Kitabı oku: «Seewölfe Paket 21», sayfa 10

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Nur nach und nach verebbte das Stimmengewirr an Bord der „Isabella“. Gewiß, sie hatten die Galeone passiert. Doch der Schreck saß ihnen in allen Knochen. Die Treffer waren schlimmer als befürchtet. Sie spürten es, obwohl sie sich in diesen Minuten unmittelbar danach noch nicht einmal einen Überblick verschaffen konnten.

Mit grimmiger Wut legte Pete Ballie die „Isabella“ auf Kurs Südost – jenen Kurs, den der Seewolf angeordnet hatte, um die weitere Verfolgung des Verbandes aufzunehmen.

7.

Durch das Gewirr von Trümmern und Splittern hasteten Mac Pellew und der Kutscher mit einer Trage heran. Der schwerverwundete Sam Roskill mußte so behutsam wie möglich in die Krankenkammer gebracht werden.

Mit einem raschen Blick nach achteraus vergewisserte sich Ed Carberry, daß vorläufig keine Gefahr mehr drohte. Die beiden spanischen Galeonen waren noch nicht auf Gegenkurs gegangen. Keine Frage, daß auch die Dons mit ihren Schäden alle Hände voll zu tun hatten.

Hilfreiche Hände waren für die beiden Feldschere der „Isabella“ zur Stelle, als sie Sam Roskill auf die Trage betteten. Ed Carberry packte selbst mit zu, und diesmal ließ er keinen seiner derben Sprüche hören. Nichts dergleichen war jetzt angebracht. Er brauchte nur in die pulvergeschwärzten und blutverschmierten Gesichter zu blicken, um ein Würgen in der Kehle zu spüren. Diesmal hatte es sie teuflisch erwischt.

Mac Pellew und der Kutscher entfernten sich mit der Trage. Dan O’Flynn eilte an ihnen vorbei in Richtung Achterdeck. Sein Hemd war zerfetzt, blutige Striemen verliefen über seinen rechten Arm. Die meisten, so stellte Ed Carberry fest, hatten nur Kratzer empfangen. Sie würden verarztet werden, sobald Sam Roskill in der Krankenkammer versorgt worden war. Luke Morgan rappelte sich vor den Beibooten auf. Fluchend zog er einen fingerlangen Holzsplitter aus seiner rechten Schulter und schleuderte ihn von sich. Al Conroy und die Mehrzahl der Geschützmannschaften, schwarzgesichtig wie verbissen arbeitende Teufel, waren bereits mit dem Nachladen beschäftigt.

Ein durchdringendes Knarren ließ den Profos zusammenzucken, als er sich aufrichtete. Er warf den Kopf in den Nacken – und erstarrte.

„Die Großrah!“ brüllte er im nächsten Atemzug. „Weg vom Großmast! Deckung!“

Das Knarren verstärkte sich, noch während er die letzten Silben ausstieß. Die Männer spritzten auseinander und flohen in Richtung Back und Achterdeck. Sie brauchten nicht hinzusehen, um die Gefahr zu erkennen, die Ed Carberry bemerkt hatte.

Die Großrah hing nur noch am Backbordtoppnanten. Eine Kettenkugel der Spanier mußte sowohl das Rack als auch den Toppnanten der Großrah zerfetzt haben. Buchstäblich im letzten Moment schafften es die Arwenacks, sich in Sicherheit zu bringen. Mit Getöse rauschte die Großrah samt Segel und Takelwerk abwärts, krachte auf die Kuhl und sorgte für weiteres Kleinholz.

Sofort rappelten sich die Männer auf und begannen, das Großsegel zu bergen, das sich in wirrem Faltenwurf über die Jollen und die vorderen Grätingsluken gelegt hatte. Die Großrah selbst war durch den Aufprall in zwei Teile gebrochen. Das kürzere Ende hing an Backbord nach außenbords und wurde nur noch vom Segel gehalten.

Bob Grey, Matt Davies und weitere Männer, die sich in unmittelbarer Nähe befanden, zogen ihre Entersäbel und hieben auf Anschlagbändsel und Segeltuch ein, um den zersplitterten Teil der Rah abgehen zu lassen.

Dan O’Flynn tauchte an der Querbalustrade des Achterdecks auf.

„Feldscher!“ rief er mit schneidender Stimme. „Feldscher zum Achterdeck!“

Ed Carberry fuhr auf der Kuhl herum.

