, denn Arkana hatte ihn strikt angewiesen, sich nicht aus seiner Koje zu wagen. Vor allem die Kopfwunde setzte ihm zu. Wenn er inzwischen auch das Bewußtsein wiedererlangt hatte, so war er doch noch völlig benommen.
Batuti klatschte tatendurstig die Handflächen gegeneinander.
„Geht’s jetzt weiter mit der Wurzelsuche? Ich denke, wir haben genug Zeit verloren.“
„Nicht zu knapp“, sagte Old Donegal knurrend. „An die zwei Stunden haben uns diese verdammten Mistkerle gekostet.“
„Und Gotlinde muß es womöglich ausbaden“, fügte Jack Finnegan mit besorgter Miene hinzu.
„Die Zeit holen wir wieder heraus“, entschied die Schlangenpriesterin. „Ich hatte zwar vor, einen größeren Vorrat an Heilwurzeln mitzunehmen. Aber das, was wir bis jetzt gesammelt haben, reicht auch schon eine Weile.“
„So häufig wird es wohl kein Kindbettfieber auf der Schlangen-Insel geben“, sagte Martin Correa augenzwinkernd.
Bob Grey hieb ihm auf die Schulter.
„Einfaltspinsel! Die Wurzeln helfen auch bei allen anderen Krankheiten. Stimmt’s, Arkana?“
Die Schlangenpriesterin schüttelte lächelnd den Kopf.
„Du irrst dich, Bob. Diese Wurzeln sind schon seit Jahrhunderten bekannt. Es handelt sich um ein altes Heilrezept, das ausschließlich bei Fieber verwendet wird.“
„Also schafft ihr jetzt eure Körbe an Bord“, sagte Old O’Flynn kurz und bündig, „und dann segeln wir dem Gehörnten das zweite Ohr ab.“
Die Männer hatten nichts dagegen einzuwenden. Noch einmal benutzten sie das Beiboot, um sich an Land zu begeben. Als sie kurze Zeit später mit den Flechtkörben zurückkehrten, war die „Empress“ bereits seeklar.
Gegen elf Uhr lösten sie die Leinen und hievten den Anker. Mit unverminderter Stärke tobte der Sturm aus Osten. Doch keiner der Männer an Bord des kleinen Dreimasters ließ sich davon beeindrucken. Unter Vollzeug jagte die „Empress“ nordwärts, bei halbem Wind über Backbordbug segelnd.
Arkana begab sich gleich nach dem Ankeraufgehen in die kleine Pantry des Dreimasters. Sie hatte sich mit einem kleinen Vorrat an Wurzeln versorgt, die sie nun säubern, zerkleinern und zu einem Sud zusammenkochen würde. Auf diese Weise konnte sie die Dauer der Fahrt der Schlangen-Insel bestens nutzen. Beim Eintreffen würde die Medizin bereits gebrauchsfertig sein.
Während der darauffolgenden Stunden auf der sturmgepeitschten See dachte keiner der Männer daran, sich auch nur einen Moment Ruhe zu gönnen. Alle waren von dem festen Willen beseelt, die Route in kürzester Zeit zurückzulegen, damit Gotlinde so schnell wie möglich geholfen werden konnte.
Noch bei Dunkelheit, gegen zwei Uhr morgens, erreichte die „Empress of Sea“ die Schlangen-Insel. Und abermals hatten Old Donegal und seine Gefährten Glück. Der Mahlstrom stand günstig, so daß sie den Felsendom ohne Zeitverzug passieren konnten.
Fackelschein in der Innenbucht kündete davon, daß man sie bereits erwartete. Voller Freude feuerte der alte O’Flynn drei Musketenschüsse ab. Für keinen gab es jetzt Grund, noch die Koje abzuhorchen. Es galt, so schnell wie möglich für Gotlinde zu sorgen. Und da mußte eben jeder wach sein und die Daumen drücken.
Neben dem Schwarzen Segler ließ er die „Empress“ vor Anker legen.
„Die Medizin ist da!“ brüllte er zum Schanzkleid des Viermasters hinauf. „Und sie ist schon fix und fertig.“
Aus dem sofort entstehenden Stimmengewirr war zu schließen, daß die Nachricht in Windeseile verbreitet wurde. Auch Thorfin Njal konnte also beruhigt sein.
