Kitabı oku: «Theorie U - Von der Zukunft her führen», sayfa 10
Das Gespräch mit Francisco Varela über den blinden Fleck in den Kognitionswissenschaften
Im Anschluss an das Gespräch mit Brian Arthur zeigte ich verschiedenen Gesprächspartnern die Zeichnung mit den drei Bewegungen durch das U. Über dieses Muster »Hinschauen – gehe zum inneren Ort der Stille – und handele unmittelbar aus dem so entstehenden Impuls« sagten mir viele Menschen: »Das kommt mir bekannt vor. Ich habe das bei kreativen Menschen beobachtet. Ich habe das auch in kreativen Momenten meines eigenen Lebens gesehen.« Aber dann, wenn ich sie fragte: »Okay, und wie sehen deine Arbeit und dein Leben in deinem gegenwärtigen Kontext und deiner gegenwärtigen Organisation aus?«, lautete die Antwort: »Nein, da ist es anders. Da ist es eher so wie dieses Runterladen.« Viele Menschen kennen diesen tieferen Ort der Kreativität, doch in unserer täglichen Arbeit, vor allem im Kontext größerer Institutionen, scheint es uns unmöglich, daran anzuknüpfen. Wir bleiben in unseren alten Mustern des Runterladens verfangen. Warum?
Weil wir ein genaueres Bild dieses Prozesses brauchen, mehr als nur diese drei Stufen (Abb. 2.3). Wir brauchen eine Karte, die uns die Schwellen und Stolpersteine zeigt, wo der Prozess des »Hinschauen, hinschauen« gegen die Wand läuft. Mit diesen Gedanken im Gepäck reiste ich nach Paris, um den Kognitionsforscher Francisco Varela zu interviewen. Zu dieser Zeit arbeitete ich an einem Forschungsprojekt, das von Michael Jung, damals einer der Direktoren von McKinsey & Company, gesponsert wurde. Als ich Varela 1996 das erste Mal getroffen hatte, hatte er von dem blinden Fleck in der Kognitionsforschung gesprochen:
»Was die Qualität von Erfahrung betrifft, so gibt es einen nicht weiter reduzierbaren Kern, dessen Erforschung einer Methode bedarf. Das Problem ist nicht, dass wir zu wenig über das Gehirn und die Biologie wissen. Das Problem liegt darin, dass wir nicht genug über Erfahrung wissen. […] Wir haben im Westen einen blinden Fleck für diese Art des methodischen Ansatzes. Alle meinen, über die Erfahrung genau Bescheid zu wissen. Ich behaupte, dass wir darüber nicht genug wissen.«
Als ich im Januar des Jahres 2000 wieder in seinem Büro saß, war mir nicht bewusst, dass dies unser letztes Treffen sein würde. Ich glaube, dass Francisco Varela einer der bedeutendsten und vielversprechendsten Kognitionsforscher unserer Zeit war – er starb 2001. Ich berichtete ihm, sein Konzept des blinden Flecks sei bei vielen Lesern auf Resonanz gestoßen, und fragte ihn, ob er sich weiter mit diesem Thema befasst habe. Es habe seither im Mittelpunkt seiner Forschungen gestanden, antwortete er. Er erklärte, seine jüngste Arbeit sei der Frage gefolgt, die er in unserem ersten Gespräch angesprochen hatte: wie wir uns unserer Erfahrung bewusst werden. Um dies zu erforschen, hatte er drei Ansätze identifiziert, die sich auf diese Thematik beziehen: psychologische Introspektion, Phänomenologie und kontemplative Praktiken wie Meditation.
