Kitabı oku: «Seewölfe Paket 21», sayfa 22
Der Unterführer straffte seine Haltung. Er begriff plötzlich. Dieser Capitán war ein Mann von absoluter Gerechtigkeit. Auch in der augenblicklichen Situation verhielt er sich so, wie es alle an Bord der „San José“ von ihm gewohnt waren. Niemals verurteilte er jemanden, ohne nicht schlüssige Beweise für eine Schuld zu haben.
Mit knappen Worten berichtete der Sargento, was sich nach dem Erscheinen des Proviantmeisters und des Gouverneurs auf der Kuhl des Flaggschiffs ereignet hatte. Dabei ließ er nicht unerwähnt, auf welche Art und Weise er und der Soldat dabei geholfen hatten, den Koloß de Quintanilla sicher ins Beiboot zu befördern.
„Da der Gouverneur sich an Bord frei bewegen durfte“, fügte der Sargento hinzu, „konnte ich natürlich nicht ahnen, daß …“
Cubera schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab.
„Diesen Umstand haben Sie nicht zu verantworten. Folglich brauchen Sie auch keine Wertung der Zusammenhänge vorzunehmen. Sie haben sich keinen Verhaltensfehler vorzuwerfen. Der Situation entsprechend konnten Sie nicht anders handeln, als Sie es getan haben. Was Sie betrifft, ist der Fall erledigt. Begeben Sie sich wieder auf Ihren Posten.“
Die beiden Männer starrten den Capitán einen Moment ungläubig an. Dann strahlten sie, salutierten und eilten erfreut hinaus:
Kurz nacheinander trafen die Kommandanten und Offiziere der übrigen Schiffe ein. Stumm und mit knappen Handbewegungen forderte Cubera sie auf, am Tisch Platz zu nehmen. Schließlich, als die Besprechungsrunde vollzählig war, setzte er sich selbst an das Kopfende.
Auf Cuberas Handzeichen hin schilderte der Erste Offizier der „San José“, was sich abgespielt hatte. Die Zuhörer zeigten deutliche Betroffenheit.
„Der Tatbestand der Fahnenflucht ist eindeutig erfüllt“, sagte Cubera rauh. „Und ich denke nicht daran, mich damit ohne weiteres abzufinden – aus verschiedenen Gründen, die ich Ihnen jetzt darlegen werde, Señores.“ Er legte eine Pause ein und blickte in die Runde, wie, um sich der Aufmerksamkeit seiner Offizierskollegen zu vergewissern.
„Ich denke, de Quintanilla stand unter Arrest“, sagte der Kapitän der zweiten Galeone verwundert. „Hat er etwa seinen Bewacher überwältigen können? Ich kann mir nicht vorstellen, daß ausgerechnet de Quintanilla zu so etwas fähig ist.“
„Dazu nicht“, antwortete Cubera, „aber zu anderen Hinterlisten jeglicher Art. Ich persönlich habe zu verantworten, daß der Gouverneur sich frei bewegen konnte. Es war eine Fehlentscheidung von mir, daran gibt es nichts zu deuteln. Ich habe seine Motive für rechtschaffen gehalten. Aber die Hilfsbereitschaft, die er vorgegaukelt hat, war nichts als Mittel zum Zweck.“
„Also hat er seine Flucht von vornherein geplant.“
„So ist es. Eine andere Erklärung gibt es nicht.“ Cubera faltete die Hände auf dem Tisch. „Rekapitulieren wir: Don Antonio wußte natürlich, daß ich ihn sofort nach unserer Rückkehr nach Havanna vor ein Gericht gestellt hätte – wegen Anstiftung zum Mord. Ich nehme an, die diesbezüglichen Ereignisse brauche ich nicht noch einmal in Erinnerung zu rufen. An Bord der ‚San José‘ war der Gouverneur jedenfalls restlos entmachtet. Das muß der entscheidende Umstand gewesen sein, der ihn nicht ruhen ließ. Eines weiß er nämlich genau: Wenn ihm die Flucht gelingt und er vor dem Verband nach Havanna zurückkehrt, dann wird es praktisch ausgeschlossen sein, ihn noch vor ein Gericht zu bringen.“
„Natürlich!“ rief der Kapitän der Karavelle erbost. „In Havanna kann er wieder seine Machtvollkommenheit ausspielen.“
„Und sie mißbrauchen“, fügte sein Nebenmann, der Erste Offizier der Karavelle, hinzu.