Eilends wurde das Beiboot der „Empress“ zu Wasser gelassen. Die Männer halfen Arkana hinunter, die den dampfenden Topf mit dem Heilwurzelsud in Tücher geschlagen hatte und ihn vorsichtig in beiden Händen trug. Old O’Flynn ließ sich auf der Achterducht nieder. Er mußte mit an Land, um zu erfahren, wie es um Gotlinde stand.
Mary O’Flynn und die anderen Frauen warteten bereits am Ufer.
Nachdem die Männer das Beiboot auf den Strand gezogen und Arkana mit der Medizin herausgeholfen hatten, humpelte Old Donegal freudestrahlend auf seine bessere Hälfte zu. Doch wenn er eine ebenso herzliche Begrüßung erwartet hatte, sah er sich im nächsten Moment getäuscht. Sie nickte ihm nur flüchtig zu und wandte sich dann sofort an die Schlangenpriesterin.
„Können wir sofort mit der Behandlung beginnen?“
„Aber ja“, erwiderte Arkana mit einem Nicken. „Die Medizin ist gebrauchsfertig.“
„Dann verlieren wir keine Zeit“, sagte Mary O’Flynn energisch.
Araua nahm ihrer Mutter den umwickelten Topf ab, dann eilten die Frauen auch schon los.
Old Donegal stand völlig verdattert da und schluckte zweimal kräftig.
„Ist denn das die Möglichkeit?“ rief er empört. „Da segelt man mitten durch die Hölle, reißt sich fast ein Bein aus, und was kriegt man zur Begrüßung? Nichtbeachtung!“
Mary O’Flynn, schon zehn Schritte entfernt, blieb einen Moment stehen und wandte sich halb um.
„Plustere dich nicht auf wie ein Gockel, Mister O’Flynn! Was du getan hast, war nicht mehr als deine Pflicht. Eine Selbstverständlichkeit. Sich mit so etwas auch noch zu brüsten, zeugt von einem schlechten Charakter.“ Sie wandte sich wieder um und marschierte weiter, ohne eine Antwort abzuwarten.
Old Donegal schluckte abermals. Aber das, was ihm auf der Zunge lag, behielt er für sich. Es hatte keinen Sinn, Miß Snugglemouse in dieser Situation unnötig herauszufordern. Da konnte es passieren, daß sie ihm vor versammelter Mannschaft noch mehr die Leviten las.
„Auf die Strapaze sollten wir uns einen kräftigen Schluck gönnen“, sagte Jack Finnegan, der neben ihm stand. „Ist ja noch später Abend.“
Old Donegal sah ihn mißtrauisch von der Seite an.
„Welche Strapaze meinst du denn?“
„Na, den Törn von Hispaniola herüber natürlich“, erwiderte Jack rasch.
Old Donegal überwand seinen Groll und grinste.
„Wie auch immer, Jack, einen Schluck haben wir uns jetzt wirklich verdient. Du trinkst auf die Strapazen an Bord, ich auf die Ehestrapazen, und die anderen sind auch alle eingeladen.“
Da nun ohnehin keiner mehr ein Auge zukriegte, blieb die kleine Mannschaft der „Empress“ nicht lange allein in der „Rutsche“. Nach und nach füllte sich die Felsenkneipe. Keiner der Männer dachte indessen daran, einen Humpen nach dem anderen zu leeren. Was sie beieinanderhocken ließ, war die Sorge um Gotlinde, und so nippten sie nur bisweilen an ihren Krügen.
Die Stunden dehnten sich endlos. Von Zeit zu Zeit schickte Old Donegal einen der Männer als Boten los. Etliche Schlangenkriegerinnen hielten sich außerhalb der Kaverne auf, in der die Frau des Wikingers untergebracht war. Dort fiel es also nicht schwer, die Lage der Dinge auszukundschaften.
Endlich, in den Morgenstunden, verbreitete sich die frohe Botschaft wie ein Lauffeuer auf der Insel.
Bob Grey, bereits der sechste in der Reihe von Old Donegals Boten, stürmte aufgeregt gestikulierend in die Rutsche.
„Das Fieber ist gesunken!“ schrie er. „Habt ihr gehört! Das Fieber ist runter! Gotlinde geht es von Stunde zu Stunde besser. Sie ist über den Berg.“
In der Rutsche brach ein Jubelgebrüll aus, das die Felsen erheben ließ. Dann hielt es die Männer nicht länger in der Kneipe. Sie eilten hinunter an den Strand und harrten dort der Dinge, die sich nun bald ereignen mußten.