„Sind beide beschäftigt!“ brüllte er zurück. „Hast du nicht gesehen, daß es Sam Roskill fast zerrissen hat? Was, zum Teufel, ist los?“

„Ben Brighton“, erwiderte Dan atemlos, „er ist ohne Bewußtsein. Irgendwas hat ihn am Kopf erwischt.“

Ed Carberry zögerte nicht lange. Er rannte los und winkte Smoky und Stenmark mit sich, die in seiner Nähe mit einem Geschütz beschäftigt waren. Behutsam hoben sie den bewußtlosen Ersten Offizier auf, bugsierten ihn über den Backbordniedergang zur Kuhl und trugen ihn in Richtung Krankenkammer.

Dan O’Flynn wandte sich zu Pete Ballie um. Die zerfetzten Reste des Besansegels flatterten und klatschten im Wind.

„Wo steckt Hasard, verdammt noch mal?“ Der kratzende Klang der Besorgnis war in Dans Stimme nicht mehr zu überhören.

Pete zog die Schultern hoch. Seine großen Fäuste hielten das Ruder dennoch eisern fest.

„Bei dem Teufelstanz habe ich nicht viel mitgekriegt. Kann sein, daß er mit Ben zusammen zur Kuhl hinunterwollte. Dabei hat Ben dann einen Brocken an den Kopf gekriegt.“

Einen Augenblick starrte Dan den Rudergänger durchdringend an. Dans Blick wanderte zum zerfetzten Besan. Mit einem wilden Ruck wirbelte er herum. Zwei lange Sätze genügten, und er war an der Balustrade. Seine Stimme schmetterte über die Decks.

„Hasard!“

Schlagartig wurde es still. Die Männer standen starr, blickten zu Dan O’Flynn auf und wollten nicht begreifen, was sich als furchtbare Ahnung in ihr Bewußtsein drängte.

Nichts rührte sich. Keine Antwort. Hölle und Teufel, der Seewolf verkroch sich nicht mitten im Gefecht in einem der Unterdecksräume!

„Sucht das Schiff ab!“ brüllte Dan. Während die Männer in Bewegung gerieten, warf er sich herum und hastete zur Heckbalustrade. Das breite Band der Hecksee schimmerte silbrig im Licht der sinkenden Sonne.

Erst jetzt wurde es Dan bewußt, daß die Dämmerung unmittelbar bevorstand. Und es zeigte sich auch, daß die Hecksee keineswegs mehr schnurgerade verlief, wie man es von einem Rudergänger wie Pete Ballie gewohnt war. Das Fehlen von Besan und Großsegel machte sich bereits bemerkbar. Die „Isabella“ lief geringere Fahrt und driftete überdies nach Lee ab. Dan schüttelte den Kopf, um die nebensächlichen Gedanken loszuwerden. Er schalt sich einen Narren, daß sich diese Einzelheiten in seinem Kopf ausbreiteten, da es doch um Hasard gehen mußte. Nur um Hasard und um nichts anderes.

Aber die See achteraus war wie leergefegt.

Wie aus einer Laune heraus gab es nicht einmal Trümmerteile, die auf der Wasseroberfläche trieben.

Minutenlang spähte Dan nach achteraus. Dann wandte er sich ab. Die Resignation erfüllte sein Inneres wie mit einer tonnenschweren Last. Er kehrte zur vorderen Balustrade zurück, sah die Männer mit hängenden Schultern und wußte Bescheid. Noch einmal wandte er sich zu Pete Ballie um.

„Was war mit dem Besan, Pete?“

„Die Rute ist abgegangen wie ein Geschoß“, erwiderte der Rudergänger, „nach Backbord, wenn ich’s richtig mitgekriegt habe.“

Dan nickte nur, langsam und wie in grenzenloser Müdigkeit.

„Keine Spur von ihm!“ rief Ed Carberry, und seine Stimme klang wie die eines Fremden. Keiner hatte ihn je zuvor so erlebt, so niedergeschlagen und so fassungslos.

„Dann wird weitergesucht!“ brüllte Dan beinahe verzweifelt. „Wir brauchen Gewißheit, verdammt noch mal!“

Keiner der Männer widersprach.

Dann, mit der hereinbrechenden Dämmerung, gab es eben jene Gewißheit, die jeden einzelnen von ihnen wie ein Stich tief ins Innere traf.

Der Seewolf befand sich nicht mehr an Bord der „Isabella“.

Die „Isabella“ segelte ohne Philip Hasard Killigrew.

Ben Brighton war noch immer ohne Bewußtsein.