Capitán Cubera lächelte grimmig.
„Was diesen Punkt betrifft, wissen wir also, was uns bevorsteht, wenn de Quintanilla ungeschoren davonkommt. Er würde sogar irgendwelche fadenscheinigen Gründe finden, um unseren Verband einfach im Hafen von Havanna zusammenschießen zu lassen. Oder er würde die Speichellecker seiner Miliz einsetzen, um mich verhaften zu lassen.“
„Dann müßte er uns alle gleich mitverhaften!“ Der Kapitän der Galeone hieb zornig mit der Faust auf den Tisch.
Cubera lächelte und hob beschwichtigend die Rechte.
„So weit ist es noch nicht. Wenn Don Antonios Flucht aber gelingt, wird er selbst bestens gesichert in seiner Residenz sitzen und sein Ränkespiel betreiben. Leider können wir vor den Tatsachen nicht die Augen verschließen. Wir müssen uns darüber im klaren sein, wie gefährlich dieser Mann ist, der in Havanna auf dem Gouverneursposten thront und sich dabei offenbar mehr dünkt als Seine Majestät in Spanien.“ Cubera unterbrach sich und blickte jeden einzelnen der Männer an, ehe er fortfuhr. „Wir kennen uns lange genug, Señores. Jeder von uns weiß, wie er den anderen einzuschätzen hat. Deshalb habe ich auch keinen Grund, meine Meinung zu verhehlen. Abgesehen von der Gefahr, die de Quintanilla für mich persönlich bedeutet, ist er als Gouverneur auch eine Gefahr für Spanien und die Krone. Das heißt, er muß unter allen Umständen wieder festgesetzt werden.“
Die Teilnehmer der Besprechungsrunde nickten zustimmend.
„Ich glaube, ich kann für alle sprechen“, sagte der Kapitän der Galeone, „wir sind alle dieser Meinung. Also sollten wir sofort die erforderlichen Schritte in die Wege leiten. Oder gibt es eine Gegenstimme?“
Die Männer schüttelten die Köpfe.
„Also gut“, sagte Cubera mit dankbarem Lächeln. „Bleibt nur die Frage, wie wir mit unseren lädierten Schiffen eine Verfolgung bewerkstelligen sollen.“
Der Kapitän der Karavelle meldete sich mit einer entschlossenen Handbewegung zu Wort.
„Mein Schiff hat die geringsten Gefechtsschäden erhalten“, sagte er. „Ich glaube, dem kann niemand widersprechen. Abgesehen von einigen Restarbeiten ist die Karavelle durchaus seeklar. Ich schlage daher vor, daß ich mit meinen Männern die Verfolgung aufnehme.“
„Einverstanden“, erwiderte Cubera ohne Zögern.
Auch über die Frage des Kurses waren sich die Männer nach kurzer Besprechung einig. Sie waren überzeugt, daß Don Antonio de Quintanilla nach Westen segelte, um Havanna so schnell wie möglich zu erreichen.
Eineinhalb Stunden nach Mitternacht lief die Karavelle aus der Bucht von Grand Turk aus und ging vereinbarungsgemäß auf Kurs West in Richtung Havanna.
Weder Cubera noch einer seiner Offizierskollegen ahnten, wie schadenfroh Don Antonio gegrinst hätte, wenn er vom Kurs der Verfolger gewußt hätte.
8.
Die Stunden verrannen in quälender Monotonie.