In der Tat erschien wenig später Araua, die eine Botschaft überbrachte.
„Mistreß O’Flynn und meine Mutter lassen folgendes ausrichten“, sagte die Tochter der Schlangenpriesterin lächelnd, „Gotlinde geht es jetzt so gut, daß sie bereit ist, ihren Ehemann zu empfangen.“
Wieder ertönte jubelndes Gebrüll, und im Handumdrehen wurde es auf dem Schwarzen Segler lebendig.
Der Wikinger ließ sich auf seiner Trage ins Beiboot abfieren und zum Strand pullen. Schon von weitem war sein Gegröl zu hören, mit dem er die Männer anfeuerte, sich kräftiger in die Riemen zu legen.
Unterdessen erblickte Old Donegal eine winkende Gestalt an Bord der „Empress“. Die Gestalt hatte weiß leuchtende Verbände am Kopf und am rechten Oberarm.
Als die Männer den Wikinger an Land abstellten, trat Old Donegal auf ihn zu.
„Thorfin“, sagte er grimmig, „bevor du deinen Nachwuchs zu sehen kriegst, habe ich ein ernstes Wort mit dir zu reden.“ Kurz und bündig berichtete er darüber, daß der Stör ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben gegen die Spanier gekämpft hätte. „Wenn es Gotlinde jetzt bessergeht“, schloß er, „dann verdankst du das auch dem Stör.“
Der Wikinger blickte minutenlang stumm von seiner Trage auf und forschte in den Augen des alten O’Flynn, ob da etwas von Aufschneiderei oder Übertreibung zu lesen wäre. Doch Old Donegal hielt dem Blick Thorfins stand.
„Dann holt den Torfkopp schon her“, knurrte der Wikinger unvermittelt.
Die Männer aus Old Donegals Leihmannschaft eilten los. Fünf Minuten später trat der Stör linkisch und mit gesenktem Kopf auf die Trage Thorfins zu.
„Wach gefälligst auf, du Stint!“ brüllte der Wikinger ihn an. „Los, los, faß mit an! Oder soll ich ewig hier rumstehen?“
Strahlend vor Glück reihte sich der Stör mit ein. Wenn er auch nur symbolisch mit der Linken trug, so war er sich der Bedeutung dessen bewußt, Thorfin zu seiner Gotlinde transportieren zu dürfen. Und das vertraute Gebrüll des Wikingers war regelrecht Musik in seinen Ohren.
Auch Old Donegal war dabei, als die Männer kurz darauf die Trage in die Kaverne bugsierten und neben Gotlindes Lager abstellten. Blaß, aber glücklich, strahlte Gotlinde ihren Thorfin an, und er selbst brachte vor Rührung keinen Ton mehr hervor, als Mary O’Flynn ihm das rotschopfige kleine Pärchen in die Arme legte.
Jetzt schien sich auch Marys Stimmung grundlegend zu wandeln, denn sie ging auf Old Donegal zu, fand sogar ein Lächeln für ihn und ließ ihn auch noch gewähren, als er ihr den Arm um die Schulter legte.
„Teufel auch“, entfuhr es dem Wikinger, während alle anderen still und staunend dastanden. „Jetzt müssen wir für die beiden Kleinen auch noch Namen finden, Gotlinde. Oder ist dir schon was eingefallen?“
„Nein“, erwiderte sie matt. „Ich hatte bis jetzt noch andere Sorgen.“
„Ach, richtig“, sagte Thorfin verdattert.
Old Donegal konnte sich nicht zurückhalten.
„Wie wär’s mit Adam und Eva?“ rief er. „Weil wir’s doch hier so paradiesisch haben …“
Von Mary erntete er dafür einen Knuff in die Seite. Und Thorfins erboster Blick ließ vermuten, daß er von dem Namensvorschlag herzlich wenig hielt. Doch bevor er lospoltern konnte, setzte das Pärchen in seinen Armen mit protestierendem Krähen ein.
„Die Brummstimmen vom Mannsvolk sind sie noch nicht gewohnt“, sagte Mary O’Flynn. „Und jetzt alle raus! Gotlinde und Thorfin sind schließlich kein Ehepaar zum Begaffen.“
Jeder hatte Verständnis dafür, daß die beiden in ihrem Stolz auf den Stammhalter und das Schwesterchen jetzt allein sein wollten.