»Was haben alle drei gemeinsam? Was war die Grundlage dafür, dass die deutschen Denker in den 1880er Jahren ihre kreative Art der Introspektion betreiben konnten oder die Erben des Buddha Shakyamuni im 5. oder 4. Jahrhundert v. Chr. die Techniken des Samatha schaffen konnten oder jemand wie Husserl eine ganz neue Denkschule der Phänomenologie hervorbrachte? Was haben diese Prozesse hinsichtlich menschlicher Erfahrung gemeinsam? Was liegt ihnen zugrunde? Es geht darum, wie man achtsam und aufmerksam werden kann.«
Drei Jahre lang hatte Varela an dem posthum erschienenen Buch namens On Becoming Aware (Aufmerksam werden; Depraz, Varela a. Vermersch 2003) gearbeitet. Er stellte darin die Frage: »Kann dieser Kernprozess als Fähigkeit kultiviert werden?« Wenn diese drei Traditionen als Praktiken betrachtet werden, so erklärte er mir, muss man als Erstes die – in Ermangelung eines besseren Begriffs – reine Erste-Person-Perspektive unterscheiden von dem, was das Individuum an der Schnittstelle zwischen der ersten und der zweiten Person tut. Was die erste Person betrifft, so lässt sich dieser Prozess besser mit drei Gesten des Aufmerksamwerdens beschreiben. Diese drei Gesten sind:
1) innehalten (»suspension«),
2) umwenden (»redirection«) und
3) loslassen (»letting-go«).
Drei Gesten auf der linken Seite des U
Varela beschrieb diesen Prozess mit den drei Gesten als etwas, was jeder kennt:
»Aber ebenso wie ein Läufer trainieren muss, um ein Marathonläufer zu werden, braucht ein Verstehen und ein Meistern dieses Prozesses Zeit und Coaching.«
Wir fuhren fort, diese drei Gesten zu besprechen. Varela erklärte:
»Mit Innehalten meine ich das Beenden von Gewohnheitsmustern. In der buddhistischen Meditation platzierst du deinen Hintern auf ein Kissen und bleibst auf einer Ebene oberhalb deiner gewöhnlichen Beschäftigung. Du schaust aus einer eher überblickenden Perspektive.«
Wir diskutierten weiter und überlegten, wie viele Menschen, die sitzend meditieren, behaupten, dass nichts passiere. Warum?
»Sinn und Zweck der ganzen Sache ist, dass du es nach dem Innehalten erträgst, dass nichts passiert. Innehalten ist eine eigenartige Sache. Dabei zu bleiben, dranzubleiben ist wirklich der entscheidende Punkt, um den es geht.«
Dann erläuterte er seine zweite und dritte Geste: umwenden und loslassen. Beim Umwenden (»redirection«) geht es darum, die Aufmerksamkeit von einem »Äußeren« zu einem »Inneren« umzulenken, sodass die Aufmerksamkeit hin zum Ursprungsort der inneren Prozesse geleitet wird und nicht zum Objekt hin. Die dritte Geste, das Loslassen, muss mit Feingefühl erfolgen, betonte Varela. Im Buch On Becoming Aware (Depraz, Varela a. Vermersch 2003) wird die dritte Geste mit »unsere Erfahrung akzeptieren« umschrieben.
Als ich aus Varelas Büro trat, wusste ich, dass ich beschenkt worden war. Häufig hatte ich bei der Moderation von Prozessen mit Teams oder in Workshops gesehen, dass Wendepunkte notwendig waren, wollte man zu einem tieferen Punkt der Kreativität kommen. In meiner Erfahrung ist dazu ein erster Schritt, mitgebrachte Urteile zu durchbrechen, damit die Teilnehmenden die Realität – und das schließt manchmal die einfachsten Zahlen und Fakten ein – überhaupt wahrnehmen können. Ein weiterer Schritt besteht darin, als Gruppe die Aufmerksamkeit von Einzelperspektiven weg und hin zum Ganzen zu wenden, damit das System aus einer Perspektive betrachtet werden kann, aus der die eigenen Handlungen als Teil des Ganzen wahrgenommen werden können. Dann fangen die Menschen an, sich selbst als Teil des Problems zu sehen; sie fangen an zu erkennen, wie sie gemeinsam ein Muster erschaffen, das anfangs allein durch äußere Kräfte verursacht schien.
Wenn ein Prozess gut läuft, dann ist ein Punkt erreicht, an dem gemeinsam zu einem tieferen Ort der Stille gegangen werden kann. An diesem Punkt kann das Alte losgelassen werden, es kann nach der zukünftigen Möglichkeit gefragt und eine Verbindung zur höheren Intention hergestellt werden. Als ich meine Arbeitserfahrungen mit den Erkenntnissen aus den Gesprächen mit Brian Arthur und Francisco Varela zusammenbrachte, konnte ich diese Umbruchpunkte in das »U« einzeichnen (Abb. 2.4).