So ergab es sich als Selbstverständlichkeit, daß Dan O’Flynn das Kommando übernahm. Viel Zeit zum Nachdenken gab es ohnehin nicht. Denn mit der heraufziehenden Dämmerung näherte sich der angeschlagenen „Isabella“ neue Gefahr.

Die beiden spanischen Galeonen, selbst beträchtlich lädiert, schoben sich von Steuerbord achteraus heran. Sie wollten es jetzt wissen und glaubten an ein leichtes Spiel.

Aber darin sollten sie sich täuschen. Die ohnmächtige Wut entflammte in den Arwenacks wie ein einziger, vielstimmiger Aufschrei. Und der Anblick der Dons heizte ihren Zorn zum berserkerhaften Toben an. Sie hatten ihren Kapitän verloren. Die Spanier waren schuld, und mit ihrem Anrücken lieferten sie die Gelegenheit zur Rache frei Haus. Ja, so einfach sahen es die Arwenacks, und nichts konnte sie daran hindern, ihre Rache in blindwütig entfachter Raserei auszutoben.

Keins der Steuerbordgeschütze war ausgefallen. Eiskalt ließ Dan O’Flynn die Spanier nahe genug heran. Auf sein Kommando ließ Pete Ballie die „Isabella“ abfallen. Sekunden später stachen die Mündungslanzen aller dreizehn Geschütze auf die Dons zu, noch bevor sie selbst zum Schuß gelangten. Auf Anhieb kassierten beide Galeonen gleichzeitig mörderische Treffer.

Doch in diesem Augenblick setzte das von den Arwenacks entfesselte Inferno erst richtig ein.

In fliegender Hast luden Al Conroy und die anderen die Steuerbordgeschütze nach. Unterdessen ließ Dan O’Flynn die „Isabella“ weiter abfallen, kreuzte den Kurs der Spanier und ging dann auf Gegenkurs. Zischend rasten die ersten Brandpfeile aus den Marsen zum Gegner hinüber. Batuti und Big Old Shane feuerten ihre weiteren glühenden Geschosse in blitzschneller Folge ab.

Auf der Back harrte Ferris Tucker aus, bis der erste Spanier nahe genug heran war. In hohem Bogen flog die erste Höllenflasche los, geladen mit gehacktem Blei und rostigen Nägeln.

„Steuerbordgeschütze klar!“ brüllte Al Conroy.

Flammen loderten aus den Segeln beider Spanier. Die erste Höllenflasche detonierte mit dumpfem Krachen, und markerschütternde Schreie waren die Folge. Grimmig lachend schickte Ferris Tucker die nächsten Flaschenbomben auf die Reise. Detonation folgte auf Detonation. Auf den Decks beider Galeonen schrien Verwundete und Sterbende. Die anderen versuchten in panischer Eile, die vielen Brandherde an Deck zu löschen. Doch gegen die in den Segeln hochleckenden Flammen waren sie machtlos. Schon lief die erste Galeone aus dem Ruder.

„Volle Breitseite – Feuer!“ gellte Dan O’Flynns Stimme.

Wieder donnerten die Geschütze der „Isabella“, und die Serie der Treffer hämmerte mit furchtbarer Gewalt in den Leib der aus dem Ruder laufenden Galeone.

Auch der zweite Spanier brannte bereits lichterloh. Im Passieren wurde er mit einer weiteren Folge von Brandpfeilen und Höllenflaschen eingedeckt. Die Wuhling an Bord gestattete es den Dons nicht, auch nur an ihre Geschütze zu denken.

Seelenruhig ging Dan O’Flynn auf Gegenkurs, und gleich darauf krachte die Backbordbreitseite in die soeben passierte zweite Galeone. Unablässig gellten die Schreie. Immer noch sirrten die Brandpfeile, und Ferris Tucker fuhr erbarmungslos fort, die Flaschenbomben zu katapultieren.

Wieder und wieder hämmerten die Breitseiten der „Isabella“ in die waidwund geschossenen Gegner. Viel zu sehr waren die Spanier mit den Bränden beschäftigt, um auch nur ein einziges Geschütz im Gegenzug abzufeuern. Das Grauen hatte sie gepackt. Dieser Gegner war übermächtig. Eine unvorstellbare, ja teuflische Kraft mußte ihn beseelen.