Und nun hatte auch Old Donegals Miß Snugglemouse nichts mehr dagegen, daß in der „Rutsche“ ein rauschendes Fest gefeiert wurde. Old Donegal hatte sofort genügend Helfer bei der Hand, die bei den Vorbereitungen mit anpackten …
ENDE

Roy Palmer
Entscheidung bei Morgengrauen
1.
Als das Heulen des Windes zunahm, die Rahen stöhnten und ächzten und die Dreimastgaleone „Almeria“ in den wogenden Fluten zu tanzen begann, setzte bei dem zehnjährigen Pablito und seiner drei Jahre älteren Schwester Sabina wieder das Zittern ein. Sie kämpften dagegen an, aber die Angst war stärker als jegliche Selbstkontrolle und Disziplin. Sie bebten am ganzen Leib und klammerten sich aneinander fest.
Es war nicht der erste Sturm, den sie wie die anderen Passagiere der spanischen Galeone erlebten. Zweimal hatten die Urgewalten der Natur zugeschlagen, als die „Almeria“ mit der „San Sebastian“ – ebenfalls einer Dreimastgaleone – von Cadiz aus den Atlantik überquerte. Beide Male waren Sabina und Pablito vor Panik und Grauen fast gestorben.
Da nutzte es ihnen auch nichts, daß ihr Vater, der Schmiedemeister Ramón Vega Venteja, sie schützend in seine Arme nahm und ihnen beschwichtigend zuredete. Grenzenlos war ihre Angst. Sie glaubten, dieser dritte Sturm, der sie in der Windward Passage zwischen Kuba und Hispaniola traf, bedeute ihr sicheres Ende.
„Mama!“ klagte Pablito. „Mamita, warum bist du nicht bei uns?“
„Sei ganz ruhig“, sagte sein Vater. Aber auch um seine Mundwinkel spielte ein tief trauriger, bitterer Zug. Vor zwei Jahren war seine Frau gestorben. Seither hatte er es nicht leicht gehabt, seine Kinder zu ernähren und zu versorgen. Aufopfernd hatte er sich um sie bemüht und versucht, es ihnen an nichts mangeln zu lassen.
Aber die Zeiten wurden immer schwerer. Bald, so hatte Ramón Vega Venteja gewußt, würden sie am Hungertuch nagen, denn auch seine Arbeit war nicht mehr so gefragt wie früher. So kam das Angebot der Casa de Contratación, das spanische Mutterland zu verlassen und in die Neue Welt überzusiedeln, wie gerufen. Drüben, so hieß es, brauche man viele gute Handwerker, die bei der Besiedlung des Landes mithelfen sollten. Ein guter Lohn winkte, mehr als daheim in Spanien. So hatte Ramón wie viele andere zugegriffen und alles aufgegeben, um ein neues Leben zu beginnen. Und selbstverständlich hatte er seine beiden Kinder mitgenommen.
Doch nicht alles, was glänzt, ist auch wirklich Gold. Der Vertreter der Casa, der ihn angesprochen und von dem Unternehmen überzeugt hatte, hatte in vielen Dingen übertrieben. So befanden sich nicht nur „ein paar“ Passagiere an Bord, sondern die Frachträume waren vollgestopft mit dieser menschlichen Ladung, mit Männern, Frauen und Kindern. Dabei handelte es sich nicht nur um „ordentliche Leute“, wie es geheißen hatte, sondern teilweise um die übelsten Huren und Galgenstricke.
Da war zum Beispiel diese Marcela Buarcos. Als Ramón in Cadiz mit seinen Kindern an Bord der „Almeria“ gegangen und ihnen ihr Platz zugewiesen worden war, hatte ihm ein einziger Blick genügt, um diese Frau zu taxieren. Sie war ein ausgekochtes Luder, durchtrieben und skrupellos. Während der Überfahrt hatte sie sich schon mit vielen Kerlen eingelassen – schamlos und fast ohne jegliche Rücksicht auf die anderen Mitreisenden. Sie lockte jedem, der auf ein flüchtiges Liebesabenteuer aus war, das letzte Geld aus der Tasche.
Auch bei Ramón hatte sie es versucht. Es kümmerte sie nicht, daß Sabina und der kleine Pablito dabei waren. Jetzt, im Heranorgeln des Sturmes, arbeitete sie sich wieder heran. Wie zufällig verlor sie ihren Halt und prallte auf den schwankenden Planken mit Ramón zusammen.