Abb. 2.4: Der Öffnungsprozess des U
Aber ich hatte noch Fragen. Wenn der Weg auf der linken Seite des »U« Varelas Kernprozess des Aufmerksamwerdens veranschaulicht, was erwartet uns dann auf der rechten Seite des »U«? Es schien mir so, als ob alle Aufmerksamkeit nur auf den »Öffnungsprozess«, auf die linke Seite des U, aber wenig oder gar keine Aufmerksamkeit auf das Drama des gemeinsamen Handelns gerichtet ist, das auf der rechten Seite beschrieben ist. Diese rechte Seite beschreibt eine ganz andere Dimension eines kollektiven kreativen Prozesses, die etwas mit der Absicht zu tun hat, das Neue oder die zukünftige Möglichkeit Wirklichkeit werden zu lassen. Wie kommt das Neue in die Welt?
Das innere Terrain der Führung
Erkundung der rechten Seite des »U«
Der Prozess entlang der linken Seite des »U« bis zum tiefsten Punkt führt durch die Erkenntnisräume des Runterladens (Downloading), Hinschauens (Seeing), Hinspürens (Sensing) bis zum tiefsten Punkt des Anwesendwerdens (Presencing). Damit man zu diesen tiefer liegenden Erkenntnisräumen gelangt, müssen die Schwellen überquert werden, die Varela in seiner Arbeit identifiziert hat:
1) das Innehalten (suspension),
2) das Umwenden (redirection) und
3) das Loslassen (letting-go).
In meiner Arbeit wurde mir deutlich, dass der Weg aus dem U hinaus in das Handeln genauso verläuft wie der Weg in das U hinein, außer dass man die Schwellen in entgegengesetzter Richtung überschreitet (Abb. 2.5):
•Die Schwelle des Loslassens (auf dem Weg hinunter) wird zu einer Schwelle des Kommenlassens (auf dem Weg hinauf). Das Kommenlassen führt zu einem Moment, an dem die am tiefsten Punkt des U-Prozesses entstandene Intention und Vision sich jeweils verdichten können.
•Die Schwelle des Umwendens, d. h. die Wendung nach innen (auf dem Weg hinunter), wird zu einer Schwelle des Hervorbringens, d. h. der Wendung nach außen in der Erprobung konkreter Prototypen (auf dem Weg hinauf). Darüber wird später im Buch ausführlich gesprochen.
•Die Schwelle des Innehaltens verwandelt sich über das Innehalten bezüglich Gewohnheiten und Routinen (auf dem Weg nach unten) in die Schwelle des Verkörperns (auf dem Weg nach oben). Verkörpern ist die Schwelle, an der das Neue mittels Handlungen, Infrastrukturen und Praxis seine Form bekommt.
In all diesen Fällen wird also dieselbe Schwelle erneut überquert, nur von der anderen Seite her.
Abb. 2.5: Das komplette U: sechs Umschlagpunkte
In meiner Arbeit habe ich oft beobachtet, wie Gruppen sich über diese Schwellen bewegen (Abb. 2.5). Kommt es zu einem derart tiefen Innovations- und Veränderungsprozess, zeigt sich, dass die Gruppe irgendeine Variante der im Folgenden beschriebenen subtilen Veränderungen des sozialen Feldes durchläuft:
•Runterladen: Am Anfang führt ein Funke des Gewahrwerdens dazu, dass wir uns über eine Fortsetzung des Runterladens – über die Reinszenierung von Mustern der Vergangenheit – hinausbewegen. Bei einer Wahrnehmung aus dem Blickwinkel des Runterladens sehen wir die Welt mit den Augen (und den Beschränkungen) des gewohnheitsmäßigen Denkens, sodass uns nichts Neues in den Sinn kommen kann.
•Hinschauen: Wird dieser Weg weiter verfolgt, vertieft sich der Moment der erwachenden Aufmerksamkeit; wir halten in unserem gewohnheitsmäßigen Urteil inne und betrachten die Realität mit frischem Blick. Bei einer Wahrnehmung aus diesem Blickwinkel sehen wir die Welt mit offenem Denken, aber auch aus einer Warte, von der aus das Beobachtete als von uns getrennt erscheint.