Kommandos ertönten, schrill, von sich überschlagenden Stimmen. Boote, die noch intakt waren, wurden gefiert. Aus dem Flammenmeer heraus sprangen Männer über Bord. Bei einigen hatte die Kleidung Feuer gefangen, und das Wasser rettete sie. Die vordere Galeone hatte bereits beträchtliche Schlagseite. Doch die Frage, ob sie erst sinken oder zuvor durch die Explosion der Pulverkammer auseinanderfliegen würde, beschäftigte niemanden. Nur das nackte Leben zählte noch.

Dan O’Flynn erteilte Order, wieder auf Südostkurs zu gehen. Fast schwerfällig entfernte sich die „Isabella“ von dem blutrot erhellten Kreis, der die brennenden Galeonen umgab.

Vier Boote, überfüllt mit Spaniern, flüchteten nach Süden – dorthin, wo sie die kubanische Küste wußten.

Kurz darauf geschah es. Himmelhoch und grellrot stach das Explosionsfeuer nahezu gleichzeitig aus den beiden Galeonen. Ausläufer der Druckwelle waren selbst noch auf der „Isabella“ spürbar. Trümmer wirbelten hoch und senkten sich wie prasselnder Regen zurück auf das Wasser. Zischend und fauchend sanken die beiden Flammenherde in sich zusammen und wurden von der See verschlungen.

Erst nach und nach wurde es still. Mit dem Versiegen der blutroten Helligkeit kehrte die Dämmerung zurück.

Die Gesichter der Arwenacks waren so grau wie das letzte fahle Licht des zu Ende gehenden Tages.

Sie erwachten aus ihrer Raserei, versammelten sich stumm auf der Kuhl und blickten zu Dan O’Flynn auf, der regungslos auf dem Achterdeck stand. Sein Gesicht war wie aus Stein gemeißelt.

Der Kutscher war aus der Krankenkammer aufgetaucht und schob sich jetzt nach vorn.

„Sam ist versorgt“, sagte er leise. „Wir können nur noch hoffen, daß er es übersteht.“

„Und Ben?“ fragte Dan tonlos.

„Immer noch ohne Bewußtsein. Wir können jetzt mit der Versorgung der Leichtverletzten anfangen. Es nutzt schließlich alles nichts, irgend etwas müssen wir ja tun.“ In unendlicher Ratlosigkeit zog der Kutscher die Schultern hoch und ließ sie wieder fallen.

Dan blickte in die Gesichter der Männer. In ihren weit offenen Augen las er, wie sehr sie seine Gedanken nachempfanden. Er hatte das Kommando über die „Isabella“ übernommen, hatte es übernehmen müssen, und alle waren damit einverstanden. Und eben darum wußten sie, vor welcher schweren Entscheidung er stand.

Für Dan O’Flynn war es die schwerste Entscheidung seines Lebens.

Was, um Himmels willen, sollte er tun?

Die Frage schrie in seinem Inneren, bohrte und drängte und trieb ihn fast zur Verzweiflung.

Die See nach dem Seewolf absuchen? In der Dunkelheit, die jetzt sehr schnell hereinbrechen würde?

Oder dem Verband folgen? Die Zeit nutzen, um Großrah und Besanrute zu erneuern und neue Segel anzuschlagen?

Dan gab sich einen Ruck.

„Hört her“, sagte er gepreßt, „ich brauche nicht viel zu erklären. Ihr wißt, wie die Dinge stehen. Wir haben die Pflicht, nach unserem Kapitän zu suchen. Wir haben aber auch die Pflicht, für unsere Freunde und für die Schlangen-Insel zu kämpfen. Dabei geht es für uns alle um Sein oder Nichtsein, um unsere Existenz überhaupt. Und auch um das, was Hasard maßgeblich mit aufgebaut hat Versuchen wir, uns zu fragen, wie er an unserer Stelle entscheiden würde.“

Keiner der Männer brachte auf Anhieb eine Antwort hervor.

Dann, nach endlos scheinenden Minuten, war es Big Old Shane, der einen grausamen inneren Widerstreit bezwang. Tränen zogen ihre deutliche Bahn über sein Gesicht, das vom Ruß der Brandpfeile geschwärzt war.

„Vielleicht muß ich es sein, der die Antwort gibt“, sagte er mit heiserer Stimme. „Ich habe Hasard aufwachsen sehen, damals auf Arwenack in Cornwall. Ich kenne ihn, wie ein Vater seinen Sohn kennt. Ich weiß, wie er denkt, und ich weiß, wie er an unserer Stelle handeln würde.“ Shane holte tief Luft, wie in einer übermenschlichen Anstrengung. „Dan, du mußt Befehl geben, den Gegner weiter zu verfolgen.“

Dan O’Flynn nickte – langsam und fast widerwillig, als müsse er jedes einzelne Wort Silbe für Silbe in sich aufnehmen, um den grausamen Sinn zu begreifen.

