Kitabı oku: «Theorie U - Von der Zukunft her führen», sayfa 8
Die U-Theorie: Handeln von der entstehenden Zukunft her
Was immer wir tun, wir agieren auf der Basis von einer dieser vier Aufmerksamkeitsfelder. Wir greifen auf eine dieser Bewusstseinsebenen zu, ob wir nun allein oder in großen Gruppen sind. Ich schlage vor, diese Zustände des Handelns Feldstrukturen der Aufmerksamkeit zu nennen. Die auf sichtbarer Ebene identischen Aktivitäten (wie Zuhören) können in der Praxis radikal unterschiedliche Ergebnisse produzieren, abhängig von der Feldstruktur der Aufmerksamkeit, durch die eine bestimmte Handlung in die Welt kommt. Anders ausgedrückt: Ich nehme (auf die Weise X) wahr – deshalb tritt das Ereignis (Y) in Erscheinung. Dies ist die verborgene Dimension unseres gemeinsamen sozialen Prozesses. Diese Dimension ist vielleicht nicht einfach oder sofort verständlich, aber sie ist der Hebel für wirklichen Wandel. Ich habe die U-Theorie entwickelt, um ein besseres Verständnis dieser Quelldimension des sozialen Werdens zu ermöglichen.
Die Theorie U greift die Kernfrage auf, die diesem Buch zugrunde liegt: Was ist erforderlich, damit wir von einer im Entstehen begriffenen Zukunft her lernen und handeln? In Kapitel 2 werden wir uns auf den »Weg zum U« begeben und diese Frage mit dem Ziel verfolgen, unsere Führungs-, Handlungs- und Lernzyklen von den Feldern 1 und 2 (Reagieren und Schnellschüsse) weg in Richtung der Felder 3 und 4 (profunde Erneuerung und Veränderung) zu vertiefen.
Die turbulenten Herausforderungen unserer Zeit zwingen alle Institutionen und Systeme dazu, sich selbst zu erneuern und neu zu erfinden. Um das leisten zu können, müssen wir uns fragen: Wer sind wir? Wozu sind wir hier? Was wollen wir wirklich gemeinsam hervorbringen? Die Antworten auf diese Fragen werden unterschiedlich ausfallen, je nach der Feldstruktur unserer Aufmerksamkeit (und unseres Bewusstseins), die wir nutzen, um sie zu beantworten. Sie können aus einer rein materialistisch-deterministischen Sicht beantwortet werden (wenn man von Feld 1 und Feld 2 aus agiert), oder sie können aus einer eher ganzheitlicheren Perspektive betrachtet werden, die die feineren relationalen und spirituellen Quellen im Prozess der sozialen Realitätsentstehung mit einbezieht (Feld 3 und Feld 4).
Eine neue Wissenschaft
Dieses Buch hat mehr vor als nur den blinden Fleck von Führung auszuleuchten. Es versucht, die unsichtbare Dimension des sozialen Prozesses zu erhellen, mit der es jeder von uns im täglichen Leben, ob bewusst oder nicht, zu tun hat. Damit das gelingen kann, müssen wir unsere gegenwärtige Form von Wissenschaft eine Windung weiterdrehen. Wie die Psychologin Eleanor Rosch von der University of California in Berkeley es so treffend auf den Punkt brachte: »Wissenschaft muss mit dem Willen zur Weisheit geleistet werden.« Die Wissenschaft, wie wir sie heute kennen, steckt im Hinblick darauf immer noch in den Kinderschuhen.