Für Old Donegal Daniel O’Flynn und die Männer an Bord der „Empress“ wurde die vermeintliche Verfolgungsjagd mehr und mehr zu einer nervlichen Belastungsprobe. Die Nacht näherte sich ihrem Ende. In spätestens ein oder auch eineinhalb Stunden würde das Morgengrauen heraufkriechen. Dabei war es jetzt schon so gut wie aussichtslos, daß man das Wild noch stellen würde.
Weder der alte O’Flynn noch die anderen hatten bislang auch nur ein Auge zugetan. Lediglich die Zwillinge hatten von Old Donegal Order erhalten, sich gefälligst in ihre Kojen zu verholen. Ob die Söhne des Seewolfs allerdings wirklich schliefen, ließ sich nicht kontrollieren. Auf dem Achterdeck des kleinen Dreimasters gab es ohnehin andere Sorgen, mit denen man sich zu beschäftigen hatte.
„Geben wir uns keinen Illusionen hin“, sagte Dan O’Flynn resignierend. „Der sehr ehrenwerte Don Antonio und seine Komplicen sind uns durch die Lappen gegangen.“
„So sieht es leider aus“, sagte Jean Ribault seufzend, „eine schöne Bescherung.“
Don Juan de Alcazar blies die Luft durch die Nase.
„Wir müssen uns damit abfinden. Es hat keinen Sinn, weiter auf Westkurs zu segeln und die See nach Luv und nach Lee abzusuchen. Wenn wir die Schaluppe bis jetzt nicht aufgestöbert haben, werden wir sie auch nicht mehr aufstöbern. Das ist leider die traurige Tatsache. Wie gesagt, ich habe es schon nach der ersten halben Stunde befürchtet.“
Old Donegal stieß einen wütenden Knurrlaut aus.
„Dann hat uns dieser Fettsack aus Havanna tatsächlich angeschmiert. Man könnte sich selbst in den Hintern treten.“
„Es gibt nur zwei Möglichkeiten“, sagte Don Juan, „entweder ist die Schaluppe auf Nordwestkurs gegangen, oder sie hat die Windward-Passage angesteuert. In beiden Fällen hat sie sich immer weiter von uns entfernt, je länger wir den Westkurs gehalten haben.“
„Also kein Wunder, daß wir sie nicht gefunden haben“, sagte Dan O’Flynn erbittert.
„Dann wird die Jagd abgebrochen“, sagte Jean Ribault. „Was wir tun, ist reine Zeitverschwendung. Mein Vorschlag: Wir kehren nach Grand Turk zurück und kümmern uns wieder um unsere eigentliche Aufgabe.“
„Jemand dagegen?“ fragte der alte O’Flynn. Da dies nicht der Fall war, gab er Order, auf Gegenkurs zu gehen.
Nach einer eleganten Halse legte Martin Correa die „Empress“ auf Ostkurs. Beim Wind, über Steuerbordbug segelnd, lief der schlanke Dreimaster sehr bald wieder rauschende Fahrt.
Als Vorbote des Morgengrauens zog sehr bald Frühnebel auf. Breit und dickleibig lasteten die Schwaden auf der Wasseroberfläche und erschwerten die Sicht.
Zur Sicherheit begab sich Dan O’Flynn als Ausguck auf das Vorschiff. Hoch aufgerichtet harrte er im Bugraum der „Empress“ aus. Die Nebelschwaden waren von unterschiedlicher Dichte und dehnten sich zumindest teilweise zu Tiefnebel aus, der die Höhe des Bugs der „Empress“ nicht überschritt. Von Zeit zu Zeit gab es dann jedoch wieder hoch aufragende Nebelbänke, die den Dreimaster vorübergehend verschlangen.
Eine Stunde war seit der Umkehr der „Empress“ vergangen, und der Himmel hatte sich bereits in ein helles Grau verfärbt.
Unvermittelt rüttelte die warnende Stimme Dan O’Flynns die Männer an Bord aus ihrer Nachdenklichkeit auf.
„Mastspitzen Steuerbord voraus!“
Schlagartig war es mit der Ruhe vorbei. Wenn Dans Meldung stimmte, dann hatte er wieder einmal eine Meisterleistung vollbracht – angesichts der Milchsuppe, die sich immer mehr verdichtete.