„Gibt es Gegenstimmen?“ fragte er dann. Schwer wie Blei fielen die drei Worte in die Stille.

Niemand hob die Hand, keiner der Arwenacks sagte ein Wort. Und es gab keinen unter ihnen, den es nicht innerlich fast zerriß wie Big Old Shane. Mit gesenktem Kopf starrten sie auf die Planken.

In den Fäusten Ed Carberrys zerbrach ein Ladestock wie ein morscher Ast. Sein Gesicht zuckte, und seine Schultern bebten, als er sich abwandte.

Dan O’Flynns Stimme klang plötzlich hart und metallisch. „Klart auf und repariert die Gefechtsschäden!“ Er drehte sich um und gab Pete Ballie Order, Kurs Südost zu halten.

8.

Der Abendhimmel war sternenklar, und der Mond goß sein silbrigbleiches Licht über dem Karibischen Meer aus.

Jean Ribault und die Männer auf der „Le Vengeur“ hatten sich an die Situation gewöhnt. Die Kriegsgaleone und die Kriegskaravelle aus dem Havanna-Verband saßen ihnen ständig mit gleichbleibendem Abstand im Nacken. Von Zeit zu Zeit vergewisserte sich Ribault mit einem Blick nach achteraus, daß es den Dons nicht gelang, ihnen näher auf den Pelz zu rücken.

Es war eine Stunde vor Mitternacht, als Jonny seine Meldung aus dem Vormars brüllte.

„Feind in Sicht! Spanischer Verband voraus! Drei Galeonen und zwei Karavellen!“

Augenblicklich wurden die Männer an Deck hellwach. Ohnehin war es nur eine scheinbare Ruhe gewesen, in der sie vor sich hingebrütet hatten. Der Kanonendonner aus nordöstlicher Richtung war nicht zu überhören gewesen, sie hatten die beiden Verfolgerschiffe ständig vor Augen, und sie wußten, daß sich in dieser Nacht noch Entscheidendes abspielen würde. Gefechtsbereitschaft bestand seit der ersten Begegnung mit den Spaniern ohnehin. Die Stückpforten waren geöffnet, sämtliche Geschützrohre ausgerannt.

„Lausige Dons“, knurrte Piet Straaten, der am Ruder stand, „jetzt kriegt ihr Dampf unter dem Hintern, verlaßt euch drauf!“

„Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben“, sagte Jan Ranse tadelnd. Er folgte Jean Ribault, der bereits an die Backbordverschanzung des Achterdecks getreten war, um die See voraus mit dem Spektiv zu beobachten. Auch Jan zückte sein Spektiv. Das Licht von Mond und Sternen reichte aus, um ein passables Bild zu liefern.

Die Dons segelten unter Vollzeug. Ihre Hecklaternen waren kleine flackernde Punkte vor den verschwommenen Umrissen der gebauchten Segel. Offenbar hatten sie noch nicht erkannt, daß es achteraus von ihnen einen bissigen Floh gab, der im Begriff war, ihnen in den Pelz zu springen und sie kräftig zu zwacken.

„Die haben Matsch auf den Augen und Bohnen auf den Ohren“, sagte Jan Ranse überzeugt. „Kriegen die denn überhaupt nichts mit?“

„Man soll sich selbst nicht zu wichtig nehmen“, entgegnete der schlanke Franzose lächelnd. „Wahrscheinlich denken sie, daß sie es gar nicht nötig haben, uns zu beachten.“

Augenblicke später änderte sich die Lage – schneller als erwartet.

Achteraus krachte es dumpf, dreimal kurz hintereinander.

Jean Ribault und Jan Ranse wirbelten herum. Über der Verfolgergaleone stiegen drei hellgraue Rauchbälle auf und verflüchtigten sich im Abendhimmel.

„Böller“, sagte Ribault dumpf. „Gar nicht so dumm. Der Bursche hat seinen Verbandsführer gewarnt.“

Das Ergebnis sahen sie wenig später. Spektive waren nicht mehr nötig, denn aufgrund der hohen Fahrt der „Le Vengeur“ verringerte sich die Distanz sehr rasch.

Capitán Cubera ließ seine fünf Schiffe in Dwarslinie aufmarschieren. Gleich darauf bildeten sie einen Halbbogen nach Osten, wobei die beiden Flankenschiffe zurückhingen.