•Hinspüren: Setzt sich der Prozess noch weiter fort, vertieft sich der Moment der Aufmerksamkeit; wir wenden unsere Wahrnehmung um, hin zu einer Verbindung mit dem Feld und zu einem Hinspüren vom Ganzen her. Bei einer Wahrnehmung aus diesem Blickwinkel verschwimmt die Grenze zwischen Beobachter und Beobachtetem und eröffnet einen Erkenntnisraum, der dem System erlaubt, sich selber wahrzunehmen.
•Anwesendwerden: Wird dieser Weg noch weiter verfolgt, vertieft sich der Moment des Gewahrwerdens immer weiter; wir lassen das Alte los und verbinden uns mit dem Quellort des Seienden und der im Entstehen begriffenen Zukunft. Bei einer Wahrnehmung aus diesem Blickwinkel löst sich die Grenze zwischen Beobachter und Beobachtetem vollständig auf, verwandelt sich in einen Ort des Haltens, der den Teilnehmenden und dem System ermöglicht, sich selbst sowohl in Bezug auf die gegenwärtige Realität als auch in Bezug auf die im Entstehen begriffene Zukunft wahrzunehmen.
•Verdichten der Vision und Intention: Bei weiterer Fortsetzung manifestiert sich das Gewahrwerden immer weiter, wenn wir die im Entstehen begriffene Zukunft vergegenwärtigen und kommen lassen. Bei einer Wahrnehmung aus diesem Blickwinkel wird die Beziehung zwischen Beobachtetem und Beobachter oder zwischen System und Selbst allmählich durch einen profunden Umkehrungsprozess transformiert. Dieses Umstülpen beginnt damit, dass sich Vision und Intention verdichten (im Gegensatz zum Verdichtetwerden durch den Beobachter).
•Erproben des Neuen in Prototypen von lebendigen Mikrokosmen: Wird der Prozess weiter fortgesetzt, manifestiert sich das Gewahrwerden immer weiter; wir entwickeln Prototypen, in denen die Zukunft durch praktisches Tun gemeinsam erkundet und entwickelt wird. Bei einer Wahrnehmung aus diesem Blickwinkel setzt sich die Umkehrung der Beziehung zwischen Beobachtetem und Beobachter (System und Selbst) weiter fort, während der Prozess des Erprobens in Prototypen durch den Kontext oder den »Dialog mit dem Universum« angeleitet wird (im Gegensatz zur Anleitung durch das beobachtende Selbst).
•Das Neue praktisch anwenden und institutionell verkörpern: Wird der Prozess noch weiter fortgesetzt, manifestiert sich das Gewahrwerden immer weiter, wenn wir das Neue durch beispielsweise Infrastrukturen und Alltagspraktiken in eine Form bringen. Bei einer Wahrnehmung aus diesem Blickwinkel kommt es zur vollständigen Umkehrung der Beziehung zwischen Beobachtetem und Beobachter (System und Selbst) durch das Einbetten und praktische Anwenden des Neuen vom größeren Ökosystem aus (anstatt vom beobachtenden Selbst aus).
Diese sieben kognitiven Räume lassen sich mit sieben unterschiedlichen Räumen eines Hauses vergleichen. Jeder Raum repräsentiert einen der sieben Räume der Aufmerksamkeit (Abb. 2.5). Die meisten Organisationen und Institutionen benutzen heute nur wenige dieser Räume – häufig die Räume der oberen Hälfte von Abb. 2.5 –, während das in den anderen Räumen liegende Potenzial nur selten genutzt und nicht realisiert wird. Teil II dieses Buches geht im Detail auf jeden dieser Räume ein und legt dar, wie wir uns diese Räume erfolgreich erschließen, unseren Aufenthalt darin genießen und durch diese Erfahrung wachsen können.
Der Rest des Weges, der uns zur Entdeckung der Theorie U führte, lässt sich mit den folgenden fünf Thesen zusammenfassen:
1.Wir brauchen eine neue soziale Technik, die auf der Feinabstimmung von drei Instrumenten basiert.