Galileo Galilei entwickelte im Jahr 1609 ein Teleskop, durch das er die Monde des Jupiters beobachten konnte. Seine Beobachtungen unterstützten mit starker Evidenz das ketzerische Kopernikanische Weltbild, das Postulat eines heliozentrischen Universums. 66 Jahre zuvor hatte Nicolaus Kopernikus eine Abhandlung veröffentlicht, in der er den revolutionären Gedanken vertrat, dass die Sonne das Zentrum des Universums bildete und nicht – wie in der damals aktuellen Sichtweise von Ptolemäus vertreten – die Erde. Während des folgenden halben Jahrhunderts seit ihrer Publikation wurde Kopernikus’ Theorie mit Skepsis betrachtet, vor allem von der katholischen Kirche. Als Galilei durch das Teleskop sah, wusste er, dass Kopernikus recht gehabt hatte. Aber als er für dessen Sicht eintrat, zunächst in privaten Gesprächen, später auch durch seine Schriften, opponierte die katholische Kirche wie auch schon bei Kopernikus aufs Schärfste und bestand darauf, dass dies eine Irrlehre sei, und berief eine Inquisition ein. Galilei versuchte, seine Ansicht zu verteidigen, indem er die Kirchenobersten drängte, doch durch das Teleskop zu sehen und sich der Tatsachen mit ihren eigenen Augen zu vergewissern. Aber die Kirchenführer verweigerten den erschreckenden Durchblick. Sie trauten sich nicht, sich über das Dogma der Heiligen Schrift hinauszubewegen. Auch wenn die Kirche Galilei während der Inquisitionsverhandlung erfolgreich einschüchterte (und den Siebzigjährigen dazu zwang, seine Ansichten zurückzunehmen) – der Sieg war ihm schließlich sicher, und heutzutage gilt er als Vater der modernen experimentellen Physik. Galileo Galilei leistete Pionierarbeit für die moderne Wissenschaft, indem er, anstatt sich abzuwenden, nach vorne durch sein Teleskop sah und die Fakten sprechen ließ; er gründete seine Ansichten auf seinen eigenen Beobachtungen und nicht auf die Dogmen der Kirche.
Heute, über 400 Jahre später, stehen wir vor einem weiteren Durchbruch. Galileo transformierte die Wissenschaft, indem er uns ermutigte, unseren eigenen Augen zu trauen und unsere Sinne zur Erfassung externer Daten einzusetzen. Heute sind wir gefordert, diese Methode zu verbreitern und zu vertiefen und dadurch ein viel umfassenderes Set von Daten dem Erkenntnisprozess zugänglich zu machen. Damit das gelingt, müssen wir ein Teleskop neuen Typs entwickeln: nicht des Typs, durch den wir beobachten können, was weit außerhalb von uns selbst liegt – die Monde des Jupiters –, sondern eines anderen Typs, durch den wir den Beobachtungsstrahl krümmen, wenden und schließlich auf seinen Ursprungsort zurücklenken können: auf den blinden Fleck, d. h. auf das Forschung betreibende Selbst des Beobachters. Zu den Instrumenten, die wir brauchen, um den Beobachtungsstrahl auf die Quelle zurückzulenken, gehören nicht nur ein offenes Denken (das zum normalen Modus des Fragens und Erforschens gehört), sondern auch ein offenes Herz und ein offener Wille. Auf diese subtileren Aspekte der Beobachtung und Erkenntnis werden wir später noch ausführlicher eingehen.
Die heutige Wissenschaftstransformation ist nicht weniger revolutionär als seinerzeit die von Galileo Galilei. Auch der Widerstand der amtierenden Wissens- und Würdenträger wird nicht weniger erbittert sein als der, auf den Galilei seinerzeit stieß. Und dennoch müssen wir, sofern wir uns den globalen Herausforderungen stellen und den Ruf unserer Zeit hören wollen, fragen, wie eine neue Synthese der Wissenschaft, der sozialen Evolution und des Werdens des Selbst (oder des Bewusstseins) aussehen kann. Lange Zeit war es unter Sozialwissenschaftlern und Managementforschern eine weit verbreitete Praxis, eigene Methoden und Paradigmen aus den Naturwissenschaften, z. B. der Physik, abzuleiten (oder zumindest durch diese zu legitimieren). Ich meine, dass nun die Zeit gekommen ist, dass Soziologen aus ihrem Schatten heraustreten und eine weiterentwickelte Methodologie der Sozialwissenschaften etablieren, die Wissenschaft (Perspektive der dritten Person), soziale Transformation (Perspektive der zweiten Person) und die Entwicklung des Selbst (Perspektive der ersten Person) in ein kohärentes Konzept von auf Bewusstheit gründender Aktionsforschung integriert.