„Eine teuflische Falle“, sagte Jan Ranse grimmig.

Jean Ribault nickte. Diese Falle würde sich allerdings nur dann schließen, wenn man den Fehler beging, in den Halbbogen hineinzusegeln. Außerdem gab es da noch die beiden Verfolgerschiffe, die man in die Rechnung einbeziehen mußte.

Ribault lächelte hart. Nein, er würde ihnen nicht den Gefallen tun, in die tödliche Sichel hineinzustoßen. Denn zur Zeit war es mehr als ungewiß, ob und wann mit Verstärkung durch die „Isabella“ und die „Tortuga“ zu rechnen war.

Ohne zu zögern, gab Ribault seine Befehle. Die Männer an Deck gerieten in Aktion, und Piet Straaten legte Ruder. Hart luvte die „Le Vengeur“ an, und die beiden Verfolger gerieten ins Hintertreffen. Zwar zogen sie mit, liefen jedoch nicht die Höhe, die der schlanke Dreimaster schaffte. Schon jetzt mußte den Verfolgern klar sein, daß die Männer auf der „Le Vengeur“ vorhatten, sich die Galeone an der Luvflanke des Verbandes vorzunehmen.

Deutliche Anzeichen von Nervosität wurden auf eben jener Galeone erkennbar. Befehlsgebrüll wehte herüber, Wuhling entstand auf der Kuhl. Dann schien der Kommandant der Galeone zu glauben, ein Kunststück fertigbringen zu können. Mündungsblitze zuckten an Steuerbord auf, und der Geschützdonner rollte grollend über die Wasseroberfläche. Aber der Versuch der Dons, ihre Stücke schräg nach Steuerbord achteraus auszurichten, mißlang kläglich, denn die Geschütze waren nur für einen Beschuß nach querab praktikabel eingerichtet.

So gab es lediglich imposante Fontänen, die weit vor der „Le Vengeur“ emporrauschten. Die Crew des Franzosen quittierte es mit höhnischem Gelächter.

„Klar bei Steuerbordgeschützen!“ brüllte Jean Ribault.

Minuten später folgte der entscheidende Moment. Die „Le Vengeur“ kreuzte das Kielwasser der Galeone in knapp hundert Yards Entfernung. Wummernd entluden sich die Culverinen und jagten ihren Eisenhagel auf das Achterschiff des Gegners zu. Triumphgebrüll der „Vengeurs“ brandete im nächsten Augenblick auf.

„Volltreffer!“ schrie Pierre Puchan begeistert, riß sich seine Perücke vom Kopf und schlug sich damit auf die Oberschenkel, während er über die Decksplanken hüpfte.

Die Galeone hatte mehrere Treffer in die Ruderanlage empfangen und drehte sofort in den Wind.

Jean Ribault dachte nicht daran, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Reaktionsschnell änderte er seine ursprüngliche Absicht, verzichtete auf die Luvposition und ließ die „Le Vengeur“ abfallen. An Backbord waren die Geschützmannschaften einsatzbereit.

Die Galeone lag mit schlagenden Segeln im Wind, und hilflos sahen die Spanier das Verderben herannahen, denn ihre Steuerbordstücke hatten sie noch nicht nachgeladen. In blankem Entsetzen mußten sie erleben, wie der Gegner seinen blitzschnellen Gegenzug verwirklichte und ihnen im Vorbeisegeln die Backbordbreitseite in den Rumpf schmetterte.

Das Krachen der Einschläge veranlaßte die Männer der „Le Vengeur“ zu abermaligem Triumphgebrüll. Ein Treffer rasierte den Bugspriet glatt weg. Die Blinde hatten die Dons nicht gesetzt. Zwei mächtige Löcher klafften in der Steuerbordwasserlinie. Und dann gab es einen geradezu teuflischen Zufall, als eine Kugel das Schanzkleid durchschlug und in einen Stapel bereitgelegter Kartuschen raste.

Eine fast masthohe Stichflamme zischte aus dem Kartuschenstapel hoch. Entsetzensschreie gellten. Rasend schnell breiteten sich die Flammen aus und fraßen sich gierig ins Segeltuch. Als brennendes Wrack sackte die Galeone achteraus.

Doch mit dem Triumphgefühl der „Vengeurs“ war es im selben Atemzug vorbei, als der warnende Schrei des Ausgucks gellte.