2.Das wichtigste Führungswerkzeug ist dein Selbst.
3.Innere Führungsarbeit muss sich mit drei Feinden auseinandersetzen.
4.Das U ist ein lebendiger, kein linearer mechanischer Prozess.
5.Der Aufstieg des sozialen Raums der Emergenz und Kreativität (»cycle of presencing«) ist verbunden mit dem Aufstieg seines Gegenteils: des sozialen Raums der Zerstörung (»cycle of absencing«).
Auf diese fünf Punkte wird hier und im weiteren Verlauf des Buches genauer Bezug genommen.

1. Wir brauchen eine neue soziale Technik, die auf der Feinabstimmung von drei Instrumenten basiert
In Innovations- und Veränderungsprojekten habe ich beobachtet, dass viele erfahrene Führungskräfte diese tieferen Ebenen des U aus ihrer eigenen Erfahrung her kannten, jedoch viele Organisationen, Institutionen und größere Systeme ausschließlich auf Ebene 1 oder 2 operierten. Warum? Ich glaube, es fehlt eine neue soziale Führungstechnologie, die diese unteren Ebenen zugänglich macht. Ohne diese Kapazität bleiben Prozesse in den Strukturen der Vergangenheit. Viele Initiativen zur »Restrukturierung« oder des »Re-engineering« bieten Beispiele, die lediglich zu mehr Frustration und Zynismus bei den Beteiligten führen.
Der Zugang zu den unteren Ebenen bedarf der Entwicklung einer neuen Art der sozialen Technik, die auf drei Instrumenten oder Sensorien basiert, die jeder von uns schon besitzt – einem Öffnen des Kopfdenkens, einem Öffnen des Herzdenkens und einem Öffnen der Willenskapazitäten (Abb. 2.6). Diese Sensorien müssen nicht nur auf der individuellen Ebene, sondern auch auf der kollektiven Ebene ausgebildet und kultiviert werden.
Die erste Kernkompetenz oder das erste Instrument, die Fähigkeit zur Öffnung des Kopfdenkens, basiert auf unserem Vermögen, analytisch und intellektuell sauber zu arbeiten. Häufig wird der Grad dieser Fähigkeit mit dem IQ ausgedrückt. Diese Fähigkeit ermöglicht es uns, mit den objektiven Zahlen und Fakten in unserem Umfeld umzugehen. Der Verstand ist wie ein Fallschirm, wie man so schön sagt – er funktioniert nur, wenn er offen ist.
Die zweite Kernkompetenz, die Fähigkeit zur Öffnung des Herzdenkens, beschreibt unsere Fähigkeit, unsere emotionale Intelligenz (EQ) zu gebrauchen. Emotionale Intelligenz beschreibt unsere Kapazität, mit anderen mitzufühlen, sich in andere Kontexte hineinzufinden und aus der Perspektive einer anderen Person wahrzunehmen.
Die dritte Kernkompetenz, die Fähigkeit zur Öffnung des Willens, hängt mit unserem Vermögen zusammen, das alte Ich und die alte Intention loszulassen und das neue, werdende (oder höhere) Ich und die neue Intention anwesend werden und kommen zu lassen. Diese Form der Intelligenz wird manchmal auch als Intention, spirituelle Intelligenz (SQ) oder Selbsterkenntnis bezeichnet.
Abb. 2.6: Drei Instrumente: Öffnung des Denkens, des Fühlens und des Willens
Jedes dieser drei Instrumente kann für die individuelle (subjektive) wie auch für die kollektive (intersubjektive) Ebene ausgebildet werden.
2. Das wichtigste Führungswerkzeug ist dein Selbst
Die zweite Erkenntnis betrifft die Tatsache, dass jeder Mensch sich entwickelt und verändert, und die Einsicht, dass wir nicht ein Selbst darstellen, sondern zwei:25
•Jeder Mensch ist das Selbst oder die Person, die er oder sie aufgrund seines (vergangenen) Lebensweges geworden ist. Das gilt auch auf kollektiver Ebene für Gruppen oder Organisationen.
•Das zweite Selbst ist die Person oder die Gemeinschaft, die wir auf unserem weiteren Lebensweg werden können. Dieses Selbst oder diese Person ist unsere höchste Zukunftsmöglichkeit.