Ein solches Gerüst entwickelt sich bereits aus zwei bedeutsamen Richtungsänderungen, die in den Sozialwissenschaften in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stattgefunden haben:
•Auf die erste wird häufig als aktionsforscherische Wende verwiesen – Kurt Lewin, ihr Pionier, und seine Anhänger haben in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Vielzahl von Ansätzen zur Aktionsforschung vorangetrieben (vgl. Reason a. Bradbury 2001).
•Die zweite Richtungsänderung erfolgte im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert und wird häufig als die reflexive Wende beschrieben, sollte aber vielleicht besser selbstreflexive Wende auf die eigenen Muster von Aufmerksamkeit und Bewusstsein genannt werden.
Die sich entwickelnde Synthese verknüpft alle drei Blickrichtungen: die der Wissenschaft (Daten sprechen lassen), die der Aktionsforschung (man kann ein System nicht verstehen, solange man es nicht verändert) und die der Evolution von Bewusstsein und Selbst (den blinden Fleck erkennen und erhellen).
Vor 2300 Jahren schrieb Aristoteles, wohl der größte Pionier und Innovator westlichen Forschens und Denkens, in Band VI seiner Nikomachischen Ethik, es gäbe in der menschlichen Seele fünf verschiedene Wege oder Fähigkeiten, die Wahrheit zu erfahren (Aristoteles 1972, NE 1139 615). Nur einer von ihnen ist die Wissenschaft (gr.: episteme). Wissenschaft ist nach Aristoteles auf Dinge beschränkt, die sich so und nicht anders verhalten (d. h. auf den Bereich, in dem die Dinge durch Notwendigkeit bestimmt sind). Die vier anderen Wege und Fähigkeiten der Wahrheitsfindung hingegen beziehen sich auf die übrigen Lebensbereiche: Kunst oder das Herstellen (gr.: techne), praktische Weisheit (gr.: phronesis), theoretische Weisheit (gr.: sophia) und die Intuition oder Fähigkeit, Grundprinzipien oder Quellen zu erfassen (gr.: nous für »Geist, Vernunft«).
Die moderne Wissenschaft beschränkte sich bislang weitgehend auf episteme. In unserem Jahrhundert sollten wir jedoch unser Wissenschaftsverständnis erweitern und auch die übrigen Zugänge zur Wahrheitsfindung in den Prozess des wissenschaftlichen Erkennens einbeziehen: Technologien (techne), praktische Weisheit (phronesis), theoretische Weisheit (sophia) und die Fähigkeit, die Quellen der Aufmerksamkeit und Intention (nous) intuitiv zugänglich zu machen.
Unser gemeinsamer Feldgang: Der Denkweg dieses Buches
Wie dieses Buch organisiert ist
Nachdem wir in Teil I gegen den »blinden Fleck« prallen, erleben wir in Teil II ein »Eintreten in das U-Feld«, gefolgt von »Presencing: Eine soziale Technik für tief greifende Innovation« und Veränderung durch gemeinsame Gegenwärtigung in Teil III.
Teil I des Feldgangs setzt sich mit unterschiedlichen Erscheinungsformen des blinden Flecks auseinander. Ich werde argumentieren, dass die zentrale Krise unserer Zeit damit zu tun hat, dass wir auf allen Systemebenen unserer Gesellschaft immer wieder auf das gleiche Problem stoßen: unseren blinden Fleck. Auf allen Ebenen werden wir immer wieder mit der gleichen Unzulänglichkeit konfrontiert: Wir sind nicht in der Lage, generativ auf die aktuellen Herausforderungen zu antworten, solange wir uns unseres blinden Flecks nicht bewusst werden und den inneren Ort, von dem aus wir handeln, nicht verändern.
In Teil II werden wir den Kernprozess analysieren, durch den der blinde Fleck erhellt und bewusst gemacht werden kann.