„Schaluppen voraus!“

Jean Ribault zuckte zusammen. An die Einmaster hatte er nicht mehr gedacht. Und schlagartig wurde ihm klar, warum er sie zuvor nicht hatte sehen können. Cubera hatte sie dem Verband als Vorpostenstreifen vorausgeschickt, und jetzt waren sie umgekehrt – sechs Schaluppen, die sich wie ein Rudel blutrünstiger Wachhunde auf die „Le Vengeur“ stürzten.

Die ersten Drehbassenschüsse bellten schon aus hundert Yards Entfernung. Jean Ribaults Männern blieb keine Zeit, die Geschütze nachzuladen. Ein mörderischer Eisenhagel schwirrte über die Verschanzungen.

„Volle Deckung!“ brüllte Ribault, und es schmerzte ihn auf grausame Weise, keinen anderen Befehl geben zu können.

Im nächsten Moment waren sie schon heran. Die Schaluppen halsten oder wendeten und fielen über die „Le Vengeur“ her, als wollten sie sich buchstäblich in ihre Beute verbeißen. Die Drehbassen hämmerten in rasender Folge, Musketenschüsse stimmten blaffend mit ein.

Gehacktes Blei und großkalibrige Kugeln prasselten in die Verschanzungen und sirrten haarscharf über die Decks und durch Balustraden. Jean Ribault und seine Gefährten konnten es nicht einmal riskieren; auch nur das Gesicht von den Planken zu heben. In letzter Sekunde war Jonny aus dem Mars abgeentert. Ribault atmete auf, als er ihn bei den anderen auf der Kuhl sah.

Unvermittelt wurde das Feuer der Schaluppen stockend. Den Grund konnten die Männer an Bord der „Le Vengeur“ nicht erkennen.

„An die Drehbassen!“ brüllte Jean Ribault und sprang als erster auf. Geduckt hastete er auf den Steuerbord-Hinterlader des Achterdecks zu. Auf der Back waren Grand Couteau und Dave Trooper im selben Moment im Einsatz, und Jan Ranse übernahm die andere Drehbasse auf dem Achterdeck.

Es gelang ihnen, die Schaluppen auf Distanz zu treiben, doch der Verdacht keimte in ihnen auf, daß die Einmaster dies ein wenig zu bereitwillig mit sich geschehen ließen. Im nächsten Augenblick, als ihnen die Ursache klar wurde, sträubten sich den Männern auf der „Le Vengeur“ die Nackenhaare.

Die Verfolgerschiffe waren heran!

Wohlgeplant und beinahe in aller Ruhe hatten die Galeone und die Karavelle während des wütenden Überfalls der Schaluppen ihre Umklammerung vorbereiten können. Von Backbord und von Steuerbord achteraus rauschten sie jetzt heran, um den Gegner in den Würgegriff nehmen zu können.

Verzweifelt versuchten die „Vengeurs“ noch, ihre Geschütze nachzuladen. Aber ihre Hoffnung wurde im Ansatz erstickt. Noch einmal hämmerten die Drehbassen der Schaluppen, dann fielen die Einmaster ab, als die beiden großen Kriegsschiffe zur Stelle waren.

Grellrot blühten die Feuerblumen beiderseits der „Le Vengeur“ auf. Der Donner der Breitseiten packte den Dreimaster mit infernalischem Getöse, der Eisenhagel ließ den Rumpf des schlanken Schiffes erzittern, und gellende Schreie stachen durch das Inferno. Erste Flammen züngelten auf der Kuhl hoch. Jean Ribault robbte über die Planken des Achterdecks nach vorn. Und wenn es ihm gelang, auch nur ein einziges Geschütz abzufeuern – die Dons sollten wissen, daß sie es nicht mit einem hilflosen Gegner zu tun hatten!

Im Flammenschein sah er die Schatten seiner Männer. Verzweifelt versuchten sie, die Brandherde zu löschen. Es trieb Ribault einen furchtbaren Schmerz ins Innerste, als er sah, wie kurz nacheinander zwei Männer von Musketenkugeln niedergestreckt wurden.

Die Flammen breiteten sich weiter aus. Und in teuflischer Schnelligkeit schienen die Minuten verronnen zu sein. Denn noch bevor Ribault den Backbordniedergang erreicht hatte, krachten die nächsten Breitseiten der Spanier. Feuer und Rauch brandeten auf die „Le Vengeur“ zu, und diesmal war es, als würde der Schiffsleib von den Einschlägen regelrecht durchgeschüttelt. Splitter und Holzteile krachten auf die Decks. Schmerzensschreie von Verwundeten gellten, und die tödlich Getroffenen sanken in sich zusammen, ohne noch einen Laut von sich zu geben.