Diese zwei Personen oder Aspekte des »Selbst« begegnen sich im Moment des Presencing, also im tiefsten Punkt des U-Prozesses.
Im weiteren Verlauf des Buches wird diese Begegnung im Detail betrachtet. An dieser Stelle soll festgehalten werden, dass die Begegnung dieser zwei »Selbst« einen Schritt über eine Schwelle oder einen Weg durch ein Nadelöhr voraussetzt. Ohne diesen Schritt oder Weg bleiben Veränderungsbemühungen oberflächlich. Sie berühren nicht den wesentlichen Kern unserer höchsten Zukunftsmöglichkeit. In diesem Schritt werden unser Ego und unser Gewohnheits-Selbst fallen gelassen, damit unser Zukunftspotenzial oder unser höheres Selbst realisiert werden kann.
Wenn »Selbst 1« und »Selbst 2«, das alltägliche und das höhere Selbst, beginnen, miteinander zu kommunizieren, baut sich eine zarte, aber sehr reale Verbindung zu unserer zukünftigen Möglichkeit auf (Abb. 2.7), die uns dann Hilfe und Anleitung in Situationen bietet, für die uns die Vergangenheit keine nützlichen Ratschläge mehr geben kann.
Das wichtigste Werkzeug dieser neuen Führungstechnik ist also das Selbst.
Abb. 2.7: Das (höhere) Selbst als wichtigstes Werkzeug
3. Innere Führungsarbeit muss sich mit drei Feinden auseinandersetzen
Die dritte Erkenntnis betrifft folgendes Rätsel: Warum ist der Weg zu den tieferen Ebenen des U der weniger beschrittene Weg? Weil er schwierige innere Arbeit abverlangt. Um »durch das Nadelöhr« zu gehen, müssen wir uns u. a. drei Stimmen des inneren Widerstands (drei »Feinden«) stellen und uns mit ihnen auseinandersetzen. Der erste Feind blockiert ein Öffnen des intellektuellen Denkens. Michael Ray nennt diesen Feind die Stimme des Urteilens (SdU [Voice of Judgment: VoJ]). Gelingt es nicht, diese Stimme des Urteilens zum Schweigen zu bringen, kann kein Prozess hin zu unserer realen Kreativität stattfinden.
Der zweite Feind blockiert den Zugang zu einem Öffnen des Herzdenkens. Dies ist die Stimme des Zynismus (SdZ [Voice of Cynism: VoC]). Zynismus umfasst alle Formen von emotionellen Handlungen, die zu einer Distanzierung von der aktuellen Situation führen.
Eine Schwierigkeit, wenn eine Öffnung der Herzintelligenz beginnt, ist oft, dass die betreffende Person eher verletzbar erscheint. Dann bietet sich eine zynische Distanzierung oft als der einfachere Weg an. Dennoch ist die Stimme des Zynismus letztlich genauso dysfunktional wie die Stimme des Urteilens, wenn es darum geht, auf den Quellort des authentischen Selbst und die Quellen der schöpferischen Kreativität zuzugreifen.
Abb. 2.8: Den drei Feinden entgegentreten: der Stimme des Urteilens (SdU), der Stimme des Zynismus (SdZ), der Stimme der Angst (SdA)
Der dritte Feind blockiert den Zugang zu einer Öffnung des Willens. Dieser Feind ist die Stimme der Angst (SdA [Voice of Fear: VoF]). Angst hindert uns daran, das, was wir haben und sind, loszulassen. Diese Angst hat viele Formen: Angst vor ökonomischen Problemen, Angst, ein Außenseiter zu sein, Angst, sich lächerlich zu machen, Angst, mit dem eigenen Vorhaben zu scheitern. Angst vor dem Tod. Dieser Stimme der Angst mit Mut entgegenzutreten und sie produktiv zu verwandeln ist eine wesentliche Führungsaufgabe unserer Zeit. Die im Entstehen begriffene Zukunft kann erst dann beginnen, Form anzunehmen und ankünftig zu werden, wenn wir das alte Selbst loslassen und das neue Selbst kommen lassen, wenn wir die Angst, ins Unbekannte zu treten, überwinden können.