Teil III unseres Feldgangs diskutiert diesen Kernprozess im Sinne einer evolutionären Grammatik, die dann in zweierlei Hinsicht entwickelt wird: zum einen als Theorie der sozialen Felder (U-Theorie) und zum anderen als soziale Technik (24 Prinzipien und Praktiken des Presencing).
Das Buch schließt mit einem Epilog, der den Titel trägt: »U.School – Bewusstseinsbasierten Systemwandel praktisch machen«. Darin werden Ideen und ein allgemeiner Plan für eine globale Aktionsforschungsuniversität dargelegt, die die oben angesprochenen Prinzipien durch eine Integration von Wissenschaft, Bewusstsein und sozialer Evolution in die Praxis umsetzt.
Die folgenden 21 Kapitel integrieren die Erkenntnisse aus Dialoginterviews mit weltweit 150 führenden Denkern und Praktikern in den Bereichen Strategie, Wissen, Innovation und Führung. Der Denkweg dieses Buches reflektiert auch die Biografie des Verfassers – erkennbar die eines weißen männlichen europäischstämmigen Amerikaners – sowie meine Forschung am MIT und ungezählte Diskussionen mit und Anregungen durch Kolleginnen und Kollegen am MIT und an anderen Institutionen von Forschung und Praxis. Ich habe die sich hieraus entwickelnde U-Theorie auf der Basis von Beratungs- und Aktionsforschungsprojekten mit globalen Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen, beispielsweise Alibaba, Daimler, Decurion, Eileen Fisher, Federal Express, Fujitsu, GlaxoSmithKline, Google, Hewlett-Packard, ICBC, McKinsey, Oxfam, PricewaterhouseCoopers und verschiedenen Multistakeholder-Gruppen geformt und getestet.
Besonders inspiriert hat mich immer die enge Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich der Kunst, zum Beispiel mit Arawana Hayashi, die durch zahlreiche Projekte das sogenannte Social-Presencing-Theater entwickelt hat. Einige der Illustrationen im Buch basieren auf meinen eigenen handgezeichneten Bildern und viele weitere stammen von professionellen Künstlern; diese Bilder machen die Konzepte lebendig und veranschaulichen sie oft viel besser als Worte. Ich hoffe, dass ihre Einbeziehung den Zugang zu einigen der anspruchsvolleren Ideen in diesem Buch erleichtert.
Intention
Dieses Buch beabsichtigt drei Dinge:
1) Es liefert einen Schlüssel oder, wie wir es manchmal bezeichnen, eine Grammatik des sozialen Feldes, die den blinden Fleck erschließt (Kapitel 15, 20).
2) Es zeigt die folgenden vier fundamentalen Metaprozesse auf, durch die die soziale Welt Moment für Moment hervor- und in die Welt gebracht wird:
− denkendes Handeln (Kapitel 16)
− kommunikatives Handeln (Kapitel 17)
− organisationales Handeln (Kapitel 18) und
− global-systemisches Handeln (Kapitel 19)
3) Abschließend skizziert das Buch eine soziale Technologie der Freiheit, die diesen Ansatz durch konkrete Prinzipien und Praktiken umsetzbar macht (Kapitel 21).
Zusammengenommen ergeben die Prinzipien und Praktiken ein Ganzes. Dies vorausgeschickt, können sie auch als die fünf Bewegungen betrachtet werden, die den Verlauf des U markieren (Abb. E.2):
Abb. E.2: Der U-Prozess: Fünf Bewegungen
•Gemeinsames Gefäß bilden: Höre darauf, wozu das Leben dich auffordert; verbinde dich mit Menschen und Kontexten, die mit diesem Ruf in Zusammenhang stehen; bilde Konstellationen von Schlüsselakteuren, die die gemeinsame Intention lebendig machen.
•Gemeinsames Hinspüren: Tauche ein in die Orte der größten Möglichkeit; beobachte, beobachte, beobachte; und bewege, was du aufnimmst, in deinem weit geöffneten Denken und Herzen.