Jean Ribault, Don Juan und Old Donegal griffen zu den Spektiven und suchten die See ab, soweit es die Nebelschwaden erlaubten.
Auf dem Hauptdeck fackelten Matt Davies, Nils Larsen und Sven Nyberg nicht lange. Unverzüglich begannen sie mit dem Laden der Drehbassen, die sowohl an Backbord als auch an Steuerbord in den schwenkbaren Lafetten ruhten.
Sekunden später erkannten die Männer auf dem Achterdeck, daß sich Dan O’Flynn mit seiner Beobachtung nicht getäuscht hatte.
„Eine Kriegskaravelle“, sagte Don Juan verblüfft.
„Und eine spanische dazu“, sagte Old Donegal.
Jean Ribaults Hände verkrampften sich um das Spektiv. Harte Furchen entstanden in seinen Mundwinkeln. Noch drang kein Laut über seine Lippen. Aber der Ausdruck seines Gesichts war voll düsterer Ahnung.
Unvermittelt schob sich eine Nebelwand vor die „Empress“. Für zermürbend lange Minuten war den Männern die Sicht verwehrt. Dann jedoch gab es eine Art Gasse zwischen den Nebelschwaden, und sekundenlang hatten Jean Ribault und die anderen nahezu völlig freie Sicht auf das fremde Schiff, das sich deutlich vor der östlichen Kimm abzeichnete.
Jean Ribault stieß einen leisen Fluch aus.
„Kein Zweifel“, sagte er gepreßt, „das ist einer von den Spaniern, die meine ‚Vengeur‘ zusammengeschossen und versenkt haben.“ Er brauchte keine weitere Erklärung abzugeben. Seine Gefährten wußten längst, was sich seinerzeit bei der Verfolgung des spanischen Kampfverbandes auf dem Kurs in Richtung Schlangen-Insel abgespielt hatte. Die „Le Vengeur“ war beim Angriff auf die äußerste Flanke des Verbandes überraschend von den sechs Schaluppen Cuberas gestellt und festgenagelt worden.
Jene Karavelle, die jetzt aus Osten herannahte, hatte gemeinsam mit einer Kriegsgaleone die „Le Vengeur“ in Stücke geschossen. Zehn Männer aus der Crew des Franzosen hatten dabei ihr Leben gelassen. Jean Ribault und die zwanzig Überlebenden hatten sich in die Boote gerettet. Verzweifelt und in ohnmächtigem Zorn hatten sie mit ansehen müssen, wie ihr Schiff gesunken war.
Nebelbänke schoben sich wieder zwischen die spanische Karavelle und die „Empress“.
Old Donegal hatte sich das Spektiv unter den linken Arm geklemmt. Mit der linken Faust hieb er sich in die rechte Handfläche.
„Das wäre ein schmackhafter Brocken für uns“, sagte er grollend. „Wenn ihr mich fragt: auf ihn!“
„Nichts dagegen einzuwenden“, sagte Jean Ribault grimmig, „man muß die Feste feiern, wie sie fallen.“
Don Juan und Dan O’Flynn, der mittlerweile auf das Achterdeck zurückgekehrt war, stimmten zu.
„Wahrscheinlich haben uns die Burschen auf der Karavelle noch nicht einmal bemerkt“, sagte Dan. „Schließlich sind wir kleiner und unscheinbarer als so ein großer Eimer.“
„Aber auch kleine Hunde können beißen“, sagte Old Donegal kampfeslustig. Dann wandte er sich nach vorn und erhob seine Stimme zum Donnerton. „Schiff klar zum Gefecht!“
Dan, Don Juan und Jean Ribault packten selbst mit zu und unterstützten die Männer auf dem Hauptdeck. Daß sie sich auf den alten O’Flynn und Martin Correa verlassen konnten, war gewiß. Die beiden waren ein hervorragend aufeinander eingespieltes Gespann. Sie würden es verstehen, mit der „Empress“ blitzschnell und völlig überraschend auf den Gegner loszustürzen.