„Es geht wieder los“, sagte sie mit ihrer rauhen, etwas kehlig klingenden Stimme. „Hast du eigentlich überhaupt keine Angst, mein Freund?“ fragte sie ihn und drängte sich provozierend gegen ihn.
Er rückte etwas von ihr ab.
„Nicht mehr als du“, erwiderte er.
„Du scheinst eine Menge Mumm in den Knochen zu haben.“
„Nicht mehr als jeder andere Mann“, sagte er.
Die Öllampen und Talglichter waren wegen der hohen Brandgefahr gelöscht worden. Es war stockfinster, und das Rauschen des Wassers an den Bordwänden, das Jaulen des Sturmwindes und das Knarren der Verbände klangen unheimlich. Ramón konnte weder seine Kinder noch die Frau sehen, doch er spürte, wie sie nach ihm griff.
Er schob sie von sich fort und zog seine Kinder dichter zu sich heran. Sie schmiegten sich zitternd an ihn. Pablito hatte leise zu weinen begonnen.
„Narr“, sagte Marcela. „Du weißt ja nicht, was du verschenkst.“ Sie war ihm immer noch sehr nah. „Warum läßt du es uns nicht tun? Keiner sieht es in der Dunkelheit. Anschließend passe ich auf deine Kinder auf.“ Sie lachte leise und verächtlich. „Du suchst doch eine Ersatzmutter für sie, oder?“
„Verschwinde!“ sagte Ramón. „Ich erlaube dir nicht, so zu reden. Noch ein Wort, und du kriegst eine Ohrfeige von mir.“
Sie kroch weiter, zischte dabei aber noch: „Elender Bastard! Das wirst du noch bereuen.“
Kinder hatten zu jammern begonnen, auch ein paar Frauen weinten und stöhnten vor Furcht. Die Männer fluchten. Ramón murmelte besänftigende Worte für seinen Sohn und seine Tochter. Mehr Sorgen als der Sturm bereitete ihm die Stimmung an Bord. Wieder schweres Wetter – und das Murren und Fluchen nahm zu. Die Unzufriedenheit konnte zur offenen Meuterei führen.
Juan Alentejo, der Kapitän der „Almeria“, würde es nicht leicht haben, die aufkeimenden Aggressionen zu dämpfen, wenn die Reise länger, als ursprünglich vorgesehen, dauerte. Mußte er in einen Nothafen verholen, damit das Schiff im Sturm nicht sank oder auf gefährliche Riffs getrieben wurde, bestand die Möglichkeit, daß die Galgenstricke unter den Passagieren die Gelegenheit ergriffen, das Kommando an sich zu reißen.
Was aber geschah, war die Entscheidung des Kapitäns Gomez Rascón an Bord der „San Sebastian“. Er hatte den Oberbefehl über beide Galeonen und trug damit die volle Verantwortung. Das Schicksal der Schiffe und ihrer Menschen lag in seinen Händen.
Während er mit seinen Kindern betete, daß das Wetter bald wieder nachlassen möge, versuchte Ramón Vega Venteja sich vorzustellen, wie Gomez Rascón zumute war. Er hätte nicht in seiner Haut stecken mögen.
Kapitän Gomez Rascón hatte die Logbucheintragungen soeben abgeschlossen und verstaute Buch, Federkiel und Tintenfäßchen in seinem Pult, ehe sie durch die Schlingerbewegungen abgeräumt werden konnten. Man schrieb den 27. April 1594, es ging auf Mitternacht zu. Rascón war nicht sicher, ob er den 28. April erleben würde, wenn er es sich in den Kopf setzte, den Sturm abzureiten.
Deshalb rief er Solares, seinen Ersten Offizier, und den Steuermann Elcevira zu sich. Sie hielten eine kurze Besprechung ab, in der sie die Situation erörterten und Möglichkeiten abwägten, wie sie sich am besten verhalten sollten.
Denn es war ein Sturm, der es in sich hatte: Vom Atlantik her fegte er westwärts in die Karibik und peitschte die See mit ungezügelter Macht. Die Handels-Galeonen „San Sebastian“ und „Almeria“ wurden von dem Toben der Urgewalten voll erfaßt, es gab kein Entweichen, obwohl sie bereits in der Windward Passage standen.