•Gemeinsame Stille: Suche einen Raum der individuellen und kollektiven Stille, öffne dich für die tieferen Quellen des Wissens und verbinde dich mit der Zukunft, die durch dich entstehen will.
•Gemeinsames Erproben: Baue Landebahnen für die Zukunft, indem du lebende Mikrokosmen des Neuen erschaffst, um die Zukunft im prototypischen Tun zu erkunden.
•Gemeinsames Gestalten: Entwickle mit anderen ein größeres Ökosystem der Innovation und halte das Gefäß, das Menschen über Grenzen hinweg verbindet, indem sie aus dem entstehenden Ganzen heraus wahrnehmen und handeln.
Die verwendeten Methoden
Unser Feldgang umfasst drei Methoden: Phänomenologie, Dialog und kollaborative Aktionsforschung. Alle drei zielen auf den gleichen Kernpunkt ab: die ineinander verflochtene Struktur von Wissen, Realität und Selbst. Alle folgen dem Diktum Kurt Lewins, dem Begründer der Aktionsforschung, der beobachtete und feststellte: »Man kann ein System nicht verstehen, solange man es nicht verändert.« Jede der drei Methoden hat jedoch einen eigenen Schwerpunkt:
•Die Phänomenologie nimmt den Blickwinkel der ersten Person ein (individuelles Bewusstsein),
•der Dialog den Blickwinkel der zweiten Person (Gesprächsfelder) und
•die Aktionsforschung den Blickwinkel der dritten Person (institutionelle Muster und Strukturen).
Sie werden bemerken, dass ich mich in diesem Buch nicht oft auf individuelle Führungspersonen beziehe, sondern auf unsere systemische oder gemeinsame Führung abziele. Alle Menschen beeinflussen Veränderung, unabhängig von formalen Positionen oder Titeln. Führung in unserem Jahrhundert heißt, die Feldstrukturen der kollektiven Aufmerksamkeit – des Zuhörens – auf allen Ebenen zu transformieren.
Jeffrey Hollender, Gründer und ehemaliger CEO von Seventh Generation, drückte das einmal so aus: »Führung ist die Fähigkeit, das Ganze besser hören zu können als irgendjemand sonst.« Sieh dich um. Was siehst du? Wir haben heute mit globaler Führung zu tun, und das heißt, dass wir unsere Aufmerksamkeit und unser Hinhören erweitern und über das individuelle (Mikroebene) hinauslenken, hin zu Interaktionen von Gruppen (Mesoebene) und von dort zur institutionellen (Makroebene) und globalen Ebene (Mundoebene). Die gute Nachricht ist, dass die verborgenen Umschlagpunkte für die Transformation der Feldstruktur der Aufmerksamkeit auf allen Ebenen prinzipiell die gleichen sind. Die Sollbruchstellen oder Umschlagpunkte, die ich in diesem Buch diskutiere, sind auf Systeme auf allen diesen Ebenen anwendbar.
Der Haken an der Sache ist, dass wir einen Preis zahlen müssen. Aus dem vierten Feld des Werdens heraus zu agieren, setzt eine Bereitschaft voraus: die Bereitschaft, alles loszulassen, das nicht wesentlich ist, und entsprechend dem Prinzip des »Stirb und werde« zu leben, das Goethe 1819 als die Essenz der menschlichen Reise beschrieb:
»Und so lang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde«23
Der wirkliche Kampf der Gegenwart ist nicht der zwischen Zivilisationen oder Kulturen, sondern der zwischen unterschiedlichen Evolutionsmöglichkeiten der Zukunft, die sich für uns als Menschen ergeben. Das, worum es geht, ist eine Bestimmung, wer wir sind, wer wir sein möchten und an welcher Zukunftsgeschichte wir teilnehmen möchten. Die wahre Frage lautet also: Wozu sind wir hier? Was ist unsere Aufgabe?