Inzwischen waren sämtliche Drehbassen geladen worden, einschließlich der Hinterlader auf dem Achterdeck und auf dem Vorschiff. Zusätzlich legten die Männer ein ausreichendes Sortiment an Pulverflaschen bereit – bewährtes Mittel, um jedem Gegner kräftig zuzusetzen.
Abermals rissen die Nebelschwaden auf – nur für einen winzigen Moment. Die kurze Zeitspanne reichte jedoch aus, um erkennen zu lassen, daß die Karavelle auf Kurs geblieben war. Indessen ließ sich die andere, drängendere Frage nicht beantworten, ob der Gegner seinerseits die „Empress“ gesichtet hatte.
Im nächsten Augenblick hatte sich die Milchsuppe wieder geschlossen.
Ohne zu zögern, stieß der alte O’Flynn mitten in die Nebelbank hinein, die jetzt noch zwischen der „Empress“ und der Kriegskaravelle lag. Nach knappen und präzisen Anweisungen von Old Donegal hielt Martin Correa stur den Kurs. Das Augenmaß des Alten, soviel wußten die Männer an Bord, war geradezu phänomenal.
Unter Vollzeug rauschte die „Empress“ durch das undurchdringlich scheinende milchige Grau.
Bei einer Kollision mit der Karavelle, das stand fest, würde der kleine Dreimaster zweifellos den kürzeren ziehen.
Aber die Männer, die sich mit angespannten Sinnen an den Drehbassen postiert hatten, verscheuchten alle besorgniserregenden Gedanken aus ihrem Bewußtsein.
Dan O’Flynn hatte sich bereits eine ausreichende Zahl von Flaschenbomben zurechtgelegt.
Jean Ribault, Don Juan, Nils Larsen und Sven Nyberg standen geduckt hinter den Drehbassen an Steuerbord.
Matt Davies hatte sich an dem achteren Hinterlader aufgebaut.
Atemlos verharrten die Männer.
Nur das Rauschen der Fluten und das Singen des Windes im Takelwerk waren zu hören.
Jäh verdunkelte sich das milchige Grau vor ihnen.
Aus dem unbestimmten Schatten entstanden Konturen.
Die Umrisse der Kriegskaravelle!
Old Donegal stieß einen triumphierenden Knurrlaut aus. Sein Kurs stimmte haargenau, und jetzt stand auch fest, daß die Dons den unscheinbaren Gegner überhaupt nicht bemerkt hatten.
Auf Befehl des alten O’Flynn luvte Martin Correa an.
Sekunden später war es soweit.
Mit einer Entfernung von kaum sechs Yards von Bord zu Bord glitt die „Empress“ auf die Karavelle zu.
„Feuer frei!“ brüllte Old Donegal.
Die Männer an Steuerbord stießen die glimmenden Lunten in die Zündlöcher.
Schwarz und drohend ragte die Luvseite der Kriegskaravelle vor ihnen auf. Die großen Segel verschwammen im Grau des Nebels. Erschrockene Rufe waren von Bord des Spaniers zu vernehmen. Hastige Befehle wurden gebrüllt.
Sinnlos, jetzt noch.
Wummernd entluden sich die Rohre der Drehbassen und hämmerten ihre Ladungen auf die unglaublich kurze Distanz in den Leib der Karavelle.
Das Bersten und Splittern von Holz klang so unmittelbar und schmetternd, daß es den Männern auf der „Empress“ durch Mark und Bein ging.
Und im Passieren schleuderte Dan O’Flynn mit geradezu elegantem Schwung seine Pulverflaschen. Zielgenau landeten die Flaschen auf den Decks der Karavelle.
Die Serie der Detonationen brachte die Spanier vollends in Verwirrung. Schreie gellten, als die Splitter aus den Höllenflaschen durch die Gegend sirrten.
Das noch höher aufragende Achterschiff der Karavelle wurde erkennbar.
„Matt!“ brüllte Old Donegal. „Jetzt bist du dran!“
„Aye, aye, Sir!“ brüllte Matt zurück und duckte sich ein Stück tiefer hinter die Drehbasse.