Ihr Zielhafen war Santiago de Cuba. Vor zwei Monaten waren sie in Cadiz in See gegangen, und es war alles andere als eine leichte, problemlose Überfahrt gewesen. Die Stürme hatten Menschenopfer gefordert, auch das Fieber hatte in drei Fällen zugeschlagen. Zwei Kinder und eine Frau hatten ihr Leben lassen müssen. Alle waren mit seemännischen Ehren bestattet worden, mehr hatte man nicht für sie tun können.
Ein Kerl an Bord der „Almeria“ hatte vor einer Woche versucht, heimlich die Proviantkammer zu plündern. Er war dafür mit sechs Peitschenhieben bestraft worden. Jeder andere Kapitän hätte ihn für den versuchten Mundraub garantiert zu der doppelten Menge verurteilt. Aber das ging keinem der Galgenstricke und Schlagetots auf, die Rascón und Alentejo gezwungen gewesen waren, aus Cadiz mitzunehmen.
Dabei waren beide Kapitäne handfeste Seeleute, gestandene Männer also, und zwar von der ehrlichen Sorte. Sie hatten es eigentlich nicht verdient, daß ihnen das üble Gelichter überantwortet worden war. Aber sie waren machtlos gegen die Entscheidungen der Casa, sie mußten sich der Order beugen.
Rascón und Alentejo waren miteinander befreundet. Alentejo war grundsätzlich mit jedem Befehl einverstanden, den Rascón, der ältere Mann, für beide Schiffe gab. Er wußte, daß er keine Entscheidung besser hätte treffen können.
Mehrmals schon hatten sie gemeinsam die Karibik bereist, waren in diesen Gewässern also nicht unerfahren. Aber es waren auch nicht die Wetterbedingungen, Wind, Strömung, Korallenbänke oder Klippen, die ihnen Kopfzerbrechen bereiteten. Ihre einzige Sorge war die „Ladung“, die sie an Bord ihrer Schiffe hatten.
Die Männer, Frauen und Kinder in den Frachträumen waren von der Casa de Contratación zur Besiedlung Kubas ausgesucht worden. Sie sollten auf der Insel ansässig werden und Ackerbau und Viehzucht betreiben, auch den Anbau von Zuckerrohr. Ferner waren Handwerker und Bergbauleute unter ihnen, die für die Kupferminen bei Santiago de Cuba vorgesehen waren.
Aber auch Abenteurer, verkrachte Hidalgos, Diebe, Räuber, Mörder und leichte Mädchen befanden sich an Bord beider Schiffe. Bedauerlicherweise hatte das Büro der Casa in Cadiz Rascón und Alentejo diese Kerle und Weiber aufgezwungen, die man in Cadiz loswerden wollte. Um die Mannschaft „aufzufüllen“ – so hieß es offiziell in einer Verlautbarung.
In Wirklichkeit war dies eine der Methoden, die man anwandte, um die Gefängnisse in Spanien zu entlasten. Dabei rechneten die Vollzugsbehörden ohnehin damit, daß die Galgenstricke die Überfahrt nicht überlebten. Die Seefahrt war hart und forderte viele Opfer.
Doch die Rechnung ging nicht auf. Huren und Raufbolde, Beutelschneider und Wegelagerer mochten dazu bestimmt sein, früher oder später das Zeitliche zu segnen. Doch wenn der Zufall es wollte, erwiesen sie sich als zäher und widerstandsfähiger als alle anderen. So auch hier: Die Ängstlichen und Schwachen, die Kränkelnden und Unerfahrenen landeten in Gottes tiefem Keller, nicht aber die Hartgesottenen und Skrupellosen.
Somit war es eine sonderbare Art von „Strafvollzug“, die man den beiden geplagten Kapitänen überließ – und sie mußten für solchen Mannschaftszuwachs auch noch „Danke schön“ sagen. Zwar litten Handels-Galeonen wie die „San Sebastian“ und die „Almeria“ an chronischer Unterbesetzung, aber lieber wären Rascón und Alentejo unterbemannt in die Karibik gesegelt als mit derartigen Galgenvögeln.
Weigerte sich ein Schiffskapitän jedoch, solche aus den Gefängnissen rekrutierten Kerle an Bord zu nehmen, dann konnte es passieren, daß die Casa sehr schnell Mittel und Wege fand, ihm das Patent zu entziehen und ihm sogar das eigene Schiff wegzunehmen oder es zu beschlagnahmen. Mit anderen Worten: Er wurde auf sanfte, aber nachdrückliche Art dazu erpreßt, sich der „Schützlinge“ anzunehmen, die für sein Schiff den Untergang bedeuten konnten.