Die alten Formen der Führung zerfallen ähnlich wie die Berliner Mauer im Jahre 1989. Wir brauchen mehr als nur einen neuen Ansatz für Führung. Wir müssen vielmehr das Konzept von Führung hinter uns lassen. Stattdessen sollten wir uns auf einen Entdeckungsweg machen, um die tieferen Quellen der gemeinsamen Wahrnehmung und Willensbildung zu erschließen – die Intelligenz des offenen Denkens, des offenen Herzens und des offenen Willens – auf individueller wie auf kollektiver Ebene.
Ich lade Sie ein, diese Entdeckungsreise gemeinsam mit mir zu unternehmen!
9Ich danke Göran Carstedt für den Hinweis auf Havels Rede am 4. Juli 1994 in Philadelphia. World Hunger Education Service, »2018 World Hunger and Poverty Facts and Statistics« (Verfügbar unter: https://www.worldhunger.org/world-hunger-and-poverty-facts-and-statistics/ [Zugriff: 13.1.2020]).
10 World Hunger Education Service, »2018 World Hunger and Poverty Facts and Statistics« (Verfügbar unter: https://www.worldhunger.org/world-hunger-and-poverty-facts-and-statistics/ [Zugriff: 13.1.2020]).
11 https://www.theguardian.com/business/2016/jan/18/richest-62-billionaires-wealthy-half-world-population-combined [Zugriff: 18.2.2020].
12 Tony Dokoupil, »Why Suicide Has Become an Epidemic – And What We Can Do To Help«, Newsweek 23. Mai 2013. Verfügbar unter: http://newsweek.com//2013/05/22/why-suicide-has-become-epidemic-and-what-we-can-do-help-237434.html) [Zugriff: 18.2.2020].
13 World Hunger Education Service, »2018 World Hunger and Poverty Facts and Statistics « (Verfügbar unter: https://www.worldhunger.org/world-hunger-and-poverty-facts-and-statistics/ [Zugriff: 13.1.2020]).
14 »The State of the World’s Children ›Childhood under Threat‹« (www.unicefusa.org).
15 Durch eine Kombination der internationalen Zahlen bezüglich starker und extremer Bodendegradation lässt sich am besten einschätzen, wie groß die Flächen sind, die durch Bodendegradation größtenteils unwiederbringlich zerstört sind. Diese Untersuchung wurde Ende der 1980er Jahre durchgeführt. Aktuellere Informationen, auch zu einzelnen Ländern, lassen sich durch eine Internetrecherche mit dem Suchbegriff »land degradation assessments« finden.
16 Diesen Punkt verdanke ich Johan Galtung, siehe Galtung (1995).
17 Siehe Argyris (1993); Argyris a. Schön (1995); Senge (1990); Senge et al. (1994); Schein (1989).
18 Scharmer 2000a.
19 Scharmer 2000b und 2000c.
20 Da das Wort presencing auch im Englischen eine Neuschöpfung ist, haben wir uns entschlossen, dieses Wort in der deutschen Übersetzung häufig beizubehalten. Daneben haben wir Presencing auf vier unterschiedliche Weisen übersetzt: als »Gegenwärtigung«, »Gegenwärtigwerden«, »Anwesendwerden« oder als »In-die-Welt-Kommen«. Jede dieser vier Übersetzungen beleuchtet einen bestimmten Aspekt des hier beschriebenen Grundgeschehens: das In-die-Welt-Kommen des Neuen durch eine Steigerung der eigenen Gegenwartsfähigkeit.
21 Unter anderem möchte ich hier nennen: Beth Jandernoa, Joseph Jaworski, Michael Jung, Ekkehard Kappler, Katrin Käufer, Seija Kulkki, Ikujiro Nonaka, Ed Schein, Peter Senge und Ursula Versteegen.
22 Das Interview mit Jonathan Day, das C. Otto Scharmer am 14. Juli 1999 geführt hat, ist verfügbar unter: www.dialogonleadership.org/interviews/Day.shtml [Zugriff: 13.11.2008].
23 Schlussstrophe des Gedichts »Selige Sehnsucht« aus dem »Buch des Sängers« in Goethes West-östlicher Divan. Hamburger Ausgabe, Bd. 2, S. 18.