Kaum hatten sie das Heck der Karavelle passiert, ließ der alte O’Flynn abfallen.
Matt Davies reagierte blitzschnell, zündete und jagte die Ladung in die Ruderanlage des Spaniers.
Das ohrenbetäubende Krachen des Treffers ließ die Trommelfelle der Männer auf der „Empress“ schmerzen.
Mit hoher Fahrt entfernte sich der kleine Dreimaster nach Südost. Keine Chance mehr für die Dons, ihre achteren Drehbassen noch einzusetzen.
Ohnehin war die Verwirrung an Bord der Karavelle grenzenlos. Dem Geschrei nach zu urteilen, mußte buchstäblich die Hölle los sein.
Für den alten O’Flynn gab es nicht viel zu überlegen. Sein Kommando erfolgte ohne Zeitverlust.
Martin Correa luvte an, wendete, und die „Empress“ jagte von neuem auf das Achterschiff der Karavelle zu.
Jean Ribault und die anderen standen wieder an den feuerbereiten Drehbassen an Backbord.
Der Spanier lief bereits aus dem Ruder.
Rechtzeitig erkannte Jean Ribault die Gestalten, die über der Heckbalustrade auftauchten. Und im frühen Morgenlicht schimmerten die Bronzerohre der Drehbassen.
Mit einem grimmigen Schrei jagte Ribault die Ladung seiner Drehbasse schräg nach oben.
Im selben Moment brüllten die übrigen Hinterlader der „Empress“. Matt Davies hatte sich zur Verstärkung ebenfalls an Backbord postiert.
Während die Ladungen als Volltreffer in die Ruderanlage krachten, war das Achterdeck der Karavelle von Jean Ribaults Drehbassenschuß schon leergefegt. Dan O’Flynn tat ein übriges, indem er seine Flaschenbomben so hoch wie möglich schleuderte und auch tatsächlich Erfolg hatte.
Zwei Höllenflaschen detonierten kurz nacheinander auf dem Achterdeck, eine dritte landete auf der Heckgalerie. Die Explosion zerriß alle Bleiglasfenster mit dem Schlag einer Gigantenfaust.
Abermals rauschte die „Empress“ auf Distanz, und die Männer an Bord waren fieberhaft mit dem Nachladen der Steuerborddrehbassen beschäftigt.
Triumphierend stellten sie fest, daß Jean Ribault und Dan O’Flynn die Heckdrehbassen des Gegners ausgeschaltet hatten. Von dort drohte keine Gefahr mehr.
Dank der Manövrierunfähigkeit des Spaniers konnten sich Old Donegal und seine Gefährten nun systematisch das Heck vornehmen.
Nach unablässigem Wenden und Halsen jagten sie eine Drehbassenbreitseite nach der anderen in das Achterschiff, das sich mehr und mehr in einen Trümmerhaufen verwandelte.
Nach einer knappen Stunde gab es an dem Werk nichts mehr zu vollenden.
Die Spanier waren bereits in die Boote gegangen und pullten in panischer Hast davon. Sie hatten begriffen, daß sie gegen diesen Gegner mit seiner unheimlichen Wendigkeit buchstäblich nichts mehr ausrichten konnten. Denn dieser unheimliche Gegner vermied es geschickt, sich den Breitseiten der Karavelle zu präsentieren. Die schweren Geschütze waren nicht einzusetzen und auf geradezu lächerliche Weise nutzlos geworden.
Die vollbesetzten Boote der Dons waren etwa hundert Yards von der Karavelle entfernt, als diese über den zertrümmerten Achtersteven in die Tiefe rauschte.
Donnernd hallte der Kampfruf der „Empress“-Crew durch den Nebel.
„Ar – we – nack! Ar – we – nack!“
Dann nahmen sie wieder Kurs auf Grand Turk. Jetzt bestand der Kampfverband Don Garcia Cuberas nur noch aus zwei Kriegsgaleonen …
ENDE