Ein Stück aus der Verschanzung schrammte über Jean Ribault hinweg, und Schmerz durchzuckte sein rechtes Bein. Fluchend zog er den Splitter heraus, der sich in seinen Oberschenkel gebohrt hatte.

Flammen waren jetzt überall. Es gab kein Segel mehr, das nicht vom Feuer erfaßt war, und auch auf den Decks breiteten sich die Brandherde immer weiter aus. Der Entschluß, den er fassen mußte, brachte Jean Ribault fast um den Verstand. Aber er hatte keine andere Wahl, wollte er das Leben der Männer retten, die noch halbwegs unversehrt waren.

„Fiert die Jolle ab!“ brüllte er gegen das Inferno an. „Alle Mann ins Beiboot!“

Sie alle empfanden den gleichen Schmerz wie ihr Kapitän. Aber sie wußten, daß es keine andere Möglichkeit gab. Eilends wurde die noch intakte große Jolle zu Wasser gelassen, während ein Teil der Crew die Decks nach Überlebenden absuchte. Jean Ribault und die meisten anderen retteten sich durch einen Sprung über Bord. Mit kraftvollen Zügen schwammen sie auf das Boot zu und wurden von den anderen hineingezogen. Erst jetzt bemerkten sie, daß die Dons von ihnen abgelassen hatten und ihrem Verband nachsegelten. Es war keine Erleichterung.

Mit aller Kraft pullten die Männer von ihrem brennenden Schiff weg. Und es trieb ihnen die Tränen in die Augen, als sie aus hundert Yards Entfernung miterleben mußten, wie eine riesige Stichflamme aus der „Le Vengeur“ zuckte. Im nächsten Moment wurde der Dreimaster von der Explosion der Pulverkammer in Stücke gerissen.

Die „Le Vengeur“ existierte nicht mehr.

Schweigend und mit einem Würgen in der Kehle sahen die Männer im Boot zu, wie der Feuerball der Detonation in sich zusammensank, wie die Trümmer herabregneten und es bald darauf völlig still wurde.

Jean Ribault blieb es nur noch, festzustellen, daß zwanzig seiner Männer überlebt hatten. All jene, mit denen er seit Jahren gemeinsam über die Weltmeere gesegelt war, befanden sich bei ihm in der Jolle. Aber zehn Männer hatten den Tod gefunden und ihr Leben für den Bund der Korsaren und für die Schlangen-Insel gelassen.

Dies wog ungleich schwerer als der Verlust der „Le Vengeur“. Denn ein Schiff ließ sich ersetzen.

Sie blieben, wo sie waren.

In den frühen Morgenstunden des 25. Juli rauschten die „Tortuga“ und die Schebecke mit ihren unverkennbaren rot-weißen Segeln heran.

Jean Ribault und seine Gefährten atmeten auf. Doch eine überschwengliche Begrüßung gab es nicht. Angesichts der niederschmetternden Geschehnisse der vergangenen Stunden hatten auch die Männer an Bord der beiden Dreimaster andere Dinge im Kopf, als in Wiedersehensfreude auszubrechen.

In aller Eile wurden die zwanzig Männer von der „Le Vengeur“ an Bord der „Tortuga“ übernommen, nachdem Ribault sich an Bord der Schebecke begeben hatte. Sofort nachdem Jerry Reeves auch die Jolle an Deck seiner Galeone hatte hieven lassen, wurde die Jagd auf den Verband fortgesetzt.

Don Juan berichtete, daß die Galeone, die die „Le Vengeur“ an der Backbordflanke des Verbandes erwischt hatte, gesunken war. Die Besatzung, so hatte man von der Schebecke und von der „Tortuga“ aus beobachtet, hatte sich in Booten abgesetzt.

Jean Ribault nickte gedankenverloren. Harte Furchen kerbten sein Gesicht, während er vorausblickte. Deutlich zeichneten sich die Schiffe des spanischen Verbandes vor der Kimm ab. Ribault dachte nicht einmal an die Kratzer, die er davongetragen hatte. Es war alles nebensächlich. Den Verlust der zehn Männer und den Verlust seines Schiffes würde er so schnell nicht verkraften. Nur die Rache konnte ihm vielleicht darüber hinweghelfen.

„Ich kann auch die schlechtere Nachricht nicht unerwähnt lassen“, sagte Don Juan nach einer kurzen Pause.

Jean Ribault wandte den Kopf ruckartig und blickte ihn erstaunt an. Jähe Besorgnis wallte brennend in ihm auf.

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